Freidenker1 hat geschrieben:Ist der freie Wille eine Illusion???
AgentProvocateur hat geschrieben:Die von Dir genannten "vielen Hirnforscher" verstehen unter "freiem Willen" oft ein Ding, das vollkommen unabhängig von der Welt und den Abläufen darin unsere Handlungen steuert, einfach so, aus dem Nichts, ein ganz und gar geheimnisvoller, unverständlicher, nicht darstellbarer metaphysischer Akteur, (nicht wir handeln demnach, sondern das "freier-Wille-Dingens"). Fragt sich bloß, wer sowas ernsthaft annimmt? Ich nicht.
AgentProvocateur hat geschrieben:"freier Wille" bedeutet die Fähigkeit, begründete Entscheidungen treffen und danach handeln zu können, bzw. im Nachhinein geschehene Handlungen bewerten zu können
Darth Nefarius hat geschrieben:Jeder, der auf eine Straße geht, meint so eine Freiheit. Für eine "Freiheit zum Toilettengang" geht niemand auf die Straße, sonder für "Eine Freiheit von Diktator xyz".
Darth Nefarius hat geschrieben:Den meisten ist nicht klar, dass nicht nur ein Diktator ein determinierender Faktor sein kann oder ist, deswegen glauben sie an Freiheit.AgentProvocateur hat geschrieben:"freier Wille" bedeutet die Fähigkeit, begründete Entscheidungen treffen und danach handeln zu können, bzw. im Nachhinein geschehene Handlungen bewerten zu können
Eine pseudo-Kompromuss-Definition, um ein sinnloses Wort zu erhalten. Ich finde diese Definition ziemlich schlecht, sie hat nichts mit freiem Willen zu tun.
Freidenker1 hat geschrieben:
"Die Idee eines freien menschlichen Willens ist mit wissenschaftlichen Überlegungen prinzipiell nicht zu vereinbaren. Wissenschaft geht davon aus, dass alles, was geschieht, seine Ursache hat, und dass man diese Ursache finden kann. Für mich ist unverständlich, dass jemand, der empirische Wissenschaft betreibt, glauben kann, dass freies, also nicht determiniertes Handeln denkbar ist."
Prof. Dr. Wolfgang Prinz
Psychologe, Hirnforschung Max-Planck-Institut, Leipzig
AgentProvocateur hat geschrieben:Ja, aber er meint damit nicht: "unabhängig von allem". Denn das bedeutete logischerweise auch z.B. "unabhängig von Vernunft, guten Gründen, meinen Wünschen, Absichten, Überzeugungen, Zielen etc.".
AgentProvocateur hat geschrieben:Es ist einfach völlig witzlos, Freiheit in einen Gegensatz zu Determinismus zu stellen, solange man nicht zeigen kann, wieso und inwiefern Indeterminismus notwendige Bedingung für Freiheit sein könne/müsse.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie ist Deine Definition? "Freier Wille = unabhängig von allem"?
AgentProvocateur hat geschrieben:Jemand, der Abhängigkeiten von fremder Beeinflussung auflösen/denen entgehen kann/denen weniger ausgesetzt ist, ist mE freier, als jemand, der noch in diesen Abhängigkeiten steckte;
AgentProvocateur hat geschrieben:jemand aber, der Entscheidungen und Handlungen von allen Gegebenheiten, also auch von sich selber, unabhängig machte, wäre einfach nur verrückt - das würde nämlich logischerweise bedeuten, dass er völlig zufälllig/willkürlich/zusammenhanglos handelte.
AgentProvocateur hat geschrieben:Du darfst gerne meinen, dass das echte und einzige Freiheit wäre.
AgentProvocateur hat geschrieben: Ist mir egal, ich glaube auch nicht, dass Du damit irgend jemanden überzeugen könntest, ich glaube noch nicht mal, dass Du das für Dich selber überzeugend findest, sprich: ich glaube nicht, dass so eine Freiheit jemand anders, inklusive Dir, anstrebt.
ujmp hat geschrieben:Die Ursache ist dann halt der freie Wille.
Darth Nefarius hat geschrieben:Und as ist bitte dessen Ursache? Entweder meinst du, er hätte keinen, oder definierst wie AgentProvocateur Freiheit ziemlich lasch und inkonsequent. Ein Wille ist durch Motive determiniert, diese sind wiederum durch Triebe determiniert. Erfahrungen und kognitive Leistungsfähigkeit beeinflussen die Entscheidungen, aber der Wille ist durch diese Faktoren determiniert und damit alles andere als frei.
AgentProvocateur hat geschrieben:Freiheit bedeutet meiner Ansicht nach Selbstbestimmung, die Fähigkeit dazu, Gegebenheiten reflektieren und gegebene Umstände für die eigenen Ziele nutzbar machen zu können.
Fremdbestimmung muss nicht auf eine Person bezogen sein. Ursachen können vielfältiger Natur sein, damit auch die Wirkungen auf uns. Somit kann auch ein Stein uns beeinflussen, determinieren in der Entscheidung, was wir zu Mittag essen, das bestimmt dann, welche Laune wir haben, usw.. Fremdbestimmung ist eine Wirkung einer Ursache, damit Kausalität auf uns bezogen. Wie willst du bitte erklären, dass Freiheit nicht das Gegenteil von Determinismus ist? Du ignorierst einfach die Konflikte und stellst behauptungen auf, während dir das Problem der Unvereinbarkeit zwischen "Freiheit von..." und "Determiniertheit zu..." nicht auffällt. Oder du unterschlägst diesen Umstand wissentlich.AgentProvocateur hat geschrieben:Das Gegenteil von Freiheit ist Zwang, Fremdbestimmung. Aber das Gegenteil von Freiheit ist nicht Determinismus oder Kausalität und auch nicht das Vorhandensein von Umständen und/oder von Ursachen.
So, und ich behaupte ganz dreist das Gegenteil, bzw. das sowohl du als auch die Mehrheit logische Unvereinbarkeiten ignoriert. Es ist wwie der Gottelglaube, der zweckdienlich, nicht logisch ist. Deine Definition von Gott passt sich an, bis dein Verstand diesen Mist halbwegs schluckt. Die Ergebnisse sind sowas wie Deismus und Pantheismus.AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Leute von "Freiheit" reden, meinen sie das so wie ich, behaupte ich mal dreist.
Natürlich wäre es logisch möglich, dass jemand immer nur völlig zufällig, unbeeinflusst von allen Gegebenheiten, frei von Ursachen, (und somit "frei" in Deinem Sinne), handelte.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wieso sollte das auch logisch unmöglich sein?
AgentProvocateur hat geschrieben:Nur glaubt keiner, dass er oder andere das tut/tun und zweitens strebt das auch niemand an.
AgentProvocateur hat geschrieben: Das würde nämlich das Fehlen von Kontrolle über die eigenen Handlungen bedeuten und das sieht man gemeinhin nicht als Freiheit an
AgentProvocateur hat geschrieben:..., wenn jemand nicht aktiv und kontrolliert (d.h. determiniert/bestimmt von den eigenen Überlegungen, selbstbestimmt) handeln kann.
ujmp hat geschrieben:Du setzt einfach voraus, dass Wille determiniert sein muss. Es geht aber gerade darum, das zu belegen.
AgentProvocateur hat geschrieben:1. Du möchtest Dir ein Vanilleeis kaufen, Du kannst Dir ein Vanilleis kaufen, Du kaufst Dir ein Vanilleeis
2. Du möchtest Dir ein Vanilleeis kaufen, Du kannst Dir kein Vanilleeis kaufen (hast kein Geld oder es gibt keines)
3. Du möchtest kein Vanilleeis kaufen, jemand zwingt Dich mit vorgehaltener Pistole, ein Vanilleeis zu kaufen
Gibt es dann evtl. Unterschiede zwischen der Nr. 1 und den anderen beiden Fällen bezüglich Freiheit? Doch wohl unbestritten sehr wohl.
AgentProvocateur hat geschrieben:Selbstbestimmung ist, wenn man reflektieren kann und in Übereinstimmung mit seinen Überlegungen, Wünschen, Zielen etc. gewünschte Handlungen durchführen kann.
AgentProvocateur hat geschrieben:Fremdbestimmung ist, wenn man das nicht kann, (entweder nicht hinreichend erkennen und reflektieren oder die gewünschte Handlung in einem bestimmten Falle nicht durchführen kann).
AgentProvocateur hat geschrieben:Beides (sowohl Selbst- als auch Fremdbestimmung) hat zwar ("normalerweise") gleichermaßen Ursachen, ist aber dennoch nicht das Gleiche.
AgentProvocateur hat geschrieben: Es gibt keine logische Unvereinbarkeit von Freiheit und Determinismus - zumindest hast Du die bisher noch nicht schlüssig dargestellt.
AgentProvocateur hat geschrieben:Zu dem "normalerweise" oben: jemand kann theoretisch (das ist logisch möglich) sehr wohl ohne Ursachen handeln, (obwohl man das wohl nicht "Handlung" nennen würde, sondern "Verhalten").
AgentProvocateur hat geschrieben:Stelle Dir einfach jemanden mit Tourette-Syndrom vor, der rein zufällig immerzu zuckt und Laute hervorbringt - ohne weitere Ursache/indeterminiert/akausal. Ich behaupte, dass niemand meinen würde, der sei frei. Wiewohl er aber in Deinem Sinne frei wäre, oder?
AgentProvocateur hat geschrieben:Ich begründe die Existenz der Freiheit keineswegs damit, dass ein Fehlen von Kontrolle die Abwesenheit von Freiheit bedeuten müsse, ich definiere Freiheit so, sehe hinreichende Kontrolle als notwendige Bedingung für Freiheit:
AgentProvocateur hat geschrieben: ein vom Akteur unkontrollierbares Verhalten wird - im landläufigen Sinne von "Freiheit" - nicht als "frei", sondern als unfrei angesehen, wird nicht dem Akteur als eigene Handlung zugerechnet.
AgentProvocateur hat geschrieben:Du darfst dem gerne widersprechen - das ist ja bisher nur eine semantische Behauptung von mir - allerdings meine ich nicht, dass Du das plausibel tun kannst.
AgentProvocateur hat geschrieben: Kontrolle erfordert Abhängigkeit, (von mir, meinen Überlegungen, Meinungen, Ansichten, Intuitionen, meiner Persönlichkeit),
AgentProvocateur hat geschrieben:Oder aber, Du zeigst irgendwie anders, dass Indeterminismus/Akausalität notwendige Bedingungen für den landläufig verwendeten Begriff "Freiheit" seien. Als reine Behauptung jedoch ist das per se mehr als unplausibel.
AgentProvocateur hat geschrieben:"Freiheit" per se so zu definieren, dass sie per se logisch unmöglich ist, ist einfach wenig plausibel.
AgentProvocateur hat geschrieben: In dem Falle solltest Du Dich ernsthaft fragen, ob Du nicht hier einen Fehler machst (sprich: eine ungebräuchliche, von der der anderen abweichende Definition hast) und nicht einfach davon ausgehen, dass alle anderen einen Fehler machen.
AgentProvocateur hat geschrieben:Und übrigens halte ich Deinen Ansatz, die Bedeutung von Begriffen per Logik herleiten zu wollen, schon im Ansatz für völlig falsch.
AgentProvocateur hat geschrieben:Freiheit bedeutet meiner Ansicht nach Selbstbestimmung, die Fähigkeit dazu, Gegebenheiten reflektieren und gegebene Umstände für die eigenen Ziele nutzbar machen zu können.
AgentProvocateur hat geschrieben:Selbstbestimmung ist, wenn man reflektieren kann und in Übereinstimmung mit seinen Überlegungen, Wünschen, Zielen etc. gewünschte Handlungen durchführen kann. Fremdbestimmung ist, wenn man das nicht kann, (entweder nicht hinreichend erkennen und reflektieren oder die gewünschte Handlung in einem bestimmten Falle nicht durchführen kann). Beides (sowohl Selbst- als auch Fremdbestimmung) hat zwar ("normalerweise") gleichermaßen Ursachen, ist aber dennoch nicht das Gleiche. Es gibt keine logische Unvereinbarkeit von Freiheit und Determinismus - zumindest hast Du die bisher noch nicht schlüssig dargestellt.
Karl-Otto Apel hat geschrieben:"„Am Letztbegründungsanspruch der Ethik brauchen wir auch nicht mit Rücksicht auf deren präsumptive Relevanz für die Lebenswelt festzuhalten. Die moralischen Alltagssituationen bedürfen der Aufklärung der Philosophen nicht. In diesem Falle scheint mir ein therapeutisches Selbstverständnis der Philosophie, wie es von Wittgenstein inauguriert worden ist, ausnahmsweise am Platz zu sein. Die philosophische Ethik hat eine aufklärende Funktion allenfalls gegenüber den Verwirrungen, die sie im Bewusstsein der Gebildeten angerichtet hat – also nur insoweit wie der Werteskeptizismus und der Rechtspositivismus sich als Professionsideologien festgesetzt haben und über das Bildungssystem ins Alltagsbewusstsein eingedrungen sind. Beide haben die im Sozialisationsprozess naturwüchsig erworbenen Intuitionen mit falschen Deutungen neurtralisiert; unter extremen Umständen können sie dazu beitragen, die von Bildungsskeptizismus erfassten Akademikerschichten moralisch zu entwaffnen." (Habermas)
An dieser Passage, die außer mir auch viele andere Habermaskenner schockiert bzw. ratlos gemacht hat, möchte ich nicht etwa die These kritisieren, dass die Philosophie durch die angegebenen Positionen ... Verwirrungen im Bewusstsein der Gebildeten angerichtet hat. Diese Tatsache, die in der Tat seit der philosophischen Aufklärung zu beobachten ist, lässt sich m.E. relativ leicht als Verwirrung des postkonventionellen Denkens auf der Kohlbergschen Krisenstufe 4 ½ (des noch nicht bewältigten Übergangs von der konventionellen zu einer rational begründeten postkonventionellen Moral) verständlich machen – und dies ganz auf der Linie von Habermas selbst im Sinne der „rekonstruktiven Wissenschaft“ (also der Kritischen Theorie) rezipierten und tentativ auf die Phylogenese angewandten Entwicklungslogik im Sinne von Piaget und Kohlberg. Wie aber soll gerade mit diesem rekonstruktiven Verständnis die Vorstellung zu vereinbaren sein, die „unbefangene substanzielle Sittlichkeit“ (Hegel) der Lebenswelt vor der philosophischen Aufklärung – also im Sinne Kohlbergs: die konventionelle Binnenmoral der Stufen 3 und 4 (grob gesprochen: die der Stammesgesellschaften und der frühen staatlich organisierten Gesellschaften) - sei gewissermaßen eine moralisch problemlose heile Welt gewesen; oder, in aktueller Version: die nach Kohlberg heute noch für ca. 80% der westlichen Industriegesellschaft maßgebende Orientierung an der konventionellen Moral repräsentiere die Basis der „moralischen Alltagssituationen“, die der philosophischen Aufklärung (nach Kohlberg also: der universalistischen Orientierungen im Sinn der utilitaristisch begründeten Vertragstheorie und, darüber hinausgehend, das Prinzip der „vollständig reversiblen Reziprozität des role taking“ bzw, der Gerechtigkeit als Fairness) prinzipiell nicht bedürften. Hat denn nicht die philosophische Aufklärung ... die Metainstitution des argumentativen Diskurses überhaupt erst geschaffen, ohne die doch eine radikale oder rationale Einlösung oder Verwerfung von Geltungsansprüchen jenseits aller offenen und verdeckten Gewaltlösungen (also auch jenseits von Ritualen und Verhandlungen) gar nicht als möglich gedacht werden kann? Und hat nicht andererseits die Infragestellung, ja Ridikülisierung universalisitisch-humanitärer Rechts- und Moralvorstellungen im Nationalsozialismus (z.B. die Parole „Recht ist, was dem Volke nutzt“) mir großem Erfolg an die vorphilosophischen, also konventionelle Solidaritätsgefühle einer völkischen Binnenmoral appellieren können?“
(K.-O. Apel, Auseinandersetzungen, Suhrkamp 1998, S. 661f)
Vollbreit hat geschrieben:Wenn es im Einklang mit dem steht, zu dem er, nach bestem Wissen und Gewissen „ja“ sagt, müssen wir im Sinne des Kompatibilismus von Freiheit reden.
Im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise dürfen wir aber skeptisch sein.
Darth Nefarius hat geschrieben:Warum sollte man die kompatibilistische Postion einnehmen?
Darth Nefarius hat geschrieben:Sie ist ziemlich inkonsequent und fehlerhaft. Zuetwas "Ja" sagen kann man immer ich kann jemanen dazu bringen, "Ja" zu sagen, ob nun direkt oder indirekt. Beides wäre fremdbestimmt, dennoch könnte er im Nachhinein sinnieren, reflektieren, dass es auch in Ordnung war und er es so wollte.
Darth Nefarius hat geschrieben:Das war ja ein Kriterium für A.P. das als freien Willen zu bezeichnen, ich erkenne keinen kausalen Zusammenhang zwischen Reflexion und freiem Willen.
Vollbreit hat geschrieben:Man könnte sagen, dass die Mehrheit der Sprachgemeinschaft eine Sektenmitgliedschaft als unfrei einstufen würde und das der Mann vielleicht einfach etwas schlicht ist, oder gerade in einer emotionalen Notlage oder es sonstige Gründe gäbe.
Aber, selbst wenn kürzlich seine Frau gestorben ist und er zu wenig soziale Kontakte hat, was berechtigt uns dazu ihm die Freiwilligkeit seiner Entscheidung abzusprechen?
Vollbreit hat geschrieben:– inwieweit dürfen wir von Freiwilligkeit reden, wenn sich jemand piercen lässt oder sonstigen konventionellen (An)Geboten folgt?
Wenn es im Einklang mit dem steht, zu dem er, nach bestem Wissen und Gewissen „ja“ sagt, müssen wir im Sinne des Kompatibilismus von Freiheit reden.
Im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise dürfen wir aber skeptisch sein.
Siehst Du mein Problem, ist es für Dich auch eines und wie würdest Du es auflösen?
Vollbreit hat geschrieben:Darth Nefarius hat geschrieben:Warum sollte man die kompatibilistische Postion einnehmen?
Weil sie frei von Widersprüchen ist.
Vollbreit hat geschrieben:Warum wäre das fremdbestimmt?
Wenn mich jemand zum Abendessen einlädt, würde ich ja sagen, aber ich hätte nicht den Eindruck fremdbestimmt zu sein.
Vollbreit hat geschrieben:Wenn mich jemand mit der Knarre in der Hand dazu bringt, etwas zu tun, was ich sonst nicht tun würde, wäre das im Sinne des Kompatbilismus Zwang und würde nicht unter Selbstbestimmung und Willensfreiheit fallen. Darin ist kein Widerspruch.
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man von freiem Willen ohne ein gewisses Mindestmaß an Reflexion sprechen kann.
Vollbreit hat geschrieben:Um davon zu sprechen, dass man etwas will, muss man sich ja zunächst einmal dessen bewusst werden. Auch wenn dieses Wollen einem natürlichen Bedürfnis folgt (also durch dieses determiniert ist), habe ich immer noch die Möglichkeit mir darüber klar zu werden, ob ich das will, oder ob ich das nicht will.
Vollbreit hat geschrieben:Ich kann Hunger spüren und damit einverstanden sein. Ich kann schon wieder zur Toilette müssen und das kann mir auf die Nerven gehen, dennoch kann ich evtl. nichts dagegen machen.
Vollbreit hat geschrieben:Ebenso ist es mit sozialen Anregungen. Jemand kann mich zum Essen einladen und ich finde das ganz prima, jemand kann mich zum Umzug einladen und meine Begeisterung hält sich in Grenzen.
Vollbreit hat geschrieben:Ob ich das aber will – im Sinne von: Ich bin einverstanden damit –, was mir durch meine Natur und mein kulturelles Umfeld gerade angeboten wird, darüber kann ich frei entscheiden.
AgentProvocateur hat geschrieben:Zu den Punkten 1 bis 4 folgte, dass der von mir skizzierte Mensch mit dem Tourette-Syndrom nach Deinem Verständnis frei wäre, (vorausgesetzt, es gäbe keine Ursachen für sein Verhalten, seine Äußerungen - die entünden indeterminiert/akausal), bzw. aber zumindest, wenn dieser nicht nach Deinem Verständnis frei wäre, müsste noch mindestens eine notwendige Bedingung für Freiheit zu der Unabhängigkeit von Ursachen hinzu kommen müsste. Was wäre das?
AgentProvocateur hat geschrieben:Bitte mal beispielhaft skizzieren, wie Freiheit in Deinem Sinne vorstellbar (logisch möglich) wäre.
AgentProvocateur hat geschrieben:Zu 5.: bitte mal erklären, was Du unter "Kontrolle" verstehst, bitte mal Kontrolle in Deinem Sinne positiv beispielhaft skizzieren.
AgentProvocateur hat geschrieben:Zu 7 und 8: die Bedeutung von Begriffen wird durch ihren Gebrauch festgelegt, nicht durch Logik.
AgentProvocateur hat geschrieben:Daher ist es hier durchaus wichtig, das Alltagsverständnis des behandelten Begriffes zu treffen.
AgentProvocateur hat geschrieben:Das gilt auch in Bezug auf die Ausgangsfrage: "Ist der freie Wille eine Illusion?" Auch hierbei muss eruiert werden, was die Leute unter einem freien Willen verstehen, und, falls man von einer Illusion reden will, gesagt werden, was die Leute fälschlich glauben, also welcher Illusion sie unterliegen. Dazu reicht es nicht, einfach schnell mal ein paar Behauptungen aufzustellen, ("echte Freiheit bedeutet Unabhängigkeit von allen Ursachen", "die Leute meinen, sie seien in dem Sinne echt frei"), diese müssten belegt, plausibel gemacht werden.
AgentProvocateur hat geschrieben:Wie kommst Du darauf, dass ein Sektenmitglied als unfrei, (bzw. als unfreier als Nicht-Sektenmitglieder), eingestuft würden? Das finde ich erst mal überraschend. Was anderes wäre natürlich, wenn das Sektenmitglied die Sekte verlassen wollen würde und dann massivem Zwang anderer Sektenmitglieder ausgesetzt würde.
AgentProvocateur hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:– inwieweit dürfen wir von Freiwilligkeit reden, wenn sich jemand piercen lässt oder sonstigen konventionellen (An)Geboten folgt?
Wenn es im Einklang mit dem steht, zu dem er, nach bestem Wissen und Gewissen „ja“ sagt, müssen wir im Sinne des Kompatibilismus von Freiheit reden.
Im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise dürfen wir aber skeptisch sein.
Siehst Du mein Problem, ist es für Dich auch eines und wie würdest Du es auflösen?
Hm, auch Dein Beispiel mit dem Piercen finde ich nicht so gut - das ist ja normalerweise eine individuelle Entscheidung. Wieso sollte man da "im Sinne einer postkonventionellen Sichtweise" skeptisch sein, ob die freiwillig erfolgte?
AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, sehe ich Dein Problem? Nun ja, es gibt hier mE zwei unterschiedliche Probleme:
1. Völlige Freiheit kann nicht erreicht werden. Sagen wir mal, ich möchte A und B, was aber nicht gleichzeitig möglich ist. Beispiel: ich möchte die Sekte verlassen, ich möchte aber auch gute Kontakte zu den anderen Sektenmitgliedern beibehalten. Da das nicht beides gleichermaßen geht, muss ich mich für eines entscheiden und die Nicht-Erfüllung des Anderen in Kauf nehmen.
AgentProvocateur hat geschrieben:2. Was sind die Kriterien für hinreichende Reflexionsfähigkeit? Hm, eine Grenze ist schwer anzugeben, aber beispielhaft geht das durchaus. Sagen wir mal, ich will ein gebrauchtes Auto kaufen, der Verkäufer verschweigt mir aber arglistig einen Mangel. Ich kaufe das Auto, hätte es aber nicht gekauft, wenn ich von dem Mangel gewusst hätte. Wie man an dem Beispiel vielleicht schon sieht, geht mE es dabei meist nicht um fehlende Reflexionsfähigkeit, sondern mehr um fehlendes Wissen um die Umstände, Determinanten. Ich denke, dass ein durchschnittlicher Erwachsener hinreichende Reflexionsfähigkeit hat, um seine Ziele verfolgen zu können.
Darth Nefarius hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Darth Nefarius hat geschrieben:Warum sollte man die kompatibilistische Postion einnehmen?
Weil sie frei von Widersprüchen ist.
In diesem Fall mit dieser Beschreibung von Freiheit nicht.
Darth Nefarius hat geschrieben:Das sage ich doch, der Eindruck kann durchaus abweichen, aber er ist nicht entscheidend, wenn jemand dich genau dazu bringen will. Soetwas nennt man Verführung, das kleine 1 mal 1 zur Manipulation. Das wichtigste ist, dass das Ziel nicht merkt, dass es manipuliert wird.
Darth Nefarius hat geschrieben:Aber der subjektive Eindruck entscheidet nicht, was Tatsache ist und was nicht. Du kannst nicht den Eindruck haben, dass es einen Gott gibt und deswegen gibt es einen. So läuft das nicht.
Darth Nefarius hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Wenn mich jemand mit der Knarre in der Hand dazu bringt, etwas zu tun, was ich sonst nicht tun würde, wäre das im Sinne des Kompatbilismus Zwang und würde nicht unter Selbstbestimmung und Willensfreiheit fallen. Darin ist kein Widerspruch.
Nein, aber ich habe auch nicht bestritten, dass das Fremdbestimmung ist, sondern das was du zuerst beschrieben hast, Freiheit ist.
Darth Nefarius hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie man von freiem Willen ohne ein gewisses Mindestmaß an Reflexion sprechen kann.
Man kann umgekehrt von Reflexion ohne freien Willen sprechen. Wenn das der Fall ist, besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden.
Darth Nefarius hat geschrieben:Man kann ja durchaus bei deinem Beispiel mit der Pistole nicht entscheiden, aber durchaus überlegen, wie es dazu kommen konnte, wie man rauskommen könnte, oder dass man keine Wahl hat. Auch im Nachhinein ist das möglich (sofern das überlebt wird).
Darth Nefarius hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Um davon zu sprechen, dass man etwas will, muss man sich ja zunächst einmal dessen bewusst werden. Auch wenn dieses Wollen einem natürlichen Bedürfnis folgt (also durch dieses determiniert ist), habe ich immer noch die Möglichkeit mir darüber klar zu werden, ob ich das will, oder ob ich das nicht will.
Du begehst einen Zirkelschluss. Du willst deinen triebgesteuerten, determinierten Willen mit Willenskraft kontrollieren.
Darth Nefarius hat geschrieben:Mal angenommen, du hättest 2 Arten von Willen, meinst du nicht, dass beide wohl durch Triebe und hormone determiniert sein werden? Oder postulierst du einen dritten, der das nicht ist?
Darth Nefarius hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Ich kann Hunger spüren und damit einverstanden sein. Ich kann schon wieder zur Toilette müssen und das kann mir auf die Nerven gehen, dennoch kann ich evtl. nichts dagegen machen.
Ja, es wird dich aber auch anderes dazu bewegen, nichts zu essen.
Darth Nefarius hat geschrieben:Warum solltest du das tun? Wenn du es tust, hast du ein Motiv und damit ist ein hormoneller oder elektrischer Signaltransduktionsweg vorauszusetzen, der eindeutig auch Ursachen hat.
Darth Nefarius hat geschrieben:Vollbreit hat geschrieben:Ebenso ist es mit sozialen Anregungen. Jemand kann mich zum Essen einladen und ich finde das ganz prima, jemand kann mich zum Umzug einladen und meine Begeisterung hält sich in Grenzen.
Und? Beides determiniert dich - ob beabsichtigt oder nicht - das eine oder andere zu empfinden und damit zu tun (wenn man es monokausal halten will).
Vollbreit hat geschrieben:Ob ich das aber will – im Sinne von: Ich bin einverstanden damit –, was mir durch meine Natur und mein kulturelles Umfeld gerade angeboten wird, darüber kann ich frei entscheiden.
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