Untersuchung des Zufalls

Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Mi 18. Jul 2012, 08:48

Aus vergangenen Diskussionen um Willensfreiheit, Evolutionstheorie und anderes abgeleitet, ist eine Frage für mich noch ungeklärt, die, nach dem Zufall.

Gibt es eigentlich Zufall, echten Zufall?
Was soll das sein, wie könnte der aussehen?
Oder ist Zufall einfach ein Sammelbegriff für Gesetzmäßigkeiten die von uns noch nicht oder prinzipiell nicht durchschaut werden können?

Was ich insbesondere meine: In der Diskussion um die Willensfreiheit gibt es den einigen Forenteilnehmern bekannten Streit zwischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten. Für diese Diskussion gibt es hier eigene Threads, sie soll an dieser Stelle nicht erneut angefacht werden.
Damit man aber überhaupt miteinander reden kann, einigte man sich auch Rahmenbedingungen, innerhalb derer das Spiel stattfindet und diese sind so, dass Naturalisten sie unterschreiben können.
Die wichtigsten sind, dass die Naturgesetzte überall gelten (und zu jeder Zeit gegolten haben und gelten werden) und dass alles mit rechten Dingen zugeht, d.h. es greift keine unerklärliche Macht von irgendwo her, in das Spiel ein.

Wenn es nun so ist, dass die Naturgesetze von Beginn des Universums an gegolten haben, keine sonstige Macht nachher auf unerklärliche Weise eingegriffen hat und die Anfangsbedingungen des Universums endlich (in ihrer Zahl) waren, dann müsste sich daraus zwingend ergeben, dass jede Bewegung jedes kleinsten Teilchens prinzipiell unter dem Regime der Naturgesetze steht.*

Mithin wäre das Universum vollständig determiniert.
Wenn das der Fall sein sollte, wo ist dann noch Raum für Zufall?

Zufall, darunter verstehen wir die Augenzahl beim Wurf eines Würfels oder der Zerfall eines Atomkerns bei radioaktiven Elementen. Aber bei aller Zufälligkeit zeigt sich bei einer großen Zahl von Würfen wieder eine Ordnung und auch radioaktive Stoffe haben eben ihre Halbwertzeit, die Zeit, nach der noch genau die Hälfte es radioaktiven Elements vorhanden ist, das ist ausgesprochen regelmäßig. Was wir nicht wissen, ist, welchen Kern als nächster zerfällt, aber dieses Ereignis und auch der nächste Würfelwurf steht nicht außerhalb der Naturgesetze, sollte also gesetzmäßig ablaufen und wenn man die Annahme, dass die Gesamtkonstellation aller Faktoren im Universum das nächste Ereignis determiniert, besteht erst mal kein Grund beim Uran von dieser Regel eine Ausnahme zu machen.

Nun geht z.B. die Evolutionsbiologie davon aus, dass Weltentstehung eine Kombination aus Zeit und Zufall ist. Was aber, wenn es gar keinen echten Zufall gibt? Trifft das evolutionsbiologische Ansätze ins Herz oder ist es ganz einfach egal, weil es ausreicht, dass wir die Komponenten nicht kennen?
Für uns wäre es – und vieles andere – Zufall, aber eben nur für unsere beschränkten Möglichkeiten der Einsicht.

Ist eine Ordnung, wie wir sie tagtäglich erleben überhaupt denkbar, mit echtem Zufall in der Welt?
Und die Frage von oben noch mal: Was genau soll echter Zufall überhaupt sein?
Klar ist, die Welt kann nicht zu 100% zufällig sein, sonst wäre jede Regelmäßigkeit, die wir erleben unmöglich. Aber wieviel Prozent Zufall wäre eigentlich zu ertragen, damit die Welt ist, wie sie ist?
Ist innerhalb der gesetzten Prämissen, Naturgesetze immer und überall, alles geht mit rechten Dingen zu, Zufall überhaupt denkmöglich?

* Das gilt auch dann, wenn man sich vor Augen hält, dass das, was wir Naturgesetze nennen, eigentlich vom Menschen beobachtete Regelmäßigkeiten sind, aus deren wiederholten Auftreten wir einen Gesetzesstatus in Form einer Notwendigkeit abgeleitet haben.
D.h. auch wenn man noch gar nicht weiß, was alles Naturgesetz ist, es sollte diese dennoch geben.
Auch wenn die Naturgesetze oder deren Konstanten dynamischen Wandlungsprozessen unterworfen sein sollten, werden diese nicht einfach so eintreten, sondern ihrerseits im Rahmen einer Gesetzmäßigkeit, bei der alles mit rechten Dingen zugeht.
Und wie mir scheint, ist dieses Konstrukt auch halbwegs immun gegen die logischen Einwände Humes, der sagt, dass aus der Tatsache, dass etwas bisher immer so war, logisch nicht zwingend abgeleitet werden kann, dass es auch weiterhin so sein wird. Das mag schon sein, aber jede Veränderung müsste innerhalb des Rahmens der Naturgesetze stattfinden, aus denen man eine gewisse Konstanz ableiten darf. (Dieser Punkt muss noch weiter diskutiert werden.)
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 18. Jul 2012, 09:39

Zufall und Wahrscheinlichkeit widersprechen keinen Naturgesetzen, sie sind Teil der Naturgesetze.
Wo ist da das Problem?
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Lumen » Mi 18. Jul 2012, 10:48

Mit der Chaostheorie wird beschrieben, wie beliebig kleine Abweichungen von Ausgangsbedingungen zu radikal unterschiedlichen Szenarien führen. Der "echte" Zufall spukt offenbar in dem was deterministisches Chaos genannt wird. Das klassische Beispiel sind Billiardkugeln die sich vollkommen vorhersagbar verhalten, aber wo bereits kleinste Änderungen des Winkels die Kugeln in völlig andere Richtungen abprallen lassen. Stoßen die so abgestoßenen Kugeln widerum an weitere und diese wieder an andere Kugeln, dann "verschwindet" irgendwann die Information der Ausgangsbedingung vollständig. Dazu empfehle ich diesen erhellenden Artikel.

Welt der Physik: Deterministisches Chaos hat geschrieben:
    Zufall und Statistik begegnen uns in der Natur auf dreierlei Weise.

  1. Da ist erstens der statistische Charakter der Quantenmechanik, worüber uns die ihrerseits strengen Gesetze für Wahrscheinlichkeitsamplituden Auskunft geben.
  2. Da ist zweitens die deterministisch-chaotische Bewegung, die als Folge nichtlinearer klassischer Naturgesetze auftritt, mit allen bekannten Zufallselementen wie Unvorhersagbarkeit und Unregelmäßigkeit im Ablauf.
  3. Da ist drittens der Zufall, der aus dem Zusammenspiel vieler Einzelteile (Elektronen, Moleküle, Körner, Staubbrocken im Saturnring, Sternhaufen, usw.) entspringt.


Der Zufall wirft aber offenbar ein konzeptionelles oder kognitives Problem auf: an irgendeiner Stelle könnte es wirklich zufällig zugehen, aber ab dieser Stelle wäre die Natur auch eine echte Black Box. Eine Black Box wiederum stellt ein noch ungelöstes oder unerforschtes Territorium dar und es gibt keine Methode zu wissen, ob es nicht doch Regeln in dem Zufall geben könnte. Mir scheint, das ist eine Art Halteproblem für menschliche Gehirne.

Die Zufälle in der Evolution sind hingegen auf dem Maßstab zufällig. Molekül-Billiardkugeln werden derartig wild durcheinadergewürfelt, dass alles was "oben drüber" erscheint ein einziges Rauschen wird. Wie du weißt habe ich meine Probleme damit, die Evolution in solchen Zusammenhängen zu nennen (das hat fast immer einen Hintergrund in theistischem Wunschdenken, d.h. "menschliches Dasein reiner Zufall oder doch durch Geisterhand gelenkt?"). Passenderweise gibt es einen frischen Artikel (gestern veröffentlicht) von Jerry Coyne, der die Problematik darstellt. Die Überschrift lässt die Dimension erahnen: "What's the Problem with unguided Evolution". Grundsätzlich habe ich kein Problem damit, darüber zu debattieren, bitte aber darum, dass dann direkt mit offenem Visir zu machen und nicht durch die Hintertür.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon stine » Mi 18. Jul 2012, 11:25

Bild
Quelle: Wikipedia

Ich bevorzuge für meine persönliche Erklärung das Modell eines Wasserfalls. Jeder Tropfen in der Wassermenge muss irgendwie dem Lauf des Wassers, also einem Naturgesetz folgen. Wo und wie er aber nach unten fällt oder ob er gar in der Luft verdunstet und erst später als Regentropfen wieder unten ankommt, das ist Zufall.

LG (LaienGrüße) stine
Zuletzt geändert von Nanna am Mi 18. Jul 2012, 14:12, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Quellenangabe eingefügt
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Mi 18. Jul 2012, 11:31

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Zufall und Wahrscheinlichkeit widersprechen keinen Naturgesetzen, sie sind Teil der Naturgesetze.
Wo ist da das Problem?


Es ist nicht der Punkt, dass Zufall den Naturgesetzen widerspricht oder widersprechen sollte.
Die Frage ist, was bei der Akzeptanz der Naturgesetze Zufall sein soll.

Wahrscheinlichkeiten sind Kausalitätsstränge, die einander überlager und dabei verstärken und/oder hemmen. Das ist kein größeres Problem. Aber was ist Zufall?
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Mi 18. Jul 2012, 12:08

@ Lumen:

Danke für den link.

Ein Satz darin ist allerdings auch:
Welt der Physik: Deterministisches Chaos hat geschrieben:Die Bewegungsgleichungen sind rein deterministisch und ohne Zufallselemente, aber eben nichtlinear.


Das Rauschen bedeutet, wenn ich es richtig verstanden habe, dass man aus den momentanen Bedingungen (bei unserem Kenntnisstand) die Anfangsbedingungen nicht rekonstruieren kann, aber kein einziger Schritt ist wirklich zufällig.

Wenn etwas jedoch determiniert abläuft und aus den t1 aus den Bedingungen t0 folgt, muss der Prozess auch umkehrbar sein, auch wenn das unseren Horizont bzw. unsere Rechenmöglichkeiten übersteigt.

Siehst Du das grundsätzlich anders, falls ja, an welcher Stelle?
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Lumen » Mi 18. Jul 2012, 14:24

Das Problem, dass du beschreibst ist meiner Meinung nach ein Problem mit Begriffen und Annahmen um die Naturgesetze herum. Solange wir ohne Umwege annehmen, dass es Naturgesetze gibt, die ausnahmslos alles steuern, müssen wir (zunächst) die Kröte schlucken, dass alles determiniert und somit nichts zufällig ist. Wenn die Ausgangsbedingungen und Regeln gleich sind, dann müsste alles immer genau gleich ablaufen, bis zu diesem Moment, wo du den Beitrag hier liest. Aber—moment.

Es könnte sein, dass die Ausgangsbedingungen, wenn man so will das "Substrat" ein chaotisches Rauschen ist, dass dann durch Naturgesetze in Muster verwandelt wird, die wir dann beobachten. Die Quantenphysik mit ihren seltsamen Überlagerungen von Alternativen und Wahrscheinlichkeiten sorgt für weiteres Kopfzerbrechen. Auch ohne genaues Verständnis davon wird zumindest klar, dass wir mit allzu intuitiven und mechanistische Auffassung von Kausalketten mit Sicherheit nicht weit kommen (ich kenne mich in dem Bereich ebenfalls kaum aus, kann also keine eigenen Gedanken dazu vortragen). Gesichert ist, dass selbst relativ primitive Lebewesen wie Algen "quantenmechanisch" funktionieren, was ziemlich sensationell ist. Mit anderen Worten, es konnte nachgewiesen werden, dass Lebewesen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch menschliche Gehirne nicht hinreichend mit klassischer Physik/Biologie erklärbar sind.

ScienceDaily hat geschrieben:Our latest experiments show that normally functioning biological systems have the capacity to use quantum mechanics in order to optimize a process as essential to their survival as photosynthesis. [...] it means that quantum mechanical probability laws can prevail over the classical laws of kinetics in this complex biological system, even at normal temperatures. The energy can thereby flow efficiently by -- counter intuitively -- traversing several alternative paths through the antenna proteins simultaneously. It also raises some other potentially fascinating questions, such as, have these organisms developed quantum-mechanical strategies for light-harvesting to gain an evolutionary advantage? [...]
Zuletzt geändert von Lumen am Mi 18. Jul 2012, 14:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 18. Jul 2012, 14:34

Vollbreit hat geschrieben:Mithin wäre das Universum vollständig determiniert.
Wenn das der Fall sein sollte, wo ist dann noch Raum für Zufall?

Nirgends, ich denke, du hast deine eigene Frage umfassend beantwortet. Die eigentliche Frage ist doch, ob du dir einen Zufall wünscht, damit du irgendwo noch einen freien Willen oder Freiheit festmachen kannst. Wenn du nach so einem Grund suchst, willst du gar nicht glauben, dass es keinen Zufall gibt.
Vollbreit hat geschrieben:Nun geht z.B. die Evolutionsbiologie davon aus, dass Weltentstehung eine Kombination aus Zeit und Zufall ist. Was aber, wenn es gar keinen echten Zufall gibt? Trifft das evolutionsbiologische Ansätze ins Herz oder ist es ganz einfach egal, weil es ausreicht, dass wir die Komponenten nicht kennen?
Für uns wäre es – und vieles andere – Zufall, aber eben nur für unsere beschränkten Möglichkeiten der Einsicht.

"Zufall" bedeutet in diesem konkreten Zusammenhang nicht wirklich "Zufall", genausowenig wie "reziproker Altruismus" ein echter Altruismus ist. Was ich festgestellt habe, bezüglich dem Fachterminus in der Biologie, ist eine Verschleierung des Inhalts zugunsten der gesellschaftlichen Akzeptanz, als sei man in einem Geheimbund. Ich finde, das ist einer Naturwissenschaft unwürdig und wird sich im Laufe der Zeit auflösen, zugunsten genauerer Bezeichnungen. Um nochmal auf diesen "Zufall" zu sprechen zu kommen: Hier ist eigentlich nur alles zusammengefasst, was in den Bereich der nicht vom Biologen betrachteten Gesetzmäßigkeiten der Physik (oder vielleicht schon in der Chemie) fällt, die diese Ergebnisse determinieren.
Generell ist der Zufall das Eingeständnis der Geduldlosigkeit eines Naturwissenschaftlers, jeden Einzelfall an Ergebnissen zu untersuchen. Soetwas würde auch den Ansatz untergraben, allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufzustellen, anstatt etwas vom Zufall oder Standardabweichung zu schreiben. Das ist ein Bestandteil der Methodik, um überhaupt Theorien aufstellen zu können und wenigstens den Hauptgrund für Ergebnis xyz zu finden.
Vollbreit hat geschrieben:Klar ist, die Welt kann nicht zu 100% zufällig sein, sonst wäre jede Regelmäßigkeit, die wir erleben unmöglich. Aber wieviel Prozent Zufall wäre eigentlich zu ertragen, damit die Welt ist, wie sie ist?
Ist innerhalb der gesetzten Prämissen, Naturgesetze immer und überall, alles geht mit rechten Dingen zu, Zufall überhaupt denkmöglich?

Wenn du dich darin nicht auskennst, helfen dir vielleicht bestimmte thermodynamische Begrifflichkeiten: geschlossenes System, abgeschlossenes System. Für die Hauptsätze ist klar definiert, welche Systeme wie durchlässig für Einflüsse sind. Da es kein echtes abgeschlossenes System gibt, wird alles in kausalem Zusammenhang stehen, es gibt keinen Platz für den Zufall.
Lumen hat geschrieben:Gesichert ist, dass selbst relativ primitive Lebewesen wie Algen "quantenmechanisch" funktionieren, was ziemlich sensationell ist. Mit anderen Worten, es konnte nachgewiesen werden, dass Lebewesen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch menschliche Gehirne nicht hinreichend mit klassischer Physik/Biologie erklärbar sind.

Auch ich kenne mich damit nicht gut genug aus, will aber trotzdem einwerfen, dass "Zufall" in der Quantenmechanik offensichttlich doch berechenbar ist, und kein echter Zufall sein kann. Wenn man die Unschärferelation bedenkt, ist schon ein Grund gegeben, warum wir niemals endgültig alle Ursachen einer Wirkung erkennen werden, weil wir schon bei der Untersucheung das Ergebnis beeinflussen. Und selbst dann ist es nicht möglich zu sagen, dass wir einen Rest freien Willen hätten, weil diese vermeindlich chaotischen Ebenen nicht bis zur willkürlichen (also der bewussten Enscheidungsfindung) Ebene reichen werden.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Lumen » Mi 18. Jul 2012, 15:01

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nun geht z.B. die Evolutionsbiologie davon aus, dass Weltentstehung eine Kombination aus Zeit und Zufall ist. Was aber, wenn es gar keinen echten Zufall gibt? Trifft das evolutionsbiologische Ansätze ins Herz oder ist es ganz einfach egal, weil es ausreicht, dass wir die Komponenten nicht kennen? Für uns wäre es – und vieles andere – Zufall, aber eben nur für unsere beschränkten Möglichkeiten der Einsicht.

"Zufall" bedeutet in diesem konkreten Zusammenhang nicht wirklich "Zufall", genausowenig wie "reziproker Altruismus" ein echter Altruismus ist. [...]


Doch, in beiden Fällen, es sei denn du hast eine arkane Vorstellung von "echt" und "wirklich". Gene programmieren Lebewesen und fahren mit, dabei sind die gleichen Gene in unterschiedlichen Konstellationen unterwegs. Bei dieser Perspektive lässt man die Vehikel, also die Lebewesen erstmal weg. Die Gene sind wie unsterbliche Fahrer die sich immer wieder zu neuen Fahrgemeinschaften zusammensetzen und losfahren. Manche Fahrgemeinschaften kommen ins Ziel, wo sie dann neue Fahrzeuge bestücken, wobei sie die Teamzusammensetzung im Prinzip erhalten, aber auch ein paar Änderungen vornehmen. Wenn eine Fahrgemeinschaft nur aus Bremsern besteht, kommen sie nie ins Ziel. Eine andere die nur Reifen wechseln kann schafft es ebenfalls nicht weit. Die Mannschaft wo ein Gasgeber, Bremser und Links-Lenker enthalten sind, kommen vielleicht ein Stück weit. Relativ bald gibt es Teams die gut abgestimmt sind und da nach jedem Ziel die Zusammensetzung weitgehend erhalten bleibt, ist auch gesichert, dass die nächste Fahrgemeinschaft recht weit kommt. D.h. eine Mannschaft nur aus Bremsern kommt dann nicht mehr vor. Nun gibt es einige Fahrer die können die Reifen von anderen Vehikeln wechseln, sofern ein Zwillingsbruder mitfährt. Es ist dem Mechanismus komplett egal, warum das passiert. Aber offenkundig ist es so, dass der Zwillingsbruder davon profitiert, wenn sein Bruder in einem anderen Vehikel mitfährt. Profitiert heißt hier einfach nur: kommt wahrscheinlich(er) ins Ziel.

Reziproker Altruismus ist also echt Altruismus, da die Lebewesen keinen bewussten "gen-check" machen, sondern "einfach so" einem Artgenossen helfen. Diese Verhalten hat es deshalb geschafft, weil "einfach so" helfen bedeutet, dass dem Lebewesen auch "einfach so" geholfen wird, da sie derselben Art angehören (die die gleiche genetische Bauweise, also Verhaltensweise aufweisen). Wenn es einen Netto-Bonus für diesen Aufbau gibt, wird dieser sich durchsetzen. Das Lebewesen selbst hat kein Bewusstsein davon, dass es Verwandten lieber hilft, als Fremden, es verhält sich also genuin altruistisch. Dieser Altruismus lässt auch umdrehen und durch Kultur prägen, was Vereine, Religionen, Nationen und so fort andauernd machen.

Jedenfalls ist es verkehrt, den Zufall in der Evolution, der sich u.a. auf molekularem Level abspielt mit der Suche nach Zufall insgesamt zu vermengen. Die Mutationen entstehen wie durcheinandergewürfelte Billardkugeln, wo die Ausgangssituation nicht mehr sichtbar ist, somit gut von Zufall gesprochen werden kann.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Mi 18. Jul 2012, 16:32

Lumen hat geschrieben:Das Problem, dass du beschreibst ist meiner Meinung nach ein Problem mit Begriffen und Annahmen um die Naturgesetze herum. Solange wir ohne Umwege annehmen, dass es Naturgesetze gibt, die ausnahmslos alles steuern, müssen wir (zunächst) die Kröte schlucken, dass alles determiniert und somit nichts zufällig ist. Wenn die Ausgangsbedingungen und Regeln gleich sind, dann müsste alles immer genau gleich ablaufen, bis zu diesem Moment, wo du den Beitrag hier liest. Aber—moment.


Ja.
Das ist einerseits ein selbstgebastelter Zirkel, andererseits muss man irgendwelche Bedingungen mal formulieren, die minimale Metaphysik um die man nicht herum kommt.
Vielleicht ist das Rauschen ein Ausweg, schauen wir es uns an.

Lumen hat geschrieben:Es könnte sein, dass die Ausgangsbedingungen, wenn man so will das "Substrat" ein chaotisches Rauschen ist, dass dann durch Naturgesetze in Muster verwandelt wird, die wir dann beobachten.


Das würde bedeuten, dass die Naturgesetze/-konstanten dem Substrat, dem Materie-Energie-Komplex nachgeordnet wäre. Das ist insofern schwer zu denken, als es auch für den Urknall eine Ursache gegeben haben muss.

Oder aber, eine durchaus diskutable Position, unser Kausaldenken ist zwar unser (bisher recht erfolgreiches) Modell die Welt zu beschreiben, entspricht aber nicht der Wirklichkeit.
Nur, stellen wir mal die Gegenfrage: Es kann natürlich sein, dass Dinge „einfach so“ passieren.
Aber der hohe Grad an Ordnung in der Welt lässt mich doch skeptisch werden. Wenn mir Dinge aus der Hand oder vom Tisch fallen, liegen sie immer tiefer, nie fallen sie nach oben, an die Decke.
Das kann natürlich alles Zufall sein, es kann auch sein, dass mein Kuli einfach so, also grundlos immer und immer wieder auf den Boden (statt an die Decke) fällt. Ich finde das klingt nur nicht überzeugend.

Bei aller Möglichkeit, dass das nicht alles ist, das Kausalitätsdenken hat schon Charme und man sollte es nicht zu schnell in die Tonne kloppen.

Lumen hat geschrieben:Die Quantenphysik mit ihren seltsamen Überlagerungen von Alternativen und Wahrscheinlichkeiten sorgt für weiteres Kopfzerbrechen. Auch ohne genaues Verständnis davon wird zumindest klar, dass wir mit allzu intuitiven und mechanistische Auffassung von Kausalketten mit Sicherheit nicht weit kommen (ich kenne mich in dem Bereich ebenfalls kaum aus, kann also keine eigenen Gedanken dazu vortragen).


Da wird auch viel hm, merkwürdiges Zeug geredet. Die Ungleichheit von mathematischen Möglichkeiten und empirischen Zuständen thematisiert ja Schrödinger. Andere, wie David Deutsch, halten mathematische Möglichkeiten für buchstäblich und empirisch wahr, die Viele Welten Theorie lebt davon, aber Schrödinger will zeigen, dass eine Katze (deren Schicksal von Quanten abhängt) nur tot oder lebendig sein kann, niemals beides und erteilt damit diesen mathematischen Überlagerungen für den makroskopischen Bereich eine Absage.

Aber Quanten hin oder her, mal ganz grundsätzlich: Wenn wir akzeptieren, dass der Beobachter auf der Quantenebene einen Prozess nicht nur beobachtet, sondern beeinflusst, verändert, was spricht dagegen, dass genau dieses Ereignis auch determiniert ist? Dann macht eben jemand 2012 ein Quantenexperiment und verändert durch dieses ein paar Quanten, ja und?
Wenn alles „aus Quanten“ besteht, dann passiert das ständig, dann ist das kein Sonderfall, sondern der normalste Vorgang der Welt.

Die grundlegend andere Frage ist, ob in diesem Sinne wirklich „alles aus Quanten“ besteht.
Das ist ein schweres metaphysisches Gepäck, was man sich da aufgeladen hat, weil darin implizit oft Behauptungen hinter stecken wie die, dass die „Wirklichkeit“ allein bottom up funktioniert.
Das ist gewagt. Was man meint, ist wohl, dass vermutlich bei allem immer auch Quanten mit im Spiel sein müssen, aber gerade Dein Einwand dass sich Muster durchsetzen, die ihrerseits das Quantenchaos ordnen, widerspricht dem bspw.

Die Behauptung, dass man von dieser Ebene aus die Welt am aller besten versteht, sehe ich auch keinesfalls als gesetzt an. Es ist die nächste unbewiesene Behauptung.

Aber, zurück zum Zufall. Die Stelle, wo dieser wirklich ins Spiel kommt und wir nicht einfach nur die Übersicht verlieren, ist doch eigentlich nicht auszumachen. Das mag an den Prämissen liegen, die spannende Frage ist nun, ob es bessere Prämissen gibt.

Wo soll man ansetzen? Bei der Kausalität, der Logik, den Anfangsbedingungen des Universums?
Aber muss man überhaupt etwas ändern? Die Antwort könnte auch theoretisch schlank lauten: Zufall gibt es nicht.

Ob die Evolutionstheorie daran Schaden nimmt oder nicht, ist mir eigentlich egal, könnte aber geklärt werden. Ob das den Naturalismus ankratzt oder ihm voll in die Karten spielt, wird man sehen, er ist in diesem Kontext (in dem er ja im Grunde die Prämisse liefert) ungefährdet. Jedenfalls, so weit ich das erkennen kann.

Lumen hat geschrieben:Gesichert ist, dass selbst relativ primitive Lebewesen wie Algen "quantenmechanisch" funktionieren, was ziemlich sensationell ist. Mit anderen Worten, es konnte nachgewiesen werden, dass Lebewesen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch menschliche Gehirne nicht hinreichend mit klassischer Physik/Biologie erklärbar sind.


Ich habe den Bericht aufmerksam gelesen, aber nicht verstanden, wo der Clou ist. Auf einer deutschen Seite wird es ausführlicher erklärt:
http://www.pro-physik.de/details/news/p ... laid=12624
Ich meine den Vorgang jetzt verstanden zu haben, bin mir aber nicht sicher, was das jetzt nahelegen soll. Es bezweifelt ja niemand, dass in einem nicht andere Behauptungen voraussetzenden Sinne alles aus Quanten besteht. Zumindest bezweifle ich das nicht. Die eigentliche Schwierigkeit bei diesen beiden Ebenen des Mikro- und Makrokosmos, liegt doch eher darin, dass die Gesetzmäßigkeit der einen Ebene und der anderen schlecht zusammenpassen und dass die Quantenebene einige unserer Vorstellungen von Kausalität und Logik ad absurdum zu führen scheint.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Mi 18. Jul 2012, 16:48

Darth Nefarius hat geschrieben:Die eigentliche Frage ist doch, ob du dir einen Zufall wünscht, damit du irgendwo noch einen freien Willen oder Freiheit festmachen kannst. Wenn du nach so einem Grund suchst, willst du gar nicht glauben, dass es keinen Zufall gibt.


Es wäre glaube ich generell von Vorteil, wenn nicht bei jedem zweiten Beitrag psychologische Motivforschung betrieben würde. Das ist zwar vermutlich eine uneinlösbare Forderung, aber vielleicht ist es ja möglich über diese Motive immer nur in jedem 5. oder gar 10. Beitrag zu spekulieren?

Darth Nefarius hat geschrieben:Um nochmal auf diesen "Zufall" zu sprechen zu kommen: …


Was war jetzt die Aussage, die sich auf den Zufall bezog?

Darth Nefarius hat geschrieben:Da es kein echtes abgeschlossenes System gibt, wird alles in kausalem Zusammenhang stehen, es gibt keinen Platz für den Zufall.


Ah, beim Thema angekommen. Ja, es gibt keinen Zufall. Zumindest wird es eng, wenn gesagt werden soll, was das sein soll, wenn immer und überall Gesetzmäßigkeiten gelten.
Liegt das nur an den Prämissen die man sich gegeben hat, oder liegt das in der „Natur“ (Wesens- oder Daseinsart) der Natur?

Darth Nefarius hat geschrieben:Wenn man die Unschärferelation bedenkt, ist schon ein Grund gegeben, warum wir niemals endgültig alle Ursachen einer Wirkung erkennen werden, weil wir schon bei der Untersucheung das Ergebnis beeinflussen. Und selbst dann ist es nicht möglich zu sagen, dass wir einen Rest freien Willen hätten, weil diese vermeindlich chaotischen Ebenen nicht bis zur willkürlichen (also der bewussten Enscheidungsfindung) Ebene reichen werden.


Das eine hat mit dem anderen buchstäblich nichts zu tun, aber die Willensfreiheitsdiskussion bitte ich an anderer Stelle weiterzuführen, wenn sie nicht direkt zur Klärung beiträgt, was hier nicht der Fall ist.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 18. Jul 2012, 18:20

Lumen hat geschrieben:Doch, in beiden Fällen, es sei denn du hast eine arkane Vorstellung von "echt" und "wirklich".

Ich habe meine Vorstellungen ausgeführt, nebenbei kannst du mir nichts diesbezüglich vormachen, ich bin in einem biologieverwandten Studium.
Lumen hat geschrieben:Gene programmieren Lebewesen und fahren mit, dabei sind die gleichen Gene in unterschiedlichen Konstellationen unterwegs. Bei dieser Perspektive lässt man die Vehikel, also die Lebewesen erstmal weg. Die Gene sind wie unsterbliche Fahrer die sich immer wieder zu neuen Fahrgemeinschaften zusammensetzen und losfahren. Manche Fahrgemeinschaften kommen ins Ziel, wo sie dann neue Fahrzeuge bestücken, wobei sie die Teamzusammensetzung im Prinzip erhalten, aber auch ein paar Änderungen vornehmen.

Bla bla, das erzählt jemad einem Molekularbiologiestudenten, der ein nettes Mainstream-Buch gelesen hat. Fast schon niedlich. Wir sind alle sehr stolz auf deine niedlichen Formulierungen! :applaus:
Lumen hat geschrieben:Reziproker Altruismus ist also echt Altruismus, da die Lebewesen keinen bewussten "gen-check" machen, sondern "einfach so" einem Artgenossen helfen.

Tut mir Leid, aber deine dämliche Anekdote übers Autofahren reicht nicht, um das zu begründen. Du meinst also, dass Altruismus unbewusst sein darf, währen der Egoismus bewusst sein muss? Unsinn, diese Handlungen und ein erfolgreiches Verhalten dient immer dem eigenen Vorteil, im zweifelsfall auf indierkter Weise. In der Biologie sucht man immer Homologien und der Egoismus ist die ursprünglichste Homologie, die jeden Sozialverhalten (ob nun einzelgängerisch oder in Gruppen) zugrunde liegt. Oder willst du mir erklären, dass ein Krokodil auch ein Altruist ist? Oder gar kein Tier? Ein "Gen-Check" ist früher nicht nötig gewesen, die eigene Gruppe war zu großer Wahrscheinlichkeit mit einem selbst verwandt, also konnte ein instinktives, egoistisch-kooperatives Verhalten völlig ausreichen, um erfolgreich zu sein. Der Egoismus ist flexibel, abgesehen davon hatten wir das mal als Diskussion, hier geht es um etwas ganz anderes und ich will mich nicht wiederholen.
Lumen hat geschrieben:Diese Verhalten hat es deshalb geschafft, weil "einfach so" helfen bedeutet, dass dem Lebewesen auch "einfach so" geholfen wird, da sie derselben Art angehören (die die gleiche genetische Bauweise, also Verhaltensweise aufweisen).

"Einfach so helfen" bedeutet nicht altruistisch handeln, sondern nur unüberlegt, unreflektiert, instinktiv. Damit kannst du keine selbstlose Absicht unterstellen.
Lumen hat geschrieben:Wenn es einen Netto-Bonus für diesen Aufbau gibt, wird dieser sich durchsetzen. Das Lebewesen selbst hat kein Bewusstsein davon, dass es Verwandten lieber hilft, als Fremden, es verhält sich also genuin altruistisch.

Wie gesagt, es verhällt sich nur instinktiv, nicht altruistisch. Wenn wir überlegen wollen, was auf der unbewussten, undurchdachten Ebene die Motivation sein kann, dann doch nur eine Triebbefriedigung, eine Ausschüttung an Glückshormonen, die sich als evolutionäre Belohnung für ein sich selbst dienliches Verhalten eingebaut hat. Damit ist es wieder egoistisch, abgesehen von offenkundigen Nutzen für das Individuum.
Lumen hat geschrieben:Jedenfalls ist es verkehrt, den Zufall in der Evolution, der sich u.a. auf molekularem Level abspielt mit der Suche nach Zufall insgesamt zu vermengen.

Das habe ich auch nicht gemacht, tatsächlich ist das aber nicht verkehrt, weil für die Laien und die frühen Biologen die Mutation ein "zufälliges" Ereignis darstellte, das aber essentiell für die Evolution ist. Das ist keine Vermengung, sondern ein korrekter Zusammenhang.
Lumen hat geschrieben:Die Mutationen entstehen wie durcheinandergewürfelte Billardkugeln, wo die Ausgangssituation nicht mehr sichtbar ist, somit gut von Zufall gesprochen werden kann.

Wie entstehen den Billardkugeln? Zufällig? =)
Hast du schonmal was von Mutagenen gehört? Es ist gut bekannt, was mutagen wirkt, was wieviele und welche Mutationen auslöst. In meiner Strahlenbiologieklausur wurde zuletzt z.Bsp. abgefragt, wieviele Doppelsrangbrüche und wieviele EInzelstrangbrüche bei definierter Strahlung (die ich jetzt nicht aus dem Kopf weiss9 entstehen! Selbst da wurde es als Wissen vorausgesetzt.
Vollbreit hat geschrieben:Es wäre glaube ich generell von Vorteil, wenn nicht bei jedem zweiten Beitrag psychologische Motivforschung betrieben würde. Das ist zwar vermutlich eine uneinlösbare Forderung, aber vielleicht ist es ja möglich über diese Motive immer nur in jedem 5. oder gar 10. Beitrag zu spekulieren?

Diese Forderung hast du nie an mich gerichtet, das Wort "Metafrage" habe ich - zu deiner Erinnerung - nie benutzt. Aber meinetwegen, deine Reaktion hat ohnehin alles beantwortet.
Vollbreit hat geschrieben:Was war jetzt die Aussage, die sich auf den Zufall bezog?

Äh, du hast doch das Thema eröffnet, speziell von dem der Evolutionstheorie essentiellen Zufall! Also habe ich mich darauf berufen und meinen Standpunkt ausgebreitet.
Für diejenigen mit schlechtem Gedächtnis:
Vollbreit hat geschrieben:Nun geht z.B. die Evolutionsbiologie davon aus, dass Weltentstehung eine Kombination aus Zeit und Zufall ist. Was aber, wenn es gar keinen echten Zufall gibt?

(Das hast du im ersten Kommentar geschrieben.)
Dann habe ich erklärt, dass dieser "Zufall" in der Biologie anders gemeint ist, als im alltäglichen Sprachgebrauch, ich war die ganze Zeit beim Thema:
Darth Nefarius hat geschrieben:Um nochmal auf diesen "Zufall" zu sprechen zu kommen: Hier ist eigentlich nur alles zusammengefasst, was in den Bereich der nicht vom Biologen betrachteten Gesetzmäßigkeiten der Physik (oder vielleicht schon in der Chemie) fällt, die diese Ergebnisse determinieren.
Generell ist der Zufall das Eingeständnis der Geduldlosigkeit eines Naturwissenschaftlers, jeden Einzelfall an Ergebnissen zu untersuchen. Soetwas würde auch den Ansatz untergraben, allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufzustellen, anstatt etwas vom Zufall oder Standardabweichung zu schreiben. Das ist ein Bestandteil der Methodik, um überhaupt Theorien aufstellen zu können und wenigstens den Hauptgrund für Ergebnis xyz zu finden.

Vollbreit hat geschrieben:Liegt das nur an den Prämissen die man sich gegeben hat, oder liegt das in der „Natur“ (Wesens- oder Daseinsart) der Natur?

Stellst du also die Frage, ob wir allgemein nach Ursachen suchen, weil es sie immer gibt, oder weil wir annehmen, dass es sie immer gibt? Ich denke, ersteres trifft zu, zumindest hat sich zweiteres nie als falsch dargestellt, was die Vermutung nahelegt, dass es keinen Zufall gibt. Wir werden natürlich "die Natur" (einen ohnehin unnützen Begriff) niemals "fassen" können, weil er ja nichts Konkretes beschreibt.
Vollbreit hat geschrieben:Das eine hat mit dem anderen buchstäblich nichts zu tun, aber die Willensfreiheitsdiskussion bitte ich an anderer Stelle weiterzuführen, wenn sie nicht direkt zur Klärung beiträgt, was hier nicht der Fall ist.

Sag mal, vergisst du wirklich so schnell, was du selbst geschrieben und in Zusammenhang betrachtet hast?! Hier:
Vollbreit hat geschrieben:...Oder ist Zufall einfach ein Sammelbegriff für Gesetzmäßigkeiten die von uns noch nicht oder prinzipiell nicht durchschaut werden können?

Was ich insbesondere meine: In der Diskussion um die Willensfreiheit gibt es den einigen Forenteilnehmern bekannten Streit zwischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten.

Hier hast du zuerst den Zufall in einem Atemzug mit der Willensfreiheit genannt. Ich habe dann erklärt, dass es keinen Zufall gibt und Willensfreiheit folglich auch nicht. Das schien dir doch ohnehin die wichtigere Frage zu sein, oder? "Kann ich berechtigt an den freien Willen glauben?" - ist das nicht korrekt?
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Mi 18. Jul 2012, 19:53

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es wäre glaube ich generell von Vorteil, wenn nicht bei jedem zweiten Beitrag psychologische Motivforschung betrieben würde. Das ist zwar vermutlich eine uneinlösbare Forderung, aber vielleicht ist es ja möglich über diese Motive immer nur in jedem 5. oder gar 10. Beitrag zu spekulieren?

Diese Forderung hast du nie an mich gerichtet, das Wort "Metafrage" habe ich - zu deiner Erinnerung - nie benutzt.


Ah, das trifft sich gut, ich nämlich auch nicht.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Liegt das nur an den Prämissen die man sich gegeben hat, oder liegt das in der „Natur“ (Wesens- oder Daseinsart) der Natur?

Stellst du also die Frage, ob wir allgemein nach Ursachen suchen, weil es sie immer gibt, oder weil wir annehmen, dass es sie immer gibt? Ich denke, ersteres trifft zu, zumindest hat sich zweiteres nie als falsch dargestellt, was die Vermutung nahelegt, dass es keinen Zufall gibt. Wir werden natürlich "die Natur" (einen ohnehin unnützen Begriff) niemals "fassen" können, weil er ja nichts Konkretes beschreibt.


Ja, die Frage war so gemeint. Viele sagen allerdings, wir könnten gar nicht anders als kausal denken.
Wenn das so wäre, hätten wir natürlich ein Problem, wenn das Universum sich gar nicht so um Kausalitäten schert.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das eine hat mit dem anderen buchstäblich nichts zu tun, aber die Willensfreiheitsdiskussion bitte ich an anderer Stelle weiterzuführen, wenn sie nicht direkt zur Klärung beiträgt, was hier nicht der Fall ist.

Sag mal, vergisst du wirklich so schnell, was du selbst geschrieben und in Zusammenhang betrachtet hast?! Hier:
Vollbreit hat geschrieben:...Oder ist Zufall einfach ein Sammelbegriff für Gesetzmäßigkeiten die von uns noch nicht oder prinzipiell nicht durchschaut werden können?


Ja und?
Was hat das mit Willensfreiheit zu tun? Soviel wie mit Eisenbahnen oder Elektronen.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Was ich insbesondere meine: In der Diskussion um die Willensfreiheit gibt es den einigen Forenteilnehmern bekannten Streit zwischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten.

Hier hast du zuerst den Zufall in einem Atemzug mit der Willensfreiheit genannt. Ich habe dann erklärt, dass es keinen Zufall gibt und Willensfreiheit folglich auch nicht. Das schien dir doch ohnehin die wichtigere Frage zu sein, oder? "Kann ich berechtigt an den freien Willen glauben?" - ist das nicht korrekt?


Psychologische Ursachenfoschung bitte unterlassen, das Thema ist Zufall, zum freien Willen gerne mehr im entsprechenden Thread.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Darth Nefarius » Mi 18. Jul 2012, 20:29

Vollbreit hat geschrieben:Viele sagen allerdings, wir könnten gar nicht anders als kausal denken.
Wenn das so wäre, hätten wir natürlich ein Problem, wenn das Universum sich gar nicht so um Kausalitäten schert.

Wir haben kein Problem, weil diese Art zu denken ja nicht vom Himmel gefallen ist, sondern sich als vorteilhaft erwiesen hat, eine evolutionäre Eigenschaft, die sich gaar nicht erst in einem chaotischen Universum hätte entwickeln können. Es wäre doch völlig absurd anzunehmen, dass sich kausales Denken entwickelt, obwohl soetwas wie Kausalität nicht existiert. Eher würde alles noch im Einzellerstadium bleiben, sofern überhaupt Leben existieren könnte. Jedenfalls hat ja gerade der Affe die meisten Nachkommen bekommen, der kausale Zusammenhänge vermutete (z.Bsp. eine regelmäßig vorbeiziehende Herde oder die regelmäßige Blüte und Fruchtreife von Bananen oder sowas), das hat er weitergegeben. Die Evolution und die Eigenschaften rezenter Lebewesen (einschließlich des Menschen) geben einem Konzept Recht.
Vollbreit hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Das eine hat mit dem anderen buchstäblich nichts zu tun, aber die Willensfreiheitsdiskussion bitte ich an anderer Stelle weiterzuführen, wenn sie nicht direkt zur Klärung beiträgt, was hier nicht der Fall ist.


Sag mal, vergisst du wirklich so schnell, was du selbst geschrieben und in Zusammenhang betrachtet hast?! Hier:

Vollbreit hat geschrieben:...Oder ist Zufall einfach ein Sammelbegriff für Gesetzmäßigkeiten die von uns noch nicht oder prinzipiell nicht durchschaut werden können?




Ja und?
Was hat das mit Willensfreiheit zu tun? Soviel wie mit Eisenbahnen oder Elektronen.

Zugegeben, das Zitat ist verschachtelt geworden, aber es muss sein, weil du hier ein ziemlich mieses Ding abziehst. Du hast ganz dreist den Teil unterschlagen, der relevant war:
Vollbreit hat geschrieben:...Oder ist Zufall einfach ein Sammelbegriff für Gesetzmäßigkeiten die von uns noch nicht oder prinzipiell nicht durchschaut werden können?

Was ich insbesondere meine: In der Diskussion um die Willensfreiheit gibt es den einigen Forenteilnehmern bekannten Streit zwischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten.

Also, was soll das? Wenn du nicht über den Zusammenhang zwischen Zufall und Willensfreiheit diskutieren willst, brauchst du es nur zu sagen, anstatt die Leute für dumm zu verkaufen und deine eigenen Kommentare zu unterschlagen!
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon ujmp » Mi 18. Jul 2012, 20:31

Vollbreit hat geschrieben:Mithin wäre das Universum vollständig determiniert.
Wenn das der Fall sein sollte, wo ist dann noch Raum für Zufall?


Wenn man einen Würfel wirft, hat er bestimmte Freiheitsgrade, wie er liegen bleiben kann. Wie er schließlich liegen bleibt ist in dem Sinne bestimmt, dass er bei einer großen Zahl von Würfen jede Lage gleichoft einzunehmen scheint. Ein Wurf (unter den üblichen Umständen) hat sozussagen die Neigung ein bestimmtes Resultat hervorzubringen. Karl Popper hat mal vorgeschlagen, solche Neigungen, die er "Propensitäten" nannte, quasi als Naturkräfte anzusehen. Bekannte Naturkräfte wären demnach Kräfte mit der Propensität 1, während der Wurf einer Sechs die Propensität 1/6 hätte. Popper tendierte zu einem indeterministischen Weltbild.

Das heißt dann, man kann auf den Begriff des Zufalls verzichten, ohne eine komplette Vorherbestimmtheit anzunehmen. In dem Sinn kann der Zustand unseres Universums ein "Wurf" einer bestimmten Propensität sein - wobei wir die anderen Seiten des "Würfels" nicht kennen. Ich sehe aber keinen vernünftigen Grund so etwas wie Zufall auszuschließen. Ok, Kausalität ist ein sehr nützliches Modell, dass uns Menschen sehr weit gebracht hat und man sollte nicht zu schnell aufgeben, nach Gründen zu suchen. Die Annahme, dass es Gründe geben muss, ist aber völlig unbegründet. ;-)
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Mi 18. Jul 2012, 20:41

Darth Nefarius hat geschrieben:Es wäre doch völlig absurd anzunehmen, dass sich kausales Denken entwickelt, obwohl soetwas wie Kausalität nicht existiert.


Der Glaube an Gott hat sich auch entwickelt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Jedenfalls hat ja gerade der Affe die meisten Nachkommen bekommen, der kausale Zusammenhänge vermutete (z.Bsp. eine regelmäßig vorbeiziehende Herde oder die regelmäßige Blüte und Fruchtreife von Bananen oder sowas), das hat er weitergegeben. Die Evolution und die Eigenschaften rezenter Lebewesen (einschließlich des Menschen) geben einem Konzept Recht.


Skinner konnte mit seinen Experimenten an Tauben zeigen, dass Kausalität auch einfach konditioniert und vollkommen falsch sein kann.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Mi 18. Jul 2012, 20:50

ujmp hat geschrieben:Bekannte Naturkräfte wären demnach Kräfte mit der Propensität 1, während der Wurf einer Sechs die Propensität 1/6 hätte. Popper tendierte zu einem indeterministischen Weltbild.


Inwiefern macht das Sinn? Reichen ihm die gängigen Faktoren nicht aus?
Wasa wird damit zusätzlich erklärt?
In welchem Verhältnis stehen die Propensitäten zu den Naturgesetzen?

ujmp hat geschrieben:Das heißt dann, man kann auf den Begriff des Zufalls verzichten, ohne eine komplette Vorherbestimmtheit anzunehmen.


Das ist irgendwie nicht Fisch, nicht Fleisch.
Warum sollte man denn eine Zwischenlösung anstreben?
Ich weiß schon nicht, was unter diesen Bedingungen Zufall sein soll, einen Zustand zwischen Zufall und Determiniertheit kann ich mir schwer vorstellen.

ujmp hat geschrieben:In dem Sinn kann der Zustand unseres Universums ein "Wurf" einer bestimmten Propensität sein - wobei wir die anderen Seiten des "Würfels" nicht kennen. Ich sehe aber keinen vernünftigen Grund so etwas wie Zufall auszuschließen.


Kannst Du denn ganz allgemein erklären, was Du darunter verstehst?

ujmp hat geschrieben:Ok, Kausalität ist ein sehr nützliches Modell, dass uns Menschen sehr weit gebracht hat und man sollte nicht zu schnell aufgeben, nach Gründen zu suchen. Die Annahme, dass es Gründe geben muss, ist aber völlig unbegründet. ;-)


Völlig unbegründet eigentlich nicht, aber nicht vollkommen unumstritten, so würde ich es sehen.
Fallen Dinge bei Dir nicht auch immer wieder auf die Erde? Meinst Du, dass das grundlos geschieht?
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Lumen » Mi 18. Jul 2012, 21:37

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich habe meine Vorstellungen ausgeführt, nebenbei kannst du mir nichts diesbezüglich vormachen, ich bin in einem biologieverwandten Studium. [...] Bla bla, das erzählt jemad einem Molekularbiologiestudenten, der ein nettes Mainstream-Buch gelesen hat. Fast schon niedlich. Wir sind alle sehr stolz auf deine niedlichen Formulierungen! :applaus:


Deine Studienbemühungen sind sehr löblich. Allerdings ist das Zeitalter des nefarius-zentrischen Weltbildes dann doch nicht angebrochen, auch wenn du von dir selbst schon im Plural schreibst. Noch ein Pro-Tipp am Rande, wenn man andere Teilnehmer durch Auslachen oder Verniedlichen erniedrigen möchte, sollte man wenigstens seine eigene Argumentation im Griff haben, damit es nicht zu peinlich wird. Es lesen und beteiligen sich übrigens auch andere, die vielleicht nicht biologieverwandte Fächer studieren.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Reziproker Altruismus ist also echt Altruismus, da die Lebewesen keinen bewussten "gen-check" machen, sondern "einfach so" einem Artgenossen helfen.

Tut mir Leid, aber deine dämliche Anekdote übers Autofahren reicht nicht, um das zu begründen. Du meinst also, dass Altruismus unbewusst sein darf, währen der Egoismus bewusst sein muss? Unsinn, diese Handlungen und ein erfolgreiches Verhalten dient immer dem eigenen Vorteil, im zweifelsfall auf indierkter Weise. In der Biologie sucht man immer Homologien und der Egoismus ist die ursprünglichste Homologie, die jeden Sozialverhalten (ob nun einzelgängerisch oder in Gruppen) zugrunde liegt. Oder willst du mir erklären, dass ein Krokodil auch ein Altruist ist? Oder gar kein Tier? Ein "Gen-Check" ist früher nicht nötig gewesen, die eigene Gruppe war zu großer Wahrscheinlichkeit mit einem selbst verwandt, also konnte ein instinktives, egoistisch-kooperatives Verhalten völlig ausreichen, um erfolgreich zu sein. Der Egoismus ist flexibel, abgesehen davon hatten wir das mal als Diskussion, hier geht es um etwas ganz anderes und ich will mich nicht wiederholen.


Ich habe die beiden Kernelemente mal eingefärbt. Erneut schaffst du es, obwohl du in der Sache nicht widersprichst, jede Menge Bockmist zu schreiben (Krokodile!?). Was auch immer gen-check sei "früher" nicht möglich gewesen bedeutet. Der Begriff lautet reziproker Altruismus und nicht reziproker Egoismus. Offenbar hast du den Sinn trotz großer Klappe nicht begriffen. Der Punkt ist der, dass Gene zwar im übertragenen Sinne egoistisch sind, und Eigenschaft hervorbringen die ihren Kopien in anderen Körpern nutzen (also "egoistisch" sind), das handelnde Lebewesen aber altruistisch handelt. Deshalb auch Selfish Genes, also egoistische Gene! Der Unterschied ist sehr wichtig. Denn es bedeutet, dass die Grundlage für Moralvorstellungen angeboren sind und nicht z.B. von einer Gottheit gestiftet wurden. Außerdem soll es Menschen geben, die Evolution und Wissenschaft auch deshalb ablehnen oder zumindest Schwierigkeiten damit haben, weil Begriffe wie "egoistische Gene" falsch verwendet wurden und dadurch bei ihnen der Eindruck entstand, es gäbe überhaupt keine Nächstenliebe (und im weiteren Schluss dann, dass nur Gläubige über diese verfügen).

Darth Nefarius hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Jedenfalls ist es verkehrt, den Zufall in der Evolution, der sich u.a. auf molekularem Level abspielt mit der Suche nach Zufall insgesamt zu vermengen.

Das habe ich auch nicht gemacht, tatsächlich ist das aber nicht verkehrt, weil für die Laien und die frühen Biologen die Mutation ein "zufälliges" Ereignis darstellte, das aber essentiell für die Evolution ist. Das ist keine Vermengung, sondern ein korrekter Zusammenhang.


Auch da sehe ich den Sinn des Einwandes nicht. Wenn wir den Blickwinkel einnehmen und auf die Moleküle starren, dann sind Mutationen dort vollkommen zufällig. Das heißt konkret, dass ich philosophische Einwände und Überlegungen von Zufall allgemein dort nicht brauchen kann.

Darth Nefarius hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Die Mutationen entstehen wie durcheinandergewürfelte Billardkugeln, wo die Ausgangssituation nicht mehr sichtbar ist, somit gut von Zufall gesprochen werden kann.

Wie entstehen den Billardkugeln? Zufällig? =)
Hast du schonmal was von Mutagenen gehört? Es ist gut bekannt, was mutagen wirkt, was wieviele und welche Mutationen auslöst. In meiner Strahlenbiologieklausur wurde zuletzt z.Bsp. abgefragt, wieviele Doppelsrangbrüche und wieviele EInzelstrangbrüche bei definierter Strahlung (die ich jetzt nicht aus dem Kopf weiss9 entstehen! Selbst da wurde es als Wissen vorausgesetzt.


Wie entstehen Billardkugeln!? Was auch immer du damit sagen willst: Die Metapher mit den Billardkugeln ist im Artikel zur Chaostheorie (oben) zu finden gewesen. Hier ist der Sachverhalt der Gleiche wie auch im Zitat-Schnipsel darüber (der deinem dämlichen Zitat-Stil zum Opfer gefallen ist): wenn Moleküle mehrfach voneinander abprallen, oder meinetwegen auch durch Strahlen zerschossen werden ist eine vorausgegangene kausale Konstellation nicht mehr sichtbar, es ist also von der Warte aus zufällig. Ob die gleiche Situation noch einmal exakt ein zweites Mal abgespielt zu dem exakt gleichen Ergebnis also im Endergebnis auch zu exakt gleichen Mutation führen würde kann ich nicht beantworten, jedenfalls spielt die Musik dafür nicht auf der Ebene der Moleküle sondern allem Anschein nach auf der Ebene darunter. Das ist natürlich interessant, ob die Evolution sich dann genauso noch einmal abspielen würde, wenn alles ein deterministisches Uhrwerk wäre, dessen Zeit man beliebig vor und zurückdrehen kann, da nichts aus dem kausalen Strom ausbrechen kann (in dieser Sichtweise folglich auch Akteure keinen freien Willen hätten). Ich bezweifele diese Sichtweise, aber das ist einer der interessanten Aspekte des Themas.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon ujmp » Mi 18. Jul 2012, 21:40

Vollbreit hat geschrieben:In welchem Verhältnis stehen die Propensitäten zu den Naturgesetzen?.

Hab ich doch erklärt!

Vollbreit hat geschrieben:Warum sollte man denn eine Zwischenlösung anstreben?

Niemand tut das.
Vollbreit hat geschrieben:einen Zustand zwischen Zufall und Determiniertheit kann ich mir schwer vorstellen.

Das besagt gar nichts.


Vollbreit hat geschrieben:Völlig unbegründet eigentlich nicht, aber nicht vollkommen unumstritten, so würde ich es sehen.
Fallen Dinge bei Dir nicht auch immer wieder auf die Erde? Meinst Du, dass das grundlos geschieht?

Kausalität kann man nicht beobachten, man kann sie nur vermuten. In bestimmten Bereichen der Quantenphysik scheint der Kausalitätsbegriff aber nicht zu funktionieren (er funktioniert m.E. auch beim Würfeln nicht). Ich hab mal die Meinung gehört, dass die Welt sofort in sich zusammenbrechen würde, wenn sie bestimmt wäre. Ich hab mir das dann wie ein Kreisel vorgestellt - solange es sich dreht, weiß es sozusagen nicht, in welche Richtung es kippen soll, denn die Kipprichtung ist permanent unbestimmt (ich weiß, dass das phys. falsch ist). Evtl ist Energie einfach ein Maß für Unbestimmtheit. Und man könnte mit gewissem Recht von einer "Kraft" (engl. force) sprechen, die einen Würfel "zwingt", mit einer messbaren Regelmäßigkeit die selbe Zahl zu würfeln. Newton soll seine force selbst ein wenig susbect gewesen sein. Man kann eigentlich nicht sagen, was "Kraft" ist, man kann nur sagen, dass sich unglaublich vieles mit diesem Modell berechnen lässt.
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Re: Untersuchung des Zufalls

Beitragvon Vollbreit » Do 19. Jul 2012, 06:16

Lumen hat geschrieben:Der Punkt ist der, dass Gene zwar im übertragenen Sinne egoistisch sind, und Eigenschaft hervorbringen die ihren Kopien in anderen Körpern nutzen (also "egoistisch" sind), das handelnde Lebewesen aber altruistisch handelt. Deshalb auch Selfish Genes, also egoistische Gene! Der Unterschied ist sehr wichtig. Denn es bedeutet, dass die Grundlage für Moralvorstellungen angeboren sind und nicht z.B. von einer Gottheit gestiftet wurden. Außerdem soll es Menschen geben, die Evolution und Wissenschaft auch deshalb ablehnen oder zumindest Schwierigkeiten damit haben, weil Begriffe wie "egoistische Gene" falsch verwendet wurden und dadurch bei ihnen der Eindruck entstand, es gäbe überhaupt keine Nächstenliebe (und im weiteren Schluss dann, dass nur Gläubige über diese verfügen).


Wenn ich da mal - obwohl es nicht zum Thema gehört - kurz reingrätschen darf:
Richard Dawkins hat geschrieben: „Wenn er – wie ich – eine Gesellschaft
aufbauen möchte, in der die einzelnen großzügig und selbstlos
zugunsten eines gemeinsamen Wohlergehens zusammenarbeiten,
kann er wenig Hilfe von der biologischen Natur erwarten.
Laßt uns versuchen, Großzügigkeit und Selbstlosigkeit zu
lehren, denn wir sind egoistisch geboren. Laßt uns verstehen
lernen, was unsere eigenen egoistischen Gene vorhaben, denn
dann haben wir vielleicht die Chance, ihre Pläne zu durchkreuzen
– etwas, das keine andere Art bisher jemals angestrebt
hat.“ (S.23)
Quelle: (Richard Dawkins, Das egoistische Gen, 1989,1994 by Richard Dawkins, dt. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Mai 1996, S.23)


Dawkins' Konzept ist, gelinde gesagt, mehrdeutig.
(Können wir gerne an geeigneter Stelle diskutieren.)
Zuletzt geändert von Vollbreit am Do 19. Jul 2012, 06:30, insgesamt 1-mal geändert.
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