Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern

Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern

Beitragvon xander1 » Fr 2. Dez 2011, 10:42

F. Nietzsche:
Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.

Diesen Spruch habe ich lange nicht verstanden, aber trotzdem jahrelang im Internet mit mir geführt in Signaturen usw. Seit 2 Tagen kenne ich die Bedeutung des Spruches, durch intensives nachdenken und eigene Erlebnisse.

Jetzt möchte ich zunächst eure Interpretationen wissen.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Teh Asphyx » Fr 2. Dez 2011, 11:02

So angepasst seine Mutter an den Regeln der evangelischen Kirche auch war, sie muss einen kleinen Teil von „Anarchie“ in sich gehabt haben, um jemanden gebären zu können, der das dann so in Frage stellt?

Keine Ahnung, ich habe auch dummerweise von Nietzsche bisher nur den Antichristen komplett gelesen und kenne sonst nur sehr viele Einzelzitate. Aber es klingt interessant.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon xander1 » Fr 2. Dez 2011, 11:32

Teh Asphyx hat geschrieben:So angepasst seine Mutter an den Regeln der evangelischen Kirche auch war, sie muss einen kleinen Teil von „Anarchie“ in sich gehabt haben, um jemanden gebären zu können, der das dann so in Frage stellt?


Ich kann noch was verraten: Bei dem Spruch ist "gebären" im übertragenen Sinn gemeint.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 2. Dez 2011, 12:54

Das ist in der Tat schon lange einer meiner Leitsätze. Ich verstehe in so, dass man Tatendrang in sich tragen muss, um etwas zu vollbringen, dieser Tatendrang hat oft seinen Ursprung in einer leidenschaftlichen Besessenheit, die aus einem Problem, das man mit gegebenen Umständen hat, resultiert. Das ist ein direkter Gegensatz zu Nietzsches "letztem Menschen", der keine Leidenschaft, keinen Tatendrang, keine Probleme spürt und deswegen untätig bleibt und lieber dahinvegitiert, als gegen das, was ihn stört zu kämpfen, oder vorzugehen. Durch sein "Chaos" kann man erstaunlichere und größere Dinge vollbringen, als jemand, dem sein Werk nicht am Herzen liegt.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon stine » Fr 2. Dez 2011, 13:18

xander1 hat geschrieben:F. Nietzsche:
Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.
Ist doch logisch was das heißt:
Wer nur in festen Vorgaben denkt, schafft nichts Neues!

:mg: stine

Übrigens: Die meisten Lehrer versuchen grundsätzlich dieses Chaos bei den Schülern zu bekämpfen!
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 2. Dez 2011, 13:44

stine hat geschrieben:Wer nur in festen Vorgaben denkt, schafft nichts Neues!
(...)
Übrigens: Die meisten Lehrer versuchen grundsätzlich dieses Chaos bei den Schülern zu bekämpfen!

Ja, aber es sind eben nicht nur die Vorgaben, sondern auch die Schierigkeiten und Probleme, die das Chaos erst notwendig machen (wie ich schon gesagt habe).
Und mit den Lehrern muss man nicht so hart umspringen, sie besitzen von Natur aus kein Chaos in sich, denn sonst würden sie selbst versuchen neuses Wissen zu schaffen, anstatt sich über das Internet zu beschweren und die Jugend von heute, oder ein nonkonformistisches Verhalten, dass die Schüler zu sehr verwirrt, weil es sie zwingt, zu denken und ihnen die Fehler der "Standardwahrheit" zeigt.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Teh Asphyx » Fr 2. Dez 2011, 13:56

Man muss ja den Lehrern auch nicht die Schuld geben, das ändert ja trotzdem nichts daran, dass die von stine erwähnte Handlung ja durchaus oft vorzufinden ist. Dazu fällt mir eine krasse Geschichte aus meine Schulvergangenheit ein, als es nämlich eine Lehrerin bei mir versucht hat, anders zu machen (sie wollte eine Art demokratischen Unterricht einführen, wo die Schüler sogar ihren Interessen nach lernen durften), war die ganze Klasse (bis auf wenige Ausnahmen) gegen sie aufgebracht, die Eltern ebenso und sie wurde aus der Schule gedrängt. Die Schüler selbst waren der Ansicht, sie könnten nichts lernen, wann man ihnen nicht alles vorkaut … dieses System ist also quasi ein Selbstläufer und ein Lehrer, der da anders handeln will hat mit weitaus mehr Widerständen zu kämpfen als nur mit konformistischen Kollegen.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 2. Dez 2011, 14:08

Das bestätigt doch nur meine Behauptung, die Fitness eines Lehrers mit Chaos ist bedeutend geringer, weswegen er ausstirbt, ich habe doch gerade die Natur des Lehrers in diesem Punkt verteidigt und begründet. Der Punkt, in dem ich stine nicht vollständig zugestimmt habe, war eben die Definition von "Chaos in sich" Können oder wollen manche mich nicht verstehen??? :explodieren:
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 2. Dez 2011, 14:09

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist in der Tat schon lange einer meiner Leitsätze. Ich verstehe in so, dass man Tatendrang in sich tragen muss, um etwas zu vollbringen, dieser Tatendrang hat oft seinen Ursprung in einer leidenschaftlichen Besessenheit, die aus einem Problem, das man mit gegebenen Umständen hat, resultiert. Das ist ein direkter Gegensatz zu Nietzsches "letztem Menschen", der keine Leidenschaft, keinen Tatendrang, keine Probleme spürt und deswegen untätig bleibt und lieber dahinvegitiert, als gegen das, was ihn stört zu kämpfen, oder vorzugehen. Durch sein "Chaos" kann man erstaunlichere und größere Dinge vollbringen, als jemand, dem sein Werk nicht am Herzen liegt.

Hier ist nochmal meine Definition, die ich für vollständiger halte. :kopfwand:
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon stine » Fr 2. Dez 2011, 14:30

Darth Nefarius hat geschrieben:Können oder wollen manche mich nicht verstehen??? :explodieren:

:cuddle: Immer mit der Ruhe!
Natürlich verstehen wir dich. Du musst nicht immer gleich aus der Haut fahren.

:wink: stine
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 2. Dez 2011, 16:16

stine hat geschrieben:Natürlich verstehen wir dich. Du musst nicht immer gleich aus der Haut fahren.

Wenn das so wäre, dann würde ich mich nicht so oft wiederholen müssen; man würde bei mir nicht versuchen, offene Türen einzurennen und mir Worte in den Mund legen, die ich nie benutzt habe (was mich am meisten aufregt :explodieren: )
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 2. Dez 2011, 16:18

Aber vielleicht haben ja eure Augen oder der Text zu viel Chaos in sich. Wenigstens gibt es zu diesem Thema keinen Dissenz mehr.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon laie » Do 8. Dez 2011, 15:33

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist in der Tat schon lange einer meiner Leitsätze. Ich verstehe in so, dass man Tatendrang in sich tragen muss, um etwas zu vollbringen, dieser Tatendrang hat oft seinen Ursprung in einer leidenschaftlichen Besessenheit, die aus einem Problem, das man mit gegebenen Umständen hat, resultiert. Das ist ein direkter Gegensatz zu Nietzsches "letztem Menschen", der keine Leidenschaft, keinen Tatendrang, keine Probleme spürt und deswegen untätig bleibt und lieber dahinvegitiert, als gegen das, was ihn stört zu kämpfen, oder vorzugehen. Durch sein "Chaos" kann man erstaunlichere und größere Dinge vollbringen, als jemand, dem sein Werk nicht am Herzen liegt.



Kurz: Problem mit gegebenen Umständen --> leidenschaftliche Besessenheit --> Tatendrang


wo muss ich das Chaos suchen? im Problem, in den gegebenen Umständen, in der Besessenheit oder im Tatendrang?
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Do 8. Dez 2011, 15:41

Nun, das Problem , das ich habe ist nicht in mir (also kann ich es nicht in mir tragen), ich kann es nur als solches empfinden. Die Tat ist auf jedenfall die Wirkung der Ursache. Ich habe relativ deutlich den Tatendrang als das Chaos definiert, die Besessenheit ist ein Charakterzug, den nicht jeder hat, der ein Problem auch als solches erkennt; sie ist aber auf jedenfall nötig und ist auch die emotionale Triebfeder des Tatendrangs. Ich weiss nicht, worauf du mit der Frage hinasuwillst.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon laie » Do 8. Dez 2011, 16:15

Ich möchte dich verstehen. Um ehrlich zu sein, es gelingt mir nicht recht.

"Tatendrang als das Chaos definiert"? Also: Tatendrang ist Chaos. Ist jeder Tatendrang Chaos? Bezieht sich dieser Satz überhaupt auf irgendetwas? Sollte es nicht eher heissen: Tatendrang kann zu Chaos führen, er selbst ist kein Chaos?

Ich glaube, dir schwebt so etwas vor wie ein Berserker oder Hulk, der auf einmal die "Schnauze voll hat" und dann wild und besinnungslos um sich schlägt und am Ende sagt, "Ach, sieh mal an, in all dem Chaos, das ich angerichtet habe, wächst doch noch eine Blume".

Ich finde es schon bemerkenswert, daß sich hier alle auf die Worte "Chaos" und "Stern" werfen. Ich denke, daß wichtige Wort in Nietzsches Aphorismus ist "gebären".

Nietzsche sagt nicht: "Man muss Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu machen"

Gebären ist nicht Machen! Gebären ist die Metapher für das Hervorbringen der Gottheit. Die Gottheit gebiert die Welt und macht sie nicht einfach wie ein Schreiner einen Stuhl. Wenn Nietzsche dieses Verb verwendet, dann rückt er den Menschen in die Nähe zur Gottheit.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 9. Dez 2011, 17:01

ja, in gewisser Weise nähert dieses Verb der Vorstellung von Gott an, indem man dem Menschen, der Chaos in sich trägt, etwas Göttliches zuschreibt, die Fähigkeit zu erschaffen. Ein Tischler/Schreiner formt letztlich nur, etwas aus sich heraus zu erschaffen fordert mehr Energie, aber er ist doch letztlich auch die Konsequenz des Problems, dass man nicht auf dem Boden/vom Boden essen wollte, und so den Tisch/die Möbel erfunden hat. Nein, mir schwebt kein Hulk vor, denn dieser hat nichts erschaffen, sondern nur etwas übrig gelassen. Der Tatendrang soll nicht zu Chaos führen, der tanzende Stern ist eine Metapher für ein komplexes Werk, keine Gottheit- im Gegenteil (der Mensch wird durch seine Schöpfung zum Schöpfer). Vielleicht deutest du diesen Aphorismus als den Glauben des Menschen (in dem der Glaube der tanzende Stern sein soll)? Ich denke, das widerspricht so ziemlich jedem Aspekt in Nietzsches Philosophie. Ich denke, dass die Motivation, die er hatte war, dass die Menschen sich selbst als das Göttlichste zu betrachten, damit sie sich gerade von der Religion und ihren Wahrheiten abwenden. Er sah die Religion (vor allem das Christentum) als menschenverachtend, da sie ein Leben im Jenseits anstrebt, das tatsächliche Leben nur zu einer Ansammlung von Qualen betrachtet, die zu Prüfungen erklärt werden und die Triebe, das vielleicht beste am Menschen, zu dem Schlimmsten erklärt, womit man sich von ihnen lösen soll.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon laie » Fr 9. Dez 2011, 18:33

Um ehrlich zu sein ich kenne von Nietzsche nichts ausser dem Antichristen, den ich vor 20 Jahren gelesen habe, "Also sprach Zarathustra" (auch vor 20 Jahren, nicht verstanden, hat halt gut geklungen).

Vielleicht lassen wir uns einfach von dem Eröffner des Threads erklären, wie der Aphorismus zu verstehen ist.

Ich hab auch nur rumgeraten.
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon mat-in » Sa 10. Dez 2011, 12:39

Ich halte es für eine ziemlichen ... darf ich das Wort aus der Biologisch-Dynamischen Landwirtschaft zitieren? "Eso-kacke".
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 10. Dez 2011, 17:21

Das kann man Nietzsche nicht vorwerfen. Er hat nicht nur die rationale Abscheu vor der "Eso-Kacke", sondern auch die emotionale, sein Wortgebrauch ist sehr blumig, zumindest im Zarathustra, aber der Stil im Antichristen ist sehr viel simpler. Das hängt von seinem Alter ab und seinem Optimismus gegenüber der Menschheit (der später geschwunden ist). Ich wundere mich, dass hier Nietzsche nicht zum Grundwissen gehört. Ich weiss nicht, was dich immer noch an meiner Erklärung stört, laie, ich habe meine Interpretation aus dem Zarathustra, dem Antichristen und etwas Philosophieunterricht erarbeitet (ich musste sogar meiner Philosophielehrerin Nietzsche erklären, und sie war auch irgendwann überzeugt). :klugscheisser:
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Re: Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden St

Beitragvon Teh Asphyx » Sa 10. Dez 2011, 19:25

Auf die Idee muss man erstmal kommen, Nietzsche als „Eso-Kacke“ zu bezeichnen. Ich bin echt baff!
Aber in meinem Ästhetik-Thread hatte ich auch schon das Gefühl, dass Nietzsche hier eher unbekannt zu sein scheint (jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Nietzsche-Kenner ihn mit Dawkins in Hinsicht auf sprachliche Ästhetik vergleichen würde).

@ Darth Nefarius

Du hast es geschafft, Deine Lehrerin von Nietzsche zu überzeugen? Nicht schlecht … ich dachte immer bei Leuten, die Nietzsche nicht verstehen/mögen alles verloren ist (in Bezug darauf, dass man sie noch von ihm überzeugen könnte).
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