ujmp hat geschrieben:Wir werden des Definierens wohl niemals nicht müde...
"Wahrheit" ist ein Begriff und als solcher lediglich eine Idee, die mit einer beliebigen Bedeutung verknüpft werden kann. Jeder Mensch kann diesen Begriff mit einer individuellen Bedeutung füllen. Und einem Label, einem Etikett, eine Bedeutung zuzuordnen, ist nun mal eine Definition. Nein, wenn es um die Frage geht, was Wahrheit ist, und das ist ja nun einmal die Frage in dem Themenstrang, dann dürften wir des Definierens niemals müde werden, bis wir einen Konsens gefunden haben.
Es gibt aber gute Gründe, Wahrheit so zu definieren, wie ich das gemacht habe, wenn man sich an den Realwissenschaften bei der Definition orientiert. Realwissenschaftler untersuchen und erforschen in der Regel das, was sie als Wirklichkeit bezeichnen und erstellen Theorien über ebendiese. Und sie scheuen sich auch nicht davor, diese Theorien als wahr oder als Wahrheit zu bezeichen, wenn sie näherungsweise ihrer Ansicht nach mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
ujmp hat geschrieben:Jetzt würde mich aber hauptsächlich interessieren, nach welchen Verfahren du deine "Wahrheit" feststellst. Was ist denn deine "Wirklichkeit"? Wie zeigt sich denn diese "Korrespondenz"?
Und du stellst "deine Wahrheit" bereits fest ohne die Bedeutung von "deiner Wahrheit" kommunizieren zu können oder sie dir bewußt gemacht zu haben? Was "meine Wirklichkeit" ist, habe ich doch gerade eben definiert. Wieso fragst du das also?
Das was ich hier gemacht habe ist natürlich analytische Philosophie. Es ist eine Präzisierung einer Definition, die es ohnehin schon gibt. Und sie taugt nichts, wenn sie nicht den wissenschaftlichen und wissenschaftstheoretischen Ansprüchen genügt. Wie sich die Korrepondenz zeigt, ist keine Frage auf die es eine analytische Anwort gibt, sondern, die das sehr große Themenspektrum der Wissenschaftstheorien umfasst.
Die Frage, was Wahrheit ist kann aber nur analytisch beantwortet werden, sollte sich aber an den erkenntnistheoretischen Methoden orientieren.
ujmp hat geschrieben:Ich sag dir, was ich darüber denke: Die "Wirklichkeit" ist nicht gesprächig, sie erklärt nichts, sie beantwortet Fragen immer nur mit "Ja" oder "Nein".
Nach meiner materialistischen Definition der Wirklichkeit, muss klar zwischen der materiellen Wirklichkeit und den Ideen und Metaphern über die Wirklichkeit unterschieden werden. Materie antwortet nicht mit "Ja" oder "Nein". Man kann allerdings Experimente anstellen, die eine Theorie bestätigen könnten oder sie falsifizieren könnten. Aber die Theorie ist ein Konstrukt, eine Idee. Und selbst diese antwortet nicht.
ujmp hat geschrieben:Deshalb muss ich meine Vorstellung -- meine Beschreibung der Wirklichkeit, mein Modell von ihr-- immer schon haben, bevor ich die Frage überhaupt stellen kann "Ist es vielleicht so und so?".
Grundsätzlich ist auch ein analytisches oder ontologisches Modell der Wirklichkeit, das die Grundstrukturen des Seienden definiert oder beschreibt nur ein Modell, das durch praktische wissenschaftliche oder erkenntnistheoretischen Überlegungen korrigiert oder bestätigt werden kann. Andererseits kann ein ontologisches Modell, eine Inspiration dafür sein, worauf man in erkenntnistheoretischen oder praktischen wissenschaftlichen Untersuchungen achten sollte. Beides ist voneinander abhängig. Aber davon ausgehen, dass Wirklichkeit "irgendwie" existiert, muss man wohl schon, bevor man überhaupt praktische wissenschaftliche Forschung betreiben kann. Oder wissenschaftstheoretische Überlegungen zur Verifikation oder Falsifikation anstellen kann.
Wenn man aber verstehen will, was Wahrheit ist, kommt man meines Erachtens an einer klaren Differenzierung zwischen Theorie (=menschliche Idee) und ontologischer Wirklichkeit nicht vorbei. Sonst fängt die Wirklichkeit irgenwann zu sprechen an und antwortet mit "Ja" oder "Nein" oder Wahrheit wird zu einer Eigenschaft der Wirklichkeit oder zu einer Eigenschaft einer Theorie.
ujmp hat geschrieben:Ich strecke meinen Fühler in die Welt hinaus und Frage "Stimmt es, dass die Fallbeschleunigung unabhängig vom Gewicht des Fallenden Gegenstandes ist?" Zuvor musste ich Fragen "Gibt es Fallbeschelunigung?", "Gibt es eine Eigenschaft die allen Körpern gemein ist und die ich Gewicht nenne?", "Gibt es Körper" usw.
Und dazu muss einem klar sein, dass man seine Fühler ausstrecken kann, und dass es da draussen etwas metaphysisches gibt, das man als Körper bezeichnen kann, aber auch ein Gedankenkonstrukt das man als Körper bezeichnen kann. Und wenn beides korrespondiert, fällt man ein Urteil: Es ist wahr, dass es "Körper" gibt.
ujmp hat geschrieben:Die interessanten Antworten sind die "Neins". Es wäre doch sehr bequem, wenn man alles unter dem selben Begriff verstehen könnte! Ein einziger Laut nur, wie der Schrei eines Neugeborenen. Doch Missmut dieses Schreies rührt vom "Nein" her: Nein, die Welt ich nicht nur warm und die Versorgung nicht immer so kontinulierlich, wie über eine Nabelschnur. Nein, es gibt nicht nur mich! Durch ein "Ja" lernt man prinzipell nichts dazu, es sei denn man stellt die Frage verneinend. Das ist dann aber ein "Ja" auf einen Zweifel, also eigentlich ein "Nein".
Das sehe ich auch so, nur denke ich, dass du das Thema dieses Themenstrangs nicht behandelst.
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