Zusammenhang zwischen Naturalismus und Humanismus?

Beitragvon Andreas Müller » Sa 17. Feb 2007, 21:46

1. Wenn es aus Sicht der Evolution keinen Sinn ergäbe, dass "dümmere" Menschen existieren, dann gäbe es sie nicht. Sie werden alleine schon für "niedere Arbeiten" gebraucht. Intelligente Menschen verbrauchen derart viel Energie fürs Denken - im Optimalfall - dass sie nicht körperlich arbeiten. Man braucht nicht nur Leute, die Befehle geben, sondern auch Leute, die wissen, wie man sie ausführt. Das ist so nicht meine Meinung, aber eine logische Antwort auf Punkt 1.
2. Nachweis der Zwietracht steht aus. Außerdem könnte man das auch anders lösen.

Ich denke - und historisch war es genau so - dass der Naturalismus den gesellschaftlichen Materialismus begünstigt. Die Naturalisten waren vor 100 Jahren eine linke Strömung, die versuchte, die Lebensbedingungen der Armen zu verbessern. Heute sind sie es leider nicht mehr, sondern ein ziemlich wildes Gemisch, was typisch ist für die postmoderne Philosophie unserer Zeit.
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Beitragvon Tapuak » Sa 17. Feb 2007, 22:15

Der Autor hat geschrieben:1. Wenn es aus Sicht der Evolution keinen Sinn ergäbe, dass "dümmere" Menschen existieren, dann gäbe es sie nicht. Sie werden alleine schon für "niedere Arbeiten" gebraucht. Intelligente Menschen verbrauchen derart viel Energie fürs Denken - im Optimalfall - dass sie nicht körperlich arbeiten. Man braucht nicht nur Leute, die Befehle geben, sondern auch Leute, die wissen, wie man sie ausführt. Das ist so nicht meine Meinung, aber eine logische Antwort auf Punkt 1.

Darin, dass die von mir konstruierte Position wenig begrüßenswert ist, sind wir uns vermutlich einig. Sie fordert lediglich, dass eine bestimmte "soziale Auslese" bewusst gefördert werden soll. Das ist eine rein normative Ansicht. Sie steht dabei weder mit dem Naturalismus noch mit der Wissenschaft in Konflikt, sondern lediglich mit anderen ethischen Positionen. Sie wird also durch den Verweis darauf, dass die biologische Evolution empirisch nach anderen Regeln abläuft, nicht widerlegt.

Wissenschaftlich widerlegbar sind nur die empirischen Vorhersagen, die gemacht werden ("Wenn sich nur noch die Intelligenten vermehren, erhöht das die Intelligenz der Gesellschaft" und "Wenn sich nur noch die Intelligenten vermehren, löst das viele Probleme".). Ihr normativer Gehalt wird dagegen von der Wissenschaft gar nicht tangiert.

Sowohl die Wissenschaft, als auch der Naturalismus machen nur "Seinsaussagen" und lassen damit noch Spielraum für die unterschiedlichsten "Sollensaussagen":

- "Es ist moralisch gut, Reiche zu bestehlen".
- "Es ist moralisch gut, den Reichen noch mehr zu geben."
- "Es ist moralisch gut, Menschen zu verprügeln."
- "Es ist moralisch gut, Menschen zu helfen."

Das sind alles rein normative Aussagen. Auch sie stehen weder mit dem Naturalismus noch mit der Wissenschaft in Konflikt, da Naturalismus und Wissenschaft über das Sollen nichts aussagen. Solange die normativen Aussagen gegen keine empirischen Erkenntnisse der Wissenschaft oder des Naturalismus verstoßen (Beispiel: Ein Gott befiehlt Moralnormen), hat man als Wissenschaftler und Naturalist in der Ethik also freie Hand.

Indirekt hat die Wissenschaft natürlich sehr viele ethische Implikationen, aber das ist ein ganz anderes Thema.

2. Nachweis der Zwietracht steht aus.

Das können die in der fiktiven Gesellschaft Betroffenen ja problemlos durch sozialwissenschaftliche Studien überprüfen.

Außerdem könnte man das auch anders lösen.

Und? Hat nichts damit zu tun, dass die Position naturalistisch und kompatibel mit den Erkenntnissen der Wissenschaft ist.
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Beitragvon Andreas Müller » Sa 17. Feb 2007, 23:51

Die Brights-Gründer werden auch noch auf die Frage antworten. Musst dann mal hier schauen:

http://forum.brights-deutschland.de/viewtopic.php?p=4255#4255
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Beitragvon Tapuak » So 18. Feb 2007, 00:00

Der Autor hat geschrieben:Die Brights-Gründer werden auch noch auf die Frage antworten. Musst dann mal hier schauen:

http://forum.brights-deutschland.de/viewtopic.php?p=4255#4255

Mal unabhängig davon gefragt, wie man den Zusammenhang zwischen Naturalismus und bestimmten Ethiken nun bewertet: Ist Ethik nicht ohnehin ein Gebiet, das nicht gerade zu den Kernanliegen der Brights zählt? Von daher wäre es ja schon eine deutliche Erweiterung des "Programmes", wenn man nun über den "reinen" Naturalismus hinausgeht und auch eine bestimmte ethische Position vertritt (wie z.B. die GBS).
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Beitragvon Andreas Müller » So 18. Feb 2007, 00:12

Wir haben gerade sowieso ein paar Probleme mit unserem Programm. Ich versuche das mit den Gründern zu klären.
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Beitragvon ostfriese » So 18. Feb 2007, 01:30

Die Diskussion um irgendwelche fiktiven Beispiele lenkt ab vom Wesentlichen:

1. Aus dem Sein folgt kein Sollen (weder für Naturalisten, noch für den Rest), wenn man von einer wichtigen Ausnahme absieht: der Tatsache, dass es empfindungsfähige Wesen gibt, die Leid zu vermeiden und Bedürfnisse zu erfüllen trachten. Wie ich in meinem letzten Beitrag ausgeführt habe, braucht man genau dies als Ausgangsposition einer jeden rationalen Ethik.

2. Von dieser Basis aus lässt sich eine humanistische Ethik nach den gleichen Rationalitätskriterien entwickeln, wie sie ontologisch praktisch unweigerlich zum Naturalismus führen (radikaler Agnostiker/Skeptizist ist niemand ernstlich, Solipsist auch nicht, und die Annahme eines komplexen Design-Seins ohne Evolution verbietet sich nach Occam's Razor).

Also: Es gibt keine vernünftigere ontologische Position als den Naturalismus und keine vernünftigere ethische Position als den evolutionären Humanismus. Sie folgen nicht auseinander, sind aber jeweils Ergebnisse kritisch-rationalen Denkens unter virtuoser Rückkopplung mit empirischen Befunden.
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Beitragvon Klaus » So 18. Feb 2007, 09:10

Die Problematiken von Ethik und Moral werden speziell im Morality-Project der brights entwickelt und nehmen hier einen breiten Spielraum ein. Ansonsten empfehle ich die Lektüre über Ethik und Moral im BrightsNet, dort sind sehr umfangreiche Diskussionen im Gange und zum Teil sehr aussagefähig.
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Beitragvon Herzblut » Di 20. Feb 2007, 08:00

Tapuak hat geschrieben:Das wäre eine Form des Rassismus. Sie ist naturalistisch und steht mit keiner einzigen Aussage der Wissenschaft in Konflikt.

Hallo Forum, hallo Tapuak,

die Begründungen für deine zwei Beispiel-Ethiken widersprechen aber allen
Erkenntnissen, die man so aus der Beobachtung der Natur, der menschlichen
Kulturgeschichte bisher gewonnen hat.

Damit stehen sie im Widerspruch zu einem naturalistischen Weltbild.

Naturalismus legt zwar keine Ethik explizit fest, schliesst aber viele Ethiken
explizit aus. Dazu gehören alle Arten von Rassismus. Naturalismus erzwingt,
alle Menschen perse mit gleichen Rechten auszustatten, weil es keinerlei
Begründung dafür gibt, einer bestimmten Menschengruppe perse besondere
Vorrechte einzuräumen.

Aber im Grunde hast du natürlich recht: eine Letztbegründung von Humanismus
gibt es nicht. Es gibt solche Letztbegründungen im Grundsatz eh nie, weil es
ohne Postulierung einer Basis immer zu einer unendlichen Beweisrekursion kommt.

Und die postulierte Basis ist für mich die unantastbare Würde jedes einzelnen
Menschen.

Alternativen?

Die totale Würdelosigkeit jedes Menschen?

Gruss Herzblut
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Beitragvon Herzblut » Di 20. Feb 2007, 08:09

ostfriese hat geschrieben:Die Diskussion um irgendwelche fiktiven Beispiele lenkt ab vom Wesentlichen:

1. Aus dem Sein folgt kein Sollen (weder für Naturalisten, noch für den Rest), wenn man von einer wichtigen Ausnahme absieht: der Tatsache, dass es empfindungsfähige Wesen gibt, die Leid zu vermeiden und Bedürfnisse zu erfüllen trachten. Wie ich in meinem letzten Beitrag ausgeführt habe, braucht man genau dies als Ausgangsposition einer jeden rationalen Ethik.

Hallo ostfriese, wie definierst du "Leid"? Wie quantifizierst du es?

Ohne eine Vorschrift, wie man eine Grösse zu messen hat, kann es keine
Strategie zu deren Minimierung geben.

Gibt es nicht eh so viel Leid auf der Welt? Warum sprengen wir unseren
Planeten dann nicht am besten in die Luft?

Zudem missfällt mir dieser stark utilitaristische Ansatz, weil er nur
resultats- und überhaupt nicht werteorientiert ist. So halte ich es
für eine moralische Verpflichtung, gegen ein totalitäres Gewaltregime
vorzugehen, selbst wenn das ohne jede Aussicht auf Erfolg sein sollte.

Grüsse von
Herzblut
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Beitragvon ostfriese » Di 20. Feb 2007, 17:47

Leid erkenne ich -- wie gesagt -- daran, dass empfindungsfähige Wesen bestimmte Situationen aufsuchen und andere meiden. Messen kann man das durch ein unerfülltes Bedürfnis entstehende Leid z.B., indem man die Kosten ermittelt, die das Wesen hierfür in Kauf zu nehmen bereit ist.

Dennoch geht es nicht nur um Quantifizierung, und schon gar nicht um die "Minimierung der Summe allen Leides". Sondern darum, das Verhalten personal denkender Wesen so zu steuern, dass kein unnötiges Leid entsteht.

Werte einfach dogmatisch zu setzen (anstatt sie aus dem Grundsatz der Minimierung des Leides abzuleiten), halte ich für viel problematischer, und mit dem Begriff "Menschenwürde" kann ich nun rein gar nichts anfangen. Wie definierst Du Menschenwürde?
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Beitragvon Herzblut » Mi 21. Feb 2007, 16:13

ostfriese hat geschrieben:Leid erkenne ich -- wie gesagt -- daran, dass empfindungsfähige Wesen bestimmte Situationen aufsuchen und andere meiden.

Hmmm, jedes Lebewesen ist "empfindungsfähig", idS dass es auf äussere Reize reagiert. Welche
Lebewesen - ausser Menschen - "leiden"? Amöben, Bäume, Spinnen? Ist das "Leiden" einer Spinne
gleichwertig dem Leiden von 12 Mücken? Oder 8? Ich verstehe nicht.

ostfriese hat geschrieben:Messen kann man das durch ein unerfülltes Bedürfnis entstehende Leid z.B., indem man die Kosten ermittelt, die das Wesen hierfür in Kauf zu nehmen bereit ist.

Ich wüsste nicht wie.

ostfriese hat geschrieben:Dennoch geht es nicht nur um Quantifizierung, und schon gar nicht um die "Minimierung der Summe allen Leides".

Das ist gut so.

ostfriese hat geschrieben:Sondern darum, das Verhalten personal denkender Wesen so zu steuern, dass kein unnötiges Leid entsteht.

Welche Wesen wären das? Wesen, die nicht "personal denken", wie können die übrigens leiden?
Wann ist Leid "unnötig", wann ist es "unvermeidbar"? Wenn du mit dem Auto fährst und 1.000
Insekten dabei tötest, war das unnötig? Könntest du deine Ethik ein wenig konkretisieren?

ostfriese hat geschrieben:Werte einfach dogmatisch zu setzen (anstatt sie aus dem Grundsatz der Minimierung des Leides abzuleiten), halte ich für viel problematischer,

Minimierung des Leidens ignoriert Werte, wie ich schon sagte. Solche Ethik ist streng utilitaristisch.
Die effektivste Art der Leidensminimierung ist die Spengung der Erde, wie ich auch sagte.

ostfriese hat geschrieben:und mit dem Begriff "Menschenwürde" kann ich nun rein gar nichts anfangen. Wie definierst Du Menschenwürde?

Entschuldige, ich beantworte die Frage später gern, aber: hast du nicht noch nie mit unserem
Grundgesetz auseinandergesetzt? Artikel 1, Absatz 1 GG lautet:

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen
Gewalt.


Damit wird Menschenwürde als so wichtig angesehen, dass es Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist,
sie zu schützen!

Warum ist das wohl so?

Gruss
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Beitragvon Kival » Mi 21. Feb 2007, 16:21

Weil das Grundgesetz von Kantianern und von Naturrechtlern verfasst wurde? Auch dir Juristen wissen, dass die Menschenwürde eine Null-Floskel ist, deswegen gibt es ja auch Kommentare zum GG, die meisten folgen dabei der Subjektformel Kants, aber auch nicht alle. Menschenwürde ist aber, wie gesagt, ein Wert, und kein Ziel, Werte sind immer nur abgeleitet - wenn man nicht gerade Platonanhänger ist. Davon irgendeinen Wert zu dogmatisieren, halte ich nicht viel.
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Beitragvon Herzblut » Mi 21. Feb 2007, 16:52

Kival hat geschrieben:Weil das Grundgesetz von Kantianern und von Naturrechtlern verfasst wurde? Auch dir Juristen wissen, dass die Menschenwürde eine Null-Floskel ist, deswegen gibt es ja auch Kommentare zum GG, die meisten folgen dabei der Subjektformel Kants, aber auch nicht alle.

Das ist falsch. Das Bundesverfassungsgericht beruft sich öfter auf das Rechtsgut Menschenwürde und seine
unbedingte, vorranginge Schutzwürdigkeit vor allen anderen Rechtsgütern. Zum Beispiel, als es die Antiterror-
gesetze von Otto Schily kippte, die vorsahen, ein von Terroristen gekapertes Flugzeug abschiessen
zu dürfen.

Das ist solange undenkbar, wie sich auch nur ein einziger Unschuldiger in diesem Fleugzeug befindet.
Kein Mensch, kein Subjekt, darf zum blossen Objekt staatlichen Handelns degradiert werden. Das
verstösst gegen Art 1, Abs 1 GG.

Da von einer "Null-Floskel" zu reden, ist schlicht grotesk.

Kival hat geschrieben:Menschenwürde ist aber, wie gesagt, ein Wert, und kein Ziel, Werte sind immer nur abgeleitet - wenn man nicht gerade Platonanhänger ist. Davon irgendeinen Wert zu dogmatisieren, halte ich nicht viel.

Jedes Rechtssystem basiert notwendig auf einem Wertesystem. Sonst wäre gar nicht festzulegen,
was überhaupt und wie hoch zu bestrafen wäre.

Gruss
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Beitragvon Kival » Mi 21. Feb 2007, 17:02

Lies doch mal, was ich schreibe. Das _Wort_ Menschenwürde ist eine Nullfloskel und deshalb gibt es Kommentare zum 1. Grundgesetzartikel, um überhaupt deutlich zu machen, was damit gemeint ist. "Menschenwürde" aber einfach so hineinzuschmeißen ist natürlich Unsinn. Und was du dann schreibst ist ja gerade die Subjektformel von Kant. In dem Fall ist die Menschenwürde also von Kants kategorischen Imperativ abgeleitet.

Natürlich beruhen Rechtssysteme auch auf Werten, aber sinnvoll lassen sich Werte nur von bestimmten Zielsetzungen ableiten. Sie deshalb zu dogmatisieren und unrevidierbar anzusehen, ist Dogmatismus pur. Auf die Zielsetzungen muss man sich einigen, einen Zielkonsens erreichen. Dann kann man davon Werte ableiten, Konsequenzen untersuchen etc. pp.
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Beitragvon Herzblut » Mi 21. Feb 2007, 17:14

Kival hat geschrieben:Lies doch mal, was ich schreibe. Das _Wort_ Menschenwürde ist eine Nullfloskel ...

Kival, ich lese natürlich, was du schreibst. Aber wenn du sagst "M ist eine Nullfloskel", kann ich nicht
erkennen, ob du den Begriff oder den Inhalt meinst. Sorry, aber wenn du das gleich wie oben
geschrieben hättest....

Kival hat geschrieben:Und was du dann schreibst ist ja gerade die Subjektformel von Kant. In dem Fall ist die Menschenwürde also von Kants kategorischen Imperativ abgeleitet.

Ich würde sagen, Menschenwürde macht diese Subjektformel notwendig, macht sie aber nicht vollständig
aus.

Kival hat geschrieben:Natürlich beruhen Rechtssysteme auch auf Werten, aber sinnvoll lassen sich Werte nur von bestimmten Zielsetzungen ableiten. Sie deshalb zu dogmatisieren und unrevidierbar anzusehen, ist Dogmatismus pur.

Ich verstehe dich wieder nicht. Meinst du die "Ewigkeitsklausel" für einige Artikel des GG? Ist diese
nicht eher eine Folgerung aus der unseligen deutschen Geschichte? Wo nämlich per "Ermächtigungsgesetz"
auf scheinlegale Weise eine Demokratie in eine totalitäre Diktatur umgebaut wurde.

Gruss
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Beitragvon ostfriese » Mi 21. Feb 2007, 17:29

Herzblut, darüber, was empfindungsfähige (und leidensfähige) und was personal denkende Wesen sind, können wir keine vollständige Sicherheit gewinnen. Ein Schimpanse ist mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Person (Spiegeltest), Wirbeltiere sind mit hoher Wahrscheinlichkeit leidensfähig (Fische am wenigsten).

Diese Voraussetzungen mögen Dir problematisch/wackelig erscheinen, aber es gibt keine besseren/plausibleren. Lival hat völlig recht: Werte sind aus Zielvorstellungen abzuleiten, kein Wert für sich kann ewige Gültigkeit beanspruchen. Und die "Menschenwürde" ist tatsächlich eine Nullfloskel, auch Du konntest mir offenbar nicht spontan erklären, was ich darunter verstehen soll. Erstaunlich, wo sie doch angeblich so unveräußerlich über allen anderen Werten steht!
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Beitragvon Herzblut » Mi 21. Feb 2007, 17:46

ostfriese hat geschrieben:Herzblut, darüber, was empfindungsfähige (und leidensfähige) und was personal denkende Wesen sind, können wir keine vollständige Sicherheit gewinnen.

Dann ist es irrational, darauf ein Wertesystem, eine Ethik aufbauen zu wollen.

ostfriese hat geschrieben:Diese Voraussetzungen mögen Dir problematisch/wackelig erscheinen, aber es gibt keine besseren/plausibleren.

Diese Voraussetzungen erscheinen nicht nur wackelig, sie sind es.
Und natürlich gibt es eine bessere Ethik, eine humanistische. Aber ich wiederhole mich.

ostfriese hat geschrieben:Lival hat völlig recht: Werte sind aus Zielvorstellungen abzuleiten, kein Wert für sich kann ewige Gültigkeit beanspruchen. Und die "Menschenwürde" ist tatsächlich eine Nullfloskel,

Ich habe belegt, dass Gesetze, welche die Menschenwürde missachten, gegen die Verfassung verstossen
und damit nichtig sind.

ostfriese hat geschrieben:auch Du konntest mir offenbar nicht spontan erklären, was ich darunter verstehen soll. Erstaunlich, wo sie doch angeblich so unveräußerlich über allen anderen Werten steht!

Natürlich kann ich das. Das Konzept Menschenwürde besagt, dass jedem Menschen qua blossem Menschsein
unveräusserliche, unteilbare Rechte zustehen. Der Staat übernimmt ein Wächteramt, diese Rechte zu sichern.

So darf keinem Menschen die Ausübung seiner Religion verboten werden, auch von dir nicht. Und so ist
jeder Mensch eine Person, mit Anrecht auf einen Namen, eine Nationalität usw. Das gilt nicht für irgendein
Tier. Es gilt für KEIN Tier.

Gruss
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Beitragvon Andreas Müller » Mi 21. Feb 2007, 18:24

Du hast wirklich ein übergroßes Brett vor dem Kopf, Herzblut. Du hast keine Ahnung von den neuen Bemühungen, eine Ethik auf naturalistischer Grundlage zu entwickeln (z. B. Evolutionärer Humanismus), du hast keine Ahnung von den philosophischen Hintergründen der Tierrechtsbewegung, du hast keine Ahnung von Evolutionsbiologie, du mischt reale Gesetzgebung mit Philosophie und tust, als wäre sie unfehlbar und du präsentierst deine eigene, zutiefst dogmatische ("das ist ein Fakt") Meinung, als wäre sie die einzig rationale. Deine Ahnungslosigkeit ist nicht schlimm. Schlimm ist die Arroganz, mit der du sie zur Schau stellst.
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Beitragvon ostfriese » Mi 21. Feb 2007, 18:36

Herzblut hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Herzblut, darüber, was empfindungsfähige (und leidensfähige) und was personal denkende Wesen sind, können wir keine vollständige Sicherheit gewinnen.

Dann ist es irrational, darauf ein Wertesystem, eine Ethik aufbauen zu wollen.

Lies doch mal nach, was das Münchhausen-Trilemma besagt. Und informier Dich über die Rationalitätskriterien der modernen Wissenschaftstheorie. Dir fehlen offenbar einige Semester Philosophie. Ist ja nicht schlimm, aber ich würde an Deiner Stelle etwas zurückhaltender auftreten.

Herzblut hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Diese Voraussetzungen mögen Dir problematisch/wackelig erscheinen, aber es gibt keine besseren/plausibleren.

Diese Voraussetzungen erscheinen nicht nur wackelig, sie sind es.
Und natürlich gibt es eine bessere Ethik, eine humanistische. Aber ich wiederhole mich.

Die Ethik des evolutionären Humanismus, die hier die meisten vertreten (so auch ich), wird exakt so begründet, wie ich es beschrieben habe. Es gibt tolle Bücher, in denen Du das nachlesen kannst.

Herzblut hat geschrieben:Ich habe belegt, dass Gesetze, welche die Menschenwürde missachten, gegen die Verfassung verstossen
und damit nichtig sind.

Das ist kein ethisches Argument.

Herzblut hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:auch Du konntest mir offenbar nicht spontan erklären, was ich darunter verstehen soll. Erstaunlich, wo sie doch angeblich so unveräußerlich über allen anderen Werten steht!

Natürlich kann ich das. Das Konzept Menschenwürde besagt, dass jedem Menschen qua blossem Menschsein
unveräusserliche, unteilbare Rechte zustehen.

Wie jetzt? Menschenwürde = Menschenrechte? Dann wäre ja mindestens einer der beiden Begriffe überflüssig. Entweder wissen wir, was Menschenwürde ist, dann bräuchten wir die Menschenrechte nicht gesondert zu formulieren; oder die Menschenwürde ergibt sich automatisch als Folge der Durchsetzung von Menschenrechten, dann bräuchten wir sie nicht gesondert einzufordern. Diese tautologische Konstruktion zeigt, dass Du nur eine Scheindefinition gegeben hast.
Zuletzt geändert von ostfriese am Mi 21. Feb 2007, 18:58, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitragvon Herzblut » Mi 21. Feb 2007, 18:49

Der Autor hat geschrieben:Du hast wirklich ein übergroßes Brett vor dem Kopf, Herzblut. Du hast keine Ahnung von <dies> und <das> und <ueberhaupt>

Autor, woher denn deine Ahnung, wovon ich eine Ahnung habe? Nach ein ganz paar Beiträgen von mir.
Sag, befragst du deine Glaskugel?

Dir ist klar schon, dass du einfach nur "ad hominem" um dich schlägst, oder? Also den Schreiber angreifst,
anstatt auf seine Argumente einzugehen.

Der Autor hat geschrieben:du mischt reale Gesetzgebung mit Philosophie ...

Nein.

Der Autor hat geschrieben:... und tust, als wäre sie unfehlbar

Was denn, "sie"? Die Gesetzgebung? Die Philosophie? Meine Ahnung?
Könntest du dich bitte verständlich ausdrücken?
Danke schön.

Der Autor hat geschrieben:und du präsentierst deine eigene, zutiefst dogmatische ("das ist ein Fakt") Meinung, als wäre sie die einzig rationale.

Aha. Immerhin erkennst du an, dass meine Einstellung rational ist.

Der Autor hat geschrieben:Deine Ahnungslosigkeit ist nicht schlimm. Schlimm ist die Arroganz, mit der du sie zur Schau stellst.

Mir meine angebliche Ahnungslosigkeit um die Ohren zu hauen, das findest du also nicht arrogant?
Warum nicht?

Viele Grüsse
Herzblut
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