ganimed hat geschrieben:Meine kleine Lösung war ja: wegen kausaler Abhängigkeit ist die Entscheidung und die Handlung nicht frei.
Das ist erst mal nur eine Definition: Freiheit = kausale Unabhängigkeit. So weit, so gut.
ganimed hat geschrieben:Da der Handelnde nicht anders konnte, kann man ihm auch keine Schuld geben. Schafft den Begriff "Schuld" ab.
Da fehlt jetzt der Zusammenhang zu obiger Definition. Der Zusammenhang von "anders können == akausale Unabhängigkeit == Freiheit" und Schuld, wo ist der?
ganimed hat geschrieben:Die große Lösung: wegen kausaler Abhängigkeit ist meine Entscheidung nicht nur unfrei (auf der Mikroebene) sondern auch nicht meine (was zur Unfreiheit auf Makroebene führt).
Aber dann kommt mein Einwand von oben voll zum Tragen: wenn nur dann etwas meines ist, wenn es akausal entstanden ist (weiß zwar immer noch nicht, wieso, aber das mal beiseite gelassen) und nichts akausal entstehen kann, dann kann es nichts geben, was meines ist, dann kann es mich nicht geben, ich kann dann nicht existieren. Zu einer Existenz gehören nun mal notwendigerweise eigene Eigenschaften.
ganimed hat geschrieben:Auf der Makroebene ist der "freie Wille", die soziale Freiheit aber genau so definiert (wenn ich das richtig sehe). Wichtig ist hier ja nicht die kausale Freiheit, sondern dass der Mensch gemäß seiner eigenen Ziele und Wünsche entscheidet, dass er sich seine eigenen Gedanken macht und durch Selbstreflexion in der Lage ist, eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Was aber, wenn wegen der konsequenten Anwendung der Mikroebene seine eigenen Ziele gar nicht seine eigenen sind sondern von außen induziert wurden? Ebenso seine Gedanken. Alles wurde über Kausalketten von außen erzwungen.
Aber, nein, das folgt nicht. Wobei es einen Unterschied macht, ob
jemand etwas induziert hat (was man meist nicht so prickelnd findet, weil man nicht den Interessen Anderer unterworfen sein will) oder ob man die Eigenschaften der Person betrachtet, die selbstverständlich irgendwo herkommen müssen. Sie können nicht aus dem Nichts entstehen und selbst, wenn sie das könnten, würde das keinen wesentlichen Unterschied bei der Frage nach Freiheit (solche, die als wesentlich für die Zuweisung von Verantwortung und Schuld angesehen wird) machen. Wenn doch, müsste man das zeigen können. Meiner Ansicht nach ist sogar das Gegenteil der Fall: je akausaler, um so weniger frei und um so weniger Verantwortung und Schuld kann zugewiesen werden.
Kausalketten erzwingen auch nichts per se, ich halte das nach wie vor für eine falsche, weil gänzlich ungebräuchliche Anwendung des Begriffes "Zwang" (auch aus dem ganz einfachen Grunde, weil dann Akausalität logischerweise automatisch "kein Zwang" bedeuten müsste - und das tut es nicht, jedenfalls nicht auf der Makrobene).
ganimed hat geschrieben:Für einen freien Willen brauche ich etwas, dass originär in meinem Kopf erzeugt wurde. Ich brauche einen eigenen Mist, auf dem meine Entscheidungen wachsesn können.
Ja, das sehe ich auch so. Jetzt müsstest Du nur noch zeigen können, wieso und inwiefern Akausaliät dabei eine Rolle spielen könnte, wieso man etwas, das akausal entstanden ist, "originär" nennen kann, etwas, was kausal entstanden ist aber nicht.
ganimed hat geschrieben:Da wir aber sozusagen nur Durchgangsstationen kausaler Abläufe sind, haben wir weder kausale noch soziale Freiheit.
Wie sind aber nicht nur Durchgangsstationen kausaler Abläufe, wir sind Wesen, die dazu fähig sind, rationale Entscheidungen zu treffen, d.h. winr sind letztlich bestimmte kausale Abläufe. Was sollten wir auch sonst sein? Fähig dazu, unsere Handlungen zu kontrollieren und zwar in einem wesentlichen Sinne von "Kontrolle". Oder Du könntest eine prinziell bessere Art von Kontrolle darstellen.
Wenn "Durchgangsstation" und "kausaler Ablauf" ein Gegensatz sein soll, wenn wir also nicht aus kausalen Abläufen bestehen dürfen und es nur kausale Abläufe gibt, dann kann es uns nicht geben. Oder woraus genau besteht Deiner Ansicht nach die "Durchgangsstation"?
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:wenn Zwang und Freiheit Gegensätze sind und wenn es verschiedene Grade von Zwang gibt, dann macht es auch Sinn, sich auf der Skala "absoluter Zwang <-> absolute Freiheit" zu bewegen. Auch wenn es weder den einen noch den anderen Pol in absoluter Größe geben sollte. Aus diesem Gegensatz folgt einfacher logischerweise: weniger Zwang -> mehr Freiheit und mehr Zwang -> weniger Freiheit.
Das stimmt alles haargenau. Der springende Punkt ist nur, dass bei dir der Zwang alleine dadurch abnimmt, dass der Mensch ihn aus irgendwelchen Gründen nicht sieht. Ich würde deine Sätze voll unterschreiben wenn wir hier von objektivem Zwang reden. Dieser objektive Zwang wäre nicht abhängig davon, ob ein Mensch was merkt oder nicht. Er wäre lediglich abhängig davon, wie viele Handlungsfreiheiten er dem Mensch objektiv noch lässt.
Aber Zwang ist nun mal mAn nichts Objektives. Es gibt auf der Mikroebene nichts, was dem Gebrauch von "Zwang" auf der Makroebene entspricht. Auf der Makroebene ist mit "Zwang" immer etwas gemeint, was jemanden dazu bringt, etwas zu tun, was er eigentlich nicht will oder etwas, das einen davon abhält, etwas zu tun, das man tun will. Und das ist nun mal letztlich subjektiv, da kann man nicht mit Elementarteilchen kommen und einem Begriff von Freiheit, der auf der Ebene von Elementarteilchen vielleicht einen Sinn ergibt.
Jedoch abgesehen von dem, was ich unter Zwang verstehe, gibt es auch noch andere Faktoren, die die Willensfreiheit einschränken, nämlich solche, die die Fähigkeit zur Erkenntnis einschränken.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Du bist doch strenger Determinist, daher müssen doch auch automatisch für Dich alle Faktoren in unserer Welt kausale Faktoren sein, oder? Und demnach zusätzliche kausale Faktoren z.B. der neue Kindergarten, die neue Schule, die neue Firma, Erhöhung von Zwang, weil Erhöhung von Abhängigkeit. Oder?
Kausale Faktoren sind Faktoren, die etwas verursachen. Eine Schule in meiner Nähe verursacht bei mir erstmal nichts. Ich bin weder Schüler noch Lehrer. Ich muss da nicht hin. Faktoren, die bei mir nichts verursachen, von denen werde ich kausal auch nicht abhängig, so dass sie mich in meiner Freiheit nicht einschränken.
Du wirst Dich doch aber hoffentlich in jemanden hineinversetzen können, für den eine neue Schule oder ein neuer Kindergarten oder neue Arbeitsplätze eine Rolle spielen, auch wenn Dir persönlich das alles egal ist. Tu' das doch mal versuchshalber und dann frage ich nochmal: all dies sind kausale Faktoren, also Zunahme von Zwang, also Abnahme von Freiheit, richtig? Das folgt jedenfalls logischerweise aus Deiner Argumentation (Zwang == kausale Faktoren).
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:ganimed hat geschrieben:Jemand, der nicht anders konnte, der gar keine Wahl hatte, dem kann ich keine Schuld geben. ...
Aber er hatte doch die Wahl. Er hatte sich aufgrund seiner Überlegungen für eine Option entschieden. Wie sonst könnte man denn "Wahl" verstehen? Doch sicher nicht, dass er sich willkürlich für etwas Beliebiges entschieden hätte. Aber wie sonst?
Schauen wir uns doch einmal die Überlegungen diese Jemands an. Den Entscheidungsgedanken zur Handlung nennen wir A. A hat er gedacht, weil er vorher B gedacht hat. B folgte aus dem Gedanken C. C aus D. Usw. Diese lückenlose Kette enthält keinen Freiheitsgrad. Sie ist sozusagen maximal festgezurrt.
Eine echte Wahl könnte man so verstehen, dass in dieser Kette Löcher sind. C folgte nicht aus D. C wäre einfach mal so da. Das wäre mal was ganz neues und A damit eine wirklich freie Entscheidung.
Ja, das folgt aus Deiner Definition (Freiheit == Unabhängigkeit von kausalen Faktoren). So weit, so gut, aber was hat das mit Schuld zu tun? Wieso sollte jemand schuldiger sein, der von (notwendigerweise nicht seiner Kontrolle unterliegenden) akausalen Faktoren zu etwas gezwungen (= gegen seinen Willen, seine Einstellung, seine Persönlichkeit) wird? Und wieso sollte ich freier sein, wenn ich dann nachher mit dem ollen Trabbi dasitze, den ich gar nicht wollte?
Das möchte ich erfahren, diesen Zusammenhang, nicht, ob Du etwas "echte" Wahl und was anderes "unechte" Wahl nennst. Das sind doch nur Bezeichnungen und ohne Zusammenhang völlig uninteressant.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:demnach existiert er gar nicht, weil alles auf Vergangenes zurückführbar ist, weil dann gar nichts sein "Eigenes" ist, er gar keine eigenen Eigenschaften hat und etwas, was keine eigenen Eigenschaften hat, was völlig eigenschaftslos ist, existiert nicht. Das ist die logische Konsequenz aus Deiner Sichtweise.
Aber dann kann man auch niemandem etwas vorwerfen, auch nicht, dass der einem anderen etwas vorwirft. Denn dann gibt es ja niemanden, nur Abläufe, die einfach ablaufen, so wie sie ablaufen müssen.
Stimmt auch alles. Und da man niemandem etwas vorwerfen kann, sollte es also keinen "Vorwurf" mehr geben, d.h. keine "Schuld".
Also, ich fasse mal zusammen: Du, der nicht existiert, wirfst jemandem, der auch nicht existiert, vor, dass der der einem Dritten, der auch nicht existiert, etwas vorwirft, und zwar deswegen, weil es sich aus der Nichtexistenz aller drei Leute ergibt, dass Vorwürfe moralisch falsch sind.
Klingt für mich in vielerlei Hinsicht reichlich absurd. Aber ich existiere dann ja auch nicht, das macht dann nix.
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Die richtige Frage wäre: wenn eine Person unter bestimmten Umständen auf eine bestimmte Weise reagiert, welche Rückschlüsse kann man dann daraus ziehen auf Situationen, in denen diese Umstände nicht vorhanden sind? Und die Antwort darauf ist: leider keine.
Du wirst Umstände meinen, die auf dem Operationstisch vorhanden waren aber im Alltag nicht. Welche Umstände meinst du beispielsweise?
Ich meine, dass in allen Experimenten jemand von
jemand anderem manipuliert wurde. Wie verhält sich aber jemand, wenn er nicht von anderen manipuliert wird? Das können die Experimente notwendigerweise nicht beantworten.
Man könnte einfach daraus schließen, dass Menschen aus der Erfahrung heraus meinen, nicht grundlos zu handeln, dass sie also meinen, dass alles eine Ursache hat. Und die Situationen in den Experimenten sind ungewöhnlich, entsprechen nicht dem Alltagsgeschehen, in dem ein Mensch die Erfahrung macht, dass seine Überlegungen und Handlungen eine Auswirkung haben und zwar oft die vorher überlegte, dass sie also eine Kontrolle über sich / ihre Handlungen haben, diese beeinflussen können. Eine Kontrolle von außen ist eher eine ungewöhnliche Situation.
Damit die Experimente überhaupt einen Sinn ergeben könnten über die banale Erkenntnis darüber hinaus, dass Menschen sich in allem irren können, was sie annehmen, könnte man sie wie folgt erweitern: man erzeugt einen Stromstroß, der eine bestimmte Bewegung auslöst (den Arm heben z.B.). Und dann sagt man dem Patienten, wie das zustande kam. Und dann wiederholt man das Experiment viele Male und beobachtet, ob der Patient irgendwann mal den Unterschied zwischen einer von außen erzeugten Bewegung und einer selbst erzeugten Bewegung wahrnehmen könnte. Das wäre mal interessant. Allerdings würde das immer jedoch noch nicht viel über Situationen aussagen, die intern gesteuert wurden, man könnte daraus schlicht nicht schließen, dass eine interne Steuerung unmöglich sei, (insofern, als das Unbewusste dem Bewusstsein immer willkürliche, nichts mit der Realität zu tun habende Gründe vorgaukeln würde).
ganimed hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:Aber nehmen wir dennoch einfach mal versuchshalber an, dass das Unbewusste immer nur beliebige Gründe ins Bewusstsein bringen würde, solche, die mit der Realität nichts zu tun haben.
Wieso hat das Unbewusste mit der Realität nichts zu tun und wieso ist es beliebig? Es handelt sich ja nun nicht um einen Zufallsgenerator.
Die Gründe, die die Patienten in den oben genannten Experimenten nannten, waren erfunden, hatten nichts mit der Realität zu tun, waren beliebig, wiewohl sicher nicht ohne Abhängigkeit von vorherigen Erfahrungen).
ganimed hat geschrieben: Was mein Unterbewusstssein entscheidet, mag mir nicht bewusst sein, aber das heisst nur, dass ich es nicht in meinen Erinnerungen abspeichern kann und im bewussten Teil meines Hirns davon eben nichts ankommt. Aber dennoch kann man davon ausgehen, dass auch das Unterbewusstsein eine sehr gut geölte Maschine ist, um die Realtität zu erkennen und mich darin wunderbar zurechtfinden zu lassen.
Wenn das Unbewusste dem Bewusstsein beliebige Gründe vorgaukeln kann, und Du meinst, es wäre plausibel anzunehmen, das wäre
immer so, wieso erweiterst Du das dann nicht für
alle Bewusste, (Wahrnehmungen, Erkenntnis, Begründungen, usw.)?