Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 8. Mär 2012, 13:18

Ich habe gerade nicht viel Zeit, (und noch nicht mal die Muße, mir alles in Ruhe durchzulesen), daher werde ich mich zunächst auf einen Punkt beschränken.

ganimed hat geschrieben:Akausal übersetze ich mit "grundlos", und wenn man keinen Grund für sein Verhalten erlebt, dann, so hätte ich gedacht, erlebt man es also "akausal". Worin besteht für dich der Unterschied zwischen "keinen Grund erleben" und "akausal erleben"?

Die folgenden beiden Sätze sind nicht bedeutungsgleich:

1. Ich erlebe meine Kopfschmerzen nicht als verursacht.
2. Ich erlebe meine Kopfschmerzen als nicht verursacht.

Der Unterschied liegt darin: im Falle 1 dreht es sich um ein Nicht-Erleben, im Falle 2 um ein Erleben. Und ein Nicht-Erleben ist kein Erleben, so wie z.b. auch ein Nicht-Glaube kein Glaube ist, eine Nicht-Behauptung keine Behauptung, ein Nicht-Wissen kein Wissen, ein Nicht-Rauchen kein Rauchen, ein Nicht-Sammeln kein Sammeln etc.pp.

Weitere Beispiele:

1. Ich glaube nicht, dass es Gott gibt.
2. Ich glaube, dass es Gott nicht gibt.

1. Ich erlebe nicht, dass Dein Magen gerade knurrt.
2. Ich erlebe, dass Dein Magen gerade nicht knurrt.

1. Herr Müller behauptet nicht, dass ich größer als 1,50m sei.
2. Herr Müller behauptet, dass ich nicht größer als 1,50m sei.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Do 8. Mär 2012, 14:59

Ok, du stellst also fest, dass es einen Unterschied gibt zwischen "ich erlebe akausal" und "ich erlebe nicht kausal". Leider fehlt noch die Beschreibung, woraus dieser Unterschied besteht. Aber ist vielleicht auch nicht so wichtg. Wenn wir nämlich unterstellen, dass ich beim am Kopf kratzen nicht bewusstlos oder tot bin, dann erlebe ich ja was. Also müsste man nach deiner Logik immer die Erlebe-Variante wählen:
- "2. Ich erlebe meine Kopfschmerzen als nicht verursacht."
- "2. Ich erlebe, dass Dein Magen gerade nicht knurrt."

Also: ich erlebe, dass ich mich akausal am Kopf kratze.

Stimmt es so?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Do 8. Mär 2012, 15:58

Nein, wie gesagt: von den beiden Sätzen:

1. Ich erlebe meine Kopfschmerzen nicht als verursacht.
2. Ich erlebe meine Kopfschmerzen als nicht verursacht.

stimmt die 1, die 2 aber nicht, (und die folgt auch nicht aus der 1).
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Do 8. Mär 2012, 18:09

Das sind aber feine, graduelle Unterschiede in der Wortwahl, finde ich.

Noch ein Beispiel: du denkst nichts besonderes und hast plötzlich eine wunderbare Idee.

Solche Blitzeingebungen hat man ja manchmal. Da einem die meisten Prozesse im Gehirn nicht bewusst sind, ist man selber oft überrascht und kann sich nicht erklären, woher jetzt genau dieser neue Gedanke kommt. Fühlt sich so ein Erlebnis nicht genauso an, als käme der Gedanke aus dem Grundlosen, akausalen, blauen Nichts? Ist das nicht ein Erlebnis, dass man akausal nennen könnte?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 9. Mär 2012, 14:25

Jetzt mal ein bisschen zurückspul.

Ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Das Denken, (die Fähigkeit dazu, zu erkennen, zu werten, Folgen abzuschätzen), ist genau das, was ich meine, was unsere Freiheit ausmacht.

Also nun meine platte Frage: wieso macht das Denken frei und das Flaschen öffnen nicht?

Der Einwand ist berechtigt, da habe ich mich unzureichend ausgedrückt. Ich hätte "Willensfreiheit" schreiben müssen. Für Freiheit ist natürlich zusätzlich auch Handlungsfreiheit erforderlich, also das tun können, was man will. Wird man daran durch äußere Faktoren oder innere Faktoren (z.B. eine Phobie), auf die man keinen Einfluss (d.h. man könnte sie nicht ändern, wenn man das wollte) hat, gehindert, dann wäre man (in dem Falle, in der Situation) weniger frei.

Ganimed hat geschrieben:Konkretes Beispiel: in einen Menschen wird ein echter Zufallsgenerator eingebaut (den es wohlgemerkt in einer deterministischen Welt nicht geben kann). Dieser Zufallsgenerator beteiligt sich aber nur zu, sagen wir, 10% an allen wichtigen Entscheidungen. Wenn also beim Autokauf dieser Mensch überlegt, nehme ich den Wagen oder nicht, und er sich zu mehr als 55:45 % seiner Sache sicher ist, spielt der Ausschlag des Zufallsgenerators keine Rolle. Wenn er sich aber unsicher ist, also seine eigene rationale Überlegung zu einer 54:46% Entscheidung führt und dann zufällig sein Zufallsgenerator sich gegen den Wagen entscheidet, würde das die Entscheidung drehen und der Mensch würde sich also ab und zu gegen die Vernunft und gegen rationale Gründe, also akausal entscheiden.
Wäre das nicht jemand, den du immer noch als teilweise "frei" bezeichnest, weil ein Großteil seiner Entscheidungen nach wie vor rational und kontrolliert ablaufen? Auf jeden Fall würde ich zur Abwechslung diesen Menschen auch als teilweise "frei" bezeichnen. Er wäre nicht mehr zu 100% abhängig von kausalen Faktoren.

Ja klar wäre das jemand, den ich als teilweise frei bezeichnen würde.

So oder so, (ob unsere Welt nun vollständig determiniert ist oder nicht), gibt es ja - von mir jedenfalls unbestritten - sehr viele Umstände, die unsere Entscheidungen beeinflussen, die wir aber nicht erkennen.

Nur kann ich nun nicht verstehen, wieso es nun für Dich nun einen Unterschied macht, ob diese Umstände nun kasaul determiniert entstanden sind oder nicht.

Wieso also, mal abgesehen davon, dass Du das einfach so voraussetzt? Wenn Du das mal erläutern könntest?

Machen wir mal ein kleines Gedankenexperiment, wir nehmen die Welten A und B. A ist determiniert, B nicht (nicht vollständig). Nun gibt es in beiden Welten jeweils eine Person, (nennen wir sie P[A] und P[B]), deren Leben exakt gleich abläuft. Alle ihre Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen sind über ihre gesamte Lebenszeit exakt gleich. Der einzige Unterschied besteht - wie gesagt - in dem (metaphysischen) Fakt, dass A determiniert ist, B nicht, (-> in P[B] laufen indeterminierte Vorgänge ab, zufälligerweise aber immer identisch zu den determinierten in P[A]).

Jetzt meine Fragen dazu: 1. wenn Du meinen solltest, an dem Gedankenexperiment stimme etwas nicht: was wäre das? und 2.: wenn dieses Gedankenexperiment zulässig ist, wieso ist dann P[B] (teilweise) frei, P[B] aber nicht? Wo doch - laut Voraussetzung - die beiden absolut gleich sind? Und nur ein metaphysischer, für uns nicht entscheidbarer Fakt, anders?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Fr 9. Mär 2012, 19:38

ganimed hat geschrieben:Im Gegensatz zum Kompatibilisten muss ich bei den Gründen des Mannes nicht unterscheiden zwischen
-eigenen und fremden
-vernünftigen und unvernünftigen
-dem eigenen Interesses dienenden und Fremdinteressen dienenden
-reflektierten und unbewussten


Das ist doch kein Vorteil, sondern eher ein Zeichen der Armut des Ansatzes.
Ich muss nicht, heißt ja hier, dass man es gar nicht kann, mit dem Ansatz, den Du vertrittst.

ganimed hat geschrieben:Gründen für das Eintreten und Verbleiben in der Sekte, da ich auch nicht anhand dieser Kategorien entscheiden muss, ob der Mann "frei" handelt oder "fremdbestimmt". Frei ist er in meinen Augen sowieso nicht. Und so macht es mir nichts aus, wenn viele seiner Gründe möglicherweise aus Fremdmanipulationen stammen oder aus anderen Quellen, die den alltäglichen Vorstellungen von einem rational, souverän, angeblich "freien" Menschen widersprechen mögen.


Mit anderen Worten.
Du hattest behauptet im Gegensatz zum Kompatibilisten „widerspruchsfrei erklären“ zu können, „was den Mann in der Sekte umteibt“. Nun sieht es so aus, dass Du das eigentlich überhaupt nicht erklären kannst und dass es darüber hinaus auch überhaupt nichts ausmacht, ob der Mann in einer Sekte ist, oder nicht, da er ohnehin unfrei ist.

ganimed hat geschrieben:Egal ab wann die Kausalketten zu dem Mann führen, zum Schluss sind die relevanten Ketten jedenfalls bei ihm und es ist seine Entscheidung, in der Sekte zu bleiben.


Aber natürlich nicht seine freie Entscheidung, denn frei, ist er ja nicht.
Was genau ist dann seine Entscheidung, was macht eine Entscheidung zu seiner?

ganimed hat geschrieben:Alle Gründe dafür haben für mich erst einmal dieselbe Qualität und Berechtigung. Wenn der Mann also in der Sekte bleibt, dann logischerweise deshalb, weil aus seiner Sicht mehr Gründe dafür sprechen als dagegen.


Aber er hat doch nicht etwa innegehalten und gar noch rational abgewogen, als er zu der „seiner“ Entscheidung kam (deren Ketten „bei ihm“ liegen), in der Sekte zu bleiben?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » So 11. Mär 2012, 02:06

Vollbreit hat geschrieben:Du hattest behauptet im Gegensatz zum Kompatibilisten „widerspruchsfrei erklären“ zu können, „was den Mann in der Sekte umteibt“. Nun sieht es so aus, dass Du das eigentlich überhaupt nicht erklären kannst und dass es darüber hinaus auch überhaupt nichts ausmacht, ob der Mann in einer Sekte ist, oder nicht, da er ohnehin unfrei ist.

Ich erkläre es noch einmal: "der Mann ist deshalb in der Sekte, weil aus seiner Sicht mehr Gründe dafür als dagegen sprechen." In dieser Erklärung sehe ich keinen Widerspruch.
Ich habe jetzt noch einmal deine Originalbeitrag mit der Beschreibung des Sektenmannfalles gelesen. Wenn ich es recht verstehe, siehst du eigentlich nur einen Widerspruch zwischen der kompatibilistischen Interpretation (freie Entscheidung) und der landläufigen (es muss Zwang vorliegen). Das hatte ich, das muss ich zugeben, anders in Erinnerung gehabt. Insofern räume ich jetzt ein, dass meine Widerspruchsfreiheit nichts besonderes mehr ist, da der Kompatibilist auch ohne Widerspruch auskommt.

Vollbreit hat geschrieben:Aber natürlich nicht seine freie Entscheidung, denn frei, ist er ja nicht. Was genau ist dann seine Entscheidung, was macht eine Entscheidung zu seiner?

Seine Entscheidung besteht daraus, die Vor- und Nachteile der Sektenmitgliedschaft nach seinen Kriterien abzuwägen und dann bei einem Überwiegen der Vorteile entsprechend in der Sekte zu bleiben.
Die Entscheidung ist deshalb seine Entscheidung, weil "hinreichend" viele Teile der Ursachenketten sich in seinem Gehirn abgespielt haben. Wie du vielleicht sagen würdest, waren es die Reflektionen und Überlegungen des Mannes, die hier entschieden haben, und diese Formulierung kann ich teilen. Mein Freiheitsbegriff würde nur bedeuten, dass der Mann auch anders hätte entscheiden können in derselben Situation. Dazu hätte er aber die kausalen Dominosteine, die genau umfallen nachdem der Vorderstein umfällt, steuern oder manipulieren müssen. Konnte er aber nicht. Also nenne ich den Vorgang unfrei, weil die Entscheidung des Mannes (und es bleibt auch seine) nur von der Situation, den kausalen Faktoren abhing und nicht etwa vom Mann. Mein Motto ist sozusagen: hängst du vollständig von etwas ab, dann bist du nicht frei.

Vollbreit hat geschrieben:Aber er hat doch nicht etwa innegehalten und gar noch rational abgewogen, als er zu der „seiner“ Entscheidung kam (deren Ketten „bei ihm“ liegen), in der Sekte zu bleiben?

Doch, er hat sicher auch mal innegehalten und sicher auch rational abgewogen, wieso nicht? Innehalten und rational abwägen ist aber nur dann ein freier Vorgang, wenn er nicht zu 100% von dem Vorgängerzustand, vom vorherigen Dominostein abhängt. Tut er aber.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » So 11. Mär 2012, 02:43

AgentProvocateur hat geschrieben:So oder so, (ob unsere Welt nun vollständig determiniert ist oder nicht), gibt es ja - von mir jedenfalls unbestritten - sehr viele Umstände, die unsere Entscheidungen beeinflussen, die wir aber nicht erkennen.

Ob wir die Einflüsse erkennen oder nicht, spielt doch keine Rolle für die Freiheit. Wichtig ist doch nur, ob wir diesen Einflüssen widerstehen könnten, ob wir teilweise frei sind von diesen Einflüssen, oder ob wir teilweise wenigstens die Einflüsse ändern können. Und die Antwort ist in einer deterministischen Welt eben genau nein.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nur kann ich nun nicht verstehen, wieso es nun für Dich nun einen Unterschied macht, ob diese Umstände nun kasaul determiniert entstanden sind oder nicht.

Die Ursache-Wirkung-Beziehung ist doch genau der Mechanismus, durch den die Einflüsse zu Einflüssen werden, durch den sie die Entscheidung bestimmen. Aber es stimmt schon, genau genommen ist es egal, ob die Umstände ihrerseits kausal oder akausal entstanden sind. Wichtig ist in der Tat nur, dass die Umstände dann kausal zu der Entscheidung führen und die Entscheidung genau deshalb, weil sie zu 100% abhängig ist von den Umständen, nicht als frei bezeichnet werden kann.

AgentProvocateur hat geschrieben:Machen wir mal ein kleines Gedankenexperiment, wir nehmen die Welten A und B. A ist determiniert, B nicht (nicht vollständig). Nun gibt es in beiden Welten jeweils eine Person, (nennen wir sie P[A] und P[B]), deren Leben exakt gleich abläuft. Alle ihre Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen sind über ihre gesamte Lebenszeit exakt gleich. Der einzige Unterschied besteht - wie gesagt - in dem (metaphysischen) Fakt, dass A determiniert ist, B nicht, (-> in P[B] laufen indeterminierte Vorgänge ab, zufälligerweise aber immer identisch zu den determinierten in P[A]).
Jetzt meine Fragen dazu: 1. wenn Du meinen solltest, an dem Gedankenexperiment stimme etwas nicht: was wäre das?

Gutes Gedankenexperiment, ich habe keinerlei Einwände.

AgentProvocateur hat geschrieben:und 2.: wenn dieses Gedankenexperiment zulässig ist, wieso ist dann P[B] (teilweise) frei, P[B] aber nicht? Wo doch - laut Voraussetzung - die beiden absolut gleich sind? Und nur ein metaphysischer, für uns nicht entscheidbarer Fakt, anders?

Einspruch: die beiden sind nicht absolut gleich, sondern haben genau den von dir genannten Unterschied (determiniert/nicht vollständig determiniert). Der Unterschied mag ohne sichtbare Auswirkungen im Handeln und Entscheiden sein (genau so ist das Beispiel ja schließlich konstruiert) aber deswegen ist es kein metaphysischer oder unbedeutender oder vernachlässigbarer Unterschied. Der Unterschied ist genau die Freiheit. Und vor allem irrst du dich mit der Entscheidbarkeit. Denn, zumindest wenn wir beide eine deterministische Welt voraussetzen, genau dann ist logisch entschieden, dass wir P[A] sind (wie du ja selbst definierst ist er determiniert).

Ich versuche die Größe des von dir kleingeredeten Unterschiedes mal mit einer Spielart deines Szenarios zu verdeutlichen:
P[A] sitzt in einem Gefängnis. P[A] geht jeden morgen im Gefängnishof 13 Runden und dann muss er für den Rest des Tages in seine Einzelzelle zurück. Nun ist da ein P[B], der 20 Meilen weiter in keinem Gefängnis, sondern in seinem kleinen Einzimmerappartment sitzt. P[B]'s Bewegungsmuster stimmt mit dem von P[A] genau überein. Auch P[B] geht jeden morgen in seinem kleinen Vorgarten spazieren und danach in sein Zimmer, wo er alles hat und den ganzen restlichen Tag aus freien Stücken verweilt.
Beide tun genau das gleiche, aber P[A] ist in einem Gefängnis und kann auch gar nicht anders, was jeder intuitiv "unfrei" nennt. P[B] hingegen könnte anders und wird deshalb von jedem intuitiv "frei" genannt.

Dein Gedankenexperiment ist insofern auch erhellend, weil es zeigt, wie gut du meine Sicht verstehst. Ich behaupte ja ständig, dass dieser Freiheitsunterschied erstmal keine Auswirkungen hat (bis auf "Schuld" und "Selbstwahrnehmung" vielleicht). Du nennst das metaphysisch und für uns nicht entscheidbar. Und dennoch kommst du ab und an mit diesem scheinbar großen Widerspruch, z.B. wie ich denn erwarten könne, Menschen zu überzeugen, wenn doch sowieso niemand frei wäre usw. Aber dieser Widerspruch ist eben genau falsch, weil sich ohne Freiheit ansonsten erstmal nichts wirklich ändert. Überzeugen und entscheiden können wir sowohl als P[A] als auch als P[B].
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » So 11. Mär 2012, 11:31

Vergessen wir also den angeblichen Widerspruch, der trifft tatsächlich nicht auf Dich zu, wenn Du zugibst, dass Menschen überlegen und entscheiden und überzeugt werden können.

Wenn jemand im Gefängnis sitzt, dann ist er in seiner Handlungsfreiheit, in seinen Möglichkeiten eingeschränkt. Wie Du ja auch sagst: er könnte nicht anders, als in der Zelle zu bleiben, auch nicht, wenn er raus wollte. Und deswegen hält man ihn für unfreier. Aber hierbei spielt Kausalität keine Rolle, sondern nur dies: "wenn er wollte, könnte er nicht".

Kommen wir mal zu meinem Gedankenexperiment. Wandeln wir es mal ein bisschen ab, verallgemeinern wir es. Nun soll alles in A und B insgesamt völlig gleich sein, (inkl. aller Personen).

Meiner Ansicht nach ergibt es nun keinen Sinn, zu sagen, die Welten seien aber dennoch unterschiedlich. (Ich meine, dass auch mein Ausgangs-Gedankenexperiment keinen Sinn ergibt.)

Und zwar unterschiedlich in den Sinne, als es in A irgendwie eine gegenüber B zusätzliche Notwendigkeit gäbe.

Wir haben also unterschiedliche Vorstellungen darüber, was 'Determinismus' bedeutet. Ich sehe das rein deskriptiv, (aus Situation X folgt immer Situation Y); aber für scheint da noch etwas Zusätzliches drin zu stecken, nämlich eine Notwendigkeit, (aus Situation X muss notwendigerweise immer Situation Y folgen).

Vielleicht könnte man die unterschiedlichen Sichtweisen auch nochmal so darstellen: aus meiner Sicht sind Naturgesetze Beschreibungen von Abläufen, (und die Hochrechnung auf zukünftige Abläufe), Du scheinst aber etwas Zusätzliches in Naturgesetzen zu sehen, aus Deiner Sicht scheint denen eine modale Kraft innezuwohnen, so, als würden Naturgesetze den Ablauf steuern.

Nun beobachten wir Welt A und Welt B. Beide sind ja völlig identisch. Welchen Sinn ergibt es dann, zu fragen, ob die Abläufe notwendigerweise oder zufällig so gekommen sind? Wie will man das unterscheiden? Und auf unsere Welt bezogen: welchen Sinn ergibt das in unserer Welt? So etwas unterscheiden wir nie und können es auch nicht.

Wenn wir einen beliebigen kausalen Ablauf betrachten, dann nennen wir den 'kausal', wenn bestimmte Umstände erfüllt sind, wenn wir Gesetzmäßigkeiten feststellen können. Aber all dies ist rein deskriptiv, nur eine Beschreibung. Nun zu fragen: "war der Ablauf denn tatsächlich kausal oder war er rein zufälllig genau so, als wie wenn er gewesen wäre, wenn er kausal angelaufen wäre?" ergibt meiner Ansicht nach schlicht keinen Sinn.

Oder nochmal anders: Du scheinst eine zusätzliche Kraft in der Welt zu sehen, die alles steuert, die alle Abläufe zu notwendigen Abläufen macht. Ich halte das für eine sehr starke metaphysische Annahme, für die ich keinen Grund sehe. D.h. für mich sind die beiden oben skizzierten Welten A und B identisch. Was für Personen in A gilt, muss daher auch für Personen in B gelten. Entweder können die alle frei sein oder aber keiner. Und für mich sind entweder beide Welten determiniert oder beide indeterminiert, es kann nicht sein, wenn beide identisch sind, dass die eine determiniert ist und die andere nicht. Es sei denn, wir nähmen etwas Zusätzliches hier an, entweder eine äußere Kraft, (einen äußeren Kontrolleur, Gott oder den Programmierer der Matrix oder so), oder aber eine innere Kraft. Aber beide Annahmen erscheinen mir gleich unnötig und gleichermaßen unbegründet.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » So 11. Mär 2012, 15:49

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn jemand im Gefängnis sitzt, dann ist er in seiner Handlungsfreiheit, in seinen Möglichkeiten eingeschränkt. Wie Du ja auch sagst: er könnte nicht anders, als in der Zelle zu bleiben, auch nicht, wenn er raus wollte. Und deswegen hält man ihn für unfreier. Aber hierbei spielt Kausalität keine Rolle, sondern nur dies: "wenn er wollte, könnte er nicht"

Erstmal ist das wirklich der Kernpunkt der Unfreiheit: "Wenn er wollte, könnte er nicht". Aber woher kommt dieses Unvermögen? Dieses Unvermögen kommt aus der kausalen Abhängigkeit. Nicht sein Wollen bestimmt was er kann, sondern die kausalen Umstände in der determinierten Welt. Wie kommst du nur darauf, dass Kausalität plötzlich keine Rolle spielt? Was hälst du denn dafür verantwortlich, dass er nicht könnte wie er wollte?

AgentProvocateur hat geschrieben:Nun soll alles in A und B insgesamt völlig gleich sein, (inkl. aller Personen). Meiner Ansicht nach ergibt es nun keinen Sinn, zu sagen, die Welten seien aber dennoch unterschiedlich

Was meinst du genau mit "völlig gleich"? Dass beide Welten deterministisch sind, oder beide indeterministisch? Wenn du das meinst, dann macht eine Unterscheidung tatsächlich keinen Sinn, genauso wie es keinen Sinn macht, A UND B zu postulieren. Dann können wir ebensogut von einer Welt A reden. Und über Freiheit können wir dann nicht reden, weil wir ja nicht wissen, ob es in A frei zugeht oder nicht, da nicht festgelegt wäre, ob sie kausal ist oder nicht.

Bei so viel Sinnlosigkeit nehme ich im Folgenden also an, dass A und B doch nicht völlig gleich sind, sondern sich genau nur darin unterscheiden, dass A determiniert und B es nicht ist.
Dann meinst du nach wie vor, dass P[A] nicht anders kann als er will und P[B] anders wollen könnte, oder? Du hast oben gesagt, dass es eine Rolle spielt "wenn er wollte, könnte er nicht". Und nun sagst du, dieser Unterschied zwischen A und B spielt keine Rolle? Das ergibt für mich einen Widerspruch.

In meinem Spezialszenario sieht man jedenfalls ganz deutlich, dass es eine Rolle spielt. Es ist ein Riesenunterschied, ob man in einem Gefängnis oder frei lebt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wir haben also unterschiedliche Vorstellungen darüber, was 'Determinismus' bedeutet. Ich sehe das rein deskriptiv, (aus Situation X folgt immer Situation Y); aber für scheint da noch etwas Zusätzliches drin zu stecken, nämlich eine Notwendigkeit, (aus Situation X muss notwendigerweise immer Situation Y folgen).

Wenn du sagst "aus Situation X folgt immer Situation Y" dann ergibt sich für dich keine Notwendigkeit? Es könnte bei dir also auch anders sein? Aus X könnte auch Z folgen? ABER, das wäre ja ein Widerspruch. Denn du sagst doch, aus X folgt immer Y. Für mich ist daher das "muss"-Wort keine neue Qualität sondern genau äquivalent: "aus X folgt immer Y" kann ich auch so formulieren: "aus X muss immer Y folgen". Ist das für dich nicht dasselbe?

AgentProvocateur hat geschrieben:aus meiner Sicht sind Naturgesetze Beschreibungen von Abläufen, (und die Hochrechnung auf zukünftige Abläufe), Du scheinst aber etwas Zusätzliches in Naturgesetzen zu sehen, aus Deiner Sicht scheint denen eine modale Kraft innezuwohnen, so, als würden Naturgesetze den Ablauf steuern.

Nein. Auch bei mir sind die Naturgesetze nur deskriptiv. Aber wenn diese Naturgesetze eine Abhängigkeit beschreiben, dann nehme ich das im Gegensatz zu dir, zur Kenntnis. Ich behaupte also nicht, dass die Entscheidung des Menschen von einem Naturgesetz abhängig sei. Ich behaupte, dass die Entscheidung des Menschen von kausalen Faktoren abhängig sei und dass diese Abhängigkeit von einem Naturgesetz beschrieben wird.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nun beobachten wir Welt A und Welt B. Beide sind ja völlig identisch. Welchen Sinn ergibt es dann, zu fragen, ob die Abläufe notwendigerweise oder zufällig so gekommen sind?

Du scheinst mein Gefängnisszenario ignorieren zu wollen. Auch dort war für P[A] und P[B] alles identisch. Bis auf die Klitzekleinigkeit, dass P[A] nicht anders konnte, P[B] aber doch. Wenn es für dich keinen Untschied macht, ob man frei ist oder nicht, dann, und nur dann, macht eine Unterscheidung bei der der einzige Unterschied eben diese Freiheit ist, in der Tat keinen Sinn. Aber ich kann nicht glauben, dass dir dieser Unterschied egal ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wie will man das unterscheiden?

Man achtet auf die Worte "deterministische Welt" und "nicht deterministische Welt". In der Welt, wo das "nicht" nicht vorkommt und wo die Welt also deterministisch ist, weiß man dann, dass man sich in der nicht freien Welt befindet.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und auf unsere Welt bezogen: welchen Sinn ergibt das in unserer Welt? So etwas unterscheiden wir nie und können es auch nicht.

Wir müssen ja auch nichts unterscheiden. Welt B gibt es ja gar nicht, mit der wir das vergleichen bzw. von der wir uns unterscheiden könnten. Es reicht in unserer Welt zu sagen: aha, wir leben in einer deterministischen, also gibt es keine kausale Freiheit. Du siehst: wir können es sehr wohl entscheiden und es spielt sehr wohl eine Rolle.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nun zu fragen: "war der Ablauf denn tatsächlich kausal oder war er rein zufälllig genau so, als wie wenn er gewesen wäre, wenn er kausal angelaufen wäre?" ergibt meiner Ansicht nach schlicht keinen Sinn.

Dir ist es also allen Ernstes egal, ob du P[A] in einem Gefängnis bist oder P[B] in einem freien Appartment?

Nun zu fragen: "war der Ablauf denn tatsächlich kausal oder war er rein zufälllig genau so, als wie wenn er gewesen wäre, wenn er kausal angelaufen wäre?" ergibt meiner Ansicht nach schlicht keinen Sinn.

Du hast es in deinem Beitrag so dargestellt, als seien die Naturgesetze für dich deskriptiv und für mich noch ein wenig mehr. Hier scheint mir nun, dass die Naturgesetze für dich nicht einmal deskriptiv sind, sie sind dir einfach egal. Es macht für dich wirklich keinen Unterschied, ob das Kausalgesetz gilt oder nicht? Das verstehe ich nicht.

Ich kann den Spieß übrigens auch umdrehen und auf deine Unterscheidung anwenden. Bei dir ist ja ein Mensch dann frei, wenn er denken, reflektierten und vernünftig abwägen kann. Nehmen wir nun zwei Menschen an, MA und MB. MA ist nach deiner Definition relativ frei, er kann gut nachdenken, ausführlich reflektieren und vernünftig abwägen. MB sei nun ein Vollpfosten auf dem geistigen Niveau von Moos. Aber aus einem kosmischen Zufall heraus verhielte sich MB nach außen dennoch ganz genau wie MA und er wäre von außen nicht von MA zu unterscheiden.
Was macht es hier denn für einen Sinn zwischen MA und MB zu unterscheiden? Wieso ist es wichtig, ob die exakt identische Handlung durch Nachdenken oder durch blindes Raten zustande kommt? Genau. Entweder ist es wichtig, dann ist es ebenso für meinen Freiheitsbegriff wichtig, zwischen kausal und nicht kausal zu unterscheiden. Oder es ist nicht wichtig, aber dann ist auch dein Freiheitsbegriff sinnlos. Will sagen: du kannst mich eigentlich nicht mit einem Argument angreifen, das für dich ebenso schädlich wäre (wenn das Argument denn überhaupt stichhaltig wäre).
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 12. Mär 2012, 20:58

Kausale Umstände sind für Handlungsfreiheit völlig unwesentlich. Ob jemand im Gefängnis sitzt oder an einen Stuhl gefesselt ist: das schränkt seine Handlungsfreiheit ein. Und zwar völlig egal, ob das in einer kausal determinierten Welt der Fall ist oder in einer determinierten Welt. Umgekehrt, wenn in beiden Situationen derjenige nicht im Gefändnis säße oder nicht an den Stuhl gefesselt wäre, hätte er mehr Handlungsfreiheit. Wieder völlig egal, ob in einer determinierten oder indeterminierten Welt, das macht dafür schlicht keinen Unterschied.

Meine Welten A und B sind insofern gleich, als dass es keinerlei Möglichkeit gibt, einen Unterschied festzustellen, (durch wie auch immer ausgeklügelte Messungen). Der Unterschied ist nur ein metaphysischer: in der einen Welt laufen alle Ereignisse notwendig so ab, wie sie ablaufen, in der anderen Welt nicht.

Und diesen Unterschied zu treffen macht meiner Ansicht nach keinen Sinn, ich erkenne jedenfalls keinen, (genauer gesagt: pragmatisch gesehen macht es Sinn, in der Lebenswirklichkeit zwischen notwendig und nicht-notwendig zu unterscheiden, aber es macht mE keinen Sinn, zusätzlich dazu noch dahinterliegende unerkennbare Mechanismen zu postulieren). Daher meine Frage an Dich, wieso Du einen Sinn darin siehst.

Und zusätzlich die Frage: wenn A zu B unterschiedlich ist und auf diesem Unterschied verschiedene Schlussfolgerungen beruhen (z.B. "es gibt keinen freien Willen, es gibt keine Schuld") und man aber diesen Unterschied prinzipiell nicht feststellen kann: wie kommt man dann dazu, dennoch zu behaupten, unsere Welt sei wie A? Sie könnte auch die Welt B sein, das können wir nicht wissen. Und da wir das nicht wissen können, können wir wohl auch kaum Folgerungen (aus unserem Nichtwissen) ziehen.

Das Einzige, was wir beobachten können, sind Abläufe. Wir können darin eine Gesetzmäßigkeit sehen und per Induktion auf künftige Ereignisse schließen. Das ist eine rein pragmatische Vorgehensweise, die sehr nützlich ist und die sich bewährt hat.

Aber daraus können wir doch nun keineswegs schließen, dass daraus irgendwie eine Notwendigkeit erfolge; es irgendwie einen unerkennbaren dahinterliegenden Mechanismus gäbe, der eine Notwendigkeit begründen könnte.

Wenn sich aus Situation A immer Situation B ergibt, ist damit noch keine (metaphysische) Notwendigkeit festgestellt. Wenn Messi in jedem Champions-League-Spiel mindestens 2 Tore schießt, dann ist das einfach nur ein Fakt. Der zwar selbstverständlich auf etwas beruht, was aber keine Notwendigkeit (Messi muss immer mind. zwei Tore in einem CL-Spiel schießen) beinhaltet.

Alles, was wir können, ist, Nicht-Notwendigkeiten festzustellen. Nämlich durch Beobachtung von Gegenbeispielen, die unsere These, die Gesetzmäßigkeit betreffend, widerlegt. Aber Notwendigkeiten können wir nicht feststellen, um das zu können, müssten wir Kenntnis eines zugrundeliegenden Mechanismus haben und Kenntnis des diesem zugrundeliegenden Mechanismus und Kenntnis des diesem zugrundeliegenden Mechanismus usw., entweder bis ins Unendliche oder bis zu einem Punkt, an dem wir diejenigen Mechanismen dort als irgendwie intrinsisch notwendig begründen könnten.

Wenn jemand behauptet, dass etwas notwendigerweise abliefe und er das nicht lediglich als pragmatische und nützliche façon de parler meint, dann würde ich doch mal gerne die Gründe dafür sehen. "War doch bisher immer so" ist kein guter Grund, daraus kann man wohl kaum begründete Schlussfolgerungen, die Zukunft betreffend, ("also muss es notwendigerweise auch künftig so sein"), ableiten, (jedoch aber pragmatische und nützliche: "wir nehmen aus pragmatischen Gründen (und wegen unserer Erfahrungen) in diesem Falle an, dass es zukünftig auch so sein wird").

Wir haben bisher noch gar nicht über Determinismus gesprochen, wir haben den einfach so als Prämisse vorausgesetzt. Aber wenn wir darüber sprechen wollen, dann bitte ich Dich mal um eine Definition dafür. Das ist gar nicht so einfach, man kommt da schnell in einen Zirkel. Z.B. diese: "Jede mögliche Welt, die mit unserer Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt völlig übereinstimmt und in der dieselben Naturgesetze gelten wie in unserer Welt, stimmt auch zu allen späteren Zeitpunkten mit unserer Welt völlig überein." ist tautologisch, (sie läuft darauf hinaus: "eine Welt, die mit unserer Welt übereinstimmt, stimmt mit unserer Welt überein" - zumindest dann, wenn man kein Supranaturalist ist). Es wäre schon schön, wenn Du eine gute Definition für "Determinismus" geben könntest. Damit man versteht, was Du damit meinst.

Und dann zu Deinem Beispiel mit dem Menschen, der anscheinend immer rational und vernünftig entscheidet, der sich in nichts von einem anderen rational und vernünftig entscheiden könnenden Menschen unterscheidet: ich finde es seltsam, dass Du sagst, derjenige sei aber tatsächlich dumm wie Moos. Das wäre so, als ob Du sagtest, jemand, der die hundert Meter immer in unter zehn Sekunden rennt, sei ein schlechter Läufer oder jemand, der bei Intelligenztests immer hervorragend abschnitte, sei tatsächlich völlig unintelligent. Welchen Grund habe ich, anzunehmen, dass der Mensch, von dem Du behauptest, er sei dumm wie Moos, tatsächlich dumm wie Moos ist?

Und so kommen wir wieder auf die Notwendigkeit zurück. Wie begründest Du die? Durch die reine Annahme, dass, würden wir die Welt trilliarden Mal zurückspulen, immer alles exakt identisch abliefe? Aber wie begründest Du dann diese Annahme? Und wenn nicht so: wie sonst?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Mo 12. Mär 2012, 23:13

AgentProvocateur hat geschrieben:Meine Welten A und B sind insofern gleich, als dass es keinerlei Möglichkeit gibt, einen Unterschied festzustellen.

Aber du hast doch selbst den Unterschied postuliert. Also wenn dieser Unterschied in deinem Gedankenexperiment da ist, dann macht es doch auch Sinn, ihn anzuwenden. Und wenn man also postuliert (wie auch wir das zu Beginn dieses Threads taten, nämlich die Annahme treffen, unsere Welt wäre determiniert) dann sollte man auch konsequent die sich daraus ergebenden Folgen betrachten dürfen. Dein Argument, dass wir das nicht entscheiden können, kann ich deshalb nicht gelten lassen. Wenn wir also von unserer Prämisse ausgehen (und genau dafür ist eine Prämisse ja da), wie lautet dann dein Fazit? Macht es dann nicht doch Sinn, zwischen Welt A und Welt B zu unterscheiden? Und siehst du endlich ein, wieso die Kausalität dann doch eine Rolle spielt? Oder soll ich meine Argumente auch noch einmal wiederholen? Du bist bisher zumindest nicht auf sie eingegangen, scheint mir.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn sich aus Situation A immer Situation B ergibt, ist damit noch keine (metaphysische) Notwendigkeit festgestellt.

Auch dieses Argument muss ich zurückweisen. Dein Versuch, das auf der Ebene praktischer Naturwissenschaft und Beobachtung als unbeweisbar hinzustellen, ist falsch. Wir reden doch hier von Logik. Wenn du postulierst, dass sich aus Situation A immer B ergibt, dann ist die Notwendigkeit eine logischer Folge.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wir haben bisher noch gar nicht über Determinismus gesprochen, wir haben den einfach so als Prämisse vorausgesetzt. Aber wenn wir darüber sprechen wollen, dann bitte ich Dich mal um eine Definition dafür.

Ich würde lieber beim Thema bleiben wollen und über meinen und deinen Freiheitsbegriff unter der Prämisse reden.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und dann zu Deinem Beispiel mit dem Menschen, der anscheinend immer rational und vernünftig entscheidet, der sich in nichts von einem anderen rational und vernünftig entscheiden könnenden Menschen unterscheidet

Das habe ich nicht geschrieben. Ich meinte vielmehr, dass der eine Mensch MA intelligent ist, rational handelt und abwägt. Und der andere Mensch MB ist dumm, handelt nicht rational und wägt nicht ab. Handelt aber genau so wie der intelligente Mensch, aber eben nur aus Zufall.
Jetzt nochmal meine Fragen: Was macht es hier denn für einen Sinn zwischen MA und MB zu unterscheiden? Wieso ist es wichtig, ob die exakt identische Handlung durch Nachdenken oder durch blindes Raten zustande kommt?

Ein Punkt, der mir wichtig ist, und auf den du bisher auch noch nicht geantwortet hast:
Ich habe dir ein Beispiel für eine Kausalkette genannt (Wind-Apfel-Fensterbeobachtung-Assoziation-Idee-Beitrag schreiben). Und ich habe dich gebeten, mir zu beschreiben, wie du dir eine Steuerung dieser Kausalkette vorstellst, anhand dieses Beispiels. Entweder ich habe etwas überlesen oder du hast noch keine solche Erläuterung geliefert. Könntest du sie jetzt bitte noch einmal wiederholen bzw. mal geben?
Falls du das nicht kannst, würde ich gerne von dir wissen, wie du auf die Behauptung kommst, dass du Kausalketten steuern kannst.

Es geht mir um die Frage, ob wir Kausalketten manipulieren und steuern können. Falls nicht, können wir uns sicher auch darauf einigen, dass unsere Entscheidung zu 100% von kausalen Faktoren abhängen und eben nicht von uns. Oder?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Di 13. Mär 2012, 00:29

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Meine Welten A und B sind insofern gleich, als dass es keinerlei Möglichkeit gibt, einen Unterschied festzustellen.

Aber du hast doch selbst den Unterschied postuliert. Also wenn dieser Unterschied in deinem Gedankenexperiment da ist, dann macht es doch auch Sinn, ihn anzuwenden.

Aber nein, mein Gedankenexperiment hatte das didaktische Ziel, den Unsinn dieses (ununterscheidbaren) Unterschiedes klar zu machen. Ich habe klar gemacht, dass ich den nicht für sinnvoll halte - einen Unterschied zu vertreten und daraus sogar noch weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen - aus einem Unterschied, der für uns prinzipiell nicht feststellbar ist. Was nach allen nur erdenklichen Prüfungen gleich ist, (aus unserer Sicht), ist auch gleich - bzw., um das auf die pragmatische Schiene zu bringen, damit wir hier nicht eine Diskussion über "objektive Wahrheit" führen müssen: es ist rational, anzunehmen, dass es gleich ist und irrational, etwas anderes anzunehmen. Einige Leute sehen das zwar anders, sie postulieren einen Gott und Engel und Teufel und Trolle und Feen und was auch immer. Aber ich halte das für irrational, ich bevorzuge da das Rasiermesser. Und außerdem halte ich an der gebräuchlichen Beweislastverteilung fest: wer behauptet, dass aus beobachteten Abläufen eines Weltgeschehens (und seien sie noch so häufig und ausnahmslos) und daraus abgeleiteten Gesetzmäßigkeiten eine metaphysische Notwendigkeit folgen würde, muss das irgendwie begründen. (Kann er zwar auch sein lassen, aber wenn er das als Prämisse für weitergehende Forlgerungen nimmt, dann kommt er um einen Beweis nicht herum.)

Wäre dem nicht so, dann könnte ja jeder Gläubige kommen und sagen: "mein Gott will das und das und also musst Du das und das machen". Aber sowas lässt mich einfach nur völlig kalt. ich will erst mal gute Gründe sehen. Ansonsten könnte ja jeder einfach alles behaupten.

Gibt es nun Deiner Ansicht nach einen Unterschied zwischen A und B und wenn ja, welcher wäre das? Und wofür spielte der eine Rolle und inwiefern könnte und sollte er eine Rolle für uns spielen, wenn wir ihn nicht feststellen können?

Und bitte definiere mal "deterministisch".

ganimed hat geschrieben:Oder soll ich meine Argumente auch noch einmal wiederholen? Du bist bisher zumindest nicht auf sie eingegangen, scheint mir.

Ja, das wäre sicher sehr hilfreich, wenn du die mal stichpunktartig auflisten würdest.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn sich aus Situation A immer Situation B ergibt, ist damit noch keine (metaphysische) Notwendigkeit festgestellt.

Auch dieses Argument muss ich zurückweisen. Dein Versuch, das auf der Ebene praktischer Naturwissenschaft und Beobachtung als unbeweisbar hinzustellen, ist falsch. Wir reden doch hier von Logik. Wenn du postulierst, dass sich aus Situation A immer B ergibt, dann ist die Notwendigkeit eine logischer Folge.

Ja, das ist dann eine logische Notwendigkeit. Aber keine reale Notwendigkeit. Ich denke kaum, dass es Dir irgendwie hilft, hier auf eine logische Notwendigkeit abzuheben. Aber falls man aus einer logischen Notwendigkeit eine reale Notwendigkeit ableiten könnte: dann das bitte mal zeigen.

Wenn die Prämisse X gilt, ("alle Jungesellen sind unverheiratet"), dann folgt logisch notwendigerweise daraus Y, ("Jens ist Junggeselle, also ist er unverheiratet"). Logische Notwendigkeit habe ich nicht abgestritten, ich streite aber energisch ab, dass Du aus bisherigen Beobachtungen des Weltablaufes eine metaphysische (nicht! logische - darum geht es hier nicht) Notwendigkeit für einen zukünftigen oder vergangenen Verlauf ableiten kannst. Du kannst daraus nur eine Annahme, eine Arbeitshypothese ableiten, (was von mir unbestritten sehr nützlich ist, ich möchte hier nicht den Total-Skeptiker geben). D.h. Du kannst Deine Prämisse ("die Welt ist determiniert") nicht beweisen. Und bevor Du das versuchst: vorher ist eine Definition unumgänglich.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Und dann zu Deinem Beispiel mit dem Menschen, der anscheinend immer rational und vernünftig entscheidet, der sich in nichts von einem anderen rational und vernünftig entscheiden könnenden Menschen unterscheidet

Das habe ich nicht geschrieben. Ich meinte vielmehr, dass der eine Mensch MA intelligent ist, rational handelt und abwägt. Und der andere Mensch MB ist dumm, handelt nicht rational und wägt nicht ab. Handelt aber genau so wie der intelligente Mensch, aber eben nur aus Zufall.

Ja, und eben diese Aussage erscheint mir sinnlos. "Jemand handelt ebenso rational wie ein anderer, aber der andere handelt rational und der eine nicht". Ist so wie die Aussage: "der eine ist ebenso groß wie der andere, aber der eine ist kleiner als der andere".

ganimed hat geschrieben:Jetzt nochmal meine Fragen: Was macht es hier denn für einen Sinn zwischen MA und MB zu unterscheiden? Wieso ist es wichtig, ob die exakt identische Handlung durch Nachdenken oder durch blindes Raten zustande kommt?

Ich würde MA für ebenso fähig halten wie MB. Und keinen Grund sehen, warum ich das anders handhaben sollte. Wieso sollte ich auch, welchen Grund gäbe es dafür? Es macht überhaupt keinen Sinn, zwischen etwas zu unterscheiden, was wir prinzipiell nicht unterscheiden können. Das eben ist doch genau mein Punkt hier und meine Ansicht. Ich gebe also die Frage ungebraucht an Dich zurück. Denn Du scheinst ja zu meinen, dass es sehr wohl einen Sinn ergibt. Also: welchen und warum? Wegen der hypothetischen Wahrheit von einem hypothetischen Standpunkt aus, den wir aber nicht einnehmen können? Es machte nur einen Sinn, wenn man meinte, die Welt aus dem 'god's point of view' betrachten zu können. Aber das können wir nun mal nicht. Auch Du nicht. Und absolut keinen Sinn ergibt es, zu behaupten, man könne es doch und könne daher anderen Menschen Vorschriften machen, wie sie etwas zu sehen hätten. Denn das ist einfach schlicht nicht richtig. Du hast diesen Standpunkt nicht, Du bist nicht anders als die anderen, Du bist nur einer unter vielen.

ganimed hat geschrieben:Ein Punkt, der mir wichtig ist, und auf den du bisher auch noch nicht geantwortet hast:
Ich habe dir ein Beispiel für eine Kausalkette genannt (Wind-Apfel-Fensterbeobachtung-Assoziation-Idee-Beitrag schreiben). Und ich habe dich gebeten, mir zu beschreiben, wie du dir eine Steuerung dieser Kausalkette vorstellst, anhand dieses Beispiels. Entweder ich habe etwas überlesen oder du hast noch keine solche Erläuterung geliefert. Könntest du sie jetzt bitte noch einmal wiederholen bzw. mal geben?
Falls du das nicht kannst, würde ich gerne von dir wissen, wie du auf die Behauptung kommst, dass du Kausalketten steuern kannst.

Doch, ich habe das beantwortet. Steuerung bedeutet für mich: Teil der Kausalkette zu sein und diese entscheidend zu verändern. In dem Sinne steuert ein Thermostat einen Heizungskreislauf. In Bezug auf Menschen verstehen wir jedoch etwas mehr darunter, nämlich bewusste Steuerung: "er wusste, was er tat, er kannte (zumindest ungefähr) die Auswirkungen seiner Handlung, er tat es absichtlich, es stieß ihm nicht einfach so zu". Und in dem Sinne können Menschen etwas kontrollieren.

Ich habe einfach anscheinend da einen blinden Fleck, falls Dir das nicht ausreicht, falls Du mehr als das verlangst. Ich habe noch nicht einmal den Hauch einer Ahnung, was das sein könnte. Was soll bitte "akausale Steuerung" sein? Was kann man sich darunter vorstellen?

Das müsstest Du erst mal darstellen, dann kann ich vielleicht mehr dazu sagen. Aber nur völlig ins Blaue hinein zu raten, bringt es, glaube ich nicht.

Du bist damit nicht zufrieden: okay, aber warum nicht? Was verlangst Du mehr? Unkontrollierbaren Zufall an irgend einer Stelle?

Hier setzt es wieder aus bei mir. Ich verstehe das einfach nicht. Und das liegt nicht nur an mir, das liegt auch an Dir. Du setzt - auch wenn Du das selber nicht siehst - einfach grundlos Akausalität mit Freiheit gleich. Aber das ist - wie gesagt - per se überhaupt nicht einfach so selbstverständlich. Würde Akausalität Freiheit bedeuten, dann wäre der berühmte Tourette-Mensch von oben frei in Deinem Sinne. Aber das sieht weder er selber noch andere so. Also hast Du hier einen Denkfehler und also musst Du neu überlegen, bzw. Deine Auffassung anders darstellen.

Ich habe diese Diskussion schon sehr oft geführt. Es ist immer das gleiche Muster: die Inkompatibilisten behaupten: "Kausalität schließt Freiheit aus, ist ein Gegensatz zu Freiheit". Und wenn man fragt: "wieso?", dann kommt immer nur wieder diese Behauptung, nicht mehr. Aber wenn eine Behauptung ein Argument sein soll, dann kann auch jeder beliebige andere einfach das Gegenteil behaupten.

ganimed hat geschrieben:Es geht mir um die Frage, ob wir Kausalketten manipulieren und steuern können. Falls nicht, können wir uns sicher auch darauf einigen, dass unsere Entscheidung zu 100% von kausalen Faktoren abhängen und eben nicht von uns. Oder?

Verstehe ich das richtig: Du behauptest allen Ernstes, es gäbe folgende Dichotomie: entweder ist etwas eine Kausalkette oder etwas hängt von uns ab? Da drüben sind die Kausalketten und hier sind wir? Absurde Vorstellung: wir sind doch Teil dieser Welt, also können wir nicht irgendwie abseits der Welt stehen. Diese Auffassung muss mE jeder Naturalist teilen, ansonsten ist er kein Naturalist.

Bedeutet das nun, dass Du meinst, dass wir außerhalb aller Kausalketten stehen? Oder wie jetzt? Was meinst Du damit - falls Du nicht lediglich meinst: wir können nicht alles kontrollieren?

Und wärest Du so freundlich, mal darzulegen, was Du unter 'Kontrolle' eigentlich verstehst, was Du damit meinst? Und hoffentlich kommt nicht sowas wie: "Kontrolle ist, wenn etwas akausal erfolgt". Denn das ist absurd, kein Mensch würde dem zustimmen. Denn das ist erst mal das Gegenteil von Kontrolle: was einfach so zufällig, akausal geschieht, darüber kann niemand eine Kontrolle haben. Und zwar per definitionem: etwas, was rein zufällig geschieht, hätte ebenso - gleichfalls ohne Ursache, ohne Grund - auch gegenteilig geschehen können.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Di 13. Mär 2012, 20:16

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich habe klar gemacht, dass ich den nicht für sinnvoll halte - einen Unterschied zu vertreten und daraus sogar noch weitergehende Schlussfolgerungen zu ziehen - aus einem Unterschied, der für uns prinzipiell nicht feststellbar ist.

Wir können doch eine Fallunterscheidung vornehmen. Fall 1) wenn die Welt deterministisch ist, dann haben wir keinen freien Willen. Fall 2) wenn die Welt nicht deterministisch ist, dann mag es anders aussehen.
Die inkompatibilistische Aussage ist ja zunächst nur, dass Determinismus und Willensfreiheit sich ausschließen. Das kann man doch auch formulieren als: Wenn die Welt deterministisch ist (Fall 1) dann ist der Wille nicht frei. Man muss doch für eine solche Überlegung gar nicht beweisen, ob Fall 1 nun wirklich gilt. Die Unentscheidbarkeit der Frage, ob Determinismus real ist, kann also kein Argument gegen Inkompatibilismus sein.

AgentProvocateur hat geschrieben:Steuerung bedeutet für mich: Teil der Kausalkette zu sein und diese entscheidend zu verändern.

Bitte beschreibe doch einmal, wie du die von mir genannte Beispiel-Kausalkette entscheidend verändern kannst. Zur Erinnerung, die gedachte Kausalkette ging rückwärts betrachtet so:
1000 : Du schriebst den Beitrag
999 : weil dir ein neues Argument zur Unmöglichkeit von Indeterminismus einfiel
998 : Das Argument fiel dir ein als du an Apfeltorte mit Schlagsahne dachtest.
997 : An die Torte musstest du deshalb denken, weil du in dem Moment gerade nach draußen geblickt hast und einen Apfel von einem Baum fallen sahst
996 : Der Apfel fiel vom Baum weil ein Windstoß von Westen kam

Ich kann mir nicht recht vorstellen, wie du diese Kette verändern willst.

AgentProvocateur hat geschrieben:Du setzt - auch wenn Du das selber nicht siehst - einfach grundlos Akausalität mit Freiheit gleich. Aber das ist - wie gesagt - per se überhaupt nicht einfach so selbstverständlich.

Ich sehe das selber tatsächlich nicht. Ich setze 100% Abhängigkeit von kausalen Faktoren mit Unfreiheit gleich! Ich habe nie behauptet, dass Akausalität Freiheit bedeutet. Ich behaupte lediglich, und das ist nur eine logische Konsequenz, dass es ohne Akausalität bei der kausalen Abhängigkeit bliebe, so dass Akausalität also eine notwendige Bedingung für Freiheit wäre, aber eben, und das ignorierst du unglaublicherweise bis zum heutigen Tage, nur eine notwendige und nicht hinreichende. Wie oft habe ich das jetzt eigentlich schon geschrieben? Gefühlt etwa 10 mal. Und es gelingt dir wirklich nicht, das zur Kenntnis zu nehmen? Also zur Sicherheit noch ein elftes Mal: ich behaupte, dass ohne Akausalität keine Freiheit möglich ist und mit ihr auch nicht. Ich behaupte also insgesamt, dass ein freier Wille nicht möglich ist.

Und muss ich begründen, wieso 100% Abhängigkeit von kausalen Faktoren mit Unfreiheit gleichzusetzen ist? Ja, das muss ich. Und das habe ich auch, noch viel öfter als 10 mal. Aber ich tue es gerne noch einmal, vielleicht gelingt mir jetzt mal eine einprägsamere Formulierung, die du im Gedächtnis behalten kannst:
1) Eine Entscheidung des Menschen hängt in einer deterministischen Welt zu 100% von kausalen Faktoren ab.
2) Jeder kausale Faktor ist dabei das vorläufige Ende einer Kausalkette.
3) Jede Kausalkette verlässt, folgt man ihr in Richtung Anfang, irgendwann die Zuordnung zum Menschen.
4) Ergo hängt jede Entscheidung letztlich zu 100% von externen, kausalen Faktoren ab.
5) Eine 100% Abhängigkeit von externen Faktoren bezeichnet man intuitiver Weise als Unfreiheit.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte: bitte argumentiere und zerlege und vernichte diese meine Begründung, oder akzeptiere sie und stimme ihr zu, aber bitte, behaupte nicht länger, dass ich keine Begründung geliefert hätte.

AgentProvocateur hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Es geht mir um die Frage, ob wir Kausalketten manipulieren und steuern können. Falls nicht, können wir uns sicher auch darauf einigen, dass unsere Entscheidung zu 100% von kausalen Faktoren abhängen und eben nicht von uns. Oder?

Verstehe ich das richtig: Du behauptest allen Ernstes, es gäbe folgende Dichotomie: entweder ist etwas eine Kausalkette oder etwas hängt von uns ab?

Was tust du eigentlich nebenbei, während du meine Argumente liest? Du scheinst sehr abgelenkt zu sein. Deine Vermutung, was ich gemeint haben könnte, ist ziemlich falsch und ich sehe zumindest im Moment auch gar nicht, wie man das so falsch verstehen konnte. Also noch einmal:
Ich behaupte allen Ernstes, dass wenn wir eine Kausalkette nicht manipulieren und steuern können, dass wir dann von ihr abhängen (auch wenn wir im letzten Stück der Kette ein Teil von ihr sind). Und ich habe dich nun ausgerechnet auch so verstanden, dass du "Kontrolle" als wesentliches Merkmal von Freiheit ansiehst, und mit "Kontrolle" ebenfalls die Manipulation einer Kausalkette meinst. Nur wie so eine Manipulation aussehen könnte, hast du noch nicht ausreichend erklärt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Steuerung bedeutet für mich: Teil der Kausalkette zu sein und diese entscheidend zu verändern. In dem Sinne steuert ein Thermostat einen Heizungskreislauf. In Bezug auf Menschen verstehen wir jedoch etwas mehr darunter, nämlich bewusste Steuerung: "er wusste, was er tat, er kannte (zumindest ungefähr) die Auswirkungen seiner Handlung, er tat es absichtlich, es stieß ihm nicht einfach so zu". Und in dem Sinne können Menschen etwas kontrollieren.

Durchleuchten wir mal eine mögliche Kausalkette bei der Entscheidung des Menschen:
1) Ein Mensch überlegt, was er tun soll.
2) Er sieht die Folgen einer möglichen Handlung voraus.
3) Er bewertet die Folgen.
4) Er entscheidet sich für eine bestimmte Handlung mit einer günstigen Bewertung.

(4) passiert, weil (3) passiert ist. (3) passiert, weil (2) passiert ist. Usw. Diese Kausalkette steuert oder verändert der Mensch aber nicht. Er führt sie nur aus.
Was also meinst du, wenn du schreibst: "Steuerung bedeutet für mich: Teil der Kausalkette zu sein und diese entscheidend zu verändern."? Eine wirkliche Veränderung der Kausalkette kannst du nicht meinen, oder?

AgentProvocateur hat geschrieben:Und wärest Du so freundlich, mal darzulegen, was Du unter 'Kontrolle' eigentlich verstehst, was Du damit meinst?

Was wäre eine Änderung der oben aufgeführten Kausalkette? Zum Beispiel, wenn ich Punkt 3 heraustrenne und weglasse. Dann würde ich plötzlich folgendermaßen entscheiden: 1) überlegen, was ich tun soll. 2) Die Folgen möglicher Handlungen bedenken. 3) Die Folgen aber nicht bewerten und 4) mich ohne Bewertung möglicherweise mal für eine ganz andere Handlung entscheiden. Mit dieser Methode würde ich nicht in einem Widerholungsexperiment 1000 mal denselben Wagen kaufen (du erinnerst dich an das Gedankenexperiment?) sondern öfter auch mal das andere, unterlegene Auto. Ich wäre nicht unfrei, müsste nicht sklavisch die immer gleiche Kausalkette abarbeiten, sondern könnte variieren, hätte die Freiheit in derselben Situation auch mal anders zu können.
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Welt.

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 17. Mär 2012, 02:13

ganimed hat geschrieben:Die Unentscheidbarkeit der Frage, ob Determinismus real ist, kann also kein Argument gegen Inkompatibilismus sein.

Das ist richtig.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Steuerung bedeutet für mich: Teil der Kausalkette zu sein und diese entscheidend zu verändern.

[...] Ich kann mir nicht recht vorstellen, wie du diese Kette verändern willst.

Verändern in Bezug auf was? Dass sie anders wäre als in dem Falle, dass ich nicht existieren würde? Oder anders, als sie letztlich im Nachhinein gesehen ablief? Oder, wenn beides nicht: wie und inwiefern sonst anders?

ganimed hat geschrieben:[...] ich behaupte, dass ohne Akausalität keine Freiheit möglich ist und mit ihr auch nicht. Ich behaupte also insgesamt, dass ein freier Wille nicht möglich ist.

Ja.

ganimed hat geschrieben:1) Eine Entscheidung des Menschen hängt in einer deterministischen Welt zu 100% von kausalen Faktoren ab.
2) Jeder kausale Faktor ist dabei das vorläufige Ende einer Kausalkette.
3) Jede Kausalkette verlässt, folgt man ihr in Richtung Anfang, irgendwann die Zuordnung zum Menschen.
4) Ergo hängt jede Entscheidung letztlich zu 100% von externen, kausalen Faktoren ab.
5) Eine 100% Abhängigkeit von externen Faktoren bezeichnet man intuitiver Weise als Unfreiheit.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte: bitte argumentiere und zerlege und vernichte diese meine Begründung, oder akzeptiere sie und stimme ihr zu, aber bitte, behaupte nicht länger, dass ich keine Begründung geliefert hätte.

1. das haben wir als Prämisse vorausgesetzt
2. ?
3. stimmt
4. huch, wieso das denn? Jeder Vorgang in einer determinierten Welt (und somit auch jede Entscheidung - sofern man Naturalist ist) hängt doch wohl logischerweise von allen (was aber nicht! bedeuten muss: von allen gleichermaßen!) Faktoren in der Kausalkette ab? Wie kann man da einzelne Faktoren streichen und alles auf vorherige Faktoren reduzieren (= zu 100%)?
5. stimmt

Punkt 4 ist hier falsch. That's it. Den müsstest Du folgendermaßen umformulieren: "also hängen Entscheidungen nicht zu 100% von internen Faktoren ab". Bloß wäre das dann wohl eine Formulierung, die niemand (zumindest kaum jemand) bestreiten würde. Und daraus folgt auch nicht die von Dir genannte Schlussfolgerung, dass alles zu 100% von externen Faktoren abhinge. Dass die Pyramiden gebaut wurden, hing zu 100% von zu mir externen Faktoren ab, dieser Beitrag hier von mir hing aber nicht zu 100% von mir externen Faktoren ab. (Es sei denn, Du würdest behaupten, dass ich entweder nicht existiere oder dass ich außerhalb der physikalischen Welt existieren würde. Aber beides erscheint mir, öhm, ich sage jetzt mal vorsichtig: zumindest nicht so selbstverständlich, als dass ich das unbesehen akzeptieren könnte.)

ganimed hat geschrieben:Ich behaupte allen Ernstes, dass wenn wir eine Kausalkette nicht manipulieren und steuern können, [...]

Aber was bedeutet das denn für dich: "eine Kausalkette manipulieren und steuern"?

ganimed hat geschrieben:Und ich habe dich nun ausgerechnet auch so verstanden, dass du "Kontrolle" als wesentliches Merkmal von Freiheit ansiehst, [...]

Ja, das ist richtig.

ganimed hat geschrieben:Durchleuchten wir mal eine mögliche Kausalkette bei der Entscheidung des Menschen:
1) Ein Mensch überlegt, was er tun soll.
2) Er sieht die Folgen einer möglichen Handlung voraus.
3) Er bewertet die Folgen.
4) Er entscheidet sich für eine bestimmte Handlung mit einer günstigen Bewertung.

(4) passiert, weil (3) passiert ist. (3) passiert, weil (2) passiert ist. Usw. Diese Kausalkette steuert oder verändert der Mensch aber nicht. Er führt sie nur aus.
Was also meinst du, wenn du schreibst: "Steuerung bedeutet für mich: Teil der Kausalkette zu sein und diese entscheidend zu verändern."? Eine wirkliche Veränderung der Kausalkette kannst du nicht meinen, oder?

Ich weiß halt einfach nicht, was Du mit "wirklicher Veränderung" meinst. Du bist wirklich, ich bin wirklich, andere Menschen sind wirklich. Und wir alle verändern etwas in der Welt. Es ist sogar im Gegenteil so: wir können nicht nichts verändern. Insofern sind wir unfrei - falls Freiheit bedeuten soll: "jedes Beliebige tun können, was immer man sich vorstellt". Alles, was wir tun oder nicht tun, hat Auswirkungen, (wieder, wie gesagt: falls man die von mir vertretene naturalistische Prämisse, dass wir Teil der Welt sind und nicht mehr als das) akzeptiert. Falls man sie aber akzeptiert, ist es völlig absurd, zu behaupten, Menschen hätten keinerlei Auswirkungen auf den Verlauf dieser Welt. Und dann ist es auch absurd, zu behaupten, sie würden von außen gesteuert und zwar mit dem Argument, dass dann alles von außen gesteuert sein müsse. Das ist aber schlicht unmöglich, (zumindest sofern man einer naturalistischen Ontologie anhängt, die ein "Außerhalb-der-Welt" auschließt).

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Und wärest Du so freundlich, mal darzulegen, was Du unter 'Kontrolle' eigentlich verstehst, was Du damit meinst?

Was wäre eine Änderung der oben aufgeführten Kausalkette? Zum Beispiel, wenn ich Punkt 3 heraustrenne und weglasse. Dann würde ich plötzlich folgendermaßen entscheiden: 1) überlegen, was ich tun soll. 2) Die Folgen möglicher Handlungen bedenken. 3) Die Folgen aber nicht bewerten und 4) mich ohne Bewertung möglicherweise mal für eine ganz andere Handlung entscheiden. Mit dieser Methode würde ich nicht in einem Widerholungsexperiment 1000 mal denselben Wagen kaufen (du erinnerst dich an das Gedankenexperiment?) sondern öfter auch mal das andere, unterlegene Auto. Ich wäre nicht unfrei, müsste nicht sklavisch die immer gleiche Kausalkette abarbeiten, sondern könnte variieren, hätte die Freiheit in derselben Situation auch mal anders zu können.

Ja, ich erinnere mich. Wenn sich also jemand zufällig mal für das und mal für jenes entscheidet, dann soll er frei sein? Naja, kann man vielleicht so sehen, ich sehe das aber nicht so und mir leuchtet auch immer noch nicht ein, wieso das so sein sollte. Es gibt eh niemals zweimal exakt dieselbe Kausakette in unserer Welt, daher ist diese Frage eine rein akademische, die hat keinen praktischen Nutzen. Wenn das alles ist, was für Dich Freiheit ausmacht, (es muss einen zufälligen Faktor dabei geben, ansonsten ist es keine Freiheit), dann soll es mir recht sein. Ich sehe das bloß anders, ich sehe nicht ein, wieso ein (hypothetisches) Wesen, das immer rein rational entscheidet und handelt, (also in allen identischen Situationen immer identisch), nicht frei sein soll. Zumindest meinem Begriff von Freiheit widerspricht das in keinem Sinne. Denn der beinhaltet, dass jemand erkennen, reflektieren, abwägen und demnach entscheiden und handeln kann. Wo dabei aber Zufall helfen könnte, inwiefern Zufall notwendige Bedingung für Freiheit sei, ist für mich immer noch absolut unverständlich.

Vor allem aber auch deswegen, weil Du sagtest: "ich behaupte, dass ohne Akausalität keine Freiheit möglich ist und mit ihr auch nicht. Ich behaupte also insgesamt, dass ein freier Wille nicht möglich ist." Und plötzlich ist Akausalität doch erforderlich und plötzlich gibt es doch einen freien Willen, (bzw., noch abstruser; es gäbe Kontrolle, wenn es irgendwo im Entscheidungsprozess Zufall gäbe).

Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, warum Du einen Gegensatz von Kausalität und Freiheit siehst. Bzw.: den Hauch einer Ahnung habe ich zwar: Du schließt evtl. aus Kausalität Vorherbestimmung, Fatalismus. Aber eben das hast Du ja inzwischen energisch abgestritten. Und also bin ich ratlos.

Wir können nicht alle Umstände unserer Existenz kontrollieren, das ist unbestritten. Nun verstehe ich unter 'Willensfreiheit' dieses: die (grundsätzliche) Fähigkeit zu haben, Sachverhalte zu erkennen, abzuschätzen, zu reflektieren, mit seien Zielen abzugleichen, auch seine Ziele auf den Prüfstand stellen zu können und daraufhin entscheiden und handeln zu können. Das war es schon, diese Fähigkeiten habe ich, also bin ich willensfrei - in meinem Sinne.

In Deinem Sinne zwar vielleicht nicht, aber was in Deinem Sinne 'willensfrei' eigentlich bedeutet, was noch hinzukommen muss, oder - *ungläubigguck* - falls diese Fähigeiten Deiner Ansicht nach für Willensfreiheit völlig unwesentlich seien und man statt dessen die Fähigkeit XYZ haben müsse, dann habe ich immer noch nicht verstanden, was dieses XYZ denn nun sein soll.
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In kurz: ich meine, ich (und andere) seien willensfrei. Um das zu sein, benötigt man die oben von mir genannten Fähigkeiten, die jeder (normale erwachsene Mensch) meiner Ansicht nach mehr oder weniger besitzt. Und nicht mehr, da muss nirgends ein Zufall / eine Akausalität oder dergleichen hinzukommen. Das Gedankenexperiment mit den exakt identischen Situationen ist nur ein Gedankenexperiment, es beschreibt etwas, das in unserer Welt noch nie vorgekommen ist und niemals vorkommen wird. Und falsifizierbar oder verifizierbar ist es auch nicht. Wen juckt das also?

Etwas völlig anderes wäre es allerdings, wenn jemand in ähnlichen Situationen immer gleich reagieren würde. Derjenige wäre dann nicht lernfähig, er hätte also die oben von mir genannten Fähigkeiten, die ich als notwenig für Willensfreiheit ansehe, nicht, und wäre eben dann auch nicht willensfrei in meinem Sinne.

Aber anders herum auch: wenn jemand in den meisten Situationen völlig hirnrissig reagieren würde, dann hätte er wohl die von mir als notwendig angesehenen Fähigkeiten auch nicht und wäre auch nicht willensfrei in meinem Sinne. Aber in Deinem Sinne wäre er evtl. willensfrei - Deine Anforderung ist ja lediglich, dass irgendwo ein akausales Moment statt findet. Und das ist absolut absurd - denn das spielte in dem Falle überhaupt keine Rolle. Ob es bei einer dummen Handlung einen akausalen Faktor gibt oder nicht, ist einfach nur wurst.

Wenn Du aber zustimmen solltest, dass die von mir genannten Fähigkeiten durchaus eine Rolle bei Willensfreiheit spielen, das aber noch nicht ausreiche, sondern die Fähigkeit X hinzukommen müsse: okay, was wäre dann dieses X?
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Oder, noch kürzer: mir erscheint es geradezu selbstverständlich, dass Menschen ihr Ding machen können. Die einen mehr, die anderen weniger; da gibt es Abstufungen, das ist kein binäres Ding. Aber nun zu behaupten, dass sie es überhaupt nicht könnten, erscheint mir einfach nur absurd.

"Ja, gut, Menschen können denken, überlegen, abwägen, ihre Entscheidungen bewerten, danach handeln, ihre Handlungen nachträglich bewerten, sich daraufhin in künftigen ähnlichen Situationen im Lichte ihrer bisherigen Erfahrungen anders verhalten, aber das ist keine echte Freiheit. Echte Freiheit wäre, wenn sie auch X könnten". Aber dieses X, was soll das sein?

Du argumentierst übrigens unlogisch. Du kannst nicht einerseits behaupten, Freiheit sei logisch unmöglich und andererseits sei jemand freier, der in ein- und derselben Situation mal so und mal so entscheiden und handeln würde. Bei unlogischer Argumentation tickt mein armes kleines Logikmodul leider regelmäßig aus.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon Vollbreit » Sa 17. Mär 2012, 12:01

ganimed hat geschrieben:Seine Entscheidung besteht daraus, die Vor- und Nachteile der Sektenmitgliedschaft nach seinen Kriterien abzuwägen und dann bei einem Überwiegen der Vorteile entsprechend in der Sekte zu bleiben.


Reiner Kompatibilismus.

ganimed hat geschrieben:Die Entscheidung ist deshalb seine Entscheidung, weil "hinreichend" viele Teile der Ursachenketten sich in seinem Gehirn abgespielt haben. Wie du vielleicht sagen würdest, waren es die Reflektionen und Überlegungen des Mannes, die hier entschieden haben, und diese Formulierung kann ich teilen. Mein Freiheitsbegriff würde nur bedeuten, dass der Mann auch anders hätte entscheiden können in derselben Situation. Dazu hätte er aber die kausalen Dominosteine, die genau umfallen nachdem der Vorderstein umfällt, steuern oder manipulieren müssen.


Damit würdest Du behaupten, dass Freiheit nur dann vorliegen kann, wenn man außerhalb des kausalen Gesetzmäßigkeit steht. Aber wie soll das 1) überhaupt gehen und 2) wer behauptet, dass es so ist?

ganimed hat geschrieben:Konnte er aber nicht. Also nenne ich den Vorgang unfrei, weil die Entscheidung des Mannes (und es bleibt auch seine) nur von der Situation, den kausalen Faktoren abhing und nicht etwa vom Mann. Mein Motto ist sozusagen: hängst du vollständig von etwas ab, dann bist du nicht frei.


„Hängst Du vollständig ab“, heißt hier, stehst Du in einer kausalen Folge. Das tun wir wohl alle, vom Meteor, über die Ente bis zum Bright. Wie soll man auch nicht vollständig abhängen?
Kausalität kennt keine Wochenenden und keine kausalitätsfreien Zonen.

ganimed hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Aber er hat doch nicht etwa innegehalten und gar noch rational abgewogen, als er zu der „seiner“ Entscheidung kam (deren Ketten „bei ihm“ liegen), in der Sekte zu bleiben?

Doch, er hat sicher auch mal innegehalten und sicher auch rational abgewogen, wieso nicht? Innehalten und rational abwägen ist aber nur dann ein freier Vorgang, wenn er nicht zu 100% von dem Vorgängerzustand, vom vorherigen Dominostein abhängt. Tut er aber.


Ja, das ist die Bedeutung von determiniert, auch bei den Kompatibilisten.
Aber bei den Kompatibilisten heißt Freiheit eben, innehalten und abwägen zu können, genau in der Art, wie Du es selbst beschrieben hast. Jetzt frage ich Dich, was genau an diesen Freiheitsbegriff, falsch, defizitär, unzureichend ist und was dazu kommen muss, damit dieser Makel behoben ist.

Wenn Du sagst, es könne überhaupt keine Freiheit geben, erklär mir, wie Du das stark unterschiedliche Verhalten von Meteoren, Enten und Brights erklärst.
Erklär‘ mir, warum Du auf die Kraft der Argumente setzt, wenn das Ergebnis ohnehin immer schon feststeht, in dem Sinne, dass eine Freiheit der Entscheidung gar nicht möglich ist.

Wenn Du sagst, ich bin bei den Brights, weil ich auf die Defizite der Religion aufmerksam machen will und meine, dafür gute Gründe zu haben und ich möchte andere von meiner Position überzeugen, dann wäre das laut MSS völliger Quatsch.

Nach ihm müsstest Du sagen: Ich bin bei den Brights gelandet, weil ich gar nicht anders konnte, mein Hirn hat so entschieden, wie das jeweilige Hirn für jeden entscheidet. Eigentlich gibt es mich auch gar nicht, mein Ich ist eine Illusion meines Gehirns. Ich weiß, dass ich niemanden überzeugen kann, denn es ergibt sich ohnehin das, was das Gehirn entscheidet und das kümmert sich nicht um Gründe, sondern funktioniert elektrochemisch. Ich könnte genausogut religiös sein, denn nicht Gründe leiten mich, sondern Hirnströme und ihre Verschaltungen. Bei Licht betrachtet ist mein Wirken bei den Brights völlig belanglos, denn entweder entscheidet das Gehirn von jemandem ein Bright zu sein, dann passiert das auch und ist nicht zu ändern, oder es entscheidet anders, dann passiert eben das.

Jede Abweichung davon wäre in meinen Augen ein Selbstwiderspruch.
Ich kann nicht jemanden überzeugen wollen und zugleich behaupten, er sei unfrei.
Unfrei würde nämlich bedeuten, ich kann erzählen was ich will, ich kann dem Dawkins vorlesen oder „Alle meine Entchen“ vorsingen, der wird, wenn das Hirn es so entscheidet, ein Bright werden, oder eben nicht , völlig egal, was ich tue, oder lasse.
Wozu dann die Brights? Wozu Hirnforschung? Wozu Politik und soziales Engagement? Wozu sich über irgendwas Gedanken machen? Die Welt läuft dann einfach ab, wie ein Uhrwerk, ohne dass wir irgendeinen Einfluss hätten.
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Mo 19. Mär 2012, 19:35

AgentProvocateur hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:1) Eine Entscheidung des Menschen hängt in einer deterministischen Welt zu 100% von kausalen Faktoren ab.
2) Jeder kausale Faktor ist dabei das vorläufige Ende einer Kausalkette.
3) Jede Kausalkette verlässt, folgt man ihr in Richtung Anfang, irgendwann die Zuordnung zum Menschen.
4) Ergo hängt jede Entscheidung letztlich zu 100% von externen, kausalen Faktoren ab.
5) Eine 100% Abhängigkeit von externen Faktoren bezeichnet man intuitiver Weise als Unfreiheit.
Wenn ich mir etwas wünschen dürfte: bitte argumentiere und zerlege und vernichte diese meine Begründung, oder akzeptiere sie und stimme ihr zu, aber bitte, behaupte nicht länger, dass ich keine Begründung geliefert hätte.


1. das haben wir als Prämisse vorausgesetzt
2. ?
3. stimmt
4. huch, wieso das denn? Jeder Vorgang in einer determinierten Welt (und somit auch jede Entscheidung - sofern man Naturalist ist) hängt doch wohl logischerweise von allen (was aber nicht! bedeuten muss: von allen gleichermaßen!) Faktoren in der Kausalkette ab? Wie kann man da einzelne Faktoren streichen und alles auf vorherige Faktoren reduzieren (= zu 100%)?
5. stimmt

Zu 2: Wenn ich entscheide, dann ist die direkte Ursache dieser Entscheidung das vorläufige Ende der Ursachenkette, die zu dieser Entscheidung führte. Eben wie der vorletzte Dominostein bis dahin das Ende einer Kette aus Dominosteinen darstellt. Natürlich wird eine Entscheidung irgendwelche Folgen haben und ihrerseits wieder die Ursache für irgendwas sein. Daher nannte ich es das "vorläufige" Ende. Gemeint ist jedenfalls die direkte Ursache einer Entscheidung, welche, wenn man die Kette rückwärts betrachtet, der Anfang dieser Rückwärtsbetrachtung ist.
Zu 4: Streichen kann man durch die Anwendung des Distibutivgesetzes. Eigentlich kenne ich dieses Gesetz erstmal nur aus Logik. Wenn A=>B und B=>C dann gilt auch A=>C. Durch das Wort "letztlich" würde ich es auch auf Ursachenketten anwenden wollen. Wenn A die einzige Ursache von B ist (100%) und B die einzige Ursache von C, dann ist A letztlich die einzige Ursache von C. Oder sehe ich das falsch?

AgentProvocateur hat geschrieben:Verändern in Bezug auf was?... Aber was bedeutet das denn für dich: "eine Kausalkette manipulieren und steuern"? ... Ich weiß halt einfach nicht, was Du mit "wirklicher Veränderung" meinst.

Ich verstehe gerade nicht so ganz, was so komplex an dem Begriff "Veränderung einer Ursachenkette" ist. Eine Ursachenkette ist eine Aneinanderreihung von ursächlichen Faktoren. A->B->C->D->E->F. In der Mengenlehre nennt man die von mir gemeinte Veränderung, glaube ich, Permutation. Eine Veränderung wäre demnach die Änderung der Reihenfolge oder die Änderung der Elementenmenge (Elemente einfügen, Elemente streichen). Ich habe dir auch ein Beispiel genannt.
Und wie gesagt, ich meine tatsächlich Ursachenketten, wenn ich "Ursachenketten" schreibe. Ich meine nicht "alles". Dein Argument, dass wir nicht nichts ändern können oder deine Vermutung, ich hätte gemeint, dass Menschen keinerlei Auswirkungen auf den Verlauf dieser Welt hätten, das alles trifft meine Aussage irgendwie überhaupt nicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:weil Du sagtest: "ich behaupte, dass ohne Akausalität keine Freiheit möglich ist und mit ihr auch nicht. Ich behaupte also insgesamt, dass ein freier Wille nicht möglich ist." Und plötzlich ist Akausalität doch erforderlich und plötzlich gibt es doch einen freien Willen

Plötzlich ist Akausalität erforderlich? Aber das habe ich doch in dem von dir zitierten Wortlaut genau gesagt. Wieso kommt das für dich plötzlich? Und dass es eben keinen freien Willen gibt, ergibt sich in diesem Fall auch wieder genau aus meiner Aussage: wir können Ursachenketten eben nicht ändern, mein Beispiel einer Ursachenkettenänderung, die zum alternativen Autokauf führen würde, war reine Fiktion. Also gar nicht so plötzlich und vor allem auch gar kein Widerspruch, finde ich.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nun verstehe ich unter 'Willensfreiheit' dieses: die (grundsätzliche) Fähigkeit zu haben, Sachverhalte zu erkennen, abzuschätzen, zu reflektieren, mit seien Zielen abzugleichen, auch seine Ziele auf den Prüfstand stellen zu können und daraufhin entscheiden und handeln zu können. Das war es schon, diese Fähigkeiten habe ich, also bin ich willensfrei - in meinem Sinne.

Ich finde deine Definition hinkt. Sie vertritt das Bild von persönlicher Handlungsfreiheit aus unserer Alltagssprache. Sie ignoriert die Implikationen eines angenommenen Determinismus, dessen Konsequenzen eben nicht Teil unserer Alltagsvorstellung sind. Deine Aufzählung von Fähigkeiten halte ich für willkürlich (wieso fehlt immernoch das Flaschenöffnen?) und irrelevant. Keine dieser Fähigkeiten führt dazu, dass man nicht zu 100% genau das entscheidet, was sich aus den ursächlichen Faktoren ergibt. Es gibt auch bei rationalen Entscheidungen mit Reflektion keine Varianz, keinen Spielraum, keine Freiheit. Dein Freiheitsbegriff beschreibt eben nicht Freiheit (also Alternativen, Spielraum) sondern nur bestimmte Eigenschaften eines eindimensionalen, unveränderbaren und kausal abhängigen Kettenablaufs. Du verwechselst Freiheit mit Reflektivität und Rationalität.

AgentProvocateur hat geschrieben:Etwas völlig anderes wäre es allerdings, wenn jemand in ähnlichen Situationen immer gleich reagieren würde. Derjenige wäre dann nicht lernfähig, er hätte also die oben von mir genannten Fähigkeiten, die ich als notwenig für Willensfreiheit ansehe, nicht, und wäre eben dann auch nicht willensfrei in meinem Sinne.

Hier verwechselst du Freiheit mit Lernfähigkeit. Eine Lernerfahrung versetzt dich lediglich in einen anderen Zustand. Du entscheidest danach zwar anders aber eben auch wieder genau abhängig von den kausalen Faktoren. Nur weil ich eine Dominosteinkette etwas anders ausrichte, wird sie dadurch nicht zu einer freien Veranstaltung. Ob die Dominosteine nach Westen oder Osten umfallen, jedenfalls fallen sie der Reihe nach um und das nenne ich nicht frei. Sobald du gelernt hast, dass der Passat weniger kostet und das bessere Auto ist, wirst du dich sklavisch und unfrei für ihn entscheiden.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber anders herum auch: wenn jemand in den meisten Situationen völlig hirnrissig reagieren würde, dann hätte er wohl die von mir als notwendig angesehenen Fähigkeiten auch nicht und wäre auch nicht willensfrei in meinem Sinne.

Du verwechselst hier Freiheit mit Schlauheit. Wenn jemand anders könnte, die Freiheit hätte, anders zu handeln, auch wenn es hirnrissige Handlungen wären, dann wäre er frei. Wenn man als Sklave gezwungen wird, kluge Dinge zu tun, dann handelt man zwar nicht hirnrissig, aber man ist unfrei. Du erkennst hoffentlich an diesen beiden Beispielen, dass Freiheit eben nichts mit Hirnrissigkeit oder Klugheit zu tun hat.

AgentProvocateur hat geschrieben:Oder, noch kürzer: mir erscheint es geradezu selbstverständlich, dass Menschen ihr Ding machen können. Die einen mehr, die anderen weniger; da gibt es Abstufungen, das ist kein binäres Ding. Aber nun zu behaupten, dass sie es überhaupt nicht könnten, erscheint mir einfach nur absurd.

Wer hat behauptet, dass sie es überhaupt nicht könnten? Deine Lernfähigkeit ist sicher vorhanden, spielt sich aber nicht immer in den Vordergrund. Nochmal: ich stimme ja durchaus zu, dass Menschen ihr Ding machen können. Meinetwegen auch mit Reflektion, Rationalität und allem Pi Pa Po. Aber sie können nur dieses eine Ding machen, sie haben nicht die Freiheit, sich andere Dinger auszusuchen. Welches Ding ihr Ding ist, hängt letztlich von externen Faktoren ab (so dass du dir deine Reflektionen und Rationalitäten als Irrelevanzen schenken kannst).

AgentProvocateur hat geschrieben:"Ja, gut, Menschen können denken, überlegen, abwägen, ihre Entscheidungen bewerten, danach handeln, ihre Handlungen nachträglich bewerten, sich daraufhin in künftigen ähnlichen Situationen im Lichte ihrer bisherigen Erfahrungen anders verhalten, aber das ist keine echte Freiheit. Echte Freiheit wäre, wenn sie auch X könnten". Aber dieses X, was soll das sein?

Dieses X sind Handlungsalternativen und Entscheidungsalternativen. Wenn ich keine Alternativen habe, dann nenne ich und Merkel das "alternativlos". Wenn man alternativlos ist, dann nenne ich das unfrei, denn man muss diese eine Alternative ausführen. Jetzt behauptest du ebenfalls, man hat nur eine Alternative aber nennst das unlogischerweise frei. Und jeden, der dir widerspricht, fragst du dann, was denn eine andere Alternative sein könnte um frei zu sein. Aber diese Frage ist eigentlich irrelevant. Solange auch du zustimmst, dass wir nur eine Alternative haben, kannst du nicht von Freiheit reden und sie mit irrelevanten Dingen wie Denkfähigkeit begründen. Denken erzeugt keine Alternativen. Unsere Entscheidungen sind und bleiben alternativlos.

AgentProvocateur hat geschrieben:Du argumentierst übrigens unlogisch. Du kannst nicht einerseits behaupten, Freiheit sei logisch unmöglich und andererseits sei jemand freier, der in ein- und derselben Situation mal so und mal so entscheiden und handeln würde.

Das stimmt nicht. Meine Position ist durchaus logisch. Denn ich behaupte ja genau, dass man Ursachenketten nicht manipulieren kann und es daher unmöglich ist, in ein- und derselben Situation mal so und mal so zu entscheiden. Ich erlange also logische Stringenz dadurch, dass ich sage: Freiheit ist unmöglich, und das wodurch man Freiheit gewänne ist auch unmöglich. Das passt doch genau zusammen. Was bitte ist daran unlogisch?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Mo 19. Mär 2012, 20:03

Vollbreit hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Mein Freiheitsbegriff würde nur bedeuten, dass der Mann auch anders hätte entscheiden können in derselben Situation. Dazu hätte er aber die kausalen Dominosteine, die genau umfallen nachdem der Vorderstein umfällt, steuern oder manipulieren müssen.
Damit würdest Du behaupten, dass Freiheit nur dann vorliegen kann, wenn man außerhalb des kausalen Gesetzmäßigkeit steht. Aber wie soll das 1) überhaupt gehen und 2) wer behauptet, dass es so ist?

1) Wie soll das überhaupt gehen? Ja das frage ich mich auch. Ich finde, es geht eben nicht. Ergo: gibt es diese Freiheit nicht.
2) Jeder, intuitiv. Freiheit verbindet jeder mit Unabhängigkeit, mit Spielraum, mit "auch anders können". Und laut Determinismus gibt es das aber bei unserem Willen, bei unseren Entscheidungen nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Aber bei den Kompatibilisten heißt Freiheit eben, innehalten und abwägen zu können, genau in der Art, wie Du es selbst beschrieben hast. Jetzt frage ich Dich, was genau an diesen Freiheitsbegriff, falsch, defizitär, unzureichend ist und was dazu kommen muss, damit dieser Makel behoben ist.

Mich stört beispielsweise das Wort "können". Natürlich halten wir alle mal inne und wägen ab, aber das Wort "können" sollte man eigentlich im Determinismus mit "müssen" austauschen. Sobald alle ursächlichen Faktoren im Gehirn zusammenkommen, wird das Innehalten eingeleitet. Nicht eher und nicht später. Es passiert eben genau dann wenn die Ursachen da sind und es passiert eben genau deshalb. Der Mensch sucht sich das Innehalten also nicht aus im Sinne von "er kann, muss aber nicht, er könnte auch anders". Es passiert im Sinne von "er kann nicht anders, sondern er muss innehalten".
Ein "kann nicht anders, muss" übersetze ich mit Unfreiheit. Wie kann das bei euch Kompatibilisten Freiheit genannt werden?

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst, es könne überhaupt keine Freiheit geben, erklär mir, wie Du das stark unterschiedliche Verhalten von Meteoren, Enten und Brights erklärst. Erklär‘ mir, warum Du auf die Kraft der Argumente setzt, wenn das Ergebnis ohnehin immer schon feststeht, in dem Sinne, dass eine Freiheit der Entscheidung gar nicht möglich ist.

Das Verhalten von Meteoren, Enten und Brights ist deshalb so unterschiedlich, weil es jeweils das Ergebnis von sehr unterschiedlichen kausalen Faktoren ist. Der Meteor fliegt auf seiner Bahn, WEIL die Schwerkraft eines nahen Sterns an ihm zieht. Die Ente tut das nicht, WEIL sie woanders ist und biochemische Vorgänge in ihrem Körper gerade ein Flügelschlagen auslösen. Nur die Brights, die würden sich tatsächlich genau so wie Meteore verhalten, WENN sie ebenfalls aus Stein wären und im All flögen.
Es kann überhaupt keine Freiheit für Meteore geben (auch aufgrund deiner kompatibilistischen Freiheitsdefinition). Aber ich frage dich ja jetzt auch nicht, wieso die Flugbahnen zweier Meteore so unterschiedlich sind. Genau so kommt mir aber deine Frage vor. Wieso soll ein Argument als kausaler Faktor bei mir nicht mehr wirken, wenn ich bei meiner Entscheidung, diesem Argument zu folgen, keine Wahl habe? Natürlich wirkt das Argument.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn Du sagst, ich bin bei den Brights, weil ich auf die Defizite der Religion aufmerksam machen will und meine, dafür gute Gründe zu haben und ich möchte andere von meiner Position überzeugen, dann wäre das laut MSS völliger Quatsch.

Du hast MSS und die Inkompatibilistische Position noch nicht verstanden wenn du das denkst.

Vollbreit hat geschrieben:Ich kann nicht jemanden überzeugen wollen und zugleich behaupten, er sei unfrei.
Unfrei würde nämlich bedeuten, ich kann erzählen was ich will, ich kann dem Dawkins vorlesen oder „Alle meine Entchen“ vorsingen, der wird, wenn das Hirn es so entscheidet, ein Bright werden, oder eben nicht , völlig egal, was ich tue, oder lasse.

Du verwechselst hier "unfrei" mit "kausal entkoppelt". "Wenn das Hirn entscheidet", sagst du. Aber genau das ist der Punkt, wo es eben doch nicht kausal entkoppelt ist. Wenn ich Dawkins vorlese, entscheidet das Gehirn A. Wenn ich "Alle meine Entchen" vorsinge, dann entscheidet das Gehirn B. Es ist also NICHT völlig egal, was ich tue, sondern zumindest in diesem Beispiel höchst entscheidend. Aber das macht die Entscheidung nicht frei. Die Entscheidung dieses Gehirns in diesem einfachen Fall hing von meinem Vortrag ab. Das nenne ich "abhängig" bzw. "unfrei".
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 21. Mär 2012, 02:23

ganimed hat geschrieben:Wenn A=>B und B=>C dann gilt auch A=>C. Durch das Wort "letztlich" würde ich es auch auf Ursachenketten anwenden wollen. Wenn A die einzige Ursache von B ist (100%) und B die einzige Ursache von C, dann ist A letztlich die einzige Ursache von C. Oder sehe ich das falsch?

Ja, ich glaube, Du siehst das falsch. Die Ursache von C ist in dem Falle B. Was aber das Wort "letztlich" hier bedeuten soll, ist mir unklar. Denn Ursachenketten beginnen ja nicht mit A, bzw., falls doch, dann kennen wir dieses A nicht und können folglich nichts darüber aussagen. Dein "letztlich" bezieht sich also genau genommen auf etwas Unbekanntes, nicht? Aber so sehen wir Ursachen nie, das ergibt pragmatisch gesehen einfach keinen Sinn, ist einfach nur fruchtlos, damit kämen wir nie zu Potte. Wir betrachten immer nur die hinreichenden Ursachen, aber nicht die letztliche Ursache in Deinem Sinne. Wüsste auch nicht, was das bringen würde.

Was wir sagen können, (angenommen der Determinismus ist wahr), ist: "jede Ursache hat eine andere Ursache". Das ist alles. Was aber die "letztliche" Ursache ist, ist im täglichen Leben irrelevant. (Und theoretisch gesehen: worauf, bitteschön, soll das hinauslaufen?)

Es sei denn aber: jemand würde meinen, es gäbe Erstursachen, die seien wichtig für irgendwas. Für 'Schuld' oder für was auch immer. Fragt sich nur, ob das tatsächlich viele meinen. Falls aber nicht: wofür sollte das dann relevant sein? Falls aber doch: wer und wo und mit welchen Argumenten?

ganimed hat geschrieben:Ich verstehe gerade nicht so ganz, was so komplex an dem Begriff "Veränderung einer Ursachenkette" ist. Eine Ursachenkette ist eine Aneinanderreihung von ursächlichen Faktoren. A->B->C->D->E->F. In der Mengenlehre nennt man die von mir gemeinte Veränderung, glaube ich, Permutation. Eine Veränderung wäre demnach die Änderung der Reihenfolge oder die Änderung der Elementenmenge (Elemente einfügen, Elemente streichen). Ich habe dir auch ein Beispiel genannt.

Wir verändern Kausalketten alleine durch unsere Existenz - wären wir nicht da, verliefe die Kausalkette trivialerweise anders. Und natürlich durch unsere Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen. Wie auch sonst sollte man Kausalketten verändern können? Mir ist unklar, worauf Du eigentlich hinauswillst. Wir sind Teil dieser Welt und können als Teil dieser Welt diese Welt dennoch verändern, oder etwa nicht? Wie stellst Du Dir das eigentlich vor? Inwiefern sonst (dass er etwas denkt, überlegt, entscheidet und handelt) könnte jemand Kausalketten ändern, Deiner Ansicht nach?

ganimed hat geschrieben:Ich finde deine Definition hinkt. Sie vertritt das Bild von persönlicher Handlungsfreiheit aus unserer Alltagssprache. Sie ignoriert die Implikationen eines angenommenen Determinismus, dessen Konsequenzen eben nicht Teil unserer Alltagsvorstellung sind. Deine Aufzählung von Fähigkeiten halte ich für willkürlich (wieso fehlt immernoch das Flaschenöffnen?) und irrelevant. Keine dieser Fähigkeiten führt dazu, dass man nicht zu 100% genau das entscheidet, was sich aus den ursächlichen Faktoren ergibt. Es gibt auch bei rationalen Entscheidungen mit Reflektion keine Varianz, keinen Spielraum, keine Freiheit. Dein Freiheitsbegriff beschreibt eben nicht Freiheit (also Alternativen, Spielraum) sondern nur bestimmte Eigenschaften eines eindimensionalen, unveränderbaren und kausal abhängigen Kettenablaufs. Du verwechselst Freiheit mit Reflektivität und Rationalität.

Ich glaube aber, ich verwende "Willensfreiheit" so, wie es die meisten Leute verwenden. Siehe z.B. hier.

Unter "Willensfreiheit" verstehe ich etwas anderes als unter "Handlungsfreiheit", daher fehlt dabei das Flaschenöffnen, (X will eine Flasche öffnen und kann diese Flasche öffnen -> Handlungsfreiheit) wie oben schon gesagt.

Und zum "willkürlich": kannst Du es wirklich überhaupt nicht nachvollziehen, dass Leute diese Fähigkeiten als notwendig für Willensfreiheit ansehen? Hältst Du diese Fähigkeiten gar für irrelevant für Willensfreiheit?

Was Du mit "Alternativen" oder "Spielraum" hier genau meinst, weiß ich nicht und ich vermute sehr stark, dass Du das auch nicht darstellen kannst.

ganimed hat geschrieben:Hier verwechselst du Freiheit mit Lernfähigkeit. Eine Lernerfahrung versetzt dich lediglich in einen anderen Zustand. Du entscheidest danach zwar anders aber eben auch wieder genau abhängig von den kausalen Faktoren. Nur weil ich eine Dominosteinkette etwas anders ausrichte, wird sie dadurch nicht zu einer freien Veranstaltung. Ob die Dominosteine nach Westen oder Osten umfallen, jedenfalls fallen sie der Reihe nach um und das nenne ich nicht frei. Sobald du gelernt hast, dass der Passat weniger kostet und das bessere Auto ist, wirst du dich sklavisch und unfrei für ihn entscheiden.

Der Unterschied zwischen uns ist wohl, dass es etwas gibt, dass ich "frei" nenne und es nichts gibt, was Du "frei" nennen würdest. Und die spannende Frage wäre nun, wer von uns eher den landläufigen Begriff "Willensfreiheit" trifft. Und wir beide meinen, dass jeweils wir es sind.

Und der Unterscheid ist wohl auch das, was wir "sklavisch" nennen. Wenn ich etwas gerne tue, dann ist daran nichts "sklavisch", sondern das ist dann "freiwillig". Einen anderen "Sklaven" zu nennen, der das nicht so sieht, ist meist nur Paternalismus, ("ich weiß, was für Dich das Beste ist, Du aber nicht").

ganimed hat geschrieben:Wenn jemand anders könnte, die Freiheit hätte, anders zu handeln, auch wenn es hirnrissige Handlungen wären, dann wäre er frei. Wenn man als Sklave gezwungen wird, kluge Dinge zu tun, dann handelt man zwar nicht hirnrissig, aber man ist unfrei. Du erkennst hoffentlich an diesen beiden Beispielen, dass Freiheit eben nichts mit Hirnrissigkeit oder Klugheit zu tun hat.

Aber ein Sklave wird von einem anderen dazu gezwungen, etwas zu tun, was er nicht will, bzw. was er nicht täte, würde er nicht dazu gezwungen. Das solltest Du hier wohl berücksichtigen.

Freiheit hat etwas mit Zwang zu tun und zwar ist mE Freiheit das Gegenteil von Zwang. Und Kausalität bedeutet nicht Zwang und Akausalität bedeutet nicht Zwanglosigkeit. Denn "Zwang" ist keine rein objektive Kategiorie, andere können nicht für Dritte beurteilen, was für diese Zwang ist, ohne diese zu befragen. Was für jemanden Zwang ist und was nicht, hängt von dessen Zielen und Wünschen ab und die sind nicht (zumindest nicht völlig) objektivierbar. ("Is it better to burn out than to fade away?" -> darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort.)

"Willensfreiheit" hat nun nach meinem Verständnis sehr wohl etwas mit bestimmten Fähigkeiten (zu Erkenntnis, Reflexion, Abwägung etc.) zu tun. Fehlten diese Fähigkeiten komplett, dann wäre das betreffende Wesen nach meiner Ansicht nicht willensfrei. Vollkommen egal, ob es in einer noch so akausalen Welt existieren würde, das spielte dann überhaupt keine Rolle mehr.

ganimed hat geschrieben:Nochmal: ich stimme ja durchaus zu, dass Menschen ihr Ding machen können. Meinetwegen auch mit Reflektion, Rationalität und allem Pi Pa Po. Aber sie können nur dieses eine Ding machen, sie haben nicht die Freiheit, sich andere Dinger auszusuchen. Welches Ding ihr Ding ist, hängt letztlich von externen Faktoren ab (so dass du dir deine Reflektionen und Rationalitäten als Irrelevanzen schenken kannst). [...] Dieses X sind Handlungsalternativen und Entscheidungsalternativen. Wenn ich keine Alternativen habe, dann nenne ich und Merkel das "alternativlos". Wenn man alternativlos ist, dann nenne ich das unfrei, denn man muss diese eine Alternative ausführen. Jetzt behauptest du ebenfalls, man hat nur eine Alternative aber nennst das unlogischerweise frei. Und jeden, der dir widerspricht, fragst du dann, was denn eine andere Alternative sein könnte um frei zu sein. Aber diese Frage ist eigentlich irrelevant. Solange auch du zustimmst, dass wir nur eine Alternative haben, kannst du nicht von Freiheit reden und sie mit irrelevanten Dingen wie Denkfähigkeit begründen. Denken erzeugt keine Alternativen. Unsere Entscheidungen sind und bleiben alternativlos.

Niemand kann etwas anders machen, als es ist. Alles ist immer so, wie es ist, war immer so, wie es war und wird immer so sein, wie es sein wird. Und das hat absolut null mit Kausalität / Determinismus zu tun: diese Aussage ist immer und ausnahmslos wahr. Denn das ist schlicht eine Tautologie. Wenn jemand fragt: "kann etwas auch anders sein?", dann muss er dazu sagen, in Bezug auf was anders. Aber zu fragen: "kann etwas anders sein, als es ist, mal angenommen, es wäre, wie es ist?" ist einfach nur sinnlos, denn, wie gesagt, ist schlicht alles immer so, wie es ist. Alles ist immer und ausnahmlos zu sich selber identisch, es kann niemals etwas geben, das nicht zu sich identisch ist.

Deine Vorstellung von Freiheit ist daher einfach nur absurd, weil sie beinhaltet, dass etwas zu sich selber nicht identisch ist.

Wenn jemand sein Ding macht, dann macht er eben sein Ding. Und genau deswegen ist er frei. Würde er nicht sein Ding machen, weil er dazu gezwungen würde oder aus einem anderen Grunde, dann wäre er weniger frei. Mir erscheint es völlig merkwürdig, zu sagen: "jemand macht sein Ding und deswegen ist er unfrei". Nach meiner Auffassung von Freiheit ist genau das Gegenteil der Fall.

ganimed hat geschrieben:Meine Position ist durchaus logisch. Denn ich behaupte ja genau, dass man Ursachenketten nicht manipulieren kann und es daher unmöglich ist, in ein- und derselben Situation mal so und mal so zu entscheiden. Ich erlange also logische Stringenz dadurch, dass ich sage: Freiheit ist unmöglich, und das wodurch man Freiheit gewänne ist auch unmöglich. Das passt doch genau zusammen. Was bitte ist daran unlogisch?

Unlogisch im Zuammenhang ist Dein Beispiel von oben mit dem Menschen mit dem Zufallsgenerator im Gehirn, das Du angebracht hast, um Deinen Freiheitsbegriff zu verdeutlichen.

Es sei denn, Du würdest tatsächlich meinen, dass Du die o.g. Fähigkeiten, die ich für Willensfreiheit unabdingbar sehe, für irrelevant ansiehst und Dein Freiheitsbegriff ausschließlich auf Akausalität fußt. Also "Akausalität = Freiheit".

Aber das mag ich immer noch nicht so recht glauben, denn das wäre einfach zu absurd.

Gilt dennoch - nach Deiner Ansicht - diese schlichte Formel: "Akausalität = Freiheit"?
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Re: Freier Wille? Inkompatibilismus vs. Kompatibilismus

Beitragvon ganimed » Mi 21. Mär 2012, 20:24

AgentProvocateur hat geschrieben:Die Ursache von C ist in dem Falle B. Was aber das Wort "letztlich" hier bedeuten soll, ist mir unklar.

Dann nimm das Wort "letztlicher" oder meinetwegen "eigentlich" oder "indirekt". Jedenfalls ist nicht nur B die Ursache von C. Die indirekte Ursache von C ist A. Die Anwendung meines Distributivgesetzes ist insofern richtig. Und die greifst du ja auch gar nicht an. Deine Kritik scheint sich nur auf das Wort "letztlich" zu konzentrieren. Aber wenn das alles ist, dann ist es ja gut. Wir können also festhalten, dass man für alle deine Entscheidungen durch ausreichende Anwendung dieses Distributivgesetzes indirekte Ursachen findet, die jeweils extern sind. Man muss ja nur lange genug den Ursachenketten rückwärts folgen. Deine Entscheidungen hängen also von externen Faktoren ab. Nicht einmal du kannst deine Entscheidungen daher als frei bezeichnen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wir verändern Kausalketten alleine durch unsere Existenz - wären wir nicht da, verliefe die Kausalkette trivialerweise anders. Und natürlich durch unsere Überlegungen, Entscheidungen und Handlungen.

Solange du behauptest, dass wir die Kausalkette durch Überlegungen, Entscheidungen oder Handlungen ändern, solange hast du es einfach noch nicht begriffen, was Kausalketten sind. Was mich schon sehr wundert. Und du hast mir immer noch nicht an meinem Beispiel mit dem Apfel erklärt, wie du dir eine solche Änderung vorstellst. Kommt es dir selber nicht komisch vor, dass du glaubst, man könne Ursachenketten verändern und dann aber kein einziges Beispiel nennen kannst? Denk da doch lieber nochmal drüber nach.

AgentProvocateur hat geschrieben:Unter "Willensfreiheit" verstehe ich etwas anderes als unter "Handlungsfreiheit", daher fehlt dabei das Flaschenöffnen, (X will eine Flasche öffnen und kann diese Flasche öffnen -> Handlungsfreiheit) wie oben schon gesagt.

Du hast das Beispiel falsch verstanden. Die Fähigkeit zu Denken zählt ja bei dir deshalb als Voraussetzung für Freiheit, weil durch dieses Denken sich erst der Wille bildet. Ich denke nach und daraufhin erst will ich die Flasche öffnen. Und ich habe mit meinem Beispiel zeigen wollen, dass auch die Fähigkeit des Flaschenöffnens dieselbe Bedeutung haben kann. Dadurch, dass ich diese Fähigkeit habe die Flasche zu öffnen, erst dadurch will ich in mancher Situation die Flasche auch öffnen. Insofern gibt es also gar keinen prinzipiellen Unterschied zwischen den beiden Fähigkeiten. Deshalb werfe ich dir Willkür bei der Auswahl deiner Freiheitsvoraussetzungen vor. Es erscheint logisch unbegründet, wieso das Denken bei dir vorkommt, aber das Flaschenöffnen (oder andere Fähigkeiten) nicht. Definier doch mal bitte zum Spaß die Kriterien, nach denen du entscheidest, was bei dir eine Freiheitsvorraussetzung ist und was nicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was Du mit "Alternativen" oder "Spielraum" hier genau meinst, weiß ich nicht und ich vermute sehr stark, dass Du das auch nicht darstellen kannst.

Nehmen wir die Situation S1. Laut Determinismus wird eine Person in dieser Situation S1 immer gleich handeln, also die Handlung H1 ausführen. Was meine ich nun mit Alternativen und einem Spielraum? Natürlich andere Handlungen wie beispielsweise H2 oder H3. In derselben Situation auch anders handeln können. Und das habe ich dir ja auch nur schätzugsweise zigmal erläutert. Kein Wunder, dass du zu diesem frühen Zeitpunkt nicht wissen kannst, was ich damit genau meine. Trotz Unwissenheit dann aber doch zu vermuten, dass ich es auch nicht darstellen könne, ist schon lustig. Viel traust du mir ja nicht zu.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber ein Sklave wird von einem anderen dazu gezwungen, etwas zu tun, was er nicht will, bzw. was er nicht täte, würde er nicht dazu gezwungen.

Ein Sklave kann doch denken und reflektieren. Nach deiner Logik wäre er dann doch willensfrei. Er kann durch Denken und Reflektion darauf kommen, dass er 20 Peitschenhiebe bekommt, wenn er jetzt nicht das tut was der Master will. Also will er es tun, weil er rational ist und Peitschenhiebe insgesamt irgendwie doof findet. An diesem Beispiel sieht man eigentlich ganz gut, wie merkwürdig dein Freiheitsbegriff ist. Obwohl das, was wir Menschen wollen, einzig und allein von Ursachen abhängt, uns also durch die Ursachen aufgezwungen wird, nennst du das frei.

AgentProvocateur hat geschrieben:Alles ist immer so, wie es ist, war immer so, wie es war und wird immer so sein, wie es sein wird. Und das hat absolut null mit Kausalität / Determinismus zu tun: diese Aussage ist immer und ausnahmslos wahr. Denn das ist schlicht eine Tautologie.

Aus S1 ergibt sich H1, immer. Aber dennoch ist das keine Tautologie. Und die Aussage müsste rein logisch auch nicht immer richtig sein. Es könnte ja auch aus S1 einfach mal H2 erfolgen. Deine Argumentation mit Tautologie klappt nur bei den von dir selbst falsch formulierten Sätzen. Ich fände es über alle Maßen überzeugender, wenn du mal Sätze von mir als Ausgangsmaterial nähmst und zeigen könntest, dass sie Tautologien enthalten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Unlogisch im Zuammenhang ist Dein Beispiel von oben mit dem Menschen mit dem Zufallsgenerator im Gehirn, das Du angebracht hast, um Deinen Freiheitsbegriff zu verdeutlichen.

Ah, plötzlich ist nicht mehr die Stelle unlogisch, die du vorher als unlogisch bezeichnet hattest, sondern es ist eine andere Stelle. Nicht sehr überzeugend. Und auch bei dieser anderen Stelle, dem Beispiel mit dem Zufallsgeneratorgehirn, würde mich interessieren, wieso das unlogisch ist. Kannst du deine Behauptung also bitte noch ein wenig begründen?

AgentProvocateur hat geschrieben:Gilt dennoch - nach Deiner Ansicht - diese schlichte Formel: "Akausalität = Freiheit"?

Nein. Meine fast ebenso schlichte Formel, oft dargelegt, offenbar nie von dir verstanden, lautet: Ohne Akausalität keine Freiheit, mit Akausalität auch keine Freiheit.
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