Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » Do 26. Jul 2012, 07:56

Vieleicht hilft es den Gedanken zu verstehen, wenn man sich Gene mal tatsächlich als egoistische Personen vorstellt: Was sie egoistisch wollen ist das eine, ob sie das auch durchsetzen können, ist etwas anderes. Ein einzelnes Gen hat in einem komplexen Organismus wie dem Menschen aber nur eine sehr kleine Stimme und es muss dabei auch mit anderen Genen konkurrieren.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Do 26. Jul 2012, 10:17

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:@ Lumen:
Ah, siehst Du Dich wieder genötigt in Deine albernen paranoiden Phantasien zu flüchten? Was genau verlangst Du denn von mir? Wie kann ich Dir etwas zeigen, was Du nicht sehen willst oder kannst? Andere sehen es. Frag nach.


Welche "paranoiden Phantasien" willst du denn entdeckt haben, in meinem ach so wackelnden Weltbild? Nichts von dem, was du von Dawkins zitierst, stellt irgendeine Überraschung dar. Bei aller Polemik: Verfolgungswahn sehe ich in meiner Antwort nicht.


Um darauf mal eine ernsthafte und nicht polemische Antwort zu geben:
Paranoia bedeutet zwar auf der einen Seite Verfolgungswahn, das stimmt schon, aber nur bei einer paranoiden Schizophrenie, denkt man der Nachrichtensprecher gäbe einem Zeichen und der CIA würde Giftgas durch die Steckdosen leiten.

Ansonsten hat Paranoia ein stark moralisierendes Element, man fühlt sich (und meistens ein Clübchen Gleichgesinnter) als zu den letzten Auserwählten gehörend, die noch Anstand haben und die Welt vor der Dummheit, Verbohrtheit und Feigheit retten wollen. Das hast Du schon drauf.
Der andere Punkt, der mich immer wieder stutzig macht, ist die Beschreibung dessen, was die religiösen Weltverschwörer Deiner Meinung nach motiviert. Das schwappt bei Dir schnell in einen sehr emotionalen Bereich, in dem Du die Emotionslage der anderen antizipierst.

Leider ist genau das typisch für die projektive Identifikation, das ist die Vorform einer Projektion.
Bei einer Projektion hat man das Gefühl mit einem Thema wirklich nichts mehr zu tun zu haben.
Man ist zwar davon genervt oder irritiert, dass die Welt immer so aggressiv oder sexbesessen oder sonst etwas ist, aber sieht sich im Grunde als leuchtendes Beispiel, dass es doch auch anders geht, man kann wirklich die Motive des anderen nicht verstehen – sie sind verdrängt. (Mit dem Thema habe ich nichts zu tun.)

Bei der projektiven Identifikation gelingt dieser Schritt nur halb. Der kognitive Anteil wird projiziert, der affektive nicht. Anders als bei der Verdrängung ist der Inhalt bei projektiven Identifikation so gut wie immer Aggression (und nicht Sexualität). D.h. im Erleben meint man zu wissen, was der andere im Schilde führt, man weiß, dass der nur trickst und taktiert, man weiß, könnte der nur, wie der wollte, dann würde er… , man weiß, was ihn insgeheim motiviert. Dass man es dabei selbst ist, den man betrachtet, die eigenen Aggressionen, wird nicht erkannt - es ist verleugnet. (Die Gefühle sind da, aber es sind die der anderen, das weiß ich, nicht meine.)

So kommen dann einige Elemente zusammen, ein leicht grandioses Wissen über die tatsächlichen Zusammenhänge, eine Weltverbesserungsattitüde (wenn keiner warnt, ist alles verloren), eine wahlweise Überhöhung oder Verächtlichmachung des Feindes, der irgendwie dumm, aber gerissen ist (oder übermächtig, aber man stellt sich) und der wichtigste Punkt ist Misstrauen: tiefes umfassendes Misstrauen, manchmal nur projiziert auf den Feind, oft auch gegen andere, aus der eigenen Familie, den Chef und so weiter. Naja, müsste als gröbste Skizze reichen. Nun weiß ich natürlich nicht, was wirklich mit Dir los ist, aber vielleicht kannst Du es selbst ganz gut (nichtöffentlich) einschätzen.

Lumen hat geschrieben:Offenbar stellt es für die Herrn Theologen-Philosophen eine unüberwindbare konzeptionelle Anstrengung dar, sich vorzustellen, dass Beine eine notwendige Voraussetzung zum Laufen sind, das Vorhandensein von Beinen aber noch kein Laufen-Sollen impliziert, und es den Genen vollkommen egal ist, ob mit den Beinen gelaufen wird, oder nicht.


Und Du meinst wirklich, dass das hier jemanden intellektuell überfordert, zu erkennen, dass man zum Laufen Beine braucht?
Ein Sollen ist ohnehin immer nur eine moralische Forderung, die aus einem intersubjektiven Diskurs erwächst, ansonsten erkennen die meisten hier einen naturalistischen Fehlschluss.

Lumen hat geschrieben:Es werden auch beim Nachwuchs Beine wachsen, auch wenn die Art mittlerweile lieber schwimmt. Ein denkendes Wesen wie der Mensch, kann seinen Fortsätzen den Namen "Bein" geben und darüber sinnieren, ob man lieber laufen sollte, oder lieber gehen. Es ist sowohl dem Bein, als auch den Genen egal, ob Laie in einer anderen Kultur geboren wurde und "Beine" gar nicht kennt, sondern die Glieder in "Oberstummel" (für beide Oberschenkel mit Knie) und "Unterstummel" (für alles unterhalb Knie) unterscheidet und das Singular "halber Oberstummel Rechts" lautet. Es können spezialisierte Pedologie-Philosophen darüber sinneren, unter welchen Umständen gelaufen werden soll, und wann gehen oder gar krabbeln besser wären.


Zeigt, dass Du von der Tätigkeit der Philosophen wenig verstehst, scheint hier irgendwie ein durchgehendes Minderwertigkeitsgefühl zu sein, dass dann durch aggressiv verzerrte Darstellung kompensiert wird.
Dass Biologen sich ausgerechnet dadurch als die besseren Philosophen (und Staatsrechtler, Psychologen usw. gleich mit) ausweisen, wird wohl niemand ernsthaft glauben.

Lumen hat geschrieben:Den Genen wird es egal sein. Vom Biologie-Standpunk ist es egal, was ein Pedologe durch scharfes Nachdenken herausgefunden hat. Denn vom Laufen-Sollen wird Nichts hinzugefügt, oder abgezogen, was auch immer die Gene egoistischerweise davon halten. Oder umgekehrt, auch jede Philosophie wird nicht umhin kommen, und festellen, dass es Beine gibt und damit oft gelaufen wird.


Ich habe nichts gegen die Sichtweise der Biologen, im Gegenteil finde ich sie sogar ausgesprochen interessant. Ich habe nur etwas gegen den Trend zur biologisierenden Ausdeutung von allem und jedem in der Welt. Jenseits von Binsenweisheiten und Reduktionismen erklärt uns die Biologie nämlich nicht wirklich viel über unser Sosein. Was heißt es denn nun wirklich, wenn schon der Putzerfisch kooperiert? Dass Kooperation angeboren ist? Na prima, lassen wir doch die Erziehung fallen, wenn alles, was wir zum Leben brauchen uns durch die schrittweise Optimierung der Evolution bereits gegeben ist, toll. Oder stellt sich da vielleicht noch die eine oder andere Frage, etwa die, ob man in allen Fällen und mit allen kooperieren sollte.
Wenn Mutter Natur uns auch da die letzte Weisheit in Gehirn geschrieben hat und die lautet, dass man nur dann kooperiert, wenn man Vorteile davon hat, durch Verwandtschaft, Gegenleistungen, Selbstdarstellung, ansonsten regiert der Egoismus, was machen Banker denn dann eigentlich falsch?
Wir sind nicht auf Arterhalt programmiert, sondern auf Egoismus, welche Gene sich am Ende durchsetzen, ist der Natur egal, wie Du weißt.

Nur uns, Lumen, kann es nicht egal sein und da stellt sich die Frage nach dem Sollen überhaupt erst. Und, allein die Tatsache, dass sie sich stellt, zeigt bereits, dass der Mensch mindestens mal die grobe Idee hat, dass er auch anders kann, oder in Zukunft könnte. Wir stellen uns nicht die Frage, wie wir unsere natürlichen Flugtechniken verbessern, da wir keine haben. Wir stellen uns aber ethische Fragen.

Und es stellt sich noch eine andere Frage, nämlich die, nach dem Verhältnis von unserem Wollen zu unseren Genen oder allgemein biologischen Vorgaben. Das ist ja auch genau die Frage die Dawkins beschäftigt und die Intuition mag ja noch honorig sein, die Durchführung ist technisch völlig misslungen. Das sind einfach dicke Widersprüche und jeder der geübt ist, solche zu sehen, der kann und wird sie sehen.

Lumen hat geschrieben:Dabei haben Pedologen ja durchaus ihre Berechtigung. Aber sie arbeiten mit der Vorausetzung, dass es Beine gibt. Ohne Beine keine Pedologen, ohne Auge kein Optiker, ohne moralisches Empfinden keine Moral-Philosophen. Irgendwer hat also die Aufgabe, festzustellen, warum es Beine, Augen, Moralempfinden/Empathie gibt.


Es ist nicht das Problem die Wurzeln des Moralempfindens zu ergründen, das ist sogar interessant. Das Problem ist, so zu tun, als hätten die 10.000de Jahre danach, als wir nicht mehr in der Affenhorde zusammenhockten uns Blätter ins Maul stopften und von den Bäumen kackten, gar nicht stattgefunden. Warum meint Dawkins, sollte man hier einen direkten Kurzschluss von der Moral der Primatenhorden zu un ziehen, während Du Dich ein ums andere Mal über die moralische Unangemssenheit der bronzezeitlichen Einstellung erregst. Wenn das so ein schlechtes Spiel ist, warm sollte es besser werden, wenn man noch mal 50.000 Jahre zurück geht?
Inzwischen haben sich alle möglichen Leute sehr viele Gedanken über Recht, Moral und so weiter gemacht, ehrlich gesagt um einiges gehaltvollere, als die sehr dünne Suppe, die Dawkins da abliefert und die einzige Begründung die er anbietet, ist die Frage, warum das Programm des Putzerfisches heute nicht mehr in uns aktiv sein sollte.

Philosophen würden das nicht zurückweisen, sondern sagen: Okay, lasst uns doch mal schauen, was es bedeuten würden, wenn der Putzerfisch oder der Steinzeitprimat noch in uns steckt. Was folgt daraus und was nicht? Und dass unser Denken einzig und allein von unserer Biologie abhängig wäre läuft auf einen Determinismus raus, den Dawkins leugnet. Was also soll uns das alles sagen?
Wenn Du eine Antwort weißt, schreib sie hin.

Lumen hat geschrieben:Ein Mensch mit Empathie und Spiegelneuronen usw. hat zudem kein Wissen von "zahlt sich aus", wir kalkulieren auch nicht "werde Dopmin als Belohnung erhalten" wenn wir wem helfen. Wenn diese Tatsachen aber aus eurer Sicht den Altruismus-Begriff zerstört, dann sei es eben so.


Wieso sollten Spiegelneuronen den Altruismus-Begriff zerstören, wie kommst Du immer auf solche absurden Ableitungen? Du hast weniger Ahnung von den Geisteswissenschaften als Du selbst meinst. Niemand in der Philosophie hat ein ernsthaftes Problem damit, man ist doch ja in jede Hinsicht ungeheuer pragmatisch geworden, hast Du mal Metzinger gehört oder überhaupt mal irgendwelche philosophischen Debatten der letzten Zeit verfolgt?

Lumen hat geschrieben:Davon abgesehen hat es sich bestimmt auch Philosophen-Theologen-Turm herumgesprochen, dass Tiere andere Tiere jagen und töten, um selbst zu überleben. Ich weiß, ist schlimm. Egoistische Biester aber auch!


Was phantasierst Du da wieder? Es hatte eigentlich kaum je ein Philosoph ernste Zweifel daran, dass der Mensch nicht seiner „Natur“ nachgehen und nachgeben sollte, nicht mal Rousseau. Das Thema liegt schon seit den alten Griechen bei den Akten.

Was Du nicht erkennst, ist der neue Zug, der durch die Biologisierung in die Diskussion gekommen ist. Nicht die Aggression oder Gier oder der Egoismus des Menschen stand ja in Frage – wofür sonst hat man denn Ver- und Gebote und dergleichen aufgestellt? – sondern die Biologie hat die Ansicht frontal attackiert, dass der Mensch irgendwas daran ändern könne.
Denn unisono haben einige Evolutionsbiologen und Neurologen den Menschen mit ihren Mitteln der Biologie untersucht und offenbar erstaunt festgestellt, dass der Mensch, mit dieser Brille betrachtet, von Anfang bis Ende ein biologisches Wesen ist, eine reines Naturprodukt. Und weil die Natur eben nicht auf Gründe und Argumente hört, sondern nur Ursachen kennt, ist man zu dem Schluss gekommen, dass auch das Naturprodukt Mensch, einzig und allein mit und durch Ursachen funktionieren kann. Elektrochemische Entladungen im Hirn und alles was dahin führte erklärt die Evolutionsbiologie. Ein optimiertes Programm, vom Einzeller über den Putzerfisch zum Menschen.
Gründe tauchen da nicht auf. Freier Willen, taucht da auch nicht auf. Ein Ich? Wir sehen nur Hirnzellen, keinen Homunkulus. Unser Antrieb: Egoismus, durch die Gene motiviert. Eine Seele? Lächerlich. Würde? Konnte man auch nicht finden.

Die Frage ist schlicht und einfach, ob es legitim ist, die gesamte Kultur in biologische Funktionsabläufe zu pressen und ob dabei am Ende irgendetwas Gehaltvolles rauskommt.
Nachdem man wohl anfangs verdutzt war, dass studierte Menschen im 21. Jahrhundert diesen primitiven Mist wirklich ernst meinen können, haben sich dann die Reihen geschlossen und man hat die Argumente der Biologenschar untersucht und dort wo es angemessen war, nach allen Regeln der Kunst zerpflückt, so das heute im Grunde niemand mehr die lautsprechenden Neurobiologen ernst nimmt, Herr Roth, ist inzwischen Kompatibilist, Herr Singer ist stiller geworden, über Dawkins schrieb Sloterdijk:
Peter Sloterdijk hat geschrieben:… - sofern man die Sommerlochoffensive der Gottlosen von 2007 außer Betracht lässt, der wir zwei der oberflächlichsten Pamphlete der jüngeren Geistesgeschichte verdanken; gezeichnet Christopher Hitchens und Richard Dawklins.
(P.Sloterdijk, Du musst dein Leben ändern!, Suhrkamp, 2009, S.9)


Du kannst es ja halten wie Du willst und niemand ist verpflichtet sich für Philosophie oder Religion zu interessieren, nur wenn man es tut und ernsthaft glaubt, sich der Philosophie oder der Religion am besten über den Weg der Biologie nähern zu können, ist man verraten und verkauft und heraus kommt nichts als reduktionistischer Mist.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Do 26. Jul 2012, 10:25

stine hat geschrieben:Ich halte es ohnehin für falsch, ein Gen mit dem selben Adjektiv auszustatten, wie wir es gemeinhin für ein komplexes Individuum nützen. Das kann zu Verständnisproblemen führen. Vielleicht fand Dawkins einfach kein anderes Wort als egoistisch. ME meinte er nur, dass Gene Überlebenskünstler sind und sich durchsetzen wollen. Nichts weiter.


Diese Bemerkung ist völlig zutreffend.
Eines der wesentlichen Defizite des biologistischen Neusprech war, dass immer wieder eine objektivierende Sprache angekündigt wurde, mit der man meinte, auf den subjktiven Kram, der völlig bedeutungslos und oft angeblich nicht mal zu finden ist, verzichten zu können. Es dann aber selbst nicht vermochte diese subjektivierende Sprache hinter sich zu lassen. Gene waren egoistisch, Hirnzellen wollen und das Gehirn ist gar perfide.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Do 26. Jul 2012, 11:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Do 26. Jul 2012, 10:57

@ Lumen und ujmp:

Der Punkt, den ihr hier umkreist, ist an sich nicht uninteressant.
Es geht darum, ob sich biologische Prozesse ihrer selbst bewusst werden können und ab wann das der Fall ist.

Dennett macht bspw. eine pragmatische Unterscheidung zwischen physikalischen und intentionalen Systemen. Doch diese Unterscheidung liegt im Auge des Betrachters, denn das Kriterium ist die Prognostizierbarkeit. Man braucht Eisen nicht zu unterstellen, es wolle rosten, d.h. hier wäre eine
Intentionalität ein theoretischer Ballast der nicht zu rechtfertigen wäre.

Dem Verhalten einer Katze kommen wir aber durch eine Behandlung einer Katze als ein physikalisches System (was sie ohne Zweifel auch ist) nicht mehr bei, mit Blick auf die Prognosen.
Das rechtfertigt die Einführung des Intentionalitätsbegriffs.

Nun reicht aber diese Differenzierung auch nicht weit genug. Denn, Intentionalität allein reicht nicht hin um den Punkt des Selbstbewusstseins und später der Selbstkompetenz oder des freien Willens zu klären. Ein Tier, in dem ein starres biologisches Programm abläuft, etwa eine Erbkoordination, kann durchaus intentional sein, aber es führt immer noch nur ein Programm aus, auch wenn es lockerere Verknüpfungen sind.

Auch einige Tiere haben ein Ich-Bewusstsein, wie weitreichend es ist, darüber darf man spekulieren.
Aber Spekulation markiert keine Grenzen und legitimiert sie nicht. Wann also kann man wissen, dass jemand nicht nur Programme ausführt, sondern weiß, was er tut und sagt und warum er es tut und sagt? Wenn er uns Gründe angeben kann, die zu seinem tun passen und – wieder dem Beobachter: konsistent und rational erscheinen.

Das Geben und Verlangen von Gründen ist das Spiel des Menschseins par excellence.
Auch Biologen spielen es und dass sie überhaupt Biologen sein können, setzt diesen Raum von Gründen immer schon voraus, nur vergessen gerade Biologen gerne diesen Raum zu würdigen und haben kein Mittel ihn zu untersuchen.

Denn nicht nur ein Gen interessiert sich nicht wirklich für seine Umwelt, in ihm läuft lediglich dieses Programm ab und es selbst ist Teil der Reproduktion, es bedarf erst eines Ichs – und soweit ich das erkennen kann, setzt eine Ichbewusstsein immer schon das Bewusstsein des Anderen voraus, wie sonst könnte ich überhaupt ein Ich denken? – um sich in der Welt überhaupt verorten zu wollen. Um sich und seine Welt verstehen zu wollen, Philosophie, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. zu betreiben.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Do 26. Jul 2012, 12:16

@Vollbreit: Und du meinst, daß Lumen und ujmp die ritterliche Geste hinter deinem Beitrag sehen, die es ihnen erlaubt, das Gesicht zu wahren?
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Do 26. Jul 2012, 16:36

Da war jetzt gar nichts ritterlich gemeint, mir geht es um die Diskussion.
Argumente habe ich ja nun das eine oder andere geliefert, Textbelege auch, wer darauf antworten will, gerne, wenn Antworten ausbleiben, sagt das ja auch was.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » Do 26. Jul 2012, 20:05

laie hat geschrieben:@Vollbreit: Und du meinst, daß Lumen und ujmp die ritterliche Geste hinter deinem Beitrag sehen, die es ihnen erlaubt, das Gesicht zu wahren?

Dein Guru liefert leider keine konstruktiven Argumente. Ich hab mir grad noch mal einen Beitrag von ihm angetan (den letzten). Das ist doch nur weitschweifiges, in Bezug auf den Gegenstand der Diskussion irrelevantes Geschwafel.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Lumen » Fr 27. Jul 2012, 03:54

Vollbreit hat geschrieben: Um darauf mal eine ernsthafte und nicht polemische Antwort zu geben: [...]

Ansonsten hat Paranoia ein stark [1] moralisierendes Element, man fühlt sich [...] als zu den letzten Auserwählten gehörend, die noch Anstand haben und die [2] Welt vor der Dummheit, Verbohrtheit und Feigheit retten wollen. [...] Das schwappt bei Dir schnell in einen sehr emotionalen Bereich, in dem Du die Emotionslage der anderen antizipierst [...] So kommen dann einige Elemente zusammen, ein leicht grandioses Wissen über die tatsächlichen Zusammenhänge, eine Weltverbesserungsattitüde (wenn keiner warnt, ist alles verloren), eine wahlweise Überhöhung oder [3] Verächtlichmachung des Feindes, der irgendwie dumm, aber gerissen ist (oder übermächtig, aber man stellt sich) und der wichtigste Punkt ist Misstrauen: tiefes umfassendes Misstrauen [...] Naja, müsste als gröbste Skizze reichen. Nun weiß ich natürlich nicht, was wirklich mit Dir los ist, aber vielleicht kannst Du es selbst ganz gut (nichtöffentlich) einschätzen.


Hab oben die Zahlen rangehängt und gekürzt zur besseren Orientierung. Ich weise gerne auf Vollbreits Original oben hin. Ein Highlight des Forums bisher! Dass das jemand schreibt der im [1] moralisierenden Tonfall die [2] Welt vor biologisierender Ausdeutung retten will, das auch in den Titel reinschreibt, und sich das Thema hauptsächlich darum dreht, wie er [3] Dawkins oder andere (hier mich) verächtlich machen kann, und dabei offenkundig projiziert, ist äußerst verblüffend.

Und welche meiner Antworten war "sehr emotional"? Du bist einfach ein Windei. Erst schreibst du, es sei "paranoid", dann wirst du gefragt und mißbrauchst die Möglichkeit zu Antworten nur, um dich zur nächsten unfundierten Behauptung zu hangeln, wo du, auf Nachfrage dann dein nächstes Windei legen kannst. Als nächstes kommt: es sei garnicht "sehr emotional" gemeint sondern XY Beleidigung. Hauptsache viel "Airtime" für Schmutz werfen und dabei Verwirrer und Verwirrte hochloben.

Wenn jemand sich auf Kuhn, Popper, Sloterdijk beruft, dazu Vorbehalte gegenüber der Evolutionstheorie äußert, starke Abneigung gegen bestimmte Brights zeigt (und fälschlich animmt, dass Dawkins eine Bright Koryphäe sei), Gedankengänge von Gnostikern und Mystikern vorträgt, sich dabei um Deutung von Meister Eckart bemüht und auch Thomas von Aquin mal ran darf —dann ist die Schlußfolgerung, es mit (evangelischen) Theologen oder Philosophen zu tun zu haben jetzt nicht gerade paranoid oder besonders gewagt. Muss ja nicht, aber von der Hand zu weisen ist es jetzt nicht gerade. Zumal von den Leuten, die Sloterdijk richtig schreiben können, Meister Eckart nicht mit Pumuckl in Verbindung bringen und die Evolutionstheorie mit starken vorbehalten sehen, praktisch ausnahmslos evangelikale Akademiker, mutmaßlich Theologen sein müssten. Es grenzt an Schwachsinnigkeit die ET in Gänze zu bezweifeln, es sei denn man hat einen sehr starken Grund, welcher dann statt Schwachsinnigkeit eben Gott ist.

Vollbreit hat geschrieben:Und Du meinst wirklich, dass das hier jemanden intellektuell überfordert, zu erkennen, dass man zum Laufen Beine braucht? Ein Sollen ist ohnehin immer nur eine moralische Forderung, die aus einem intersubjektiven Diskurs erwächst, ansonsten erkennen die meisten hier einen naturalistischen Fehlschluss.


Prima. Woher dann die Ableitung dass egoistische Gene und ein Sack Instinkte automatisch dies oder jenes besagt? Wenn Tiere sich töten, um zu überleben ist der Begriff "Egoismus" nur im Kontrast zu Verhaltensweisen wie z.B. reziprok Altruistischen nützlich, wie auch bei Dawkins zu lesen (das ist da der Kontext). Wenn das alles so klar wäre, würden wir nicht diskutieren.

Vollbreit hat geschrieben:Zeigt, dass Du von der Tätigkeit der Philosophen wenig verstehst, scheint hier irgendwie ein durchgehendes Minderwertigkeitsgefühl zu sein, dass dann durch aggressiv verzerrte Darstellung kompensiert wird.
Dass Biologen sich ausgerechnet dadurch als die besseren Philosophen (und Staatsrechtler, Psychologen usw. gleich mit) ausweisen, wird wohl niemand ernsthaft glauben.


Gerade das sagte mein Beispiel eben nicht aus. Es sagte aus, dass ein Optiker auf das Vorhandensein von Augen angewiesen ist und wieder andere Leute sich mit Ästhetik befassen können, was auch eine philosophische Dimension hat. Aber woher Augen kommen und dass Lebewesen Augen entwickelten um in einer Umwelt einer bestimmten Art klar zu kommen ist die Aufgabe von Biologen, Genetikern, Zoologen etc.

Dazu kommt der Kommentar von jemandem, der fortwährend jammert, dass keiner diese oder jene Philosophen/Theologen/Schriftsteller gelesen hätte und Biologen wie Dawkins sie einfach ignorieren würden. Sag du mir vielmehr, was ein Philosoph zu Genetik beizutragen hat? Ich bin eher davon überzeugt, dass du den Sachverhalt noch immer nicht verstanden hast. Sehen wir auch gleich.

Vollbreit hat geschrieben:Jenseits von Binsenweisheiten und Reduktionismen erklärt uns die Biologie nämlich nicht wirklich viel über unser Sosein. [...] Na prima, lassen wir doch die Erziehung fallen, wenn alles, was wir zum Leben brauchen uns durch die schrittweise Optimierung der Evolution bereits gegeben ist, toll.


Ja toll! Du wurdest auf Ergebnisse hingewiesen, dass Menschen weltweit ähnliche Moralvorstellungen haben. Auch Kleinstkinder zeigen diese Veranlagung und haben dabei nur minimal Erziehung genossen. Übrigens wird gerne behauptet, dass die Religion bestimmte Werte wie Nächstenliebe gestiftet habe, und übrigens, das ist auch ein Dauerbrenner im Konflikt zwischen Atheisten und Theisten. Der Militärbischof Overbeck sagte zum Beispiel erst kürzlich*: "Ohne Religion und ohne gelebte Praxis von Religion gibt es kein Menschsein [...] Oberste Priorität hat, dass Soldaten Gewalt nur im äußersten Notfall und vor allem verantwortungsvoll einsetzen. Mit einem festen Glauben lassen sich solche Entscheidungen gewissenhafter treffen." Natürlich möchtest du hier nicht drauf hinaus...

*13.5.2012 // Bischof Overbeck über Aufgaben von Soldaten und Militärseelsorge

Vollbreit hat geschrieben:Oder stellt sich da vielleicht noch die eine oder andere Frage, etwa die, ob man in allen Fällen und mit allen kooperieren sollte. Wenn Mutter Natur uns auch da die letzte Weisheit in Gehirn geschrieben [...] Wir sind nicht auf Arterhalt programmiert, sondern auf Egoismus, welche Gene sich am Ende durchsetzen, ist der Natur egal, wie Du weißt.


Wir sind nicht auf Egoismus programmiert. Gene programmieren nicht und was war jetzt mit reziprok altruistischen Verhaltensweisen, was ist jetzt mit Empathie und Spiegelneuronen und Co.? Schon wieder aus dem Gedächtnis gelöscht, dann einfach noch mal alles nachlesen. Und Gehirn und Determinismus ist wieder ein anderer Kriegsschauplatz, wo Dawkins dann nun wirklich kein nennenswerter Akteur ist. Aber wie man hier sieht, wird alles eine Soße aus Ressentiments.

Vollbreit hat geschrieben:Nur uns, Lumen, kann es nicht egal sein und da stellt sich die Frage nach dem Sollen überhaupt erst. Und, allein die Tatsache, dass sie sich stellt, zeigt bereits, dass der Mensch mindestens mal die grobe Idee hat, dass er auch anders kann, oder in Zukunft könnte. Wir stellen uns nicht die Frage, wie wir unsere natürlichen Flugtechniken verbessern, da wir keine haben. Wir stellen uns aber ethische Fragen.


Daher kommen dann auch die schlauen Leute zum Zug, die sich Gedanken darüber machen können, dann kommt die Kultur dazu und andere Faktoren. Man braucht aber erst Beine um Fussballkultur zu haben, und Spielregeln.

Vollbreit hat geschrieben:Und es stellt sich noch eine andere Frage, nämlich die, nach dem Verhältnis von unserem Wollen zu unseren Genen oder allgemein biologischen Vorgaben. Das ist ja auch genau die Frage die Dawkins beschäftigt und die Intuition mag ja noch honorig sein, die Durchführung ist technisch völlig misslungen. Das sind einfach dicke Widersprüche und jeder der geübt ist, solche zu sehen, der kann und wird sie sehen.


Nö, durch Widerholung wird das auch nicht wahr. Bei deinen unstrukturierten Behauptungen, die keine Linie haben und alles in einen Topf werfen, habe ich auch meine Bedenken, was dein Urteil in dieser Sache angeht.

Vollbreit hat geschrieben:Es ist nicht das Problem die Wurzeln des Moralempfindens zu ergründen, das ist sogar interessant. Das Problem ist, so zu tun, als hätten die 10.000de Jahre danach, als wir nicht mehr in der Affenhorde zusammenhockten uns Blätter ins Maul stopften und von den Bäumen kackten, gar nicht stattgefunden. Warum meint Dawkins, sollte man hier einen direkten Kurzschluss von der Moral der Primatenhorden zu un ziehen, während Du Dich ein ums andere Mal über die moralische Unangemssenheit der bronzezeitlichen Einstellung erregst.


Ich kann jetzt nicht nachschlagen, aber sagte er nicht auf der einen Seite, was wir für genetische Anlagen (reziproker Altruismus, zum Teil) wir haben und äußerte er nicht den Wunsch, KEINEN naturalistischen Fehlschluss zu begehen, insbesondere nicht in Richtung "Sozial-Darwinismus". Da rächt sich dein Eintopf, in dem alles verkocht ist. Eigentlich hatte ich es so verstanden, dass gerade da Humanismus und Co. ansetzt, also auch Leute, die dazu was zu melden haben. Auf der Hochzeit tanzt Dawkins meines Wissens nach auch nicht.

Und siehe da... noch mehr...

Vollbreit hat geschrieben:Wenn das so ein schlechtes Spiel ist, warm sollte es besser werden, wenn man noch mal 50.000 Jahre zurück geht? Inzwischen haben sich alle möglichen Leute sehr viele Gedanken über Recht, Moral und so weiter gemacht, ehrlich gesagt um einiges gehaltvollere, als die sehr dünne Suppe, die Dawkins da abliefert und die einzige Begründung die er anbietet, ist die Frage, warum das Programm des Putzerfisches heute nicht mehr in uns aktiv sein sollte.


Du machst dich über mein Beispiel mit den Beinen lustig, aber machst genauso weiter. Du wirst auch bei maximalem Idealismus nicht umhin kommen, einzugestehen, dass Babies sich nicht aus religiösen Gründen oder dank Erziehung lächelnd und schreiend an ihre Eltern wenden und diese sich angesprochen fühlen. Affen und andere näher verwandte Cousins zeigen bisweilen ähnliche Verhaltensweisen und haben keine Leute, die sich Gedanken machen. Wir haben nachgewiesermaßen bestimmte Anlagen und die Frage war nicht ob sondern wie es kommen konnte, dass wir sie haben. Mit "egoistischen Genen" ist das plausibel, und übrigens @stine, es heißt "selfish" im original, dass einen etwas anderen Beigeschmack hat als das deutsche "egoistisch".

Vollbreit hat geschrieben:Philosophen würden das nicht zurückweisen, sondern sagen: Okay, lasst uns doch mal schauen, was es bedeuten würden, wenn der Putzerfisch oder der Steinzeitprimat noch in uns steckt. Was folgt daraus und was nicht? Und dass unser Denken einzig und allein von unserer Biologie abhängig wäre läuft auf einen Determinismus raus, den Dawkins leugnet. Was also soll uns das alles sagen? Wenn Du eine Antwort weißt, schreib sie hin.


Da liegt eben der Irrtum, du vermischst jetzt wieder Gehirnforschung und Freie-Wille Thematik mit der "Programmierung" durch Gene. Dawkins betätigt sich da meines Wissens gar nicht. Wieviel Gene genau beeinflussen ist umstritten. Gen-Determinismus wie du es hier benutzt ist ein Strohmann, den kaum (falls überhaupt) jemand vertritt.

Vollbreit hat geschrieben:Wieso sollten Spiegelneuronen den Altruismus-Begriff zerstören, wie kommst Du immer auf solche absurden Ableitungen? Du hast weniger Ahnung von den Geisteswissenschaften als Du selbst meinst. Niemand in der Philosophie hat ein ernsthaftes Problem damit, man ist doch ja in jede Hinsicht ungeheuer pragmatisch geworden, hast Du mal Metzinger gehört oder überhaupt mal irgendwelche philosophischen Debatten der letzten Zeit verfolgt?


Daran ist nichts absurdes. Wenn ein Mensch jemandem selbstlos hilft, und sich dann irgendwie gut fühlt, und dies so ist, weil Dopamin als "Belohnung" ausgeschüttet wird, und diese Belohnung unbewusst einen "Drang" erzeugt, überhaupt jemanden zu helfen, dann kann ein allzu idealisierter Altruismus-Begriff hier zerfallen. Darum drehte sich ein weiter Teil der Diskussion doch, dass angeblich alles im Egoismus aufgeht. Diese Baustelle fasse ich jetzt nicht nochmal an.

Vollbreit hat geschrieben:Was Du nicht erkennst, ist der neue Zug, der durch die Biologisierung in die Diskussion gekommen ist. Nicht die Aggression oder Gier oder der Egoismus des Menschen stand ja in Frage – wofür sonst hat man denn Ver- und Gebote und dergleichen aufgestellt? – sondern die Biologie hat die Ansicht frontal attackiert, dass der Mensch irgendwas daran ändern könne. Denn unisono haben einige Evolutionsbiologen und Neurologen den Menschen mit ihren Mitteln der Biologie untersucht und offenbar erstaunt festgestellt, dass der Mensch, mit dieser Brille betrachtet, von Anfang bis Ende ein biologisches Wesen ist, eine reines Naturprodukt. [...] Gründe tauchen da nicht auf. Freier Willen, taucht da auch nicht auf. Ein Ich? Wir sehen nur Hirnzellen, keinen Homunkulus. Unser Antrieb: Egoismus, durch die Gene motiviert. Eine Seele? Lächerlich. Würde? Konnte man auch nicht finden.


Was ich nicht erkannt habe: du hast von Gen "Determinismus" auf eine "freier Wille" Determinismus ungesattelt, damit du den angeblichen Dawkins Widerspruch, der das Ganze tragen sollte, aufrecht erhalten kannst. Ich habe selbst zuwenig Ahnung von der Freier-Wille-Determimismus Sache, habe mich auch nicht groß im entsprechenden Topic betätigt. Toller Salat, lasse mich hier von dir geduldig beleidigen, dabei sind es deine wirren Annahmen...

Vollbreit hat geschrieben:Die Frage ist schlicht und einfach, ob es legitim ist, die gesamte Kultur in biologische Funktionsabläufe zu pressen und ob dabei am Ende irgendetwas Gehaltvolles rauskommt.
Nachdem man wohl anfangs verdutzt war, dass studierte Menschen im 21. Jahrhundert diesen primitiven Mist wirklich ernst meinen können, haben sich dann die Reihen geschlossen und man hat die Argumente der Biologenschar untersucht und dort wo es angemessen war, nach allen Regeln der Kunst zerpflückt, so das heute im Grunde niemand mehr die lautsprechenden Neurobiologen ernst nimmt, Herr Roth, ist inzwischen Kompatibilist, Herr Singer ist stiller geworden, über Dawkins schrieb Sloterdijk:


Und bäm: "Kompabilist". Freier Wille Determinismus Thema, oder? Und dann wieder Dawkins. Das ist wieder genau jene Verwirrung von "Egoismus" auf Gene bezogen und Persönlichkeit ...

Vollbreit hat geschrieben:Du kannst es ja halten wie Du willst und niemand ist verpflichtet sich für Philosophie oder Religion zu interessieren, nur wenn man es tut und ernsthaft glaubt, sich der Philosophie oder der Religion am besten über den Weg der Biologie nähern zu können, ist man verraten und verkauft und heraus kommt nichts als reduktionistischer Mist.


Jetzt weiß keiner mehr, was du meinst. Was haben Gene jetzt mit Religion zu tun, nochmal? Oder sind wir jetzt bei freiem Willen? Oder meinst du doch nur, dass Moral von Religion oder Philosophie kommt? Liest sich alles so, aber ich will dir ja nichts unterstellen. Du wolltest ja auch nur mal über die Evolutionstheorie, Wissenschaften, Dawkins und Co vom Leder ziehen. Da stimme ich dir allerdings nochmal zu: "niemand ist verpflichtet sich für Philosophie oder Religion zu interessieren" ... oder Puh-der-Bär.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Fr 27. Jul 2012, 07:13

@ujmp Vollbreit ist nicht mein "Guru"

@Lumen

Ich weiss, das war jetzt eine Antwort auf Vollbreit und Vollbreit wird darauf wieder antworten. Ich versuche aber ehrlich, herauszufinden, für was genau du eintrittst. Wie mir scheint, geht es dir einfach darum, daß man die ET anerkennen soll. Dir geht es darum, daß es genetisch veränderliche und veränderbare Anlagen gibt. Du fürchtest, daß man das bezweifeln könnte. Du sagst, die Grundlage allen unseren Seins sei erst einmal der Umstand, daß wir Lebewesen sind und Lebewesen lassen sich state of the art mit der Biologie, der Genetik, der ET am besten beschreiben.

Soweit, in aller Kürze und mit der entsprechenden Ungewissheit, dich richtig verstanden zu haben, deine Ausgangsposition. Nun, ich denke nicht, daß wir über diese Position diskutieren. Wir diskutieren vielmehr über die Reichweite dieser Position, wie ich meine. Wir stellen also nicht eine Sinnfrage, sondern eine Geltungsfrage. Die Sinnfrage steht nicht zur Diskussion: jeder weiß, was Eltern, Großeltern usw. sind; jeder weiß, was ein Affe ist. Und recht viel mehr muss auch nicht wissen, um das Frappierende an Darwins Überlegungen verstanden zu haben.

Vollbreit und ich haben an einem sehr prominenten, zumindest sehr populären Evolutionsbiologen, der sich auch immer wieder auf das Feld der Kultur vorwagt, gezeigt, daß die Ausdehnung der biologischen Position auf kulturelle Phänomene aus verschiedenen Gründen problematisch ist. Zwei dieser Gründe wurden schon genannt: Dawkins' Argumentation ist entweder eine petitio principii oder verletzt den Satz vom Nichtwiderspruch, je nachdem, wieviel "freien Willen" man in einer Welt zulassen möchte, die nach Dawkins dadurch erklärt werden kann, daß das "egoistische Verhalten der Gene normalerweise ein egoistisches Verhalten des Individuums hervorruft." Ein dritter Grund besteht einfach darin, daß die ET selbst ein kulturelles Produkt ist und zwar eines unter vielen. Jedes dieser Produkte beansprucht weitreichendere Geltung als das andere.

Du streitest nun wie mir scheint, in ständiger Verwechslung von Sinn- und Geltungsfrage, gegen unsere Position an, führst aber keine Textstellen von Dawkins an, die deine Behauptung stützen würden und und unsere entkräften würden. Ich lese immer nur von "sowie ich Dawkins verstanden habe", "Dawkins macht so was nicht" usw. Folgende Stelle als Beleg für deinen Umgang mit den Quellen:

Lumen hat geschrieben:Ich kann jetzt nicht nachschlagen, aber sagte er nicht auf der einen Seite, was wir für genetische Anlagen (reziproker Altruismus, zum Teil) wir haben und äußerte er nicht den Wunsch, KEINEN naturalistischen Fehlschluss zu begehen, insbesondere nicht in Richtung "Sozial-Darwinismus".


Es ist unerheblich, welche Absichten ein Autor meint zu haben: wichtig ist, wie er verstanden werden kann. Oder? Natürlich wird Dawkins nicht den Wunsch haben, einen naturalistischen Fehlschluss zu begehen. Ob er ihn begeht oder nicht, hängt aber nicht von seinen Wünschen ab.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon laie » Fr 27. Jul 2012, 08:18

Post Scriptum

laie hat geschrieben:Ein dritter Grund besteht einfach darin, daß die ET selbst ein kulturelles Produkt ist


... und als solches Kultur bereits voraussetzt: Sprache, Traditionen, Geschichte, Vorverständnis, Forschungsinstitute, Medien wie Bücher, Zeitschriften, Filme usw.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Fr 27. Jul 2012, 09:44

Lumen hat geschrieben: Zumal von den Leuten, die Sloterdijk richtig schreiben können, Meister Eckart nicht mit Pumuckl in Verbindung bringen und die Evolutionstheorie mit starken vorbehalten sehen, praktisch ausnahmslos evangelikale Akademiker, mutmaßlich Theologen sein müssten. Es grenzt an Schwachsinnigkeit die ET in Gänze zu bezweifeln, es sei denn man hat einen sehr starken Grund, welcher dann statt Schwachsinnigkeit eben Gott ist.


Ach Lumen, was ich da noch entgegnen?
Mach Dich mal locker, vielleicht.

Lumen hat geschrieben: Prima. Woher dann die Ableitung dass egoistische Gene und ein Sack Instinkte automatisch dies oder jenes besagt?


Weil Dawkins es so geschrieben hat, ich habe es eigenhändig abgeschrieben.
Bring mir Zitate die etwas anderes besagen, oder erklär‘, mit Textbelegen, wie man Dawkins sonst verstehen soll und alles ist in Ordnung.

Lumen hat geschrieben: Gerade das sagte mein Beispiel eben nicht aus. Es sagte aus, dass ein Optiker auf das Vorhandensein von Augen angewiesen ist und wieder andere Leute sich mit Ästhetik befassen können, was auch eine philosophische Dimension hat. Aber woher Augen kommen und dass Lebewesen Augen entwickelten um in einer Umwelt einer bestimmten Art klar zu kommen ist die Aufgabe von Biologen, Genetikern, Zoologen etc.


Das ganz sicher, aber darüber wollen wir doch wohl nicht ernsthaft reden.
Willst Du denn wirklich behaupten, dass Dawkins keine Schlüsse von unserer biologischen Natur auf unser heutiges Sosein überträgt?

Lumen hat geschrieben: Dazu kommt der Kommentar von jemandem, der fortwährend jammert, dass keiner diese oder jene Philosophen/Theologen/Schriftsteller gelesen hätte und Biologen wie Dawkins sie einfach ignorieren würden. Sag du mir vielmehr, was ein Philosoph zu Genetik beizutragen hat? Ich bin eher davon überzeugt, dass du den Sachverhalt noch immer nicht verstanden hast. Sehen wir auch gleich.


Schau, Dawkins Appell, auf die eigenen egoistischen Gene achtzugeben ist ein moralischer Appell.
Da läge es nahe, sich mal zu informieren, ob jemals eine daran gedacht hat. Das Projekt heißt Kultur, die vielliecht fundierteste Schrift (wenn auch mit einigen Irrtümern) dazu, ist Freuds „Das Unbehagen in der Kultur“. Ansonsten hat sich z.B. Kohlberg daran abgearbeitet die Stufen der moralischen Entwicklung aufzuzeigen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Stufentheo ... nterstufen
Wie Du selbst sehen kannst, kommt das was Dawkins zum Altruismus einfällt nie über Kohlbergs erste und zweite Stufe, beide präkonventionell, heraus.
Präkonventionell bedeutet in dem Zusammenhang, dass schon der Durchschnittsspießer und nebenbei auch jeder naiv Gläubige moralisch das überragt, was Dawkins aus den egoistischen Genen ableiten kann.
Auf der Basis kann er noch nicht mal den Durchschnittsspießer verstehen und auch keinen religiösen Menschen. Dawkins kann sie natürlich sehr wohl verstehen, er ist ja ein intelligenter Mensch, nur erklärt die Evolutionsbiologie eben nichts davon.
Dass ein Philosoph zur biologischen Erforschung der Genetik nichts beizutragen hat, ist vollkommen richtig, es ist aber auch kein zu beobachtendes Phänomen, dass Philosophen reihenweise in die Biologie drängen und dort halbgare Texte über Genetik veröffentlichen.


Lumen hat geschrieben: Ja toll! Du wurdest auf Ergebnisse hingewiesen, dass Menschen weltweit ähnliche Moralvorstellungen haben. Auch Kleinstkinder zeigen diese Veranlagung und haben dabei nur minimal Erziehung genossen.


Einige Forscher meinen eine Handvoll moralischer Universalien gefunden zu haben, die Faktenlage ist noch dünn, ich glaube Fairness, Gastfreundschaft sollen u.a. dazu gehören.
Bei Kleinkindern läuft mehr in früher Zeit ab, als Du ahnst, aber wir können dennoch davon ausgehen, dass moralische Grundbausteine vererbt werden, was folgt denn dann daraus?
Lautet Deine Ableitung daraus, dass Erziehung verzichtbar ist, da alles was wir brauchen angeboren ist? Ich würde mal raten, nein. Also was ist es, was diesen Punkt für Dich so bedeutend macht?

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Oder stellt sich da vielleicht noch die eine oder andere Frage, etwa die, ob man in allen Fällen und mit allen kooperieren sollte. Wenn Mutter Natur uns auch da die letzte Weisheit in Gehirn geschrieben [...] Wir sind nicht auf Arterhalt programmiert, sondern auf Egoismus, welche Gene sich am Ende durchsetzen, ist der Natur egal, wie Du weißt.


Wir sind nicht auf Egoismus programmiert. Gene programmieren nicht und was war jetzt mit reziprok altruistischen Verhaltensweisen, was ist jetzt mit Empathie und Spiegelneuronen und Co.?


Nun, ich habe es lang und breit zitiert. Da ich es jetzt nur noch kopieren muss, tue ich es auch gerne noch 20 mal:
Richard Dawkins hat geschrieben:Damit haben wir nun vier stichhaltige darwinistische Gründe, warum Individuen untereinander altruistisch, großzügig oder „moralisch“ handeln. Der erste betrifft den Sonderfall der Verwandtschaft. Der zweite ist die Gegenseitigkeit: Gefälligkeiten werden vergolten und in „Erwartung“ eines solchen Gegengefallens erwiesen. Darauf folgt sofort der dritte: der darwinistische Vorteil, den es bedeutet, wenn man sich de Rufe der Großzügigkeit und Freundlichkeit erwirbt. Und wenn Zahavi recht hat, gibt es viertens den speziellen, unmittelbaren Nutzen der zur Schau gestellten Großzügigkeit als Mittel, um für sich selbst authentische, unverfälschte Reklame zu machen.(S.304)


Das ist alles: Präkonvetionelle Moral, die letztlich nur, wie auch Moralphiloosphen und –psychologen herausgefunden haben, dem eigenen Ich dient.


Wikipedia hat geschrieben:Präkonventionelle Ebene

Diese Ebene entspricht dem Niveau der meisten Kinder bis zum neunten Lebensjahr, einiger Jugendlicher und vieler jugendlicher und erwachsener Straftäter. Auf dieser Ebene erlebt das Kind zum ersten Mal, dass es auch andere Sichtweisen neben der eigenen geben kann, die Autoritätspersonen sind jedoch weiterhin die Vorbilder.

1. Stufe – Die Orientierung an Strafe und Gehorsam: In der ersten Stufe orientieren sich diese nicht an moralischen Ansprüchen, sondern im Wesentlichen an wahrgenommenen Machtpotenzialen. Die von Autoritäten gesetzten Regeln werden befolgt, um Strafe zu vermeiden.

2. Stufe – Die instrumentell-relativistische Orientierung: In der zweiten Stufe erkennen Kinder die Gegenseitigkeit menschlichen Verhaltens. Rechthandeln besteht darin, die eigenen Bedürfnisse und gelegentlich die von anderen als Mittel (instrumentell) zu befriedigen. Menschliche Beziehungen werden vergleichbar mit der Austauschbeziehung des Marktes verstanden. Sie orientieren ihr Verhalten an dieser Gegenseitigkeit, reagieren also kooperativ auf kooperatives Verhalten, und üben Rache für ihnen zugefügtes Leid (tit for tat/do ut des – „ich gebe, damit du gibst“)("Wie du mir so ich dir").
http://de.wikipedia.org/wiki/Stufentheo ... nterstufen


Lumen hat geschrieben: Daher kommen dann auch die schlauen Leute zum Zug, die sich Gedanken darüber machen können, dann kommt die Kultur dazu und andere Faktoren. Man braucht aber erst Beine um Fussballkultur zu haben, und Spielregeln.


Fraglos richtig, aber genau so richtig ist, dass man erst ein Ichbewusstsein braucht um zu forschen.
Denk es mal durch, Du wirst drauf kommen. Etwas verstehen zu wollen, seinen Platz in der Welt und die Welt die man als um sich rum erlebt, setzt schon ein Ich in der Mitte voraus.
Die Naturwissenschaft setzt beim Urknall an oder im Falle der Biologie, bei irgendwelchen Makromolekülen, die Philosophie beim Bewusstsein. Da ist einfach ein anderer Startpunkt.
Natürlich müssen zuvor Grundlagen da sein, damit Bewusstsein entstehen kann, aber der letzte der das bezweifelte (und das auch nicht so richtig) was Descartes, das ist nun einige hundert Jahre her.

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es ist nicht das Problem die Wurzeln des Moralempfindens zu ergründen, das ist sogar interessant. Das Problem ist, so zu tun, als hätten die 10.000de Jahre danach, als wir nicht mehr in der Affenhorde zusammenhockten uns Blätter ins Maul stopften und von den Bäumen kackten, gar nicht stattgefunden. Warum meint Dawkins, sollte man hier einen direkten Kurzschluss von der Moral der Primatenhorden zu un ziehen, während Du Dich ein ums andere Mal über die moralische Unangemssenheit der bronzezeitlichen Einstellung erregst.


Ich kann jetzt nicht nachschlagen, aber sagte er nicht auf der einen Seite, was wir für genetische Anlagen (reziproker Altruismus, zum Teil) wir haben und äußerte er nicht den Wunsch, KEINEN naturalistischen Fehlschluss zu begehen, insbesondere nicht in Richtung "Sozial-Darwinismus". Da rächt sich dein Eintopf, in dem alles verkocht ist.


Witzbold. Wenn Du nachschlage kannst, dann kannst Du es ja wieder zitieren, solange steht da, was da steht und das ist eindeutig.

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn das so ein schlechtes Spiel ist, warm sollte es besser werden, wenn man noch mal 50.000 Jahre zurück geht? Inzwischen haben sich alle möglichen Leute sehr viele Gedanken über Recht, Moral und so weiter gemacht, ehrlich gesagt um einiges gehaltvollere, als die sehr dünne Suppe, die Dawkins da abliefert und die einzige Begründung die er anbietet, ist die Frage, warum das Programm des Putzerfisches heute nicht mehr in uns aktiv sein sollte.


Du machst dich über mein Beispiel mit den Beinen lustig, aber machst genauso weiter. Du wirst auch bei maximalem Idealismus nicht umhin kommen, einzugestehen, dass Babies sich nicht aus religiösen Gründen oder dank Erziehung lächelnd und schreiend an ihre Eltern wenden und diese sich angesprochen fühlen.


Der fundamentale Unterschied zwischen Dir und mir ist, dass Du ständig über Religion redest und ständig irgendwelche Tricks Deiner, in Deiner komischen Phantasie, religiösen Gegner zu parieren versuchst. Gleich kommen vermutlich wieder Deschners hasserfüllte Augen, die Achte.

Lumen hat geschrieben: Affen und andere näher verwandte Cousins zeigen bisweilen ähnliche Verhaltensweisen und haben keine Leute, die sich Gedanken machen. Wir haben nachgewiesermaßen bestimmte Anlagen und die Frage war nicht ob sondern wie es kommen konnte, dass wir sie haben. Mit "egoistischen Genen" ist das plausibel, und übrigens @stine, es heißt "selfish" im original, dass einen etwas anderen Beigeschmack hat als das deutsche "egoistisch".


Und was folgt für Dich daraus?

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Philosophen würden das nicht zurückweisen, sondern sagen: Okay, lasst uns doch mal schauen, was es bedeuten würden, wenn der Putzerfisch oder der Steinzeitprimat noch in uns steckt. Was folgt daraus und was nicht? Und dass unser Denken einzig und allein von unserer Biologie abhängig wäre läuft auf einen Determinismus raus, den Dawkins leugnet. Was also soll uns das alles sagen? Wenn Du eine Antwort weißt, schreib sie hin.


Da liegt eben der Irrtum, du vermischst jetzt wieder Gehirnforschung und Freie-Wille Thematik mit der "Programmierung" durch Gene. Dawkins betätigt sich da meines Wissens gar nicht. Wieviel Gene genau beeinflussen ist umstritten. Gen-Determinismus wie du es hier benutzt ist ein Strohmann, den kaum (falls überhaupt) jemand vertritt.


Außer Dawkins. So halb eben.
Das ist es ja gerade. Er bezieht in keiner Weise klar Stellung, sondern eiert zwischen zwei Positionen hin und her, die beide nicht aufgehen. Wenn er sagt, huhu, passt auf, auf eure Gene, die sind egoistisch, auf dass nicht auch ihr egoistisch werdet, ja, dann scheint er zu meinen, dass Gene unser Verhalten stark determinieren: Dummerweise kann man, wenn sie das tun, gerade nicht aufpassen, das wäre genau so sinnvoll wie zu sagen: Passt auf, dass euch keine Arme wachsen.
Wenn es aber darum geht, darauf hinzuweisen, dass die biologische Natur des Menschen ziemlich selbstsüchtig ist, das Es nur sein bestes will, gierig, geil und egozentrisch ist: Aber ja, Freud berichtet davon, Kant berichtet davon, Plato im Grunde auch. Nichts Neues.

Wie Du lesen kannst, hat Dawkins für die egoistischen Gene, folgende Möglichkeiten parat:
Entweder:
Richard Dawkins hat geschrieben:Wo sorgen die Gene nun für ihr eigenes „egoistisches” Überleben im Verhältnis zu anderen Genen? Der naheliegendste Weg besteht darin, dass sie die einzelnen Organismen auf Egoismus programmieren. (S.298)

Oder:
Richard Dawkins hat geschrieben:Unter manchen – gar nicht mal so seltenen – Voraussetzungen sorgen die Gene für ihr eigenes, egoistisches Überleben am besten dadurch, dass sie den Organismus zum Altruismus veranlassen.(S.299)


Wie dieser Altruismus aussieht, dazu habe ich Dawkins oben bereits zitiert.
Was immer Dawkins meint damit erklären zu können oder zu müssen, nichts ab der konventionellen Stufe der Moral aufwärts wird damit erklärt, ist damit zu erklären. Von der postkonventionellen Moral vollkommen zu schweigen, die nicht einmal mehr entfernt damit zu tun hat.

Lumen hat geschrieben:Daran ist nichts absurdes. Wenn ein Mensch jemandem selbstlos hilft, und sich dann irgendwie gut fühlt, und dies so ist, weil Dopamin als "Belohnung" ausgeschüttet wird, und diese Belohnung unbewusst einen "Drang" erzeugt, überhaupt jemanden zu helfen, dann kann ein allzu idealisierter Altruismus-Begriff hier zerfallen. Darum drehte sich ein weiter Teil der Diskussion doch, dass angeblich alles im Egoismus aufgeht. Diese Baustelle fasse ich jetzt nicht nochmal an.


Ja, jetzt bist Du bei dem Modell der Selbstkonditionierung gelandet.
Darf ich mal Habermas dazu zitieren:
Jürgen Habermas hat geschrieben: „Ich verspüre die Problematik des Naturalismus nicht von Seiten naturalistischer Gedankenspiele, sondern an ganz anderer Stelle: dort nämlich, wo naturalistische Erklärungsstrategien innerhalb der Sozialwissenschaften mit Aussicht auf Erfolg etabliert sind. Dabei habe ich weniger eine hoffnungslos unterkomplexe Lerntheorie vor Augen; nicht einmal die im Vormarsch befindliche Spieltheorie, die auch auf ihre Grenzen stoßen wird, weil man nicht alles auf strategisches Handeln reduzieren kann; sondern eine in ihre Grundbegriffen zugleich sensibler und umfassender ansetzende Systemtheorie der Gesellschaft. Diese geht vom Grundphänomen der Selbstbehauptung selbstbezüglicher Systeme in überkomplexen Umwelten aus und verfremdet die Lebenswelt aus einer – alle Ontologie überbietenden – metabiologischen Perspektive.“
(J. Habermas, Nachmetaphysisches Denken, Suhrkamp 1988, S. 30)


Vielleicht verstehst Du’s. Wenn Du es verstehst, wirst Du sehen, wo die Selbstkonditionierungsideen rangieren. Kreisklasse. Die Systemtheorie Luhmanns spielt in der Championsleague, die ist auch biologistisch, aber ein völlig anderes Niveau. Die Auseinandersetzung mit Luhmann war in den frühen 1970ern, was für ein eklatanter Niveauruscht 30 bis 40 Jahre später.

Lumen hat geschrieben:Was ich nicht erkannt habe: du hast von Gen "Determinismus" auf eine "freier Wille" Determinismus ungesattelt, damit du den angeblichen Dawkins Widerspruch, der das Ganze tragen sollte, aufrecht erhalten kannst. Ich habe selbst zuwenig Ahnung von der Freier-Wille-Determimismus Sache, habe mich auch nicht groß im entsprechenden Topic betätigt. Toller Salat, lasse mich hier von dir geduldig beleidigen, dabei sind es deine wirren Annahmen...


Du brauchst für die Diskussion um Dawkins von der Diskussion um den freien Willen nichts zu verstehen. Das ist eine andere Baustelle, ich bringe sie deshalb ins Spiel, weil es mir in dem Thread nicht allein um Dawkins geht, sondern um den (durchaus gefährlichen) Trend zur biologisierenden Ausdeutung der Welt. Eine Richtung dabei ist die Evolutionsbiologie, eine andere die Neurobiologie, manchmal überlappen sie einander.
Bei dem was Dawkins geschrieben hat liegt der Widerspruch bei ihm selbst, laie hat ihn in knappster Form auf den Punkt gebracht, Du kannst es nachlesen, noch einmal in seinen jüngsten Beiträgen.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Lumen » Fr 27. Jul 2012, 21:25

Ich wende mich mal bewusst vom Zwiegspäch ab und versuche es allgemeiner zu halten, dann können andere sich einbringen und man kann dem Treiben (hoffentlich) besser folgen.

Dawkins schrieb sein Buch vor 35 Jahren, hatte damit die Vorstellung von Evolutionstheorie erweitert. Aber es war, wie du selbst sagst, kein nennenswerter Beitrag zu Moral. Dazu war es nicht gedacht. Es erklärt auf elegante Weise bestimmte Verhaltensweisen, die zuvor für Kopfzerbrechen gesorgt hatten: Warum tötet ein Löwenmännchen die Jungen eines anderen, wenn es doch die "Art erhalten" will. Es erklärt auch das zunächst sonderbare Verhalten (aus einer naiven Evolutionstheorie-Sicht heraus), warum eine Fledermaus Nahrung mit nicht verwandten Artgenossen teilt, und dabei eben keine unmittelbare Gegenleistung erhält. Die Erklärung hierfür populisierte er mit dem Begriff "selfish genes". Da diese identische Kopien herstellen, die über komplizierte Wege Anlagen und Neigungen beinflussen, besteht zwischen Organismen—Trägern identischer Gene— obwohl nicht direkt verwandt, ein unsichtbares Band, das in manchen Situation trotz Selbsterhaltung der Gene und meistens auch des Organismus, dann doch zu Kooperation und wechelseitigem Helfen führte.

Die Evolutionstheorie und alles dazu gehörige wurde von religiösen Kreisen seit jeher angefeindet. Mal werden die Schrecken des Sozialdarwinismus durch das Dorf getrieben und eine naive Sicht mit naturalistischem Fehlschluss dazu gebraucht, vor einer Fressen-Und-Gefressenwerden Gesellschaft zu warnen, wo sich dann gerade Geistliche als moralische Instanz in Szene setzen konnten. Oder es wurde eine Verbindung zum Nationalsozialismus gesucht, der ja angeblich anti-religiös motivert und mit kühler wissenschaftlicher Effizienz sein blutiges Handwerk verrichtete. Wenn also jemand wie Dawkins darauf verweist, dass wir gleich unser Gene besser kein Vorbild für die Gesellschaft an der krokodilgespickten Flußquerung einer Gnu-Herde suchen sollten, dann steht dahinter ein bestimmter Kontext.

Dem entgegen stehen jetzt genau jene Kritiker, die immer wieder auf ihre Tradition und Deutingshoheit pochen, und die Diskussion aggressiv damit bestimmen wollen, indem der Kontext und die Anfeindungen einfach einer Paranoia, Persönlichkeitsstörungen, Fundamentalismus, Dummheit der Gesprächsteilnehmer zugerechnet werden. Damit hat man sich dann scheinbar eines Problems entledigt und kann dann als Bonus ohne den Kontext dann beliebig weiter Verschiebebahnhof von Kontext und Inhalt spielen. Da werden Dawkins Aussagen von vor 35 Jahren (Selfish Gene), zumal offenkundig missverstanden, dann eben in einen Topf geworfen mit aktueller Determinismus und Freier-Wille Thematik. Dann kann auch einerseits bemängelt werden, dass Dawkins irgendwelche Moral-Philosophen nicht ausreichend würdigt (was nicht seine Baustelle war, und wo seine genetischen Ausführen korrekterweise auslaufen) und gleichzeitig über eine Einmischung von Biologen in Geisteswissenschaften gemeckert werden. Dawkins macht also laut Vorwurf zuwenig, irgendwelche Hirnforscher zuviel.

Auch kommt der alte Konflikt zwischen Geistes- und Naturwissenschaften hier sehr stark durch, auch bei Sloterdijk und anderen: da ist das Problem von Dawkins dann, dass nicht "Selfish Gene" im falschen Revier wildert, sondern "God Delusion". In der Abscheu meiner verehrten Diskussionsteilnehmer ist das aber alles Einerlei. Habermas und andere Figuren passen da wunderbar hinein und so wird auch ihr Auftreten hier erklärbar. Meine Überlegung von Altruismus drehten sich darum, inwiefern der Begriff überhaupt einer rigorosen Definition standhält, wenn wirklich alles, also auch Gehirnchemie einberechnet wird: ich vertrat die Ansicht, dass ein sinnvoller Begriff solche Dinge ausser Acht lassen müsste. Uneigennützigkeit bleibt auch uneigennützlich, wenn jemand Glücksgefühle durch das Helfen bekommt. Das ist lediglich meine aktuelle Ansicht (als Nicht-Neurowissenschaftler und jemand der nur wenig vom aktuellen Stand der Freie-Wille Debatte hat).

So, die Zitiererei und den beschissene Diskussionstil der dadurch entsteht (auch durch mein Zutun) habe ich mal konterkariert. Die Tendenz zum Quote-Mining fand ich sehr hoch.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Fr 27. Jul 2012, 22:59

Lumen hat geschrieben:Ich wende mich mal bewusst vom Zwiegspäch ab und versuche es allgemeiner zu halten, dann können andere sich einbringen und man kann dem Treiben (hoffentlich) besser folgen.

Dawkins schrieb sein Buch vor 35 Jahren, hatte damit die Vorstellung von Evolutionstheorie erweitert. Aber es war, wie du selbst sagst, kein nennenswerter Beitrag zu Moral. Dazu war es nicht gedacht. Es erklärt auf elegante Weise bestimmte Verhaltensweisen, die zuvor für Kopfzerbrechen gesorgt hatten: Warum tötet ein Löwenmännchen die Jungen eines anderen, wenn es doch die "Art erhalten" will. Es erklärt auch das zunächst sonderbare Verhalten (aus einer naiven Evolutionstheorie-Sicht heraus), warum eine Fledermaus Nahrung mit nicht verwandten Artgenossen teilt, und dabei eben keine unmittelbare Gegenleistung erhält. Die Erklärung hierfür populisierte er mit dem Begriff "selfish genes". Da diese identische Kopien herstellen, die über komplizierte Wege Anlagen und Neigungen beinflussen, besteht zwischen Organismen—Trägern identischer Gene— obwohl nicht direkt verwandt, ein unsichtbares Band, das in manchen Situation trotz Selbsterhaltung der Gene und meistens auch des Organismus, dann doch zu Kooperation und wechelseitigem Helfen führte.


Okay, Du hast die anerkennenswerte Fähigkeit Dich zu berappeln und den erfreulichen Wunsch, die Diskussion fortzuführen, danke dafür.
Ich kann dem was Du hier schreibst großenteils zustimmen, nur ist Dawkins eben auch als Soziobiologie bekannt geworden.
Der Streit vor 35 Jahren in der Biologenfraktion ist übrigens keinesfalls so eindeutig ausgegangen und auch heute ist da einiges im Fluss. Längst ist hat das Konzept der Gruppenselektion wieder neue Fürsprecher bekommen und schon zu Beginn der Auseinandersetzung schrieb Eibl-Eibesfeldt (in Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung, Piper & Co.,1967, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage, 1978) :
Irenäus Eibl-Eibesfeldt hat geschrieben:Die Betrachtung des Sozialverhaltens unter selektionistischen Gesichtspunkten hat sicher entscheidend zu dessen besserem Verständnis beigetragen, allerdings auch zu gewissen Exzessen eines Sozialdarwinismus geführt, die aus einer allzu simplizistischen Darstellung erwuchsen. Eine solche Gefahr sehe ich neuerdings mit der stark vereinfachenden Darstellung der Soziobiologie heraufziehen, die leicht in eine Kleinstgruppenethik münden könnte.

Er meint vor allem auch Dawkins damit.

Beides kannst Du auch hier nachlesen:
Wikipedia hat geschrieben:Dawkins erlangte 1976 Bekanntheit mit seinem Schlagwort vom egoistischen Gen. In seinem diesbezüglichen Buch beschreibt er das Gen als fundamentale Einheit der natürlichen Selektion, die den Körper nur als „Überlebensmaschine“ benutzt.
Er tritt innerhalb der Evolutionsbiologie für die These ein, dass in evolutionären Prozessen Konkurrenzsituationen (Fitnessunterschiede) auf genetischer Ebene ausschlaggebend sind, wohingegen Gruppenselektion keine oder nur eine marginale Rolle spielt. In seinem ersten Buch Das egoistische Gen behandelt er diese Thematik und führt sie dann in The Extended Phenotype (1982) weiter aus, indem er die enge Definition des Phänotypen erweiterte und vermehrt das einzelne Gen ins Zentrum stellt. Diese Haltung war im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts weitestgehend akzeptiert. In jüngster Zeit jedoch wurde diese Aussage durch theoretische Modelle und konkrete Beispiele relativiert. Hier sind insbesondere die Arbeiten des Biologen David Sloan Wilson sowie des Wissenschaftsphilosophen Elliott Sober zu nennen.
Vermittelt über die Soziobiologie, als deren führender Vertreter Dawkins – neben Edward O. Wilson – gilt, wird die Vorstellung vom egoistischen Gen zum Teil auch in den Sozialwissenschaften rezipiert, ist dort aber sehr umstritten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Richard_Da ... _Evolution


Lumen hat geschrieben:Die Evolutionstheorie und alles dazu gehörige wurde von religiösen Kreisen seit jeher angefeindet. Mal werden die Schrecken des Sozialdarwinismus durch das Dorf getrieben und eine naive Sicht mit naturalistischem Fehlschluss dazu gebraucht, vor einer Fressen-Und-Gefressenwerden Gesellschaft zu warnen, wo sich dann gerade Geistliche als moralische Instanz in Szene setzen konnten. Oder es wurde eine Verbindung zum Nationalsozialismus gesucht, der ja angeblich anti-religiös motivert und mit kühler wissenschaftlicher Effizienz sein blutiges Handwerk verrichtete. Wenn also jemand wie Dawkins darauf verweist, dass wir gleich unser Gene besser kein Vorbild für die Gesellschaft an der krokodilgespickten Flußquerung einer Gnu-Herde suchen sollten, dann steht dahinter ein bestimmter Kontext.

Dem entgegen stehen jetzt genau jene Kritiker, die immer wieder auf ihre Tradition und Deutingshoheit pochen, und die Diskussion aggressiv damit bestimmen wollen, indem der Kontext und die Anfeindungen einfach einer Paranoia, Persönlichkeitsstörungen, Fundamentalismus, Dummheit der Gesprächsteilnehmer zugerechnet werden.


Wo Du doch meinst, dass das eigentlich Dein Part ist?
Nee, nee, Lumen, damit kannst Du bei mir nun gar nicht punkten. Was Du hier an Geifer und halbgaren Psychologisierungen ausgeschüttet hat, das sucht Seinesgleichen, da brauchst Du nicht in Deinen klaren Phasen den Gekränkten zu mimen, zieht nicht.

Lumen hat geschrieben:Damit hat man sich dann scheinbar eines Problems entledigt und kann dann als Bonus ohne den Kontext dann beliebig weiter Verschiebebahnhof von Kontext und Inhalt spielen. Da werden Dawkins Aussagen von vor 35 Jahren (Selfish Gene), zumal offenkundig missverstanden, dann eben in einen Topf geworfen mit aktueller Determinismus und Freier-Wille Thematik. Dann kann auch einerseits bemängelt werden, dass Dawkins irgendwelche Moral-Philosophen nicht ausreichend würdigt (was nicht seine Baustelle war, und wo seine genetischen Ausführen korrekterweise auslaufen) und gleichzeitig über eine Einmischung von Biologen in Geisteswissenschaften gemeckert werden. Dawkins macht also laut Vorwurf zuwenig, irgendwelche Hirnforscher zuviel.


Wie gesagt, Dawkins wird als (sehr umstrittener) Soziobiologe verstanden und wenn seine Aussagen schlicht widersprüchlich oder zirkulär sind, hilft der Verweis auf den historischen Kontext auch nichts.

Lumen hat geschrieben:Auch kommt der alte Konflikt zwischen Geistes- und Naturwissenschaften hier sehr stark durch, auch bei Sloterdijk und anderen: da ist das Problem von Dawkins dann, dass nicht "Selfish Gene" im falschen Revier wildert, sondern "God Delusion".


In beiden. Im „Selfish Gene“ ist er als Soziobiologe aufgetreten und hat neue Impulse in die Diskussion gebracht. Er war nicht der erste, nicht der einzige, aber er hat frischen Wind gebracht.
In „Gotteswahn“ hat er sich als Polemiker (ich würde sagen als Hetzer) diskreditiert, aber er ist nicht erst da auf kulturelle Themen eingeschwenkt.

Lumen hat geschrieben:In der Abscheu meiner verehrten Diskussionsteilnehmer ist das aber alles Einerlei.


Keinesfalls, ich antworte Dir ja ganz sachlich.

Lumen hat geschrieben:Habermas und andere Figuren passen da wunderbar hinein und so wird auch ihr Auftreten hier erklärbar. Meine Überlegung von Altruismus drehten sich darum, inwiefern der Begriff überhaupt einer rigorosen Definition standhält, wenn wirklich alles, also auch Gehirnchemie einberechnet wird: ich vertrat die Ansicht, dass ein sinnvoller Begriff solche Dinge ausser Acht lassen müsste. Uneigennützigkeit bleibt auch uneigennützlich, wenn jemand Glücksgefühle durch das Helfen bekommt. Das ist lediglich meine aktuelle Ansicht (als Nicht-Neurowissenschaftler und jemand der nur wenig vom aktuellen Stand der Freie-Wille Debatte hat).


Natürlich. Anderen zu helfen, sogar in radikaler Weise, ist vermutlich ein sehr geeigneter Weg um selbst glücklich zu werden. Zu diesem Schluss kommen eigentlich alle, die sich mit dem Thema beschäftigen. Nur, wenn das unser biologisches Programm wäre, würde es viel selbstverständlicher stattfinden, als es das tut. Die Entwicklungspsychologie hat diesen Weg in klarer Weise nachgezeichnet und die Entwicklung geht immer von egozentrisch über sozio-/ethnozentrisch zu einer Perspektive, die alle Menschen umfasst und u.U. noch mehr. Aber, es findet nicht von selbst statt. Auch schreitet die Entwicklung nicht zwingend fort. Manche Menschen bleiben Egozentriker, ihr Leben lang. Die meisten versacken auf einer der konventionellen Stufen der Moral.

Du hast vollkommen Recht: Wenn es mir gut geht, jemandem zu helfen, entwertet das die Hilfe nicht, macht den Akt nicht weniger altruistisch. Die Problematik tritt u.a. dann auf, wenn ich behaupte die wahren Motive für mein Handeln könnten mir gar nicht bewusst sein, ich hätte also oberflächlich das Gefühl, ich würde einem Bekannten helfen weil ich meine, der könnte Hilfe gut gebrauchen und mich in seine Situation versetze, während mich in Wahrheit meine egoistischen Gene dazu treiben ihm zu helfen, weil ich erwarte, dass er mir auch helfen muss.
Das ist eine kühne Behauptung, die belegt werden muss und zwar nicht allein mit Zackenbarschen.
Einem Menschen dass Wissen darüber, was er zu tun meint, rundweg abzusprechen, ist nicht ohne.
Dawkins und die fröhliche Biologenschar tut genau das.
Das ist in genau zwei Fällen in Ordnung. Der erste Fall wäre der der Psychoanalyse. Freud und seine Erben behaupten auch, dass man von weiten Teilen seiner eigenen Psyche keine Ahnung hat. Man hat so seinen privaten Mythos mit dem man durchs Leben geht, eine geschönte Geschichte, all das was an uns egozentrisch, gierig, narzisstisch, sexuell motiviert, aggressiv ist usw. fällt da in der Regel flach. Die Analyse bietet nun an, zusammen mit dem Klienten diesen unbewussten Raum abzuschreiten, über alle Schwierigkeiten der Verdrängung usw. hinweg, mit dem Versprechen, dass das Leben nachher besser wird, in dem Sinne, dass man nicht mehr gegen seine nicht so feinen Motive ankämpfen muss. Ein langer, steiniger Weg, wer ihn gegangen ist, weiß das. Freud hat nur die lapidare Botschaft.dass man seine eingebildeten Probleme gegen echte Probleme eintaucht, ist irgendwie auch wahr.
Der andere Fall ist, wenn (kundige) Beobachter begründete Zweifel an den Gründen haben, die jemand für sein Handeln angibt. Nur muss auch da am Ende die bessere Erklärung stehen und was besser ist, bestimmt wie immer die Sprachgemeinschaft.

Man muss einem Menschen auch zugestehen, dass er über seine Motive gelegentlich Bescheid weiß.
Und es sind immer Motivbündel: Wenn ich jemandem beim Umzug helfe, obwohl das nicht meine liebste Beschäftigung ist, dann ist das vielleicht auch, weil ich denke, dass der mir auch mal helfen kann, vielleicht will ich auch beliebt sein, aber warum sollte nicht auch der Wunsch eine Rolle spielen, jemandem zu helfen, der sonst kaum eine Möglichkeit hat, das zu schaffen, warum sollte ich es nicht aus Sympathie machen? Und warum sollte es nur ein heimliches Hauptmotiv geben und warum sollte das der Egoismus sein?

Und wie gesagt, ein anonymer Spender, ein stiller Helfer, der nicht die Welt aus den Fugen hebt und das Verdienstkreuz kriegt, sondern mal im Alltag an seine Mitmenschen denkt, vielleicht mal nett zu jemandem ist, der ein verkniffenes Gesicht macht, der evtl. hilft und als Spinner dasteht, etwa, wenn man sich für Tiere einsetzt. Da bricht kein Jubelsturm los, da ist man kein gefeierter Star und dennoch tun manche Menschen das. Das widerspricht Dakwins vier Möglichkeiten altruistischer Handlungen. Und auch Eibl-Eibesfeldt merkt an, dass die Fälle des Egoismus im Tierreich eher selten sind und es ist und bleibt halt so, dass es ein Fehlschluss ist, wenn man bei jedem Verhalten vom Zackenbarsch bis zum Lawinenretter so lange sucht bis man irgendein egoistisches Motiv findet. Man findet das, was man durch die Suche reinsteckt und irgendetwas findet man immer.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » Sa 28. Jul 2012, 07:09

Lumen hat geschrieben:Ich wende mich mal bewusst vom Zwiegspäch ab und versuche es allgemeiner zu halten, dann können andere sich einbringen und man kann dem Treiben (hoffentlich) besser folgen.



Wenn du dir was Gutes tun willst, hör lieber solchen Leuten zu ;-)


Hayek on Moral Values & Altruism
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Sa 28. Jul 2012, 08:56

@ ujmp (und wer sonst noch will):

Du hast in mehrfacher Hinsicht eine eigenartige Vorstellung davon, was es heißt, sich etwas Gutes zu tun.

Zum einen: Ist es denn wirklich gut und richtig, sich immer wieder Bestätigung aus dem (vermeintlich) eigenen Lager zu holen? Ist es nicht spannender sich von der Gegenseite inspirieren zu lassen? Vermutlich braucht man beides, eine intellektuelle und auch gefühlsmäßige Heimat, aber dann auch den konstruktiven Ärger, die Herausforderung der anderen Seite.

Zum anderen: Schau mal welche Position Hayek hat:
Wikipedia hat geschrieben:Hayek erweiterte seine Sozialismuskritik um eine Theorie der kulturellen Evolution und des menschlichen Zusammenlebens in arbeitsteiligen Gesellschaften und hat damit die Evolutionsökonomik wesentlich beeinflusst.

Nach Hayek sind Werte nicht oder nur in geringem Maße Resultat menschlicher Gestaltung und Vernunft. Sie entstammen aus drei Wurzeln: den biologischen „vererbten“ , den kulturell „erprobten“ und erst als dritte und am wenigsten weitreichende, den rational „geplanten“. Gewachsene Traditionen seien daher reproduktiv und adaptiv außerordentlich wirksam und würden von Sozialtheoretikern unterschätzt, während die Machbarkeit einer „idealen Gesellschaft“ überschätzt sei. Die Religionen seien insofern entscheidend für die Evolution des Menschen, da ihre Selektion bzw. „natürliche Auswahl“ nicht auf Basis rationaler Argumentation erfolge, sondern durch reproduktiven Erfolg als Ergebnis religiösen Glaubens und erfolgreicher Adaption (Anpassung) an die jeweilige Umwelt. Nicht jede Religion gilt von Hayek daher als gleichermaßen erfolgreich (auch den Kommunismus sieht er als bereits wieder absterbende Religion), aber im Wettbewerb würden sich immer wieder jene religiösen Bewegungen durchsetzen, die erfolgreich Fortpflanzung und Wirtschaftsleben förderten. Religionsfreiheit gilt von Hayek daher als eine zentrale Wurzel und ein wichtiges Anliegen des Liberalismus. In ihrem Rahmen könnten vielfältige Mikrogesellschaften in Wettbewerb treten und so den Gesamterfolg der Makrogesellschaft befördern. Monopolistische Religion werde dagegen ebenfalls reaktionär.
http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_ ... .281979.29


Inhaltlich finde ich die Ideen übrigens gar nicht schlecht.
Schon Freud konnte zeigen, dass ein nicht unbedeutender Teil dessen, was wir als rationalen und gut begründeten Akt sehen, durchaus auch andere, nämlich unbewusste, Motive haben könnte.
Freud kam darauf, als er Hypnoseexperimenten bei Charcot beiwohnte, bei denen Menschen allerlei absurde Handlungen suggeriert werden konnten, aber, der eigentliche Dreh war nicht die Suggestion, sondern Freuds Beobachtung, dass derjenige, der einfach einen posthypnotischen Befehl ausführte Stein und Bein schwor, er selbst tue dies aus freiem Willen und eigenem Antrieb. Und, noch frappierender: Er fand immer eine rationale Begründung für sein Tun.

Das hieß auch damals schon in der Konsequenz nichts anderes, als dass die Motive des Menschen, mitunter aus ihm nicht bewussten Quellen stammen und er sie nachträglich in ein rationales Raster, eine, gute Geschichte, die sich plausibel anhört, einbettet.
Wenn 100 Jahre später Hirnforscher meinen entdeckt zu haben, dass „das Gehirn“ ja nachträglich de Welt zu einer weitgehend konsistenten, aber oft falschen Geschichte zusammensetzt, dann zeigt das, dass sie Freud nie gelesen haben.

Die Frage ist nun, ob tatsächlich alles was wir wahrnehmen und denken, begründet als irrational abgeschmettert werden kann. Sind uns alle unsere Motive unbewusst? Sind wir immer nur vom Gehirn ferngesteuert? Wissen wir im Grunde nie, was wir tun?

Die Postmoderne war der letzte größere Frontalangriff auf die Rationalität als Ganzes, aber wie viele zeigen konnten, K.O. Apel fällt mir explizit ein, endeten ihre Bemühungen in einem performativen Widerspruch. Auch die Theorie, dass an der Rationalität nichts dran sei, will ja rational überzeugen.
Und nicht zuletzt, waren es auch engagierte Wissenschaftler, Socal und Bricmont, die mit „Eleganter Unsinn“ dem ausufernden postmodernen Treiben ein Ende bereiteten.

D.h. dass ein völliger Verzicht auf die Rationalität und die Idee, der Mensch sei zu keiner rationalen und richtigen Auskunft, insbesondere über seine eigenen Motive in der Lage, ist genauso einseitig und falsch, wie die stille Hoffnung, dereinst möge alles triebhaft-irrationale usw. durchlichtet sein und wenn man dem Menschen nur genügend gute Gründe gibt, dann kann er gar nicht anders, als im Sinne der Vernunft zu handeln. Ein starkes Motiv bei Kant und selbst Freud hatte noch (zu manchen Zeiten) den stillen Traum, dass auf lange Sicht die Vernunft über die Irrationalität und Illusionen siegen wird, zu anderen Zeiten war ihm klar, dass die Motive des Menschen zum Teil immer im Unbewussten bleiben werden.

Der Schluss ist an sich einfach: Der Mensch ist nicht ganz rational und mit rationalen, objektivierenden Methoden nie ganz zu verstehen, er ist aber auch nicht komplett irrational, also durchaus für Argumente empfänglich. Die Idee, dass wir zu einer immer rationaleren Gesellschaft fortschreiten, durch Aufklärung, Bildung und dergleichen, die hat inzwischen Risse gekommen.
Unser Projekt kann also durchaus sein, Rationalität zu steigern, vor allem dort, wo diese unterentwickelt ist, sollten uns aber nicht der Illusion hingeben, es bald mit einer durch und durch rationalen Gesellschaft zu tun zu haben. Es gab und gibt das Phänomen der Willensschwäche, die in dem Kontext einfach meint, dass der Mensch wider besseres Wissen Dinge tut, von denen er weißt, dass er sie nicht tun sollte.
Man kann dieses „Sollen“ auch aufkündigen, dann muss man sich damit konfrontieren, dass manche Menschen andere, radikal andere Prämissen setzen, als der Mainstream.

Insofern ist diese Mixtur die Hayek anspricht, vollkommen richtig.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » Sa 28. Jul 2012, 09:37

Vollbreit hat geschrieben:@ ujmp (und wer sonst noch will):

Du hast in mehrfacher Hinsicht eine eigenartige Vorstellung davon, was es heißt, sich etwas Gutes zu tun.

Zum einen: Ist es denn wirklich gut und richtig, sich immer wieder Bestätigung aus dem (vermeintlich) eigenen Lager zu holen? Ist es nicht spannender sich von der Gegenseite inspirieren zu lassen? Vermutlich braucht man beides, eine intellektuelle und auch gefühlsmäßige Heimat, aber dann auch den konstruktiven Ärger, die Herausforderung der anderen Seite.


Das ist nicht eine Frage des Lagers, sondern des Niveaus. Bis hier hin hab ich deinen Beitrag gelesen. Weiter lese ich aber nicht, weil deine Beiträge von Ignoranz, Willkür und Weitschweifigkeit gekennzeichnet sind - alles in allem von einem unseriösen Argumentationsstil. Vermutlich machts du das nicht absichtlich, es ist wohl eher so, dass Esoteriker da eine spezielle Tasse im Schrank haben - deshalb sind sie ja Esoteriker.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Sa 28. Jul 2012, 10:15

Meine Güte, wenn es zu mehr als pubertären Pöbeleien bei Dir nicht reicht, dann sei doch einfach ruhig.
Möchtest Du, dass ich auf den soundsovielten Esoteriker Einwand reagiere?
Ich finde, er trägt nichts zum Thema bei, mehr ist dazu nicht zu sagen.
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon miranda » Sa 28. Jul 2012, 15:03

Hallo Vollbreit,
deine Zusammenfassung über Hayek hat mir unheimlich gut gefallen. Ich glaube sowieso, dass das "Unbewusste" in uns eine große Macht ist und starker Antrieb. Nur Rationalität - das ist für mich wie eine Zwangsjacke; ich bin viel mehr. Trotzdem war und ist die Aufklärung natürlich ein Segen und befreit und hoffentlich von primitivem Aberglauben.(Esoterik)
LG Miranda, die in 4 Stunden im Urlaub sein wird, hurra!!!!
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon ujmp » Sa 28. Jul 2012, 15:40

Das Problem an der Esoterik bzw. an Pseudowissenschaften ist, dass man aus ihnen nichts lernen kann. Ihr kritischer Diskurs ist nicht konstruktiv. Sie nörglen nur an ernsthaften Wissenschaften rum um sie zu diskreditieren, und dies um ihren willkürlichen Vorstellungen die selbe Geltung zu verschaffen. Diese Vorstellungen haben aber null Problemlösungspotential. (Das kann man so übrigens von Kuhn lernen, wenn man ihn aufmerksam liest.)
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Re: Die biologisierende Ausdeutung der Welt

Beitragvon Vollbreit » Di 18. Jun 2013, 07:50

Offenbar gibt es innerhalb der biologisierenden Ausdeutung der Welt inzwischen auch eine Kehrtwende.
http://www.cicero.de/salon/wilson-sozia ... wolf/53928
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