Willens- bzw. Handlungsfreiheit

Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mo 28. Dez 2009, 22:52

platon hat geschrieben:Das ist jetzt aber Erbsenzählerei. Ein Nachteil, der nicht zum Tragen kommt, ist kein Nachteil!
Na ja, wer sich in die Erbsen vor seinen Augen verliebt hat, der mag sie behalten. Wer hat geschrieben, dass die Nachteile nicht zum Tragen kommen? Sie kommen zum Tragen, ganz deutlich sogar (selbstverständlich nicht alle), nur nicht entscheidend genug.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon platon » Di 29. Dez 2009, 00:41

1von6,5Milliarden hat geschrieben:Sie kommen zum Tragen, ganz deutlich sogar (selbstverständlich nicht alle), nur nicht entscheidend genug.

Entschuldige 1von6,5Milliarden, aber das ist Geschwurbel! Was ist denn ein Nachteil, der nicht entscheidend genug zum Tragen kommt?
Ein Nachteil ist dann ein Nachteil, wenn er zum Tragen kommt und zum Tragen kommt er dann, wenn der Nachteil entscheidend genug ist, damit er ein Nachteil ist.
Dass die Frau schwanger war, war ein Nachteil in ihrer Situation. Weil sie aber nur ein bisschen schwanger war, war der Nachteil nicht entscheidend genug. Darf man einen "nicht entscheidend genug" großen Nachteil etwa so beschreiben?
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon xander1 » Di 29. Dez 2009, 11:48

Ich fand den Eingangspost interessanter, als das was jetzt geschrieben wird, was gar nichts mehr damit zu tun hat. Naja für Philosophie eignet sich dieses Forum nur bedingt, aber ich bin ja selbst kein Berufsphilosoph.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon platon » Di 29. Dez 2009, 15:10

xander1 hat geschrieben:Ich fand den Eingangspost interessanter, als das was jetzt geschrieben wird...

Was war denn am Eingangspost interessant? Ich habe im Manifest die Stelle nicht gefunden, wo MSS den "freien Willen" diskutiert und ihn bestreitet. Vielleicht wäre es gut, das Zitat einmal einzustellen und dann darüber zu diskutieren.
Abgesehen davon, hat der gute David Hume seine Nebelkerze geworfen und sich dann aus dem Staub gemacht. War das das Interessante an dem post?
Außerdem fragt er "warum Deutschlands Chef-Atheist ihn - als Leser seiner Bücher - dazu bringen will, seine Thesen zu glauben". Er hat nicht begriffen, dass ein Atheist niemanden vom einen Glauben zum anderen Glauben bringen will, aber das ist wohl das Denkschema von Religiösen, aus dem sie nicht hinauskommen. Und dazu gehört bei ihm wohl auch, dass er Antworten auf seinen post ignoriert.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon Nanna » Di 29. Dez 2009, 16:10

David Hume hat geschrieben:Guten Tag!

Was von meinen Vorrednern sträflich versäumt wurde: Herzlich willkommen im Forum! :up:

David Hume hat geschrieben:[...] Wenn ich ohnehin determiniert bin, braucht er doch nicht zu versuchen, mich zu überzeugen. Das ist doch sinnlos. Es steht ja ohnehin schon fest, ob ich sie gutheiße oder nicht.

Ich finde es interessant, wie du hier durch die Hintertür Artefakte einer dualistischen Vorstellung eines vom Körper unabhängigen Geistes einbringst. Du scheinst nämlich irgendwie davon auszugehen, dass die Entwicklung deines Denkens magisch-schicksalhaft vorherbestimmt ist und die physische Einwirkung der Außenwelt keinerlei Einfluss auf sie hätte.
Wäre das der Fall, wäre es tatsächlich egal, ob MSS versuchen würde, dich von irgendetwas zu überzeugen. Es wäre dann aber auch jegliche Kommunikation zwischen Menschen völlig folgenlos. Wir erleben aber das Gegenteil und können das auch empirisch zeigen: Menschen reagieren stark auf die Einflussnahme anderer Menschen.
Es mag vorherbestimmt sein, in welcher Art und Weise sich das beim jeweiligen Individuum dann auswirkt, d.h. deine Reaktion auf MSS' Äußerungen ist in einer deterministischen Welt tatsächlich alternativlos, in jedem Fall findet aber eine statt. MSS wird also in jedem Fall davon ausgehen können, in deinem Kopf irgendetwas zu verändern.
Da er außerdem weiß, dass gute Argumente erfahrungsgemäß (d.h. mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit) besser adaptiert werden als schlechte (weil dahinter bestimmte evolutionär erfolgreiche Muster stehen), kann er überschlagen, mit welcher Chance er andere Menschen so in etwa erreichen, d.h. in seinem Sinne zur Übernahme seiner Meinung anregen können wird. Offensichtlich hat er diese Chance als groß genug eingeschätzt, um ein Buch zu schreiben. Vor dem Hintergrund des Determinismus ist diese Handlung sogar äußerst gut nachvollziehbar, weil in einer deterministischen Welt Erkenntnis nicht von selbst entstehen kann, sie muss durch äußere Einflüsse erzwungen werden. MSS schafft mit seinem Buch einen Einfluss, tut also genau das, was er in einer deterministischen Welt notwendigerweise tun muss, um seine Meinung zu verbreiten.

David Hume hat geschrieben:Außerdem ist er ja selber determiniert. Warum dann noch das ganze "Theater"? Selbst die Tatsache, dass ich hier diesen Beitrag schreibe, ist vorherbestimmt.

Hm. Blöde Frage: Ja und?
- Er ist selbst determiniert? Dann ist er offenbar dazu determiniert den Leuten die Angst vor dem Determinismus nehmen zu wollen. Damit kann ich gut leben.
- Warum das Theater? Keine Ahnung. Akzeptiere es oder werde religiös, wenn du es nicht ertragen kannst, ein winzigkleines Kohlenstoffsystem irgendwo im Universum zu sein (wirklich ironiefrei: Ist manchmal hart, gebe ich zu).
- Vorherbestimmtheit deines Beitrags? Ja, klar. Und? Wir freuen uns trotzdem über deine Beteiligung. ;-)

David Hume hat geschrieben:Die These der Nichtexistenz von WF führt sich doch selbst ad absurdum, oder?

Inwiefern?

Vielleicht so? Ein Freund hat mir einmal erzählt, dass sein Philosophieprofessor behauptet habe, im Determinismus sei jedes Argument hinfällig, da schon vorbestimmt sei, welches Ergebnis bei einem Streit herauskäme. Daher sei es unmöglich, den Determinismus zu beweisen, da man im Determinismus determiniert sei, ein Argument für den Determinismus zu glauben, egal ob es wahr sei oder nicht.

Meiner Meinung nach liegt so einer Denkweise ein verkappter Rest von dualistischem Denken zugrunde. Der Professor hat - genau wie du oben mit dem (Miss-)Verständniss bezüglich MSS' Argumentation - den Determinismus nicht zuende gedacht. In der Vorstellung des Professor gibt es im Determinismus keinerlei Möglichkeit der logischen Überprüfung der Determinismus-Hypothese. Das ist meiner Meinung nach Unsinn, weil der Determinismus als Naturphänomen logisch abläuft. Unbewusst geht der Professor davon aus, dass der Geist zwar determiniert ist, aber nicht den logischen Naturgesetzmäßigkeiten unterworfen wäre: Der Geist hat also deterministisch verordnete Scheuklappen und bricht stur die Gesetzmäßigkeiten der realen Welt, ein gutes (logisch-empirisch korrektes) Argument macht auf ihn nicht mehr Eindruck als ein beliebiges (!) unlogisches.

Richtig ist, dass es in der Tat Individuen geben kann, die dazu determiniert sind, die empirisch-logische Wahrheit nicht zu erkennen, weil ihnen entsprechendes Vorwissen oder logische Fertigkeiten fehlen, entweder aus fehlender Bildung oder emotionaler Verdrängung heraus (religiöse Fundamentalisten wären dafür ein Paradebeispiel). Und richtig ist auch, dass es mangels des allwissenden idealen Philosophen totale Erkenntnis in einer deterministischen Welt genausowenig gibt wie in einer indeterministischen. Trotzdem bleiben logische Argumente in einer deterministischen Welt genauso logisch und wahr wie in einer indeterministischen (die Frage ist viel eher, ob in einer indeterministischen Welt Logik überhaupt existiert, denn dort hat ein Ereignis A manchmal die Folge B, manchmal die Folge C) und können daher selbstredend überprüft werden.
Ich weiß nicht, ob das in der Nähe der Antwort war, die du gesucht hast, aber es fiel mir spontan zu deiner Äußerung ein.

Wenn man sich übrigens mal die Argumente für den Indeterminismus respektive die Willensfreiheit ansieht - Indeterminismus scheint auf der Quantenebene ja durchaus zu existieren -, dann sind viele davon äußerst dünn und können, was meinen Eindruck angeht, das verzweifelte Wunschdenken nach einer traditionellen dualistischen Welt kaum verbergen. Die meisten modernen Philosophen, Neurologie und Psychologie sowieso schon so gut wie immer, gehen von einer monistischen Welt aus, in der Willensfreiheit im Grunde keinerlei Platz hat.


David Hume hat geschrieben:Und warum überhaupt nach Menschenrechten schreien? Das Universum ist ja an sich sinnlos und Sinn wird nur vom Menschen geschaffen.

In der Tat sind MSS' Äußerungen zu normativen Themen immer von einer gewissen Unschärfe getragen. Bei der Gesellschaft für kritische Philosophie gibt es irgendwo ein PDF mit einem Artikel von ihm (offen gesagt bin ich zu faul das jetzt rauszusuchen), wo er über das Münchhausen-Trilemma schreibt. Er schließt dort, dass Dogmatismus zwar keine echte Letztbegründung sei, dass man aber dogmatisch-ähnlich den Humanismus als Grundlage normativen Denkens nehmen sollte, weil er die beste Grundlage der Vermeidung von Leid und der Generierung von Glück für möglichst viele Menschen sei (so in etwa).

Ich bin, gerade was die Menschenrechte angeht, einer ähnlichen Meinung: Wenn das Leben objektiv sinnlos ist und es keine höhere Entität (Gott) gibt, die uns einen kosmischen Auftrag erteilt hat, dann ist das beste, was wir hier tun können, es uns so gut wie möglich auf diesem kleinen Gesteinsbrocken einzurichten und hier möglichst zufrieden zu leben. Das ist keine objektive Begründung, sondern eine subjektive, aber dadurch, dass sehr viele Menschen sie teilen, eine demokratische und sehr mächtige und damit auch mehr politische als philosophische Utopie. Es hat mir aber auch bisher keiner ein gutes Argument genannt, warum die Menschheit oder speziell ich von diesem Ziel abweichen sollte. Politische und ökonomische Gleichberechtigung (d.h. aber nicht zwangsläufig sozialistische Gleichmacherei, aber Chancengleichheit, Rechtssicherheit und Hilfe für Notleidende) entspricht wohl am ehesten der von so gut wie allen Menschen aller Kulturkreise geteilten Vorstellung von Gerechtigkeit. Für Gerechtigkeit scheint es tatsächlich ein kulturell übergreifendes Empfinden zu geben, wie man in kulturunabhängigen Experimenten mit spieltheoretischen Inhalten der Befragungen zu moralischen Dilemmata immer wieder feststellen kann.
Und daraus leite ich persönlich ganz banal den Anspruch der Menschenrechte ab: Sie funktionieren am besten, um dieses Ziel zu erreichen.


David Hume hat geschrieben:Wenn mein Sinn aber darin besteht, Menschenrechte zu verletzen, dann ist das eben so. Warum soll ich auf die Rechte meine Mitmenschen achten?

Weil du von Kindesbeinen in dein (vermutlich tatsächlich ziemlich deterministisch ablaufendes) neuronales System eingehämmert bekommen hast, dass du mit sozialen Sanktionen rechnen musst, wenn du die Rechte anderer verletzt. Dass das so ist, ist die Folge eines schon lange laufenden biologischen und in den letzten Jahrtausenden verstärkt kulturell evolutionären Prozesses: Gesellschaften mit einem funktionierenden System zur Herstellung von Gerechtigkeit schaffen höhere Kooperations- und Sicherheitsgrade und sind damit erfolgreicher. Wenn du nicht auf deine Mitmenschen achtest, dann wirst du, ganz unphilosophisch, eben einfach aussortiert: Geld abgenommen, eingesperrt, mancherorts sogar getötet. Dass letzteres oftmals nicht mehr passiert, ist ja auch eine Folge der Schaffung der Menschenrechte, die ebenfalls zu einem verringerten Gefühl der Bedrohung des eigenen Lebens beiträgt, selbst, wenn man nie vorhat, straffällig zu werden. Es gibt also einfach ganz pragmatische Gründe für Mitglieder einer sozialen Gemeinschaft, die Gemeinschaftsregeln zu achten. Diejenigen, die es nicht tun, werden (mehr oder weniger zwangsweise, z.B. durch sozialen Druck seitens von Freunden oder Familie, aber auch durch Therapien oder Strafmaßnahmen) integriert oder aussortiert (da sie mangels Attraktivität oder Unterbringung in einer Haftanstalt keine Nachkommen haben oder durch fremde oder eigene Hand gewaltsam zu Tode kommen), oder schaffen es eben durch beharrliches Einwirken, wie z.B. MSS mit seinem Buch, die gesellschaftlichen Spielregeln in ihrem Sinne zu verändern.
Ich gebe zu, dass das ein bisschen unromantisch klingt, aber der normative Überbau von Moralphilosophie und religiöser Moral ist im Grunde nur ein Hilfskonstrukt, um moralische Regeln besser kategorisieren zu können. Die normativen Vorstellungen und die mystischen Vorstellungen, die sich darum ranken, sind meist wohl eher ein Spiegelbild der Situation, in der eine Gesellschaft sich zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt befindet. Im Grunde tun dogmatische Modelle ja auch nur so, als wären sie letztbegründet, um einen gesellschaftlichen Konsens effizienter herstellen zu können. Ethische Interessensausgleichmodelle, wie MSS sie favorisiert und wie z.B. John Rawls sie sehr detailliert ausgearbeitet und begründet hat, sind meiner Meinung nach den dogmatischen Ansätzen schon allein wegen ihrer Transparenz überlegen und bieten auch mehr Flexibilität. Es mag auf den ersten Blick irritieren, dass ich Flexibilität bei ethischen Normen wichtig finde, aber was passiert, wenn man Verhaltensregeln ein für alle Mal festlegt, kann man heutzutage gut am Islam beobachten: Ein seinerzeit äußerst fortschrittliches und vergleichweise mildes Rechtssystem wie die Scharia kann sich heute, wo es eine wesentlich fortgeschrittenere Ethik gibt, nicht mehr nach oben anpassen. Darum ist es wichtig, seinen Standard jederzeit anpassen zu können, in allen anderen kulturellen und technischen Gebieten passiert das ja auch laufend.


Also für mich gibt es da eigentlich keine grundlegenden Widersprüche. Genug geschrieben jetzt. ;-)
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 29. Dez 2009, 20:41

Nanna hat geschrieben:Da er außerdem weiß, dass gute Argumente erfahrungsgemäß (d.h. mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit) besser adaptiert werden als schlechte (weil dahinter bestimmte evolutionär erfolgreiche Muster stehen), kann er überschlagen, mit welcher Chance er andere Menschen so in etwa erreichen, d.h. in seinem Sinne zur Übernahme seiner Meinung anregen können wird. Offensichtlich hat er diese Chance als groß genug eingeschätzt, um ein Buch zu schreiben.

Wer das von sich annimmt, der nimmt sich mE als willensfrei an. Jemand ist dann frei in seinen Entscheidungen, wenn er die Fähigkeit dazu besitzt, zu abstrahieren, zu simulieren, zu bewerten und sich daraufhin für etwas zu entscheiden, ohne durch zu große äußere oder innere Zwänge eingeschränkt zu sein.

Was auch sonst könnte noch sinnvoll zu der Idee der Willensfreiheit hinzukommen?

Nanna hat geschrieben:Wenn man sich übrigens mal die Argumente für den Indeterminismus respektive die Willensfreiheit ansieht [...]

Derjenige, der meint, einen Gegensatz zwischen Determinismus und Willensfreiheit zu sehen, ist ja wohl ein verkappter Dualist. Wäre er es nicht, könnte er wohl kaum folgende Aussage treffen (ich nehme hier mal einfach an, dass David Hume richtig zitiert hat):

David Hume hat geschrieben:Nun wird MSS nicht müde zu betonen, dass wir keine Willensfreiheit besitzen, wohl aber Handlungsfreiheit. Denn der Wille und damit die Handlungen des Menschen seien naturgesetzlich determiniert. Wir können nicht entscheiden, was wir wollen.

Unbegründetes Non Sequitur.

Und wenn nicht wir entscheiden (überhaupt nicht - das ist ja wohl damit gemeint, nicht?), was wir wollen, wenn das, was entscheidet, etwas anderes sein muss als wir, was ist es dann, was entscheidet? Die Natur, der Urknall gar (die Gesellschaft kann es nicht sein, denn die ist nur die Summe von Individuen und das einzelne Individuum hat ja laut MSS gar keine Willensfreiheit)? Was sind dann aber wir? Von unserem Gehirn und den darin ablaufenden neuronalen Vorgängen irgendwie getrennte geheimnisvolle Entitäten, die im Nebel herumschweben und unserem Gehirn beim Entscheiden zusehen? Woher kommen dann Normen? Werden die nicht von uns abgewogen und bewertet? Wenn nicht von uns, von wem oder was sonst?

Schon ein gewisser Widerspruch, den ich da zu sehen meine. Und den ich als Monist wenig nachvollziehbar finde.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon Nanna » Di 29. Dez 2009, 21:57

AgentProvocateur hat geschrieben:Wer das von sich annimmt, der nimmt sich mE als willensfrei an. Jemand ist dann frei in seinen Entscheidungen, wenn er die Fähigkeit dazu besitzt, zu abstrahieren, zu simulieren, zu bewerten und sich daraufhin für etwas zu entscheiden, ohne durch zu große äußere oder innere Zwänge eingeschränkt zu sein.

Das ist die kompatibilistische Position, der ich im Großen und Ganzen auch anhänge, jedoch ist das keine Willensfreiheit im klassischen Sinne. Willensfreiheit im klassischen Sinne wäre die Fähigkeit, sich in einer bestimmten identischen Position auch anders entschieden haben zu können. Im Determinismus ist das aber unmöglich. Ein bestimmtes Setting an Voraussetzungen zieht zwangsläufig immer dieselbe Entscheidung desselben Individuums nach sich.

David Hume hat geschrieben:Und wenn nicht wir entscheiden (überhaupt nicht - das ist ja wohl damit gemeint, nicht?), was wir wollen, wenn das, was entscheidet, etwas anderes sein muss als wir, was ist es dann, was entscheidet? Die Natur, der Urknall gar (die Gesellschaft kann es nicht sein, denn die ist nur die Summe von Individuen und das einzelne Individuum hat ja laut MSS gar keine Willensfreiheit)? Was sind dann aber wir? Von unserem Gehirn und den darin ablaufenden neuronalen Vorgängen irgendwie getrennte geheimnisvolle Entitäten, die im Nebel herumschweben und unserem Gehirn beim Entscheiden zusehen? Woher kommen dann Normen? Werden die nicht von uns abgewogen und bewertet? Wenn nicht von uns, von wem oder was sonst?

Wer sagt denn, dass es im Determinismus keine Entscheidungen gäbe? Selbstverständlich wägt ein Individuum Alternativen gegeneinander ab und entscheidet sich getreu seiner Neigungen und bisherigen Erfahrungen und aufgrund seines Kenntnisstandes für die ihm am günstigsten scheinende Alternative. Es tut dies allerdings nicht frei, sondern in einem notwendig so und nicht anders ablaufenden Prozess, den ich aufgrund des Simulierens unterschiedlicher Alternativen im Gehirn aber dennoch als Entscheidung bezeichnen würde. Dass wir uns nicht entscheiden würden, hat ja niemand gesagt, nur, dass wir objektiv gesehen eben nicht die Wahl haben.


edit:
Und um es überhaupt mal bezogen auf den Threadtitel deutlich gesagt zu haben: Schmidt-Salomon ist nicht die Brights.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Di 29. Dez 2009, 22:44

Nanna hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wer das von sich annimmt, der nimmt sich mE als willensfrei an. Jemand ist dann frei in seinen Entscheidungen, wenn er die Fähigkeit dazu besitzt, zu abstrahieren, zu simulieren, zu bewerten und sich daraufhin für etwas zu entscheiden, ohne durch zu große äußere oder innere Zwänge eingeschränkt zu sein.

Das ist die kompatibilistische Position, der ich im Großen und Ganzen auch anhänge, jedoch ist das keine Willensfreiheit im klassischen Sinne. Willensfreiheit im klassischen Sinne wäre die Fähigkeit, sich in einer bestimmten identischen Position auch anders entschieden haben zu können.

Prima, dann sind wir ja einer Meinung.

Wieso man in einer Situation auch anders entscheiden können müsste als für das, für das man sich letztlich entscheidet und das irgendwie "freier" sei, hat mir übrigens noch nie jemand plausibel machen können.

Nanna hat geschrieben:Wer sagt denn, dass es im Determinismus keine Entscheidungen gäbe?

Habe ich auch nicht gesagt. Du musst ganze Sätze lesen, nicht nur Teilsätze.

Nanna hat geschrieben:Selbstverständlich wägt ein Individuum Alternativen gegeneinander ab und entscheidet sich getreu seiner Neigungen und bisherigen Erfahrungen und aufgrund seines Kenntnisstandes für die ihm am günstigsten scheinende Alternative. Es tut dies allerdings nicht frei, sondern in einem notwendig so und nicht anders ablaufenden Prozess, den ich aufgrund des Simulierens unterschiedlicher Alternativen im Gehirn aber dennoch als Entscheidung bezeichnen würde. Dass wir uns nicht entscheiden würden, hat ja niemand gesagt, nur, dass wir objektiv gesehen eben nicht die Wahl haben.

Frei bin ich dann, wenn ich a) machen kann, was ich will (Handlungsfreiheit und b) wenn ich entscheiden kann, was ich will (Willensfreiheit). Oder?

Wieso wäre ich freier, wenn ich auch das machen könnte, was ich nicht will, wenn ich mich für das entscheiden könnte, für das ich mich letztlich nicht entscheide? Würde Indeterminismus alleine schon Willensfreiheit gewährleisten oder wäre das nur eine notwendige Voraussetzung? Falls Letzteres: wie genau müsste eine Entscheidung ablaufen um in Deinem Sinne als "frei" zu gelten?

Nanna hat geschrieben:edit:
Und um es überhaupt mal bezogen auf den Threadtitel deutlich gesagt zu haben: Schmidt-Salomon ist nicht die Brights.

Das ist richtig. Nur hat eben MSS mAn schon einen gewissen Widerspruch in seinen Ausführungen, wenn er Willensfreiheit und Determinismus als unvereinbare Gegensätze sieht. Es sei denn, er könnte diesen Gegensatz plausibel machen. Aber lassen wir mal MSS hier, es wäre mir auch recht, wenn Du diesen Gegensatz, den Du ja auch zu sehen scheinst, plausibel erklären könntest.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 30. Dez 2009, 08:11

platon hat geschrieben:
1von6,5Milliarden hat geschrieben:Sie kommen zum Tragen, ganz deutlich sogar (selbstverständlich nicht alle), nur nicht entscheidend genug.

Entschuldige 1von6,5Milliarden, aber das ist Geschwurbel! Was ist denn ein Nachteil, der nicht entscheidend genug zum Tragen kommt?
Ach weißt du, beschäftige dich mal nur als Beispiel mit den wenigen aber entscheidenden Vor- und den vielen(!) Nachteilen die die "Auslegung" auf eine hohe "Spitzengeschwindigkeit" beim Gepard mit sich gebracht hat, dann verstehst auch du vielleicht die Evolution und die Bedeutung von Vor- und Nachteilen. Ansonsten sehe ich keinen Grund mit einem anscheinend immer starrsinnig auf (unüberlegten?) Äußerungen beharrenden Menschen zu diskutieren, der anderen Geschwurbel vorwirft.
Ich sehe keinen Vorteil darin zu versuchen mit dir Meinungen, Informationen oder Gedanken auszutauschen, der Aufwand ist zwar nicht gerade groß, aber mir entscheidender Nachteil genug.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon platon » Mi 30. Dez 2009, 13:06

Beschäftige Du Dich einmal mit der Evolution und vielleicht auch einmal mit der deutschen Sprache ehe Du von Nachteilen redest, die keine sind. Es gibt keine optimalen Lebewesen, das ist trivial, aber von einem Nachteil kann erst gesprochen werden, wenn eine Eigenschaft besser sein müsste (nicht könnte), als sie dann ist, wenn sie benötigt wird.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon Nanna » Mi 30. Dez 2009, 20:35

AgentProvocateur hat geschrieben:Frei bin ich dann, wenn ich a) machen kann, was ich will (Handlungsfreiheit und b) wenn ich entscheiden kann, was ich will (Willensfreiheit). Oder?

Wieso wäre ich freier, wenn ich auch das machen könnte, was ich nicht will, wenn ich mich für das entscheiden könnte, für das ich mich letztlich nicht entscheide?

Ähm... keine Ahnung. Ich fürchte, wir sind völlig einer Meinung.
Wenn ich das Willensfreiheitskonzept, das ich ja auch nicht teile, richtig verstehe, dann gehen die Verfechter der klassischen Willensfreiheit davon aus, dass der Willensbildungsprozess ein Prozess ist, in der der "Geist" in einer... äh... nicht näher spezifizierten metaphysischen Weise... simsalabim... auf den Körper einwirkt und das Gehirn zu einer Entscheidung veranlasst. Der Geist ist dabei ein von äußeren Einflüssen unabhängiges Wesen bzw. es kann unbeeinflusst entscheiden welchen äußeren Einflüssen es nachgibt, es ist also eine Art unbewegter Beweger. Was daran jetzt freier und toller und so weiter ist... frag mich nicht. Die Auffassung ist halt einfach widersprüchlich. Ich richte mich daher auch gar nicht gegen deine Auffassung von Willensfreiheit, sondern eben gegen diese eben genannte, bei der der Geist eine Art unbewegter Beweger ist.

AgentProvocateur hat geschrieben:Würde Indeterminismus alleine schon Willensfreiheit gewährleisten oder wäre das nur eine notwendige Voraussetzung? Falls Letzteres: wie genau müsste eine Entscheidung ablaufen um in Deinem Sinne als "frei" zu gelten?

Indeterminismus hat in meinen Augen nichts mit Willensfreiheit im klassischen o.g. Sinne zu tun. Als frei würde ich eine Entscheidung bezeichnen, wenn dem Entscheider alle für die Entscheidung relevanten Informationen vorliegen (beim Autokauf z.B. alle technischen Daten, aber auch Wissen über das Image der Marke, die voraussichtliche Verfügbarkeit von Ersatzteilen usw.) und wenn er Kompetenzen im kritischen und hinterfragenden Denken hat. Wissen um den Determinismus kann von machthabenden Personen sehr gut zur Ausübung von Manipulation benutzt werden, weshalb im Determinismus meiner Meinung nach möglichst viel Transparenz herrschen muss, um solche Manipulationsversuche aufdecken zu können bzw. das Individuum muss sich über Wege der Beeinflussung im Klaren sein (also z.B. wissen, dass der Finanzberater der Hausbank nicht die eigentlichen Interessen des Kunden, sondern der Bank im Auge hat). Je mehr Informationen vorliegen (und dann auch verarbeitet werden können!) und je transparenter die einflussnehmenden Faktoren sind, desto freier wäre in meinen Augen eine Entscheidung.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber lassen wir mal MSS hier, es wäre mir auch recht, wenn Du diesen Gegensatz, den Du ja auch zu sehen scheinst, plausibel erklären könntest.

Wie schon gesagt: Ich kann zwischen der Willensfreiheit, wie du sie siehst (einen eigenen Willen innerhalb der kausalen Strukturen entwickeln), und dem Determinismus keinerlei Probleme erkennen. Der Gegensatz, den ich sehe, und den wohl auch MSS meint, ist der zwischen einem Geist als unbewegten Beweger außerhalb der kausalen Strukturen, der dann nach Gutdünken auf die physischen Strukturen des Gehirns einwirken kann, und dem Determinismus. Woher dieses Gutdünken dann allerdings kommt und welche Entscheidungskriterien der "Geist" dann anlegt, das weiß Gott allein...
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 30. Dez 2009, 20:59

Nanna hat geschrieben:Ich fürchte, wir sind völlig einer Meinung.

Ja, das sehe ich nach diesem Beitrag von Dir auch so. Finde ich aber jetzt nicht so schlimm, ist doch auch mal was Schönes. ;)
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon Nanna » Mi 30. Dez 2009, 21:10

Ich kann auch gut damit leben. ;-)
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon ganimed » Do 31. Dez 2009, 14:41

Nanna hat geschrieben:Je mehr Informationen vorliegen (und dann auch verarbeitet werden können!) und je transparenter die einflussnehmenden Faktoren sind, desto freier wäre in meinen Augen eine Entscheidung.

Verstehe ich nicht ganz. Wovon wäre diese Entscheidung denn frei?

Ich dachte bisher, bei freien Entscheidungen ginge es um Freiheit von Determinanten bzw. die Freiheit von kausalen Abhängigkeiten.

Wenn ich mich beim Autokauf gut informiere und ganz eindeutig und objektiv sehe, dass Modell A besser ist als Modell B und ich entscheide mich für A, dann ist das für mich zwar eine gut informierte Entscheidung aber keine freie. Meine Entscheidung hing von diesen Informationen ab. Die Infos sagten: "kaufe A" und ich habe völlig unfrei, praktisch sklavisch gesagt: "ok, ist ja schon gut, mache ich". Eine freie Entscheidung wäre, wenn ich an manchen Tagen das schlechtere Modell kaufte, obwohl ich gut informiert bin und weiss, dass es das schlechtere ist. Eine freie Entscheidung wäre eine unabhängige Entscheidung. Unabhängig von Informationen, vom Zustand meines Gehirns und von 'guten' Argumenten anderer. Gibt es aber nicht. Unser Gehirn hat keinen Spielraum und entscheidet sich immer für das, was besser scheint aufgrund der vorliegenden Infos und Erfahrungen. Klingt ja auch erstmal vernünftig. Insofern müsste man also heilfroh sein, keine freien Entscheidungen treffen zu können.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon stine » Do 31. Dez 2009, 19:34

Deshalb fahre ich einen weißen Opel!
Hatte ich ganz frei entschieden, ganz entgegen der herkömmlichen Autovorlieben. :mg:

LG stine
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Do 31. Dez 2009, 19:45

ganimed hat geschrieben:Ich dachte bisher, bei freien Entscheidungen ginge es um Freiheit von Determinanten bzw. die Freiheit von kausalen Abhängigkeiten.

Dann hast Du bisher vollkommen falsch gedacht. Genau genommen ist das sogar eine zentrale Streitfrage bei dem Thema.

Zwei Definitionen kann ich Dir anbieten:

Wikipedia - Free will hat geschrieben:Free will raises the question whether, and in what sense, rational agents exercise control over their actions, decisions, choices.

Meine Übersetzung: Die Frage um den freien Willen dreht sich darum, ob und in welchem Sinne rationale Agenten (Subjekte) Kontrolle über ihre Handlungen, Entscheidungen und Wahlen ausüben.

(Ganz guter Artikel mE zur Einstimmung auf das Thema, jedoch auf Englisch. Aber der deutsche Artikel dazu ist mE leider vollkommen unbrauchbar.)

Noch 'ne Definition:

Compatibilism hat geschrieben:[...] free will can be defined as the unique ability of persons to exercise control over their conduct in the fullest manner necessary for moral responsibility.

Meine Übersetzung: Freier Wille kann definiert werden als die einzigartige Fähigkeit von Personen Kontrolle über ihr Verhalten auszuüben in einem solchen Sinne wie es notwendig für moralische Verantwortung ist (angesehen wird).

(Hier der Link zu Kompatibilismus nur wegen der Definition, wenn Dich eher Inkompatibilismus interessiert, dann findest Du das auch dort, hier z.B..)

Und Deine Ausführungen zur Entscheidung bezüglich des Autokaufes finde ich überhaupt nicht nachvollziehbar. Natürlich kann man eine Liste von Fakten über Autos aufstellen (dies ist flacher, das ist schneller, jenes verbraucht weniger, das ist schicker [okay, das nicht - das ist eine Wertung], jenes verbaut wertigere Materialien, dies ist billiger, usw. usf.) Für Dich reichte anscheinend eine solche Liste, um eine "objektive" Entscheidung zu treffen. Aber das tut sie trivialerweise nicht, denn Du musst nun diese Fakten in Beziehung zueinander setzen, Du musst werten und gewichten ("besser" ist normativ, bzw. hier auf bestimmte Ziele gerichtet). Und dann sind wir wieder bei der Frage nach der Willensfreiheit: kann man (auch in einer determinierten Welt) berechtigterweise sagen, dass diese Ziele, Wertungen und Gewichtungen Deine sind (in einem hinreichenden Sinne von Dir entwickelt sind / von Dir begründet vertreten werden) -> freier Wille oder sind sie Sachverhalte, auf die Du überhaupt! keinen Einfluss hast, die Dir also quasi von außen vorgegeben werden (die Vergangenheit, die Umstände, der Determinismus, whatever) -> kein freier Wille?

Und jetzt mal nur als kleine Denkanregung noch: wenn Du meinst, eine Frage, über die seit Jahrtausenden leidenschaftlich gestritten wird, sei trivial, dann könnte das durchaus daran liegen, dass Du die Frage, das eigentliche Thema noch nicht verstanden hast.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon ganimed » Sa 2. Jan 2010, 12:38

AgentProvocateur hat geschrieben:Und Deine Ausführungen zur Entscheidung bezüglich des Autokaufes finde ich überhaupt nicht nachvollziehbar.

Na ja, die ursprüngliche Aussage von Nanna war, dass freier Wille dann vorliegt, wenn man bei einer Entscheidung (beispielsweise Autokauf) gut informiert ist. Wenn man sich nun in einem Gedankenexperiment ein vereinfachtes Beispiel vorstellt, wird diese Aussage zunächst einmal widerlegt. Möglicherweise müsste sie nur noch präzisiert werden, keine Ahnung. Aber so wie ich sie gelesen habe, erscheint sie mir noch nicht schlüssig.
Und ein einfache Gedankenexperiment zur "Widerlegung" wäre hier für mich: man hat zwei Autos A und B. A ist B in allen Belangen unterlegen (starke Vereinfachung, aber so sind Gedankenexperimente eben). Dann kann man gar nicht anders, als sich für B zu entscheiden. Diese Entscheidung ist nicht deshalb frei, weil man gut informiert ist (wie Nanna behauptete). Sie ist deshalb unfrei, weil man in Abhängigkeit dieser Informationen entscheidet und in kausaler Folge eben nicht frei.


ganimed hat geschrieben:Ich dachte bisher, bei freien Entscheidungen ginge es um Freiheit von Determinanten bzw. die Freiheit von kausalen Abhängigkeiten.

AgentProvocateur hat geschrieben:Dann hast Du bisher vollkommen falsch gedacht. Genau genommen ist das sogar eine zentrale Streitfrage bei dem Thema.

Wenn das die zentrale Streitfrage ist, wie lautet denn hier deine Position? Die beiden Definitionen für freien Willen, die du aufgeführt hast, erscheinen mir da merkwürdig ausweichend. Meine zentrale Frage in meinem Posting war jedenfalls, wovon denn der "freie Wille" frei ist. Kann doch nicht so schwer zu beantworten sein, für jemanden, der glaubt zu wissen, was er unter freiem Willen versteht.

Selbstverständlich wäre es natürlich auch möglich, dass ich tatsächlich auf einem völlig irrelevanten Nebenkriegsschauplatz agiere und die Frage sonst niemanden interessiert. Aber glaube ich eigentlich noch nicht so ganz. Ein Begriff "freier Wille" muss doch in einer seiner Definitionen mal definieren, was Wille ist und was daran frei ist. Ich finde, das kann man allein sprachlich verlangen.

Daher auch meine Bauchschmerzen mit dem Kompatibilismus. Die machen das nämlich nicht. Deinem Link bin ich gefolgt:
    "The philosophical problem of free will and determinism is the problem of understanding, how, if at all, the truth of determinism might be compatible with the truth of our belief that we have free will."
Mir scheint es so, dass nach der von mir genannten Definition "freier Wille ist frei von kausalen Abhängigkeiten" klar ist: wenn unser Gehirn deterministisch arbeitet, und ich glaube kein Hirnforscher bezweifelt das, dann ist der Wille nicht frei (von kausalen Abhängigkeiten). Und die Kompatibilisten kommen nach meinem Eindruck in etwas bemühter Weise daher, rufen "oh gott oh gott, was machen wir denn nun? Das hieße ja, dass wir keinen freien Willen haben. Damit können und wollen wir aber nicht leben." Also biegen sie einfach die Definition von "freiem Willen" so lange hin und her, bis sie ihn wieder haben, den freien Willen. Herzlichen Glückwünsch. Auf diese Weise könnte ich auch behaupten, dass es keine Gravitation gibt. Ich definiere sie einfach um, es handele sich nicht um Massenanziehung sondern um, was weiß ich, Massenpseudogeschwurbelabstoßung. Und voila, jeder muss mir dann zustimmen, dass es Gravitation nach dieser neuen Definition nicht gibt. Ich gebe ja zu, dass bei der Frage nach Moral und Verantwortung die Geschwurbeldefinitionen der Kompatibilisten natürlich wieder mehr Sinn ergeben. Aber solange es um die Frage geht, was am Willen frei ist, geht es eben noch nicht um Moral, Verantwortung oder andere mögliche Implikationen.

Also liebe Kompatibilisten unter euch, führt mir bitte nicht eure "künstlichen" Definitionen auf, sondern antwortet doch einfach mal auf die zentrale Streifrage: von was soll der "freie Wille" denn nun frei sein, eurer Meinung nach? Und, um noch eine zweite Frage nachzuschieben, wieso muss der freie Wille nicht von kausalen Abhängigkeiten frei sein?

AgentProvocateur hat geschrieben:Und jetzt mal nur als kleine Denkanregung noch: wenn Du meinst, eine Frage, über die seit Jahrtausenden leidenschaftlich gestritten wird, sei trivial, dann könnte das durchaus daran liegen, dass Du die Frage, das eigentliche Thema noch nicht verstanden hast.

Das ist, muss ich zugeben, wohl in der Tat die logischste Erklärung. Ich meine, wie wahrscheinlich ist es, dass alle Kompatibilisten Idioten sind? Ich müsste also nur einen Kompatibilisten finden, der nicht nur schlauer ist als ich, sondern sich auch herablässt, auf meine Fragen nicht ausweichend sondern wirklich zu antworten, so dass ich meine Denkfehler endlich sehe. Das wäre schön.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 2. Jan 2010, 15:38

ganimed hat geschrieben:Und ein einfache Gedankenexperiment zur "Widerlegung" wäre hier für mich: man hat zwei Autos A und B. A ist B in allen Belangen unterlegen (starke Vereinfachung, aber so sind Gedankenexperimente eben). Dann kann man gar nicht anders, als sich für B zu entscheiden. Diese Entscheidung ist nicht deshalb frei, weil man gut informiert ist (wie Nanna behauptete). Sie ist deshalb unfrei, weil man in Abhängigkeit dieser Informationen entscheidet und in kausaler Folge eben nicht frei.

Starke Vereinfachungen sind aber manchmal, so wie in diesem Falle, nicht zielführend. Wenn A B in allen Belangen unterlegen ist, dann gibt es schlicht keine Entscheidung mehr. Eine Entscheidung erfordert nämlich mMn die Abwägung von Vor- und Nachteilen, die in Beziehung zu den eigenen Zielen gesetzt werden. Und die Frage hier ist ja, wann eine Entscheidung frei ist.

Und meiner Ansicht nach ist unsere Welt übrigens nicht derart beschaffen, dass man hypothetisch von einem objektiven Standpunkt für alle Fragen die optimale Lösung bestimmen könnte, d.h. Entscheidungen werden immer notwendig sein.

ganimed hat geschrieben:Wenn das die zentrale Streitfrage ist, wie lautet denn hier deine Position? Die beiden Definitionen für freien Willen, die du aufgeführt hast, erscheinen mir da merkwürdig ausweichend. Meine zentrale Frage in meinem Posting war jedenfalls, wovon denn der "freie Wille" frei ist. Kann doch nicht so schwer zu beantworten sein, für jemanden, der glaubt zu wissen, was er unter freiem Willen versteht.

Was mich an der Diskussion interessiert, ist folgende Frage: inwiefern ist es berechtigt, einer Person ihre Entscheidungen und damit eine gewisse Autonomie zuzuordnen?

ganimed hat geschrieben:Ein Begriff "freier Wille" muss doch in einer seiner Definitionen mal definieren, was Wille ist und was daran frei ist. Ich finde, das kann man allein sprachlich verlangen.

"Wille" würde ich definieren als Wunsch, der handlungswirksam wird. Und was "frei" in diesem Zusammenhang bedeuten soll, das ist ja eben die Streitfrage. Für mich bedeutet "frei" hier, dass man mit einiger Berechtigung sagen kann, dass der Wille von der Person selber gebildet wurde, dass man ihre Entscheidung als ihre ansehen kann.

ganimed hat geschrieben:Und, um noch eine zweite Frage nachzuschieben, wieso muss der freie Wille nicht von kausalen Abhängigkeiten frei sein?

Mir geht es um Freiheit, um Autonomie. Wenn mein Wille frei von kausalen Abhängigkeiten wäre, dann wäre er ein etwas von mir unabhängiges willkürliches Etwas, das man keineswegs mir zuschreiben könnte, d.h. er wäre gar nicht mein Wille.

Wenn Du mir zeigen könntest, dass ein willkürlicher Wille eine Person in irgend einer sinnvollen Weise freier machen könnte, dann könnte ich Deine Forderung verstehen. Aber bisher ist sie mir unklar: wieso also sollte mein Wille frei von kausalen Abhängigkeiten sein?

ganimed hat geschrieben:Ich müsste also nur einen Kompatibilisten finden, der nicht nur schlauer ist als ich, sondern sich auch herablässt, auf meine Fragen nicht ausweichend sondern wirklich zu antworten, so dass ich meine Denkfehler endlich sehe. Das wäre schön.

Das nichts mit schlauer oder nicht zu tun, auch nichts mit Denkfehlern. Es hat erst mal nur etwas damit zu tun, sich auf ein gemeinsames Thema zu einigen.

Wenn Du einfach nur sagst: "freier Wille bedeutet für mich, dass der Wille frei von kausalen Abhängigkeiten sein muss", dann musst Du das entweder begründen oder Du musst jemanden finden, der das als Axiom unhinterfragt akzeptiert.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon smalonius » Sa 2. Jan 2010, 16:19

AgentProvocateur hat geschrieben:Und jetzt mal nur als kleine Denkanregung noch: wenn Du meinst, eine Frage, über die seit Jahrtausenden leidenschaftlich gestritten wird, sei trivial, dann könnte das durchaus daran liegen, dass Du die Frage, das eigentliche Thema noch nicht verstanden hast.

Ich sehe die Sache auch wie ganimed. Tausend Jahre Diskussion über ein Thema sind kein Argument, daß die Frage nicht doch trivial ist aus heutiger Sicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Du einfach nur sagst: "freier Wille bedeutet für mich, dass der Wille frei von kausalen Abläufen sein muss", dann musst Du das entweder begründen oder Du musst jemanden finden, der das als Axiom unhinterfragt akzeptiert.

Das kann man philosophisch und biologisch begründen.

Bei einer rationalen Entscheidung wählt man das - vermeintliche - Optimum.
Bei einer emotionalen Entscheidung aus dem Bauchgefühl wählt man unbewußt, was man will. Kann man sich aussuchen, was man will? Kann man es sich aussuchen, ob einem Schokoeis besser schmeckt als Erdbeereis, oder ob man Eis überhaupt nicht mag? Ich denke nicht.

Eine freie Willensentscheidung wäre, ein anderes Auto zu kaufen, als das - nach Umständen und Informationslage - beste Modell.
Eine freie Willensentscheidung wäre auch, Schokoeis zu essen, obwohl es einem nicht schmeckt.
Beides wäre eine zwanghafte oder pathologische Entscheidung. Oder, neutraler gesagt, ein Fehler. Begeht man Fehler aus freiem Willen oder weil man gerade nicht anders kann?


Das biologische Argument ist noch zwingender: Entscheidungen werden im Gehirn gefällt. Ein Gehirn besteht aus Nervenzellen, die nach makroskopischen Regeln arbeiten. Deshalb arbeitet das Gehirn nach deterministischen Regeln.

Eins möchte ich noch anfügen: für einen selbst macht es überhaupt keinen Unterschied, ob man einen freien Willen hat oder nicht. Deshalb wurde und wird ganimeds Argument auch seit Jahrtausenden ignoriert.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 2. Jan 2010, 17:04

smalonius hat geschrieben:Eine freie Willensentscheidung wäre, ein anderes Auto zu kaufen, als das - nach Umständen und Informationslage - beste Modell.
Eine freie Willensentscheidung wäre auch, Schokoeis zu essen, obwohl es einem nicht schmeckt.

Du darfst natürlich die eigentliche Frage einfach ignorieren und Dir einfach was hindefinieren, was niemanden interessiert und Du darfst auch meinen, damit was zum eigentlichen Thema gesagt zu haben.

Hast Du aber nicht und Deine Strohmänner interessieren mich nicht.
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