Anarchie

Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Mo 6. Mai 2013, 08:38

stine hat geschrieben:
ujmp hat geschrieben:Er hofft darauf, dass sich Probleme lösen lassen und kann aber Fakten akzeptieren...
Das ist ein Paradoxon, @ujmp. Entweder ich habe Fakten und beziehe mich darauf oder ich habe keine und hoffe, dass das schon alles irgendwie wird. Hoffnung ist ein Wort des Glaubens und hat in der Wissenschaft nichts verloren.
In der Wissenschaft kann ich sagen, dass ich etwas noch nicht weiß und muss mit fehlenden Fakten leben. Ich kann daran arbeiten, mir fehlendes Wissen anzueignen, aber auch dann muss ich je nach Wissensfortschritt mit den mir bekannten Fakten leben.
Glaube, Liebe, Hoffnung sind die drei christlichen Tugenden. Ich denke, du hast die Hoffnung traditionell übernommen. Die Hoffnung würde ich als atheistischer Realist aus meinem Wortschatz streichen und lieber Wunschdenken nennen.

:wink: stine

Du fällst mir mit deinen aufgeblasenen Copyright-Ansprüchen unglaublich auf den Wecker. In der Nase bohren ist unter Christen auch ziemlich stark verbreitet und wenn man bei Liebe und Hoffnung von Alleinstellungsmerkmalen sprechen will müsste man konkrete Vergleiche mit den anderen anstellen, ob die Verbreitung da nicht etwa identisch ist.

Und dann verstehst du das mit den Fakten ganz falsch. Wenn ein Arzt nach dem Stand der Wissenschaft eine Diagnose stellt, dann beschreibt diese Diagnose erstmal Fakten. Die wissenschaftliche Forschung ist aber nicht nur damit beschäftigt, Fakten zur Kenntnis zu nehmen, sondern Lösungen für Probleme zu finden. Das geht aber nur, wenn sie Fakten zur Kenntnis nimmt. Am Schluss kommt dann evtl. ein Medikament oder eine Therapie raus, mit welcher man diese Krankheit heilen kann. Das geschieht sozusagen, indem Fakten mit Fakten gesteuert werden. Z.B. den Fakt einer Stoffwechselstörung mit dem Fakt, dass der Stoffwechsel durch bestimmte Chemikalien ins Lot gebracht werden kann. Man kann aber Fakten nicht mit reinen Phantasiegebilden steuern. Der Hokuspokus eines Wunderheilers nützt nichts. Es gibt nicht wenige Leute (in Deutschland!) die ihren Krebs mit alternativ-Medizin, die in Sachen Krebs absolut keine Erfolge nachweisen kann, behandeln lassen wollen. Da wird Geschäft mit der Hoffnung der Menschen gemacht, die Angst vor einer Chemotherapie haben, weil ihnen wissenschaftliche Fakten zu "kalt" sind. Sie riskieren damit ihr Leben und landen am Schluss doch bei einer schulmedizinischen Behandlung, weil diese nunmal leider zur Zeit das beste ist, was man für sie tun kann. Wissenschaft wurde schon immer, schon in der Steinzeit, von der Hoffnung angetrieben, das Leben zu verbessern. Religiöse Vorstellung waren schon immer nur der letzte Versuch, den man unternimmt, wenn man an die Grenzen der Problemlösungsfähigkeit gekommen ist.

Religion ist die Hoffnung, dass Fakten keine Fakten sind - und genau das macht sie so krank. Sie torpediert damit nämlich den gesunden Menschenverstand, den sie grundsätzlich anzweifelt. Zu wissen, wo die eigenen menschlichen Grenzen sind ist eine gute Sache. Aber Religion erkennt diese Grenzen nicht an - ohngeachtet dessen, dass sie so viel von Demut redet. Wo nämlich ein Wissenschaftler sagt, wir können zur Zeit leider nichts tun, sagt der Regenmacher: Ich schon! - und zieht aus dem Ärmel sein nutzloses Simsalabim, introibo ad altare Dei.
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Re: Anarchie

Beitragvon stine » Mo 6. Mai 2013, 09:46

ujmp hat geschrieben:Religion ist die Hoffnung, dass Fakten keine Fakten sind - und genau das macht sie so krank. Sie torpediert damit nämlich den gesunden Menschenverstand, den sie grundsätzlich anzweifelt.

Wir sprachen nicht über Religion, sondern über den Glauben. Das ist für mich zweierlei. Religion versucht glaubensfähige Menschen auf eine bestimmte Richtung festzulegen. Davon spreche ich nicht.
Hoffnung haben ist eine ganz elementare Glaubensgeschichte. Fakten sind Fakten, aber hoffen tu ich nur, wenn ich auf die Richtigkeit der Fakten nicht vertraue. Hoffen tut also der, der sich eben nicht sicher ist. Hoffen ist immer das Vertrauen auf etwas Unbekanntes. Die Hoffnung gleicht sozusagen das Restchen Unsicherheit aus, das eine Faktenlage vielleicht nicht hergibt. Gerade beim Thema Gesundheit ist Hoffen eine übliche Vorgehensweise.
Wer sich auf Fakten verlässt braucht nichts zu hoffen, weil er sich ausrechnen kann, was eintrifft oder nicht.
Mitnichten schreibe ich die Eigenschaft des Hoffenkönnens einzig den Religiösen zu, nur, wer alles Unrealistische verneint, bekennt sich doch offensichtlich dazu, die Hoffnung nicht zu brauchen.

Ich sag mal so: Wer noch auf etwas hoffen kann, ist vom Glauben nicht so weit entfernt. :wink:

LG stine
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Mo 6. Mai 2013, 10:17

stine hat geschrieben: Fakten sind Fakten, aber hoffen tu ich nur, wenn ich auf die Richtigkeit der Fakten nicht vertraue. [...]
Wer sich auf Fakten verlässt braucht nichts zu hoffen, weil er sich ausrechnen kann, was eintrifft oder nicht.
[...]nur, wer alles Unrealistische verneint, bekennt sich doch offensichtlich dazu, die Hoffnung nicht zu brauchen.

Ich sag mal so: Wer noch auf etwas hoffen kann, ist vom Glauben nicht so weit entfernt. :wink:

Nein, das hab ich doch grad erklärt. Wenn du einen Fakt zur Kenntnis nimmst der dir nicht gefällt, kannst du auf einen anderen Fakt hoffen, der dem ersten Fakt begegnen kann, z.B. auf eine medizinische Wirkung oder auf die Entdeckung einer solchen Wirkung. Wirkungen sind auch Fakten. Wir hoffen darauf, Fakten zu entdecken, die wir noch nicht kennen, damit wir mit ihnen rechnen können - das meint "Forschung" und das bedeutet "nach Lösungen für Probleme suchen". Du kannst aber auch auf Phantasiegebilde hoffen, was aber i.d.R. nicht wirkt. Religiöser Glaube zeichnet sich durch das Hoffen auf Phantasiegebilde aus. Der Unterschied zwischen einem wissenschaftlichen Weltbild und einem religiösen besteht also nicht in Hoffnung-haben oder Hoffnung-nicht-haben, sondern darin, worauf man hofft. Das hat mit Glauben erstmal nichts zu tun. Der Glaube kommt erst ins Spiel, wenn man an einer Hoffnung festhält.
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Re: Anarchie

Beitragvon laie » Mo 6. Mai 2013, 13:37

ujmp hat geschrieben:Religiöse Vorstellung waren schon immer nur der letzte Versuch, den man unternimmt, wenn man an die Grenzen der Problemlösungsfähigkeit gekommen ist.


Eine solche Grenze dürfte unstreitbar der Tod sein. Irgendwann ist Schluss. Auch für einen Wissenschaftler. Hat denn aber das Sterben keine Lösung? Ist nur Chemotherapie eine Lösung, aber nicht palliative Maßnahmen, die geeignet sein können, das Sterben erträglich zu machen? Und willst du nun behaupten, daß z.B. das Sakrament der Krankensalbung für keinen Todkranken Linderung bringt? Woher weisst du das? Natürlich besteht die Palliativmedizin zu einem grossen Teil aus harten medizinischen Erkenntnissen, aber ich meine, die Rolle solcher "weicher Faktoren" wie Sakramente, Beichte usw. darf nicht unterschätzt werden. Vor allem muss man sich mal freimachen von dem Gedanken, dass Wissenschaft immer etwas mit "noch-am-Leben-bleiben-um-jeden-Preis" zu tun haben muss. Wenn die Wissenschaft dem Sterbenden das Leiden zu lindern vermag, dann kommt an der Grenze der Problemlösungsfähigkeit eben nicht der Glaube. Kurz: Unsere Vorstellung, daß der Tod ein Problem sei, ist das Problem.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Mo 6. Mai 2013, 14:03

Na, das ist mal wieder alles ad ignorantiam. Also, ich persönlich sehe dem Tod mit Frieden entgegen - gerade weil ich davon ausgehe, dass er wirklich "Schluss" bedeuted. Warum sollte man sterbende Menschen noch mit der Vorstellung von einem "Leben nach dem Tod" verängstigen?
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Re: Anarchie

Beitragvon laie » Mo 6. Mai 2013, 14:34

Du hast den Punkt überhaupt nicht kapiert. Es ging überhaupt nicht darum, Menschen vor dem Tod angst zu machen. Wo habe ich etwas von "Leben nach dem Tod" geschrieben? Du musst halt wirklich nur das lesen, was da steht. Und da steht etwas davon, dass es naiv ist, etwas als "wissenschaftliche Medizin" auszugeben, wenn es das Leben verlängert, wenn es aber das Leben nicht verlängern kann, als Humbug. Und versteck' dich nicht hinter Labeln wie "ad ignorantiam", die der Scholastik entlehnt sind, mit meinem Beitrag aber nichts zu tun haben.
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Re: Anarchie

Beitragvon ujmp » Mo 6. Mai 2013, 15:09

Ich sprach von der Angst vor einem Leben nach dem Tod. "Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf" - Was gehen dich deine Sünden an, wenn gleich Schluss ist? Es ist m.E. gerade die Vorstellung, dass nicht Schluss ist, die den Sterbenden verängstigt. Das Nichtsein kannst du dir nicht vorstellen, deshalb stellst du dir irgendetwas an den Haaren herbeigezogenes vor, wie sich deine Existenz fortsetzt. Speziell die christliche Vorstellung mit ihrer Hölle ist doch eine geradezu monströse Angstmache! Bevor du dich da auf psycholgische Heileffekte berufst, solltest du mal überlegen, was diese Vorstellung für einen Effekt hat! Der Priester hilft dir ein psychologisches Problem zu lösen, welches du ohne ihn überhaupt nicht hättest. Und er nimmt Geld dafür!
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Re: Anarchie

Beitragvon Gitterin » Mi 22. Mai 2013, 23:13

ujmp hat geschrieben:Ich sprach von der Angst vor einem Leben nach dem Tod. "Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf" - Was gehen dich deine Sünden an, wenn gleich Schluss ist? Es ist m.E. gerade die Vorstellung, dass nicht Schluss ist, die den Sterbenden verängstigt. Das Nichtsein kannst du dir nicht vorstellen, deshalb stellst du dir irgendetwas an den Haaren herbeigezogenes vor, wie sich deine Existenz fortsetzt. Speziell die christliche Vorstellung mit ihrer Hölle ist doch eine geradezu monströse Angstmache! Bevor du dich da auf psycholgische Heileffekte berufst, solltest du mal überlegen, was diese Vorstellung für einen Effekt hat! Der Priester hilft dir ein psychologisches Problem zu lösen, welches du ohne ihn überhaupt nicht hättest. Und er nimmt Geld dafür!


Eigentlich war die Religion als moralischer Leitfaden erfunden worden, über den humbug der damit getrieben worden ist springen wir hinweg und heute ist das alles was den Gläubigen geblieben ist, die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.
Ich seh das genauso, auch wenn ich glaube hier wird das Thema mal wieder verschoben...
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Re: Anarchie

Beitragvon Dissidenkt » Mo 10. Jun 2013, 22:14

Vegan33 hat geschrieben:Anarchie bedeutet Herrschaftslosigkeit und bezeichnet unter anderem eine Philosophie ( Orthodoxie, Ethik ). Mir geht es darum zu klären ob Anarchie aus einer naturalistischen Perspektive heraus vertreten werden kann, für mich scheint es zu funktionieren. Von Anomie im Sinne von Gesetzlosigkeit ist zwar die Rede, jedoch nicht im Sinne von unethischem Chaos. Anarchie gilt als das Ideal des menschlichen Zusammenlebens ( Gemeinschaft ), zugleich jedoch als Utopie aufgrund der Unvernunft vieler Individuen in bestimmten Situationen ( Geld, Macht, Liebe usw. ). Aus welcher naturalistischen Perspektive heraus lässt sich individuelle Freiheit und Anarchie rechtfertigen;


Rousseau dürfte für dich interessant sein. Er ist zwar kein Anarchist, aber er leitet seine Gesellschaftskritik vom edlen Naturmenschen ab. Er beantwortet also auf seine Weise ziemlich genau deine letzte Frage.
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