Willens- bzw. Handlungsfreiheit

Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 6. Jan 2010, 22:24

ganimed hat geschrieben:Auch bei Dennet scheint es mir nach dieser Zusammenfassung um einen sehr pragmatischen Ansatz zu gehen. So nach dem Motto: wäre doch schön, wenn man die alten Definitionen von Person und Willensfreiheit weiter benutzen könnte obwohl es Willensfreiheit im eigentlichen Sinne nicht gibt.

"Willensfreiheit im eigentlichen Sinne" ist ein völlig idiotisches Konzept, per se unlogisch, weil selbstwidersprüchlich und hat rein gar nichts mit Determinismus zu tun.

Kein Wunder also, dass sich die meisten Inkompatibilisten so ausgiebig weigern, es mal explizit darzustellen, z.B. durch ein ausformuliertes Beispiel (denn dann würde die Unlogik offensichtlich).

Und vor allem hat "Willensfreiheit im eigentlichen Sinne" überhaupt keine Bedeutung in der realen Welt. Bzw. es hat keine Auswirkungen, wenn es eine (per se unlogische) "Willensfreiheit im eigentlichen Sinne" nicht gibt (weil es sie nicht geben kann).

ganimed hat geschrieben:Also, wie muss man die Begriffe "Rationalität", "Kontrolle", "Autonomie" und "moralische Verantwortlichkeit" verbiegen, damit man das trotz eingeräumter Determiniertheit weiter Menschen mit freiem Willen hat.

Ja, da ist es wieder. Ich habe schon viele Diskussionen über dieses Thema geführt und das Schema ist immer gleich: der Inkompatibilist behauptet einfach: Freiheit muss notwendigerweise akausal sein - das isso. Er hat die "echte Definition" des freien Willens, aber er weigert sich beharrlich, die darzustellen. Das ist vollkommen absurd, für mich unverständlich.

ganimed hat geschrieben:Erfrischend finde ich an diesem Ansatz, mit welcher Freimütigkeit das geschieht.
    "Wenn es sinnvoll ist (wenn es 'sich auszahlt'), Menschen als moralisch verantwortliche Personen zu behandeln, dann ist das hinreichend dafür, dass moralische Verantwortlichkeit wirklich existiert!"
Alles klar, Dennet, spinn weiter. Wenn es also sinnvoll ist, dass es einen tröstenden Gott gibt, dann sei das ein hinreichendes Argument dafür, dass er auch wirklich existiert? Es sei wahr, was nützlich ist? Ich weiß nicht recht, was ich von so viel Verbiegerei halten soll.

Verantwortung ist askriptiv, nicht deskriptiv (im Unterschied zu einem "tröstenden Gott"). Und in dem Sinne existiert Verantwortung selbstverständlich.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon ganimed » Fr 8. Jan 2010, 03:42

AgentProvocateur hat geschrieben:Völlig egal, ob Du eine Person "Automat" nennst oder nicht, es muss gewisse Vorgänge in der Welt geben, die als ihre angesehen werden. Gibt es die nicht, gibt es auch den Automaten nicht.

Nach den bisherigen Definition von "Person", würde ich sagen, hättest du recht. Eine Person im alten Sinn muss autonom sein, muss einen freien Willen haben. Das hat aber nicht geklappt, sie hat nunmal keinen, also muss eine neue Definition her.
Ich will also eine Person nicht Automat nennen, sondern dem Automaten, der wir sind, will ich eine neue Person-Definition verpassen. Und übrigens gibt es den Automaten und ich kann ihm auch Vorgänge in der Welt zuordnen. Dieses Geschwafel hier beispielsweise, kommt eindeutig von mir. Nur frei erzeugt ist es nicht. Ich als Automat habe weiterhin alle Fähigkeiten, die ein Mensch so hat. Nur den freien Willen musste ich als Fähigkeit streichen.
Es müsste sich also doch eine Definition für eine Person finden lassen, die mit Fähigkeiten aber ohne Freiheit auskommt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Verantwortung: jemand ist rechenschaftspflichtig für die Folgen eigener (absichtlicher, vorsätzlicher) Handlungen.

Diese Definition des Begriffs "Verantwortung" stützt sich auf die Absicht. Was ist aber, wenn die Absicht selber nun gar keine Absicht war sondern von außen induziert wurde? Was ist, wenn wir als Automaten zwar Handlungen ausführen können, aber keine absichtlichen mehr? Deine Definition passt meiner Ansicht also nicht mehr, wenn man uns freien Willen aufgrund der fehlenden Kausalfreiheit abspricht.
Mein Gegenvorschlag: Verantwortung = jemand ist rechenschaftspflichtig für die Folgen aller eigenen Handlungen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Schuld: jemand ist für einen Verstoß gegenüber einer sittlichen, ethisch-moralischen oder gesetzlichen Wertvorstellung verantwortlich.

Mein Gegenvorschlag: Wenn der Verstoß aus der eigenen Handlung der Person besteht, dann ist diese verantwortlich. Schuld ist sie aber mangels ihrer Freiheit nicht. Schuld gibt es schlicht nicht mehr.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wie sind nun Deine neuen Definitionen für Privatrecht und Privatautonomie?

Beim Privatrecht sehe ich bei Wikipedia eigentlicht nichts, was nicht genau so auch ohne freien Willen funktioniert. Kann also so bleiben.
Bei der "Privatautonomie" sieht die Sache anders aus. Wikipedias Definition galoppiert schwungvoll mit der Flagge "freier Wille" los, nur um dann hinterher einzuräumen, dass das in der Realtität aber nicht so ist:
    "Die Privatautonomie ist das Prinzip, dass in einer freien Gesellschaft jeder frei seinen Willen bilden, äußern und diesem Willen entsprechend handeln kann.
    ...
    Tatsächlich bestehen zum Teil große Unterschiede zwischen den Menschen, zum Beispiel in Bezug auf ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten, ihr Wissen und ihre Gewandtheit. In der Realität ist nicht jeder wirtschaftlich und sozial tatsächlich gleichberechtigt, bzw. nicht jeder auch wirklich materiell in der Lage seine rechtlichen Freiheiten zu nutzen, und nicht jeder Wille wird ohne, zum Teil unterschwellige, Zwänge geäußert."
Diesen Schlenker zwischen hehrem aber unrealistischen Anspruch und der Realität hätte man sich sparen können.
Mein Gegenvorschlag: Privatautonomie ist eine Utopie von gleichberechtigten Menschen in einer freien Gesellschaft mit der Maximierung von Handlungsfreiheit für jeden. Um dieser Utopie möglichst nahe zu kommen, ist es in der Regel nötig, per Gesetz für Ausgleich zwischen unterschiedlich berechtigten und befähigten Menschen zu sorgen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was ich sagen wollte: die Aussage "der Mensch ist ein Automat" bedeutet lediglich: "ich bin Naturalist". Es bedeutet nichts mehr als das, bzw., falls doch, dann müsstest Du mal darstellen, was Du damit eigentlich sagen willst.

Es stimmt, eigentlich will ich nicht sagen, dass der Mensch ein heutiger Automat ist, ihm gleichgestellt und gleich behandelt werden sollte. Gute Frage übrigens, weil mir das erst richtig beim Beantworten klar wurde. Mit der Aussage "der Mensch ist ein Automat" will ich eigentlich sagen: "der Mensch ist bezüglich der Willensfreiheit und echten Wahlfreiheit bei Entscheidungen mit einem Automaten vergleichbar, weil er genau so viel hat wie der Automat, nämlich keine."
Der Mensch ist in dieser Hinsicht also wie ein Automat. Da hatte ich bisher wohl deutlich zu ungenau formuliert.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ein Mensch hat andere Eigenschaften als heute bekannte Automaten, deswegen bedeutet die Aussage keineswegs, dass man Menschen wie heutige Automaten behandeln sollte.

Stimmt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was soll denn "Wahlfreiheit" sein? Die "Freiheit" gegen jede Vernunft z.B. das schlechtere Auto wählen zu können? Was hat das mit Freiheit zu tun?

Nehmen wir mal an, ich lasse dir die Wahl, welches Auto du bekommst.
"Fein", sagst du, "dann habe ich also die freie Wahl?"
"Ja", bestätige ich wohlwollend, "allerdings musst du B nehmen, weil das die vernünftige Wahl ist. Aber ansonsten, ja, ansonsten hast du die völlig freie Wahl".
Ist das deine Logik? Man darf sich nicht gegen jede Vernunft entscheiden, aber ansonsten ist man echt frei? Ja was bleibt denn noch an Freiheit, wenn mir die Entscheidung durch die Vernunft vorgegeben wird?

AgentProvocateur hat geschrieben:Und welcher Zwang ist vorhanden, wenn ich z.B. gerne ins Kino gehe, einen bestimmten Film sehen möchte, weil mich die Handlung interessiert und ich mich deswegen dafür entscheide, das zu tun?

Dass ich gerne ins Kino gehe war nicht meine Idee (sondern liegt an meinen bisherigen Erfahrungen und meiner Hirnstruktur). Dass ich diesen bestimmten Film sehen will, liegt nur an äußeren Faktoren (Werbung mit ihrer Andeutung der Handlung, angenehme Assoziationen bezüglich der erwarteten Handlung).
Aufgrund meiner Kinovorliebe und aufgrund meiner Handlungsvorliebe musste ich mich für den Film entscheiden. Bin ja nunmal kausal abhängig. Ich hatte also keine Wahl.
Ich nenne das Zwang. Wie nennst du das?

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich bezweifele schlicht Dein Dogma, dass Determinismus etwas mit dem landläufigen Begriff von "Willensfreiheit" zu tun hat.

Mit landläufig meinst du vermutlich deinen Begriff von Willensfreiheit? Zumindest hatten wir ja hier bereits zwei verschiedene Freiheitsbegriffe genannt. Den kausalen und den sozialen. Wenn ich über die kausale Freiheit rede, dann argumentierst du, dass das mit dem sozialen Begriff nichts zu tun hätte? Dass das jedoch mein Dogma sei? Ich muss das zurückweisen. Ich meinte die kausale Freiheit und nicht die soziale. Und ich habe nie behaupten wollen, dass das Fehlen der kausalen Freiheit bedeuten würde, dass auch die soziale Freiheit weg ist. Kausale Freiheit gibt es nicht. Soziale Freiheit gibt es schon. Aber die soziale Freiheit ist rein pragmatisch, sozusagen freiwillkürlich so definiert, dass es sie gibt. Und sie erlaubt Aussagen über unser soziales Empfinden von Handlungen, nicht über ihren wahren Freiheitsgrad. Und meine wiederholte Frage an dich war ja: wovon ist man denn frei bei der sozialen Freiheit? Nach der Definition von Nanna offenbar lediglich von direkten absichtsvollen Manipulationen seitens der Mitmenschen. Du hast zu meinem Bedauern, zumindest soweit ich das überblicke, auf die Frage "wovon denn frei" noch nicht konkret geantwortet, oder?

AgentProvocateur hat geschrieben:Du müsstest in der Lage sein, einen Entscheidungsvorgang zu skizzieren, der als freier angesehen würde. Du musst es irgendwie plausibel machen können, dass noch etwas zu einer determinierten Entscheidung hinzukommen muss, damit sie als "freier" (oder gar erst als eigentlich "frei") angesehen werden kann. Dein Beispiel mit dem Auto ist dazu überhaupt nicht geeignet, ganz im Gegenteil sogar. Es wäre vollkommen bescheuert, ohne Grund (willkürlich) das schlechtere Auto zu wählen, aber es wäre nicht "frei". Oder? Falls doch: inwiefern?

Doch es wäre frei, bescheuert zu sein. In diesem Fall macht Unvernunft frei.
Entscheidungsvorgang E1 : Ich stehe vor den beiden Autos und wähle frei (also unabhängig von Vernunftgründen) einfach mal das schlechtere Auto A.
Das ist bescheuert aber wenigstens frei von Vernunftsgründen.
Entscheidungsvorgang E2 : Ich stehe vor den beiden Autos und weil B das bessere ist, muss ich B nehmen. Ich bin schließlich nicht bescheuert.
Ich war, um nicht bescheuert zu sein, gezwungen, B zu nehmen.

E1 = Freiheit, E2 = Zwang.

AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, die Frage ist doch aber, was Freiheit überhaupt ist, was man darunter versteht.

Ganz allgemein verstehe ich unter Freiheit das Fehlen von etwas. Ein fleckenfreies Hemd ist frei von Flecken. Eine freie Sicht ist frei von Sichthindernissen. Eine freie Entscheidung ist frei von Zwängen. (Man kann aber natürlich auch meinen: eine freie Entscheidung ist frei von absichtsvollen Manipulationen anderer. Je nach Definition der Willensfreiheit).
Wikipedia neigt hier offenbar zufällig der Definition mit ohne Zwängen zu:

    "Dieser Artikel erläutert Freiheit als politisch-philosophischen Begriff
    ...
    Freiheit (lateinisch libertas) wird in der Regel verstanden als die Möglichkeit, ohne Zwang zwischen verschiedenen Möglichkeiten auswählen und entscheiden zu können."

AgentProvocateur hat geschrieben:Soll "spielt sich im Hirn ab" irgend ein Argument sein? Wenn ja: inwiefern?

Mit blauen Steinen kann man kein rotes Haus bauen. Wenn unser Hirn deterministisch ist, dann sind auch alle in ihm getroffenen Entscheidungen deterministisch. Auch unsere Wünsche, Kinovorlieben und andere Emotionen. Auch unsere selbstgefassten Ziele. Alles. Jeder einzelne Stein ist blau, damit wird jede einzelne Wand blau und letztendlich auch das ganze Haus.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und natürlich haben wir eine Wahl, wir sind nicht gezwungen, Dinge zu tun, sondern wir tun sie, weil wir uns dafür entscheiden. Und das ist doch ein wesentlicher Unterschied oder etwa nicht?

Es ist kein Unterschied, wenn man sich die Mühe macht, nicht bei der ersten Indirektions-Biegung mit der Betrachtung aufzuhören.
Wir tun Dinge, weil wir uns dafür entscheiden. Stimmt. Und wieso entscheiden wir uns für sie? Aus den Gründen A, B und C. Und woher kommen die Gründe A, B und C? Die beruhen auf den Faktoren D, E, F, G, H und I.
Ich finde, man sollte da in Ursachenketten denken. Nicht einfach bei der "Entscheidung" aufhören zu fragen und sie einfach als freien Grund für die Handlung nehmen. Die Ursachenketten können lang werden, sich irrsinnig verzweigen usw. Aber irgendwann führen sie aus unserem Hirn heraus auf externe Faktoren (weil unser Gehirn ja in einer deterministischen Welt erst entstanden ist).
Wir tun Dinge weil wir uns so entscheiden. Wir entscheiden uns so weil A. A weil D. D weil .... weil unsere Mutter so war. Eine lückenlose Kette der kausalen Abhängigkeit und des Zwangs.

AgentProvocateur hat geschrieben:Was soll eine "freie Wahl" in Deinem Sinne sein? Bitte mal beispielhaft skizzieren und dann erklären, inwiefern das mehr Freiheit gewährleisten würde als eine determinierte Entscheidung.

Eine freie Entscheidung in meinem (im kausalen Sinne) wäre, wenn ich mich unabhängig von kausalen Faktoren entschlösse. Also völlig ohne Grund. Mein dualistischer Geist würde indeterminiert einfach mal sagen: kauf A. Die Frage, wieso mein Geist das gesagt hat, wäre unbeantwortbar. Diese Entscheidung für A würde insofern mehr Freihet gewähren, als sie frei vom Diktat (vernünftiger) Gründe wäre.


Zu deinem Zitat von HDP:
    "Es ist zentral für unser Selbstverständnis, dass wir keine Puppen sind; dass wir unser Schicksal durch die Entscheidungen, die wir treffen, kontrollieren; dass wir uns verändern können; dass wir uns entschließen können, sorgfältig durchdachte, anstelle von irrationalen oder gedankenlosen Entscheidungen zu treffen; dass wir keine Sklaven unserer Emotionen sind"
Ich würde sagen: wir verändern unser Schicksal durch unsere Entscheidungen, die wir aber nicht wirklich kontrollieren.
Wir können uns verändern.
Wir können uns entschließen, sorgfältig durchdachte, anstelle von irrationalen oder gedankenlosen Entscheidungen zu treffen. Aber dieser Entschluss wäre nicht frei.
Wir sind zu einem großen Teil Sklaven unserer Emotionen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und zu dem Unbewussten: diesen Beitrag schreibe ich bewusst. Obgleich dabei sehr viele Vorgänge unbewusst ablaufen, d.h. ich überlege mir nicht jedesmal beim Tippen, wo jeder Buchstabe liegt. Denn dann würde ich nie damit fertig, jedoch ist das kein Beleg dafür, dass dieser Beitrag unbewusst entstanden ist.

Du räumst hier ein, dass die Überlegung, wo jeder Buchstabe liegt, bei dir unbewusst abgelaufen ist. Sonst nichts? Das Problem ist doch wohl, dass du nicht wissen kannst, was genau alles unbewusst abgelaufen ist. Wenn du es wüsstest, wäre es dir ja bewusst gewesen. Es ist also prinzipiell nicht möglich zu behaupten, man hätte etwas bewusst getan. Wenn es nämlich nicht so wäre, wüsste man es nicht. Ich erlaube mir also, stark zu bezweifeln, dass du deinen Beitrag bewusst verfasst hast. Zu Teilen ja, aber zu anderen Teilen nein.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 8. Jan 2010, 16:17

Also, ich fasse Deine Auffassung mal ein bisschen zusammen:

1. Alles, was kausale Ursachen hat, ist Zwang. Nur bei etwas, das vollkommen unabhängig von Ursachen geschieht, ist kein Zwang vorhanden. In Kurzform: Kausalität = Zwang, akausal = kein Zwang.

2. Freiheit bedeutet: Freiheit von Zwang.

3. Daraus folgt: nur was akausal geschieht (also zufällig, willkürlich) ist frei.

4. Und alles, was akausal geschieht, ist deswegen schon frei, es muss keine weitere Bedingung mehr hinzukommen. Akausalität alleine ist die notwendige und auch hinreichende Bedingung für Freiheit.

ganimed hat geschrieben:Eine Person im alten Sinn muss autonom sein, muss einen freien Willen haben. Das hat aber nicht geklappt, sie hat nunmal keinen, also muss eine neue Definition her.

Hm, also ein Etwas, das "frei" in deinem Sinne wäre, ("entscheidet" und "handelt" ohne Ursachen und Gründe), würde ich nicht als Person ansehen und ich denke nicht, dass viele andere das tun würden. Auch Entscheidungen und Handlungen würde ich einem solchen Etwas nicht mehr zuordnen können, (daher die Anführungszeichen).

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Verantwortung: jemand ist rechenschaftspflichtig für die Folgen eigener (absichtlicher, vorsätzlicher) Handlungen.

Diese Definition des Begriffs "Verantwortung" stützt sich auf die Absicht. Was ist aber, wenn die Absicht selber nun gar keine Absicht war sondern von außen induziert wurde? Was ist, wenn wir als Automaten zwar Handlungen ausführen können, aber keine absichtlichen mehr? Deine Definition passt meiner Ansicht also nicht mehr, wenn man uns freien Willen aufgrund der fehlenden Kausalfreiheit abspricht.
Mein Gegenvorschlag: Verantwortung = jemand ist rechenschaftspflichtig für die Folgen aller eigenen Handlungen.

Wenn Du den Begriff "Absicht" streichen willst, dann verstehe ich nicht, was Du mit "eigene Handlungen" meinst, wie Du eine solche zuordnen willst. Mein Lieblingsbeispiel dafür: A stößt B auf C. Ist das eine eigene Handlung von B und wenn nicht, warum nicht?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Schuld: jemand ist für einen Verstoß gegenüber einer sittlichen, ethisch-moralischen oder gesetzlichen Wertvorstellung verantwortlich.

Mein Gegenvorschlag: Wenn der Verstoß aus der eigenen Handlung der Person besteht, dann ist diese verantwortlich. Schuld ist sie aber mangels ihrer Freiheit nicht. Schuld gibt es schlicht nicht mehr.

Das verstehe ich nu' überhaupt nicht. Entweder sagst Du, meine Definition sei falsch / ungenügend und gibst eine andere oder, wenn Du ihr zustimmst, dann musst Du sagen, was davon, auf das sich die Definition bezieht, es nicht mehr geben soll: also entweder Verantwortung oder Verstöße gegen Normen.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Was soll denn "Wahlfreiheit" sein? Die "Freiheit" gegen jede Vernunft z.B. das schlechtere Auto wählen zu können? Was hat das mit Freiheit zu tun?

Nehmen wir mal an, ich lasse dir die Wahl, welches Auto du bekommst.
"Fein", sagst du, "dann habe ich also die freie Wahl?"
"Ja", bestätige ich wohlwollend, "allerdings musst du B nehmen, weil das die vernünftige Wahl ist. Aber ansonsten, ja, ansonsten hast du die völlig freie Wahl".
Ist das deine Logik? Man darf sich nicht gegen jede Vernunft entscheiden, aber ansonsten ist man echt frei? Ja was bleibt denn noch an Freiheit, wenn mir die Entscheidung durch die Vernunft vorgegeben wird?

Natürlich darf man sich gegen jede Vernunft entscheiden. Mir ist nur nicht klar, was das mit Freiheit zu tun haben sollte. Nach Deiner Definition von Freiheit natürlich schon, demnach wäre ein solcher Mensch frei, der unabhängig von allem (also auch seinen Wünschen, Überlegungen, Vorlieben, Zielen, Gründen, seiner Vernunft) entscheiden würde. Mir kommt das nur so furchtbar unplausibel vor, sorry.

ganimed hat geschrieben:Aufgrund meiner Kinovorliebe und aufgrund meiner Handlungsvorliebe musste ich mich für den Film entscheiden. Bin ja nunmal kausal abhängig. Ich hatte also keine Wahl.
Ich nenne das Zwang. Wie nennst du das?

Ich nenne das eine eigene, selbstbestimmte Handlung. Dein Verständnis von "Zwang" entspricht nicht meinem. Für mich ist im Gegenteil eine Handlung zwanghaft, die nicht kontrolliert werden kann. Und eine willkürliche Handlung kann nicht kontrolliert werden, z.B. siehe Tourette-Syndrom. Jemand mit Tourette-Syndrom wäre nach meiner Ansicht bei durch das Syndrom verursachten Zuckungen (oder Äußerungen) unfrei, er handelte zwanghaft, nach Deiner Ansicht aber wäre er frei, weil er nicht in Deinem Sinne zwanghaft handelt, (denken wir uns nun einfach eine hypothetische teilweise indetermierte Welt, mit der unseren identisch, mit dem einzigen Unterschied, dass die Tourette-Zuckungen / Äußerungen / Tics echt zufällig erfolgten).

ganimed hat geschrieben:Du hast zu meinem Bedauern, zumindest soweit ich das überblicke, auf die Frage "wovon denn frei" noch nicht konkret geantwortet, oder?

Doch, habe ich. Ich sehe Willensfreiheit sowohl als "Freiheit von" (äußeren und inneren Zwängen) als auch als "Freiheit zu" (vernünftigen Überlegungen, sich eigene Ziele zu setzen, Normen zu verstehen und zu hinterfragen etc.)

ganimed hat geschrieben:Wir tun Dinge weil wir uns so entscheiden. Wir entscheiden uns so weil A. A weil D. D weil .... weil unsere Mutter so war. Eine lückenlose Kette der kausalen Abhängigkeit und des Zwangs.

Ja, klar, wenn man Zwang einfach so definiert, dass Kausalität == Zwang gilt, dann folgt das natürlich aus dem Determinismus. Es folgt jedoch auch, das dann ein Mensch mit Tourette-Syndrom bezüglich der dadurch entstehenden Zuckungen frei sei.

ganimed hat geschrieben:Ich würde sagen: wir verändern unser Schicksal durch unsere Entscheidungen, die wir aber nicht wirklich kontrollieren.

Herrje, was ist denn nun wieder "wirklich kontrollieren"? Wenn man willkürlich entscheidet und handelt, so wie jemand mit Tourette-Syndrom?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Und zu dem Unbewussten: diesen Beitrag schreibe ich bewusst. Obgleich dabei sehr viele Vorgänge unbewusst ablaufen, d.h. ich überlege mir nicht jedesmal beim Tippen, wo jeder Buchstabe liegt. Denn dann würde ich nie damit fertig, jedoch ist das kein Beleg dafür, dass dieser Beitrag unbewusst entstanden ist.

Du räumst hier ein, dass die Überlegung, wo jeder Buchstabe liegt, bei dir unbewusst abgelaufen ist. Sonst nichts?

Doch, jede Menge sogar, ich hätte besser oben "zum Beispiel" schreiben sollen. Aber wo ist das Problem, wo der Zusammenhang? Meiner Ansicht nach bin ich nicht lediglich mein Bewusstsein, sondern meine unbewussten Vorgänge sind Teil von mir.

Und meine Beiträge schreibe ich bewusst, glaube mir das einfach. Das bedeutet aber schlicht nicht, dass es dabei keine unbewussten Vorgänge gäbe, (die gibt es immer), es bedeutet lediglich, dass ich die nicht völlig unbewusst schreibe.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon ganimed » Fr 8. Jan 2010, 19:03

AgentProvocateur hat geschrieben:Also, ich fasse Deine Auffassung mal ein bisschen zusammen:

1. Alles, was kausale Ursachen hat, ist Zwang. Nur bei etwas, das vollkommen unabhängig von Ursachen geschieht, ist kein Zwang vorhanden. In Kurzform: Kausalität = Zwang, akausal = kein Zwang.

2. Freiheit bedeutet: Freiheit von Zwang.

3. Daraus folgt: nur was akausal geschieht (also zufällig, willkürlich) ist frei.

4. Und alles, was akausal geschieht, ist deswegen schon frei, es muss keine weitere Bedingung mehr hinzukommen. Akausalität alleine ist die notwendige und auch hinreichende Bedingung für Freiheit.

Ich korrigiere:
1. Kausale Ursachen sind Zwang. Alles was 100% kausal abhängig ist, ist vollständiger Zwang und null Freiheit. Etwas, das wenigstens teilweise unabhängig von Ursachen geschieht, wäre teilweise frei. In Kurzform: kausale Abhängigkeit = Zwang, keine vollständige kausale Abhängigkeit = Freiheit.

2. stimmt

3. stimmt

4. Und alles, was akausal geschieht, ist deswegen schon frei (von kausalen Abhängigkeiten), es muss keine weitere Bedingung mehr hinzukommen. Akausalität alleine ist die notwendige und auch hinreichende Bedingung für Freiheit (von kausalen Abhängigkeiten).

Ich anerkenne mindestens zwei Freiheitsbegriffe, kausal und sozial. Punkt 4 stimmt, wenn es auf den einen Begriff der kausalen Freiheit bezogen ist.


AgentProvocateur hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Eine Person im alten Sinn muss autonom sein, muss einen freien Willen haben. Das hat aber nicht geklappt, sie hat nunmal keinen, also muss eine neue Definition her.

Hm, also ein Etwas, das "frei" in deinem Sinne wäre, ("entscheidet" und "handelt" ohne Ursachen und Gründe), würde ich nicht als Person ansehen und ich denke nicht, dass viele andere das tun würden. Auch Entscheidungen und Handlungen würde ich einem solchen Etwas nicht mehr zuordnen können, (daher die Anführungszeichen).

Ich verstehe deine Logik nicht immer ganz. Wenn ich das hier richtig verstehe, stimmst du mir eigentlich zu, weil du die alte Definition, die ich ja ersetzt wissen möchte, als unpassend empfindest? Früher haben wir den Mensch Person genannt, wobei wir "Person" definierten mit "Mensch mit freiem Willen". Nun behaupte ich, dass der Mensch keinen freien Willen hat und wir deshalb eine neue Definition von "Person" brauchen. Dann sagst du, dass der Mensch aber einen freien Willen haben müsse, weil er ja sonst keine "Person" nach der alten Definition wäre. Wir sagen also eigentlich beide das gleiche. Nur komme ich zu dem Schluss, dass die Definition von "Person" falsch war, und du scheinst zu folgern, dass das mit der kausalen Freiheit dann eben Quatsch sein müsse.
Wie wäre es, wenn du dich richtig rum auf das Pferd setzt und nach vorne schaust. Wir verfälschen einfach nicht mehr die Realität wie das die Kompatibilisten so gerne tun, sondern wir sehen sie ein und erkennen an, dass der Mensch keinen freien Willen hat. Und dann basteln wir eine neue Definition für "Person". Ich habe den Eindruck, wir drehen uns ansonsten im Kreis :)

AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Du den Begriff "Absicht" streichen willst, dann verstehe ich nicht, was Du mit "eigene Handlungen" meinst, wie Du eine solche zuordnen willst. Mein Lieblingsbeispiel dafür: A stößt B auf C. Ist das eine eigene Handlung von B und wenn nicht, warum nicht?

Gutes Beispiel, weil es mich tatsächlich ins Schwitzen bringt. Perplex und dreimal nachgedacht. Es ist eine Handlung von A, weil A seine Muskeln spielen ließ und die ursprüngliche Kraft aufbrachte, die dann auf B übertragen wurde, der sie aber nur aus Trägheit an C weitergab. B hat keinen Finger gerührt und wurde nur geschubst. A hat sich dafür entschieden, B zu schubsen. Die Entscheidung von A (unfrei und ohne Absicht, aber dennoch eine Entscheidung) entlarvt ihn als Handelnden.


AgentProvocateur hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Schuld: jemand ist für einen Verstoß gegenüber einer sittlichen, ethisch-moralischen oder gesetzlichen Wertvorstellung verantwortlich.


Mein Gegenvorschlag: Wenn der Verstoß aus der eigenen Handlung der Person besteht, dann ist diese verantwortlich. Schuld ist sie aber mangels ihrer Freiheit nicht. Schuld gibt es schlicht nicht mehr.


Das verstehe ich nu' überhaupt nicht. Entweder sagst Du, meine Definition sei falsch / ungenügend und gibst eine andere oder, wenn Du ihr zustimmst, dann musst Du sagen, was davon, auf das sich die Definition bezieht, es nicht mehr geben soll: also entweder Verantwortung oder Verstöße gegen Normen.

Ich fand deine Definition tatsächlich falsch, insofern als ich den definierten Begriff "Schuld" nicht mehr sehe. Du beschreibst hier nur einen Spezialfall von Verantwortung. Ich finde, diesen Spezialfall braucht es nicht, er erfüllt keinen Sinn. Daher gab ich auch keinen Gegenvorschlag für eine Schulddefinition an. Aus meiner Sicht kann die Definition für Schuld unterbleiben, weil es sie nicht mehr gibt. Die beiden Begriffe, die du in deiner Definition verwendet hast, sehe ich schon noch. Also sowohl Verantwortung als auch Normenverstöße müsste es auch ohne freien Willen noch geben.

AgentProvocateur hat geschrieben:Nach Deiner Definition von Freiheit natürlich schon, demnach wäre ein solcher Mensch frei, der unabhängig von allem (also auch seinen Wünschen, Überlegungen, Vorlieben, Zielen, Gründen, seiner Vernunft) entscheiden würde. Mir kommt das nur so furchtbar unplausibel vor, sorry.

Du scheinst nicht bereit zu sein, meine Definition als Grundlage zu nehmen, wenn du das Wort "frei" bei mir liest. Zumindest gewinne ich den Eindruck. Du folgst meinem Argument einen halben Satz lang, ersetzt dann aber aus Versehen den Freiheitsbegriff wieder durch deinen, und plötzlich erscheint dir wieder alles völlig unplausibel. Wäre jetzt zumindest mein Erklärungsversuch.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ich sehe Willensfreiheit sowohl als "Freiheit von" (äußeren und inneren Zwängen) als auch als "Freiheit zu" (vernünftigen Überlegungen, sich eigene Ziele zu setzen, Normen zu verstehen und zu hinterfragen etc.)

Du nennst hier doch eigentlich beide Freiheitsbegriffe in einem Atemzug.
1. Kausale Freiheit : frei sein vom Zwang der kausalen Abhängigkeit
2. Soziale Freiheit : Immunität gegenüber sozialer Beeinflussung durch eigene Vernunft und Denkkraft
Ich sehe Freiheit auch sowohl als 1 als auch als 2. Aber nicht gleichzeitig. Die beiden Begriffe scheinen mir widersprüchlich, wenn man sie gleichzeitig anwendet. Denn in einer deterministischen Welt kann es 1 nicht geben. Wenn du aber definierst, dass zur Freiheit sowohl 1 als auch 2 benötigt wird, dann würde es ja nie Freiheit geben, weder kausal noch sozial. Ich plädiere also für eine saubere Trennung der beiden Begriffe. Das würde vielleicht auch unseren zirkulären Argumentationsmarathon abkürzen helfen (obschon mir das durchaus großen Spaß macht und mir immer wieder Aha-Erlebnisse liefert).

Meine Meinung bei strikter Trennung der Freiheitsbegriffe:
1 gibt es nicht. Daraus folgt: Umdefinition der Begriffe "Person", "Privatautonomie" und "Verantwortung" und Streichung des Begriffes "Schuld".
2 gibt es. Daraus folgt: öh, habe ich mir noch nicht richtig überlegt. Aber ich denke, die 'alten' Vorstellungen von Autonomie, freier Gesellschaft und Menschenrechten, also das ganze humanistische Arsenal kann man weiterhin verwenden. Man müsste halt nur nochmal alle Definitionen durchgehen und erstmal profan die Hinweise auf "freien Willen" streichen bzw. auf den sozialen Kontext einschränken, wenn man es genau nähme.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Sa 9. Jan 2010, 16:26

ganimed hat geschrieben:Früher haben wir den Mensch Person genannt, wobei wir "Person" definierten mit "Mensch mit freiem Willen".

Du meinst wohl hier mit "freiem Willen" einen "akausalen Willen". Aber so wird eine Person mAn nicht definiert (Person = jemand mit akausalem Willen) und wurde sie auch nicht.

Ein "akausaler Wille" hat übrigens zwar schon etwas mit den Konzepten "Autonomie", "Verantwortung" und "Schuld" zu tun, jedoch insofern, als er diesen widerspricht. D.h. jemand mit einem akausalen Willen würde (in Bezug darauf) nicht als autonom, verantwortlich und schuldfähig angesehen (siehe mein Beispiel oben: Tourette-Syndrom).

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Wenn Du den Begriff "Absicht" streichen willst, dann verstehe ich nicht, was Du mit "eigene Handlungen" meinst, wie Du eine solche zuordnen willst. Mein Lieblingsbeispiel dafür: A stößt B auf C. Ist das eine eigene Handlung von B und wenn nicht, warum nicht?

Gutes Beispiel, weil es mich tatsächlich ins Schwitzen bringt. Perplex und dreimal nachgedacht. Es ist eine Handlung von A, weil A seine Muskeln spielen ließ und die ursprüngliche Kraft aufbrachte, die dann auf B übertragen wurde, der sie aber nur aus Trägheit an C weitergab. B hat keinen Finger gerührt und wurde nur geschubst. A hat sich dafür entschieden, B zu schubsen. Die Entscheidung von A (unfrei und ohne Absicht, aber dennoch eine Entscheidung) entlarvt ihn als Handelnden.

Hm, weiß noch nicht so genau, worauf das hinausläuft, was es genau bedeuten soll, wenn Du sagst, es könne keine Absicht geben.

Fragen dazu: was ist eine Handlung? Was ist eine Entscheidung? Kann es eine unabsichtliche Handlung geben? Ist z.B. das Ausrutschen auf einer Bananenschale eine Handlung? Ist ein plötzlicher Tic eines Menschen mit Tourette-Syndrom eine Handlung? Hat er sich dafür entschieden?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Schuld: jemand ist für einen Verstoß gegenüber einer sittlichen, ethisch-moralischen oder gesetzlichen Wertvorstellung verantwortlich.
[...]
Ich fand deine Definition tatsächlich falsch, insofern als ich den definierten Begriff "Schuld" nicht mehr sehe. Du beschreibst hier nur einen Spezialfall von Verantwortung. Ich finde, diesen Spezialfall braucht es nicht, er erfüllt keinen Sinn. Daher gab ich auch keinen Gegenvorschlag für eine Schulddefinition an. Aus meiner Sicht kann die Definition für Schuld unterbleiben, weil es sie nicht mehr gibt. Die beiden Begriffe, die du in deiner Definition verwendet hast, sehe ich schon noch. Also sowohl Verantwortung als auch Normenverstöße müsste es auch ohne freien Willen noch geben.

Also gibt es auch noch Schuld, denn so habe ich sie definiert. Ich verstehe Deinen Einwand nicht. Ich habe mich in meiner Definition nicht auf einen akausalen Willen bezogen und das wäre auch unsinnig, denn jemand mit einem akausalen Willen wäre mE nicht schuldfähig. Und natürlich sollten wir weiterhin feststellen, wer für eine Normverletzung verantwortlich war. Falls wir nicht einfach so jede Normverletzung hinnehmen wollen. Oder sollten wir das tun, ist es das, was Du forderst? Ich verstehe nicht, worauf Du hinauswillst.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Ich sehe Willensfreiheit sowohl als "Freiheit von" (äußeren und inneren Zwängen) als auch als "Freiheit zu" (vernünftigen Überlegungen, sich eigene Ziele zu setzen, Normen zu verstehen und zu hinterfragen etc.)

Du nennst hier doch eigentlich beide Freiheitsbegriffe in einem Atemzug.
1. Kausale Freiheit : frei sein vom Zwang der kausalen Abhängigkeit
2. Soziale Freiheit : Immunität gegenüber sozialer Beeinflussung durch eigene Vernunft und Denkkraft
Ich sehe Freiheit auch sowohl als 1 als auch als 2. Aber nicht gleichzeitig. Die beiden Begriffe scheinen mir widersprüchlich, wenn man sie gleichzeitig anwendet. Denn in einer deterministischen Welt kann es 1 nicht geben. Wenn du aber definierst, dass zur Freiheit sowohl 1 als auch 2 benötigt wird, dann würde es ja nie Freiheit geben, weder kausal noch sozial.

Hm, nö, da hast Du etwas falsch verstanden. Ich habe doch oben erklärt, dass ich unter Zwang etwas anderes verstehe als Du. Kausalität ist mE kein Zwang, ich halte diese Ansicht für unbegründet und auch für unsinnig, mit merkwürdigen Konsequenzen (-> jemand, der tut, was er will, handelte zwanghaft, jemand mit Tourette-Syndrom handelte ohne Zwänge).

Mit Freiheit von äußeren und inneren Zwängen meine also nicht "Freiheit von Kausalität", sondern Freiheit von Umständen, die die eigene Willensbildung oder die Handlungsfreiheit einschränken. Ein innerer Zwang ist für mich z.B. eine Phobie oder eine Sucht, ein äußerer Zwang wäre z.B. eine Pistole an der Schläfe, verbunden mit der Aufforderung, etwas zu tun, was ich nicht will.

ganimed hat geschrieben:Ich plädiere also für eine saubere Trennung der beiden Begriffe.

Ich plädiere für Folgendes: das, was Du hier anscheinend immer mit "freiem Willen" meinst, nennen wir präziser "akausalen Willen", das, was Du mit "Freiheit" meinst, nennen wir präziser "Akausalität".

Dann würde vielleicht einiges klarer.

Die Begriffe "akausaler Wille", "akausale Handlung" und "akausale Entscheidung" halte ich übrigens für in sich widersprüchlich, denn alle drei Begriffe (Wille, Handlung und Entscheidung) beinhalten mE Intentionalität und ein gewisses Maß an Kontrolle. Und "Akausalität" ist mE dazu ein Widerspruch.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon ganimed » So 10. Jan 2010, 17:16

AgentProvocateur hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Früher haben wir den Mensch Person genannt, wobei wir "Person" definierten mit "Mensch mit freiem Willen".


Du meinst wohl hier mit "freiem Willen" einen "akausalen Willen". Aber so wird eine Person mAn nicht definiert (Person = jemand mit akausalem Willen) und wurde sie auch nicht.

Du hast Recht. Ich finde auf Wikipedia beispielsweise die folgende Definition und vermute, dass hier tatsächlich der soziale Freiheitsbegriff gemeint ist:
    "Person im philosophischen Sinn ... wird eine gewisse Freiheit der Entscheidung und Verantwortlichkeit für sein Handeln zugeschrieben."
Wenn man "gewisse Freiheit" nun also im sozialen Sinn meint, und das scheint mir sinnvoll, dann, muss ich zugeben, ist die Definition "Person" doch nicht überarbeitungswürdig. Kann so bleiben.


AgentProvocateur hat geschrieben:Hm, weiß noch nicht so genau, worauf das hinausläuft, was es genau bedeuten soll, wenn Du sagst, es könne keine Absicht geben.

Fragen dazu: was ist eine Handlung? Was ist eine Entscheidung? Kann es eine unabsichtliche Handlung geben? Ist z.B. das Ausrutschen auf einer Bananenschale eine Handlung? Ist ein plötzlicher Tic eines Menschen mit Tourette-Syndrom eine Handlung? Hat er sich dafür entschieden?

Knifflige Fragen. Ich stricke mal adhoc die Begriffe Absicht, Handlung und Entscheidung zusammen. Da müsste man vermutlich eigentlich mal richtig Quellen studieren und mit ungleich mehr Sorgfalt die passenden Definitionen heraus suchen. Aber ich pflege nur selten der Sorgfalt bezichtigt zu werden :)

Eine Handlung ist das, was ein Mensch willentlich ausführt.
Eine Entscheidung ist der Vorgang im Gehirn, der den Willen zu einer Handlung erzeugt, der zur Bildung des Willens führt.
Absicht ist ein Wille, der dem Menschen bewusst ist.
Es kann unabsichtliche Handlungen geben, dann nämlich, wenn der Wille zur Handlung größtenteils unbewusst ist.
Das Ausrutschen auf einer Bananenschale ist keine Handlung, da keine Wille und keine Absicht vorlag. Das Hinfallen und Abrollen ist schon eher wieder eine Handlung. Größtenteils unbewusst ablaufend, sozusagen reflexgesteuert, und daher unabsichtlich.
Ein unkontrollierter Tic ist strenggenommen auch eine Handlung, falls die auslösenden Nervensignale aus dem Gehirn kommen. Dort hat sich aufgrund neuronaler Vorgänge, auch wenn sie krankhaft sein mögen, die Entscheidung zur Ausführung ergeben. In der Regel aber völlig unbewusst und daher unbeabsichtigt.

AgentProvocateur hat geschrieben:Schuld: jemand ist für einen Verstoß gegenüber einer sittlichen, ethisch-moralischen oder gesetzlichen Wertvorstellung verantwortlich.

Also gibt es auch noch Schuld, denn so habe ich sie definiert. Ich verstehe Deinen Einwand nicht. Ich habe mich in meiner Definition nicht auf einen akausalen Willen bezogen und das wäre auch unsinnig, denn jemand mit einem akausalen Willen wäre mE nicht schuldfähig. Und natürlich sollten wir weiterhin feststellen, wer für eine Normverletzung verantwortlich war. Falls wir nicht einfach so jede Normverletzung hinnehmen wollen. Oder sollten wir das tun, ist es das, was Du forderst? Ich verstehe nicht, worauf Du hinauswillst.

Ich muss zugeben, meine Kritik an deiner Definition war recht unpräzise und wenig durchdacht. Neuer Versuch: Wenn jemand für eine Handlung verantwortlich ist, dann heißt das für mich, dass er diese Handlung ausgeführt hat. Ob absichtlich (bewusst) oder unabsichtlich (mehrheitlich unbewusste Entscheidungsfaktoren) ist dabei egal. Wichtig ist, wer die Verantwortung hat sollte entsprechend auch bestraft bzw. sanktioniert werden. Insofern muss man Normverletzungen also keineswegs hinnehmen. Das alles aber auf der Grundlage des Begriffes "Verantwortung".

Du gingst aber einen Schritt weiter und hast "Schuld" definiert. "Schuld" ist, im Gegensatz zur Verantwortung, dass man die Handlung nicht nur dem Handelnden zuordnet, sondern sie ihm auch vorwirft. Und dieser Vorwurf ergibt sich aus der Unterstellung, dass der Handelnde auch anders gekonnt hätte, aber aus Bosheit nicht wollte. "Schuld" ist so gesehen also ein moralisches Werturteil, welches das Konzept der Handlungsfreiheit voraussetzt. Aber der Begriff "Handlungsfreiheit" fehlt mir in deiner Definition, letztendlich fehlt der Bezug zum "akausalen Willen", wenn man so will. Ohne akausalen Willen keine Handlungsfreiheit und ohne Handlungsfreiheit keine Schuld.


AgentProvocateur hat geschrieben:Kausalität ist mE kein Zwang, ich halte diese Ansicht für unbegründet und auch für unsinnig, mit merkwürdigen Konsequenzen

Vollständige Kausalität bedeutet, dass wenn kausale Ursachenmenge A vorliegt, dass dann immer und überall Entscheidung B getroffen wird. Welche Entscheidung ein Mensch also trifft, hängt vollständig von den kausalen Ursachen ab. Durch Umformulierung dieses Sachverhalts ergibt sich: Die kausale Ursachenmenge A erzwingt die Entscheidung B. Etwas was zwingt sollte man doch Zwang nennen können. Und diesen einfachen sprachlichen Zusammenhang hälst du für unbegründet und unsinnig? Das ist wohl der Punkt, der mich am meisten in Erstaunen versetzt. Vielleicht würde es mir verstehen helfen, wenn du aus deiner Sicht die Gegenposition begründen würdest, warum kausale Abhängigkeit kein Zwang sein soll? Welchen Freiheitsgrad lässt die kausale Abhängigkeit mir?

AgentProvocateur hat geschrieben:Mit Freiheit von äußeren und inneren Zwängen meine also nicht "Freiheit von Kausalität", sondern Freiheit von Umständen, die die eigene Willensbildung oder die Handlungsfreiheit einschränken.

Die kausale Abhängigkeit ist aber doch die Obermenge aller Umstände, die die eigene Freiheit einschränken. Mir jedenfalls fällt kein Umstand ein, der meine Entscheidungsfreiheit einschränkt aber kein kausaler Faktor ist. Kannst du einen nennen?

AgentProvocateur hat geschrieben:Mit Freiheit von äußeren und inneren Zwängen meine also nicht "Freiheit von Kausalität", sondern Freiheit von Umständen, die die eigene Willensbildung oder die Handlungsfreiheit einschränken. Ein innerer Zwang ist für mich z.B. eine Phobie oder eine Sucht, ein äußerer Zwang wäre z.B. eine Pistole an der Schläfe, verbunden mit der Aufforderung, etwas zu tun, was ich nicht will.

Nach deiner Aussage schränken die von dir hier genannten Zwänge die Willensbildung bzw. die Handlungsfreiheit ein. Ich sehe das anders. Für mich sind die hier genannten Umstände einfach nur Bausteine bei der Willensbildung. Entscheidungsfaktoren, wenn man so will. Wären es nicht diese Zwänge, dann wären andere da, die eine Entscheidung herbei führten. Deine Unterscheidung zwischen einschränkenden und nicht einschränkenden Umständen halte ich daher für unbegründet.

Bleiben wir mal bei dem Beispiel mit der Pistole. Nach deinen Worten zwingt mich die Pistole etwas zu tun, was ich nicht will. Genauer betrachtet, zwingt mich aber die Pistole nur, etwas anderes zu wollen als ich ohne sie gewollt hätte. Denn ich will dem Kerl ja meine Brieftasche geben, sobald ich einsehe, dass mir mein Leben lieber ist. Die Pistole kommt als neuer, äußerlicher Entscheidungsfaktor ins Spiel und beeinflusst entsprechend meine Entscheidung.
Aber auch ohne sie hört der Zwang nicht auf und ich würde nicht plötzlich "frei". Wäre keine Pistole in Sicht, würde ich eben etwas anderes wollen: sagen wir, meinen Weg nach Hause hastig fortsetzen, weil ich kalte Füße habe und möglichst schnell an die Heizung gelangen möchte. Würdest du hier nach deiner Definition einen Zwang sehen? Stellt die winterliche Kälte einen solchen Zwang dar, einen Umstand, der meine Handlungsfreiheit einschränkt? Ich meine: ja.
Ich finde, sie stellt einen ursächlichen Einflussfaktor dar, je nach Kältegrad und anderen Umstände möglicherweise den entscheidenden, den zwingenden. Wäre die Kälte nicht da, würde ich mich anders entscheiden und vorher noch am Zeitschriftenkiosk vorbei schlendern, um den neusten Supermancomic zu kaufen. Wäre meine Vorliebe für Superheldencomics nicht da, nun dann würde ich etwas anderes tun aus anderen kausalen Gründen. Usw, usw. Irgendwas ist immer. Wieso also und nach welchem Kriterium unterscheidest du in Faktoren, die du Zwänge zu nennen bereit bist, und solche Faktoren, die für dich keinen Zwang darstellen? Und wie nennst du diese anderen Faktoren?

Oder anders gefragt: wo fängt für dich die Einschränkung der Handlungsfreiheit an: erst bei der Pistole? Oder bereits bei der Kälte? Oder sogar schon bei der Vorliebe für Comics?
Ich finde, alle drei Faktoren beeinflussen meine Entscheidung jeweils sehr stark, so dass mir keine Wahl gelassen wird. Ist die Pistole da, geb ich mein Geld her. Ist mir sehr kalt, suche ich die Wärme auf. Bietet jemand tolle Comics an, gehe ich hin und kaufe sie. Ich sehe in allen drei Fällen, in allen drei Entscheidungen denselben Freiheitsgrad, nämlich 0.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 11. Jan 2010, 00:53

ganimed hat geschrieben:Neuer Versuch: Wenn jemand für eine Handlung verantwortlich ist, dann heißt das für mich, dass er diese Handlung ausgeführt hat. Ob absichtlich (bewusst) oder unabsichtlich (mehrheitlich unbewusste Entscheidungsfaktoren) ist dabei egal. Wichtig ist, wer die Verantwortung hat sollte entsprechend auch bestraft bzw. sanktioniert werden. Insofern muss man Normverletzungen also keineswegs hinnehmen. Das alles aber auf der Grundlage des Begriffes "Verantwortung".

Hm, mit einem "unabsichtlichen Willen" und einer "unabsichtlichen Handlung" habe ich noch so meine Schwierigkeiten, das bekomme ich noch nicht so recht zusammen mit meinem Verständnis von "Willen" und "Handlung", denn da sind die immer absichtlich.

Jemand, der unter dem Tourette-Syndrom leidet, will nicht das tun, was er tut, es passiert ihm einfach, gegen seinen Willen, nicht seiner Kontrolle unterliegend, er kann es noch nicht einmal vorhersehen, wann es wieder passieren wird. Ist er dAn dennoch dafür verantwortlich und kann daher sanktioniert werden?

ganimed hat geschrieben:Du gingst aber einen Schritt weiter und hast "Schuld" definiert. "Schuld" ist, im Gegensatz zur Verantwortung, dass man die Handlung nicht nur dem Handelnden zuordnet, sondern sie ihm auch vorwirft. Und dieser Vorwurf ergibt sich aus der Unterstellung, dass der Handelnde auch anders gekonnt hätte, aber aus Bosheit nicht wollte. "Schuld" ist so gesehen also ein moralisches Werturteil,

Klar, viele Normverletzungen werden als moralisch falsch angesehen. Und wenn jemand sich (bewusst, absichtlich) entscheidet, eine solche durchzuführen, dann wirft man ihm das vor und fordert ihn damit auf, in Zukunft anders zu handeln. Und wenn äußere Umstände nicht seine Handlung bedingt haben und er keine plausiblen Entschuldigungsgründe anführen kann, dann kann man daraus schließen, dass das auf seinem Mist gewachsen ist. Man wirft ihm also seine Einstellung vor, die zu seiner Tat geführt hat und möchte darauf einwirken, dass er sie zumindest insofern ändert, dass er die Tat zukünftig nicht mehr ausführt (und auch andere insofern beeinflussen, die die gleiche Einstellung haben).

ganimed hat geschrieben:welches das Konzept der Handlungsfreiheit voraussetzt. Aber der Begriff "Handlungsfreiheit" fehlt mir in deiner Definition, letztendlich fehlt der Bezug zum "akausalen Willen", wenn man so will. Ohne akausalen Willen keine Handlungsfreiheit und ohne Handlungsfreiheit keine Schuld.

Dazu braucht man aber keinen akausalen Willen, im Gegenteil sogar, jemandem, der etwas aufgrund eines (von ihm nicht kontrollierbaren) Zufalles tut, der hat das wohl kaum absichtlich gemacht und man kann daraus auch nicht schließen, dass er es in Zukunft wieder tun wird. Es ist in jeder Hinsicht sinnlos, jemandem etwas vorzuwerfen, was außerhalb seiner Kontrolle lag. Aus einem akausalen Willen kann also kein Vorwurf konstruiert werden, ich wüsste jedenfalls nicht, wie. Du?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Mit Freiheit von äußeren und inneren Zwängen meine also nicht "Freiheit von Kausalität", sondern Freiheit von Umständen, die die eigene Willensbildung oder die Handlungsfreiheit einschränken. Ein innerer Zwang ist für mich z.B. eine Phobie oder eine Sucht, ein äußerer Zwang wäre z.B. eine Pistole an der Schläfe, verbunden mit der Aufforderung, etwas zu tun, was ich nicht will.

Nach deiner Aussage schränken die von dir hier genannten Zwänge die Willensbildung bzw. die Handlungsfreiheit ein. Ich sehe das anders. Für mich sind die hier genannten Umstände einfach nur Bausteine bei der Willensbildung. Entscheidungsfaktoren, wenn man so will. Wären es nicht diese Zwänge, dann wären andere da, die eine Entscheidung herbei führten. Deine Unterscheidung zwischen einschränkenden und nicht einschränkenden Umständen halte ich daher für unbegründet.

Meine Unterscheidung basiert einfach darauf, dass es mAn innere Faktoren (diejenigen, die die Person überhaupt erst ausmachen) gibt und äußere Faktoren. Ein innerer Faktor, (zum Beispiel eine Vorliebe für Comics), wäre demnach kein Zwang.

Zwang ist für mich etwas, das mich dazu bringt, etwas zu tun, (oder zu wollen), was ich eigentlich nicht will, was meinen Zielen und Einstellungen widerspricht. Daher wäre ein akausaler Wille für mich auch Zwang, denn es erscheint ja eher unwahrscheinlich, dass ich zufällig gerade das will, zu dem er mich bringt.

Aber meine Vorlieben sehe ich nicht als Zwang an, denn darauf beruhen ja meine Ziele und Einstellungen und darauf müssen sie auch beruhen, damit es meine sind. Und (völlig) akausal entstandene Entscheidungen können erst recht nicht die meinen sein.

Und jetzt mal ein kleines Zitat von John Locke:

John Locke hat geschrieben:Verdient es den Namen Freiheit, wenn man die Freiheit besitzt, den Narren zu spielen und sich selbst in Schande und Unglück zu stürzen? Wenn Freiheit, wahre Freiheit, darin besteht, daß man sich von der Leitung der Vernunft losreißt und von allen Schranken der Prüfung und des Urteils frei ist, die uns vor dem Erwählen und Tun des Schlechteren bewahren, dann sind Tolle und Narren die einzig Freien; allein ich glaube, keiner, der nicht schon toll ist, wird um einer solchen Freiheit willen wünschen, toll zu werden. Das stete Verlangen nach Glück und der Zwang, den es uns auferlegt, um seinetwillen zu handeln, wird meines Erachtens niemand als eine Schmälerung der Freiheit ansehen oder wenigstens nicht als eine Schmälerung, die zu beklagen wäre."

Wäre dann eigentlich der mit dem Tourette-Syndrom schuldig, wenn sich herausstellte, dass seine Tics echt zufällig waren? Wäre der dann Deiner Ansicht nach frei?
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon ganimed » Mo 11. Jan 2010, 23:26

AgentProvocateur hat geschrieben:Jemand, der unter dem Tourette-Syndrom leidet, will nicht das tun, was er tut, es passiert ihm einfach, gegen seinen Willen, nicht seiner Kontrolle unterliegend, er kann es noch nicht einmal vorhersehen, wann es wieder passieren wird. Ist er dAn dennoch dafür verantwortlich und kann daher sanktioniert werden?

Ich gebe zu, dass man hier mit meiner Definition (Willen=alles was das Gehirn als Ganzes entscheidet) besonders weit weg von dem Alltagsverständnis gelangt. Es hört sich natürlich komisch an, zu sagen, dass der Tourette-Syndrom-Kranke seine Tic-Handlung gewollt hat. Im Alltag nennen wir "Willen" nur das, was uns selbst bewusst ist und was wir selbst als Entscheidung erleben. Unbewusste Tic-Handlungen sind insofern natürlich nicht willentlich. Es sieht also so aus, als hätte ich mich mit meiner 'extremen' Definition "Willen = alles was das Gehirn als Ganzes entscheidet" irgendwie vergallopiert. Ich ziehe das mal vorsichtig zurück.

Bleibt mir die Frage: was ist der "Wille" dann? Ich muss gestehen, mir fällt keine gute Antwort ein.

Wie bereits in anderen Beiträgen mal erwähnt, scheint mir die Hirnforschung ergeben zu haben, dass das Unterbewusstsein an allen Entscheidungen beteiligt ist, während das Bewusstsein nur bei manchen bemüht wird. Demzufolge gäbe es also viele Entscheidungen im Gehirn, die total unterbewusst ablaufen, beispielsweise der Herzschlag. Es gibt ansonsten noch einige Entscheidungen, die teilweise bewusst ablaufen. Wenn ich recht informiert bin, gibt es jedoch keine Entscheidungen, die ohne unterbewussten Anteil getroffen werden. Mir stellt sich also die Frage, wie man die alltagssprachliche Definition "Willen" hier verortet? Entsprechen alle Entscheidungen, bei denen der bewusste Anteil > 50% ist, meinem Willen? Und handle ich in allen anderen Fällen gegen meinen eigenen Willen? Ich finde, hier macht die Alltagsdefinition von "Wille" nicht immer Sinn.

AgentProvocateur hat geschrieben:Klar, viele Normverletzungen werden als moralisch falsch angesehen. Und wenn jemand sich (bewusst, absichtlich) entscheidet, eine solche durchzuführen, dann wirft man ihm das vor und fordert ihn damit auf, in Zukunft anders zu handeln.

Was ist bei dir genau eine bewusste, absichtliche Entscheidung?
Ist bei dir die Handlungsfreiheit eine notwenige Vorraussetzung, um jemandem Schuld zu geben?
Wenn ja, wo siehst du die Handlungsfreiheit? Nur im bewussten Anteil an den Entscheidungen oder auch im unterbewussten?


AgentProvocateur hat geschrieben:Und wenn äußere Umstände nicht seine Handlung bedingt haben und er keine plausiblen Entschuldigungsgründe anführen kann, dann kann man daraus schließen, dass das auf seinem Mist gewachsen ist. Man wirft ihm also seine Einstellung vor, die zu seiner Tat geführt hat und möchte darauf einwirken, dass er sie zumindest insofern ändert, dass er die Tat zukünftig nicht mehr ausführt (und auch andere insofern beeinflussen, die die gleiche Einstellung haben).

Hier bin ich verwirrt. Wirft man ihm nun die Entscheidung und die daraus resultierende Handlung vor? Oder wirft man ihm, wie du es hier ausdrückst, nur die Einstellung vor, die dann zur Entscheidung und letztlich zur Handlung führte? Wem gilt der Vorwurf genau: der Einstellung oder der Entscheidung?
Und wieso fragt man dann nicht mehr weiter, woher die Einstellung kommt? Auch hier wäre es doch wieder interessant zu ermitteln, ob die auf eigenem Mist gewachsen ist oder durch äußere Umstände entstand. Wieso hört bei dir die Ursachenforschung gerade bei der Einstellung auf?


AgentProvocateur hat geschrieben:Dazu braucht man aber keinen akausalen Willen, im Gegenteil sogar, jemandem, der etwas aufgrund eines (von ihm nicht kontrollierbaren) Zufalles tut, der hat das wohl kaum absichtlich gemacht ... Aus einem akausalen Willen kann also kein Vorwurf konstruiert werden, ich wüsste jedenfalls nicht, wie. Du?

Das Tourette-Syndrom war dein Versuch, so etwas wie ein Beispiel für einen akausalen Willen zu konstruieren. Das Akausale daran ist die (scheinbare) Zufälligkeit der neuronalen Tics. Aber "jemandem, der etwas aufgrund eines (von ihm nicht kontrollierbaren) Zufalles tut", tut es nicht willentlich. Also ist das Tourette-Syndrom wohl einfach nur kein gutes Beispiel für einen akausalen Willen.

Ich finde ja nach wie vor das Beispiel mit dem Dualismus passender. Das war ja das einzige, was mir als Beispiel für akausalen Willen einfiel. Ein Geist aus der nichtmateriellen Dimension unserer dualistischen Welt bewirkt in meinem Gehirn, dass ich ein Comicheft kaufe. Der Geist hat das auch wirklich gewollt. Meine unterbewussten Ängste im Gehirn, dass das Heft zu teuer, der Inhalt zu albern und ich zu alt für so etwas wäre, wurden erfolgreich überstimmt. Und ich finde, man kann meinem Geist dann tatsächlich die Schuld dafür geben. Es gab ja, per Definition, keinen Grund, dieses Heft kaufen zu wollen. Er wollte es einfach grundlos. Es gab echte Handlungsalternativen, wie zum Beispiel das Heft nicht zu kaufen. Das hätte er ebenfalls wollen können. Aber nein, mein Geist wollte ja unbedingt Ausgabe 15 "Lex Luthor schlägt zurück" kaufen.

Ich finde also nach wie vor, für echte Handlungsfreiheit benötigt man genau akausalen Willen.

AgentProvocateur hat geschrieben:Zwang ist für mich etwas, das mich dazu bringt, etwas zu tun, (oder zu wollen), was ich eigentlich nicht will, was meinen Zielen und Einstellungen widerspricht.

Im Umkehrschluss würde also ein Räuber, der dich mit einer Pistole an der Schläfe dazu zwingt, etwas zu tun, was genau deinen Zielen und Einstellungen entspricht, kein Zwang sein? Ich habe den Eindruck, das charakterische am Zwang ist doch eher, dass man keine Wahl hat.

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber meine Vorlieben sehe ich nicht als Zwang an, denn darauf beruhen ja meine Ziele und Einstellungen und darauf müssen sie auch beruhen, damit es meine sind.

Ich finde, deine Vorlieben zwingen dich genau so wie ein Räuber zu irgendwelchen Dingen. Nur dass du im Falle deiner Vorlieben den Zwang nicht immer spürst. Aber es gibt auch Gegenbeispiele, wo eine Vorliebe den eigenen Zielen zuwider läuft. Beispielsweise verträgt sich meine Vorliebe für Schokoriegel gar nicht gut mit meinem Ziel, gesund und normalgewichtig zu sein. Dennoch würde ich meine Schokoriegelaffinität als inneren Faktor ansehen, als einen Teil meiner Persönlichkeit. Ob ein Faktor mich zu etwas zwingt, scheint mir also nicht davon abzuhängen, ob er zu mir gehört oder von außen kommt. Nur allein die Tatsache, dass der Faktor mir keine Wahl lässt, entscheidet darüber, ob es ein Zwang ist oder nicht.

Aus dem John Locke Zitat:
    "Verdient es den Namen Freiheit, wenn man die Freiheit besitzt, den Narren zu spielen und sich selbst in Schande und Unglück zu stürzen?"
Ja, das verdient es. Denn Freiheit meint ja die Möglichkeit von Alternativen, wie zum Beispiel Schande und Unglück. Das sind keine schönen Alternativen, aber das tut nichts zur Sache.
Ich habe hier wieder den Eindruck, dass Leute wie John Locke etwa so denken:

Axiom 1: Freiheit ist was Schönes, ein durch und durch positiv besetzter Begriff.
Axiom 2: Die Freiheit, sich selbst in Schande und Unglück zu stürzen ist nichts Schönes.
Behauptung: Die Freiheit, sich selbst in Schande und Unglück zu stürzen, ist Freiheit.
Logischer Schluss: Die Behauptung kann nicht stimmen, denn sie würde Axiom 1 verletzen.

"Falsch, John Locke, falsch!" möchte man ausrufen. "Dein Axiom 1 ist falsch. Wieso muss Freiheit immer was Positives sein? Axiom 1 kannst du vergessen und damit auch deinen logischen Schluss. Aber wenigstens der Rest stimmt."

Nochmal John Locke:
    "Das stete Verlangen nach Glück und der Zwang, den es uns auferlegt, um seinetwillen zu handeln, wird meines Erachtens niemand als eine Schmälerung der Freiheit ansehen oder wenigstens nicht als eine Schmälerung, die zu beklagen wäre."
Aha, da hat sich der gute J.L. ein wenig verraten, habe ich den Eindruck. Mit dem Zusatz "wenigstens nicht als eine Schmälerung, die zu beklagen wäre" räumt er also ein, dass der Zwang der Vernunft durchaus eine Schmälerung der Freiheit darstellt. Es besteht also vielleicht noch Hoffnung für den guten Mann.

AgentProvocateur hat geschrieben:Wäre dann eigentlich der mit dem Tourette-Syndrom schuldig, wenn sich herausstellte, dass seine Tics echt zufällig waren? Wäre der dann Deiner Ansicht nach frei?

Eine hypothetische Frage, weil es meiner Ansicht nach keinen echten Zufall gibt. Wenn die Tics aber doch echt zufällig wären, dann wären sie frei von kausaler Abhängigkeit. Aber sie wären ebenfalls frei von einem Willen, also unwillentlich. Denn sie beruhten ja auf Zufall und wären insofern also nicht gewollt. Es scheint mir also auch hier, dass das Beispiel mit dem Tourette-Syndrom und dem Zufall nicht taugt als Modell für akausalen Willen. Wir sollten vielleicht doch lieber den dualistischen Geist als Beispiel verwenden.

Aber vielleicht brauchen wir auch gar kein Beispiel. Es sieht mir so aus, als bräuchtest du den akausalen Willen nur für die folgende Argumentation:
    Akausaler Wille führt zu völlig unsinnigen Schlussfolgerungen, denn wer würde einem Tourette-Syndrom-Kranken mit seinem unkontrollierbaren Tic schon Schuld geben wollen.
Aber mich brauchst du von der Unsinnigkeit eines akausalen Willens nicht zu überzeugen. Meine Position ist ja ebenfalls, dass es einen akausalen Willen nicht gibt und nicht geben kann. Nur leite ich daraus nicht ab, dass deshalb der Mensch einen freien Willen haben muss, der nichts mit akausalem Willen zu tun hat. Ich leite daraus ab, dass deshalb der Mensch keinen freien Willen hat.
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Beitragvon AgentProvocateur » Di 12. Jan 2010, 14:19

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Klar, viele Normverletzungen werden als moralisch falsch angesehen. Und wenn jemand sich (bewusst, absichtlich) entscheidet, eine solche durchzuführen, dann wirft man ihm das vor und fordert ihn damit auf, in Zukunft anders zu handeln.

Was ist bei dir genau eine bewusste, absichtliche Entscheidung?
Ist bei dir die Handlungsfreiheit eine notwenige Vorraussetzung, um jemandem Schuld zu geben?
Wenn ja, wo siehst du die Handlungsfreiheit? Nur im bewussten Anteil an den Entscheidungen oder auch im unterbewussten?

Bewusste Entscheidungen sind alle die, bei denen man weiß, was man entschieden hat. Und wie man daraufhin handeln will. Und bewusste Entscheidungen sind immer absichtlich.

Natürlich ist Handlungsfreiheit eine notwendige Voraussetzung für Verantwortung und somit auch Schuld, jedoch scheinen wir hier etwas Unterschiedliches darunter zu verstehen. Handlungsfreiheit: jemand kann das tun, was er will. Ist zum Beispiel jemand an einen Stuhl gefesselt, dann kann man ihm nicht vorwerfen, er hätte eine Hilfeleistung unterlassen, er hätte ja nicht eingreifen können, wenn er gewollt hätte.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Und wenn äußere Umstände nicht seine Handlung bedingt haben und er keine plausiblen Entschuldigungsgründe anführen kann, dann kann man daraus schließen, dass das auf seinem Mist gewachsen ist. Man wirft ihm also seine Einstellung vor, die zu seiner Tat geführt hat und möchte darauf einwirken, dass er sie zumindest insofern ändert, dass er die Tat zukünftig nicht mehr ausführt (und auch andere insofern beeinflussen, die die gleiche Einstellung haben).

Hier bin ich verwirrt. Wirft man ihm nun die Entscheidung und die daraus resultierende Handlung vor? Oder wirft man ihm, wie du es hier ausdrückst, nur die Einstellung vor, die dann zur Entscheidung und letztlich zur Handlung führte? Wem gilt der Vorwurf genau: der Einstellung oder der Entscheidung?

Da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt. Genau genommen wirft man ihm letztlich nur seine Handlung vor und möchte verhindern, dass er eine solche zukünftig nochmal ausführt.

ganimed hat geschrieben:Und wieso fragt man dann nicht mehr weiter, woher die Einstellung kommt? Auch hier wäre es doch wieder interessant zu ermitteln, ob die auf eigenem Mist gewachsen ist oder durch äußere Umstände entstand. Wieso hört bei dir die Ursachenforschung gerade bei der Einstellung auf?

Natürlich kann und sollte man fragen, woher die Einstellung kommt, ob er Einfluss darauf hatte oder nicht. Und dann man sollte noch fragen, ob er die Fähigkeit dazu hatte, die bestehende Norm bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

ganimed hat geschrieben:Das Tourette-Syndrom war dein Versuch, so etwas wie ein Beispiel für einen akausalen Willen zu konstruieren. Das Akausale daran ist die (scheinbare) Zufälligkeit der neuronalen Tics. Aber "jemandem, der etwas aufgrund eines (von ihm nicht kontrollierbaren) Zufalles tut", tut es nicht willentlich. Also ist das Tourette-Syndrom wohl einfach nur kein gutes Beispiel für einen akausalen Willen.

Ich finde ja nach wie vor das Beispiel mit dem Dualismus passender. Das war ja das einzige, was mir als Beispiel für akausalen Willen einfiel. Ein Geist aus der nichtmateriellen Dimension unserer dualistischen Welt bewirkt in meinem Gehirn, dass ich ein Comicheft kaufe. Der Geist hat das auch wirklich gewollt. Meine unterbewussten Ängste im Gehirn, dass das Heft zu teuer, der Inhalt zu albern und ich zu alt für so etwas wäre, wurden erfolgreich überstimmt. Und ich finde, man kann meinem Geist dann tatsächlich die Schuld dafür geben. Es gab ja, per Definition, keinen Grund, dieses Heft kaufen zu wollen. Er wollte es einfach grundlos. Es gab echte Handlungsalternativen, wie zum Beispiel das Heft nicht zu kaufen. Das hätte er ebenfalls wollen können. Aber nein, mein Geist wollte ja unbedingt Ausgabe 15 "Lex Luthor schlägt zurück" kaufen.

Nein, das Beispiel mit einem "Geist aus einer nichtmateriellen Dimension" löst das Problem überhaupt nicht. Man kann sich ja jetzt einfach mal vorstellen, der Geist verursache die Tourette-Tics. Und dann bleibt eben immer noch die Frage, wo da Schuld herkommen soll. Für denjenigen mit dem Tourette-Syndrom macht es überhaupt keinen Unterschied, wie seine Tics verursacht werden: durch deterministisches Chaos, durch einen echten Zufall oder durch eine nichtmaterielle Dimension. Für ihn ist das Ergebnis immer das Selbe: er hat keine Kontrolle darüber, es ist keine Handlung von ihm, sondern etwas, das ihm zustößt.

Und die Frage ist ja nicht, ob Du irgend einen merkwürdigen Geist für schuld hältst, sondern ob Du den Menschen für schuld hältst.

ganimed hat geschrieben:Ich finde also nach wie vor, für echte Handlungsfreiheit benötigt man genau akausalen Willen.

Warum? (Siehe dazu auch unten).

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Zwang ist für mich etwas, das mich dazu bringt, etwas zu tun, (oder zu wollen), was ich eigentlich nicht will, was meinen Zielen und Einstellungen widerspricht.

Im Umkehrschluss würde also ein Räuber, der dich mit einer Pistole an der Schläfe dazu zwingt, etwas zu tun, was genau deinen Zielen und Einstellungen entspricht, kein Zwang sein? Ich habe den Eindruck, das charakterische am Zwang ist doch eher, dass man keine Wahl hat.

Hm, ein Räuber, der eine Pistole an meine Schläfe hält, wäre mir aber unangenehm. Ich würde nicht wollen, dass er das tut, alleine schon wegen der Furcht, er könnte mal aus Versehen abdrücken. Wenn wir aber den Räuber jetzt wegnehmen und uns z.B. mal statt ihm vorstellen, es gäbe ein Naturgesetz, das verhindern würde, dass ich etwas tue, was ich nicht will, bzw. mich dazu zwingt, immer das zu tun, was ich will, dann würde ich das nicht als Zwang ansehen, in der Tat. Ich würde ja noch nicht einmal merken können, dass es dieses Naturgesetz gibt, es würde für mich keinen Unterschied machen, ob es das gibt oder nicht. Vielleicht kann man es von außen feststellen oder aus irgendwas folgern, dass es das gibt, aber das würde für mich nichts ändern.

ganimed hat geschrieben:Ich finde, deine Vorlieben zwingen dich genau so wie ein Räuber zu irgendwelchen Dingen. Nur dass du im Falle deiner Vorlieben den Zwang nicht immer spürst. Aber es gibt auch Gegenbeispiele, wo eine Vorliebe den eigenen Zielen zuwider läuft. Beispielsweise verträgt sich meine Vorliebe für Schokoriegel gar nicht gut mit meinem Ziel, gesund und normalgewichtig zu sein. Dennoch würde ich meine Schokoriegelaffinität als inneren Faktor ansehen, als einen Teil meiner Persönlichkeit. Ob ein Faktor mich zu etwas zwingt, scheint mir also nicht davon abzuhängen, ob er zu mir gehört oder von außen kommt. Nur allein die Tatsache, dass der Faktor mir keine Wahl lässt, entscheidet darüber, ob es ein Zwang ist oder nicht.

Aber Deine Vorliebe für Schokoriegel zwingt Dich doch nicht, solche zu essen. Also ist dieser Faktor diesbezüglich kein Zwang, nicht? Er wäre lediglich in Deiner Ansicht ein Zwang insofern, als er Dich dazu zwingt, Schokoriegel zu mögen. Aber diese Aussage kommt mir seltsam vor, ich meine, da steckt erst mal keine weitere Information drin, die über den Satz: "ich mag Schokoriegel" hinausgeht. Etwas anderes wäre es allerdings, wenn Du gegen Deinen Willen, gegen Dein längerfristiges Ziel, gesund und normalgewichtig zu sein, ständig massenhaft Schokoriegel essen würdest, dabei sehen würdest, wie Du aufgehst wie Hefeteig, das als schlecht ansiehst und dennoch nicht von den Riegeln ablassen könntest. Das wäre dann ab einem gewissen Grade auch meiner Ansicht nach zwanghaft. Eine Sucht.

ganimed hat geschrieben:Nochmal John Locke:
    "Das stete Verlangen nach Glück und der Zwang, den es uns auferlegt, um seinetwillen zu handeln, wird meines Erachtens niemand als eine Schmälerung der Freiheit ansehen oder wenigstens nicht als eine Schmälerung, die zu beklagen wäre."
Aha, da hat sich der gute J.L. ein wenig verraten, habe ich den Eindruck. Mit dem Zusatz "wenigstens nicht als eine Schmälerung, die zu beklagen wäre" räumt er also ein, dass der Zwang der Vernunft durchaus eine Schmälerung der Freiheit darstellt. Es besteht also vielleicht noch Hoffnung für den guten Mann.

Es ist wohl einfach so, dass wir über zwei verschiedene Sachverhalte reden. Für Dich ist Freiheit gleichbedeutend mit "Unabhängigkeit von allem", mir geht es um die Frage, ob und inwiefern Menschen ihre Entscheidungen und Handlungen kontrollieren können. Freiheit bedeutet also für mich die Fähigkeit zur Selbstkontrolle.

Man kann natürlich Freiheit so definieren, wie Du es tust, nur folgt aus einer Unabhängigkeit von allem mAn, dass dies akausalen Zufall bedeuten muss und ein solcher jeglicher Kontrolle widerspricht. Dabei könnte man es nun belassen, man könnte einfach sagen, eine Freiheit in Deinem Sinne gibt es halt dann nicht, wenn die Welt determiniert ist. Aber das ist eigentlich soweit nicht besonders interessant, daraus folgt ja nichts weiter. Zu der Frage, die mich interessiert, ist damit jedenfalls noch nichts ausgesagt.

Nun wird jedoch das Thema "Willensfreiheit" auch meist in einen Zusammenhang mit Verantwortung und somit auch Schuld gestellt. Haben wir oben ja auch getan. Du behauptest nun, es gäbe einen Zusammenhang zwischen Verantwortung und Schuld und der Freiheit in Deinem Sinne und zwar insofern, als diese Deine Freiheit benötigten. Aber das verstehe ich nicht, denn mAn benötigt man für die Konzepte Verantwortung und Schuld zwingend ein gewisses Maß an Selbstkontrolle und akausaler Zufall kann diese ja keineswegs erhöhen. Kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, wie das möglich sein könnte und den Nachweis dafür bist Du bisher auch schuldig geblieben. Dein akausaler Geist aus einer anderen Dimension, der grundlos irgendwas macht, erhöht jedenfalls die Selbstkontrolle nicht.

ganimed hat geschrieben:Aber vielleicht brauchen wir auch gar kein Beispiel. Es sieht mir so aus, als bräuchtest du den akausalen Willen nur für die folgende Argumentation:
    Akausaler Wille führt zu völlig unsinnigen Schlussfolgerungen, denn wer würde einem Tourette-Syndrom-Kranken mit seinem unkontrollierbaren Tic schon Schuld geben wollen.
Aber mich brauchst du von der Unsinnigkeit eines akausalen Willens nicht zu überzeugen. Meine Position ist ja ebenfalls, dass es einen akausalen Willen nicht gibt und nicht geben kann. Nur leite ich daraus nicht ab, dass deshalb der Mensch einen freien Willen haben muss, der nichts mit akausalem Willen zu tun hat. Ich leite daraus ab, dass deshalb der Mensch keinen freien Willen hat.

Ich verwende das Beispiel mit dem Tourette-Syndrom, um Dir klar zu machen, dass akausale Vorgänge keine Verantwortung und somit auch keine Schuld begründen können. Da Du das aber behauptest, (echte Handlungsfreiheit - akausal - sei notwendig für Schuld), musst Du es auch zeigen können.

Einen freien Willen in Deinem Sinne gibt es selbstverständlich nicht, das ist einfach ein unlogisches Konzept, denn ein Wille muss von etwas abhängig sein, sonst ist es kein eigener Wille und kann daher nicht von allem unabhängig sein. Aber das ist völlig uninteressant, ein unlogisches Konzept ist halt einfach nur unlogisch, das ist alles.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon ganimed » Di 12. Jan 2010, 19:42

AgentProvocateur hat geschrieben:Bewusste Entscheidungen sind alle die, bei denen man weiß, was man entschieden hat. Und wie man daraufhin handeln will. Und bewusste Entscheidungen sind immer absichtlich.

Ist die Entscheidung, mein Herz jetzt schlagen zu lassen, und jetzt, und... warte... jetzt, sind diese Entscheidungen bewusst? Nach deiner Definition ja. Denn durch Fühlen meines Pulses weiß ich, was ich entschieden habe (und wann). Aber ich habe offensichtlich nicht bewusst entschieden. So ganz überzeugt mich diese Definition also noch nicht.

AgentProvocateur hat geschrieben:Natürlich ist Handlungsfreiheit eine notwendige Voraussetzung für Verantwortung und somit auch Schuld, jedoch scheinen wir hier etwas Unterschiedliches darunter zu verstehen. Handlungsfreiheit: jemand kann das tun, was er will.

Deine Definition von Handlungsfreiheit erscheint mir in diesem Zusammenhang die falsche zu sein. Wenn ich jemandem die Schuld an der Handlung A gebe, dann doch nur, weil ich unterstelle, er hätte auch die Handlung B ausführen können. Bei deiner Definition fehlt aber noch die Fähigkeit zu der Handlungsalternative B.
Besitzt der Täter deine Handlungsfreiheit, dann hat er die Handlung A ausgeführt und wollte das auch. Damit ich dem Täter Schuld geben kann, muss ich aber unterstellen können, dass er auch B hätte ausführen können. Konnte er das? Deine Definition von Handlungsfreiheit lässt diese Frage offen.
Bzw. man benötigt bei dir dann noch den freien Willen. Handlungsfreiheit reicht nicht. Erst wenn der Täter auch etwas anderes hätte wollen können UND über Handlungsfreiheit verfügte, würde er auch B ausführen können.
Man kann es also drehen und wenden wie man möchte, um den freien Willen als Voraussetzung von "Schuld" kommt man möglicherweise nicht herum.

AgentProvocateur hat geschrieben:Und die Frage ist ja nicht, ob Du irgend einen merkwürdigen Geist für schuld hältst, sondern ob Du den Menschen für schuld hältst.

Der dualistische Geist ist Teil des Menschen. Im Dualismus, so zumindest verstehe ich das, besteht ein Mensch aus einem materiellen Teil (dem Gehirn und dem Restkörper) und einem imateriellen Anteil (einem unsichtbaren, unfühlbaren Geist). Und da das Gehirn deterministisch arbeitet, muss die Freiheit des Willens im Geist-Teil stecken. Der Mensch kann also, aufgrund dieses Geistes, frei wollen. Er kann A tun wollen und tut das bei Handlungsfreiheit auch. Oder er kann B tun wollen. Erst mit diesem freien Willen ausgestattet kann ich den Menschen beschuldigen, A getan zu haben. Denn er hatte ja eine echte Alternative.

Dein Tourette-Syndrom taugt nicht als Schuld-Beispiel, weil der Mensch da ja keine Kontrolle hat. Selbst wenn es akausal auftritt. Zur Schuld brauche ich nicht Akausalität, sondern ich brauche akausalen Willen. Das ist ein Unterschied.

Der logische Schluss: dem dualistischen Menschen gebe ich die Schuld. Dem Tourette-Patienten gebe ich keine Schuld. Dem realen Menschen gebe ich auch keine Schuld.


AgentProvocateur hat geschrieben:
ganimed hat geschrieben:Ich finde also nach wie vor, für echte Handlungsfreiheit benötigt man genau akausalen Willen.

Warum?

Man braucht akausalen Willen, weil
1) (akausal)
wenn keine Akausalität da ist, dann ist auch keine Entscheidungsfreiheit da, weil die Entscheidung ja dann von kausalen Ursachen abhängt. Es gibt also kein "er hätte ja anders können"
2) (Wille)
wenn kein Wille da ist (Tourette-Syndrom) dann ist auch keine Kontrolle da und daher auch kein "er hätte ja anders können"

Jemandem, der nicht anders hätte können, kann ich keine Schuld geben.


AgentProvocateur hat geschrieben: Wenn wir aber den Räuber jetzt wegnehmen und uns z.B. mal statt ihm vorstellen, es gäbe ein Naturgesetz, das verhindern würde, dass ich etwas tue, was ich nicht will, bzw. mich dazu zwingt, immer das zu tun, was ich will, dann würde ich das nicht als Zwang ansehen, in der Tat.

Ich sehe hier den Mut zum Widerspruch. Du schreibst, dass das Naturgesetz dich zwingt. Und dann schreibst du, dass du das nicht als Zwang ansehen würdest.
Meinst du damit, dass ein Zwang, den du nicht siehst, kein Zwang ist? Oder meinst du nur, dass es zwar Zwang ist, aber du ihn nur nicht siehst?

AgentProvocateur hat geschrieben:Aber Deine Vorliebe für Schokoriegel zwingt Dich doch nicht, solche zu essen.

Ich meine, die Vorliebe zwingt mich durchaus. Wieso sonst sollte ich Schokoriegel essen? Ich glaube, bei der Entscheidung, ob ich den Schokoriegel essen soll oder nicht, wird in meinem Gehirn neuronal verhandelt. Die Pro-Seite gewinnt (das schließe ich daraus, dass ich den Riegel auch wirklich esse). Es gab sicher auch eine Contra-Seite, denn es fallen mir viele gute Gründe ein, einen ungesunden Schokoriegel lieber nicht zu essen. Aber offenbar war die Pro-Seite stärker. Ich nenne nun einfach die Gesamtheit der Pro-Seite "Vorliebe zum Essen eines Schokoriegels" und konnte auf diese Weise mein Verhalten erklären.

Aber machen wir ruhig die Probe aufs Exempel. Kannst du mein Verhalten erklären? Du scheinst ja davon auszugehen, dass ich nicht durch meine Vorliebe gezwungen wurde, sondern den Schokoriegel einfach nur essen wollte. Aber das wäre noch keine Erklärung. Wieso also wollte ich? Ich wäre wirklich mal gespannt auf eine ausführliche Antwort.

AgentProvocateur hat geschrieben:Für Dich ist Freiheit gleichbedeutend mit "Unabhängigkeit von allem", mir geht es um die Frage, ob und inwiefern Menschen ihre Entscheidungen und Handlungen kontrollieren können. Freiheit bedeutet also für mich die Fähigkeit zur Selbstkontrolle.

Freiheit ist für mich die Unabhängigkeit von Zwängen, in diesem Fall von kausalem Zwang.
Mir geht es aber ebenfalls um die Frage, ob und inwiefern Menschen ihre Entscheidungen und Handlungen kontrollieren können.
Freiheit bedeutet auch für mich die Fähigkeit zur Selbstkontrolle.

Der Unterschied zwischen mir und dir scheint mir also nur noch zu sein:
Ich sehe die Abhängigkeit von kausalen Ursachen als einen Zwang an, so dass ich keine Freiheit und Selbstkontrolle sehen kann.
Du sieht den Zwang nicht als Zwang an, so dass du Freiheit und Selbstkontrolle siehst.

Meine zentrale Frage an dich wäre also die oben bereits gestellte: wie schaffst du es, den Zwang wegzuzaubern, den du im Halbsatz davor noch einräumst?
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 13. Jan 2010, 00:11

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Bewusste Entscheidungen sind alle die, bei denen man weiß, was man entschieden hat. Und wie man daraufhin handeln will. Und bewusste Entscheidungen sind immer absichtlich.

Ist die Entscheidung, mein Herz jetzt schlagen zu lassen, und jetzt, und... warte... jetzt, sind diese Entscheidungen bewusst? Nach deiner Definition ja. Denn durch Fühlen meines Pulses weiß ich, was ich entschieden habe (und wann). Aber ich habe offensichtlich nicht bewusst entschieden. So ganz überzeugt mich diese Definition also noch nicht.

Hum? Klar hast Du Dich bewusst dazu entschieden, aber Du hast nun mal keine Kontrolle über Deinen Herzschlag. Du kannst Dich auch bewusst dazu entscheiden, jetzt zur Decke zu schweben. Aber tun kannst Du es noch lange nicht, weil Dir die Fähigkeit dazu fehlt. Es wäre deswegen nicht besonders klug, das überhaupt erst in Erwägung zu ziehen und eine solche Entscheidung zu treffen und das solltest Du auch wissen. Aber wenn Du unbedingt möchtest, kannst Du Dich natürlich dafür entscheiden. Du kannst auch aus eigener Kraft zum Mond fliegen wollen. Kein Problem. Das ist der Unterschied zwischen Willens- und Handlungsfreiheit.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Natürlich ist Handlungsfreiheit eine notwendige Voraussetzung für Verantwortung und somit auch Schuld, jedoch scheinen wir hier etwas Unterschiedliches darunter zu verstehen. Handlungsfreiheit: jemand kann das tun, was er will.

Deine Definition von Handlungsfreiheit erscheint mir in diesem Zusammenhang die falsche zu sein. Wenn ich jemandem die Schuld an der Handlung A gebe, dann doch nur, weil ich unterstelle, er hätte auch die Handlung B ausführen können. Bei deiner Definition fehlt aber noch die Fähigkeit zu der Handlungsalternative B.
Besitzt der Täter deine Handlungsfreiheit, dann hat er die Handlung A ausgeführt und wollte das auch. Damit ich dem Täter Schuld geben kann, muss ich aber unterstellen können, dass er auch B hätte ausführen können.

- wenn er das gewollt hätte, genau, das ist eine wichtige Voraussetzung für eine Vorwerfbarkeit. Wie aber sonst? Einfach so, ohne Grund? Wilkürlich, zufällig?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Und die Frage ist ja nicht, ob Du irgend einen merkwürdigen Geist für schuld hältst, sondern ob Du den Menschen für schuld hältst.

Der dualistische Geist ist Teil des Menschen. Im Dualismus, so zumindest verstehe ich das, besteht ein Mensch aus einem materiellen Teil (dem Gehirn und dem Restkörper) und einem imateriellen Anteil (einem unsichtbaren, unfühlbaren Geist). Und da das Gehirn deterministisch arbeitet, muss die Freiheit des Willens im Geist-Teil stecken. Der Mensch kann also, aufgrund dieses Geistes, frei wollen. Er kann A tun wollen und tut das bei Handlungsfreiheit auch. Oder er kann B tun wollen. Erst mit diesem freien Willen ausgestattet kann ich den Menschen beschuldigen, A getan zu haben. Denn er hatte ja eine echte Alternative.

Nö, kann er nicht, er muss das wollen, was der Geist ihm vorgibt und zwar grundlos. Da hat er keinen Einfluss drauf, seine Gründe und Einstellungen spielen keine Rolle und das bedeutet nun mal: er hat keine Kontrolle darüber, was sein Geist will. Von daher entspricht das genau demjenigen mit dem Tourette-Syndrom, es gibt keinen wesentlichen Unterschied, ich sehe jedenfalls keinen. Es nutzt ja auch nichts, zu sagen: ich bin mein Geist, denn dann bist eben Du es, der akausale zufällige Körperzuckungen ausführt. Aber das wären ja nicht Deine Handlungen, die wären es nur dann, wenn Du sie gewollt hättest, wozu mindestens gehört, dass Du vorher weißt, was Du tun wirst.

Wenn es aber jetzt so abläuft: Dir schießt ein Gedanke des Geistes in den Kopf, z.B. "iss den Schokoriegel", dann musst Du das ja noch lange nicht tatsächlich tun, da kannst Du immer noch locker sagen: "nö, mach ich nicht".

ganimed hat geschrieben:Dein Tourette-Syndrom taugt nicht als Schuld-Beispiel, weil der Mensch da ja keine Kontrolle hat. Selbst wenn es akausal auftritt. Zur Schuld brauche ich nicht Akausalität, sondern ich brauche akausalen Willen. Das ist ein Unterschied.

Aber ein akausaler Wille, einer der von nichts abhängt, der einfach so aus dem Nichts entsteht, wie kann der kontrolliert werden? Das ist mir höchst unklar.

Wie genau sieht ein akausaler Wille aus? Wie läuft dann der Entscheidungsprozess ab? Ist das dann so, dass ich eventuell nachher mit dem alten Trabbi für 30.000,- € dastehe, obwohl ich viel, viel, viel lieber den neuen Passat für 20.000,- € erstanden hätte? Ich käme mir dann ziemlich doof vor und wäre sauer auf den Geist, der mich dazu gebracht hätte, aber freier würde ich mich keineswegs fühlen. Noch nicht einmal verantwortlich, denn das war sicher nicht meine von mir gewollte Entscheidung. "Das war ich nicht, der das entschieden hat, das war der blöde immaterielle Geist, zum Teufel mit ihm": so würde ich sagen. Und das wäre doch auch berechtigt, oder? Wieso würdest Du mich für die blödsinnige Entscheidung des Geistes verantwortlich machen wollen, für die ja nun gar nichts kann, die all dem widerspricht, was ich eigentlich will?

ganimed hat geschrieben:Jemandem, der nicht anders hätte können, kann ich keine Schuld geben.

Ach so, aber wenn da ein komischer Geist im Nirgendwo schwebt, der mich grundlos und für mich nicht nachvollziehbar zwingt, irgendeinen Scheiß zu machen, dann würdest Du mir die Schuld dafür geben wollen? Das ist doch absurd.

Weniger absurd, sehr viel weniger absurd, erscheint es mir, jemanden für etwas zur Verantwortung zu ziehen, was auf seinem eigenen Mist gewachsen ist.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben: Wenn wir aber den Räuber jetzt wegnehmen und uns z.B. mal statt ihm vorstellen, es gäbe ein Naturgesetz, das verhindern würde, dass ich etwas tue, was ich nicht will, bzw. mich dazu zwingt, immer das zu tun, was ich will, dann würde ich das nicht als Zwang ansehen, in der Tat.

Ich sehe hier den Mut zum Widerspruch. Du schreibst, dass das Naturgesetz dich zwingt. Und dann schreibst du, dass du das nicht als Zwang ansehen würdest.
Meinst du damit, dass ein Zwang, den du nicht siehst, kein Zwang ist? Oder meinst du nur, dass es zwar Zwang ist, aber du ihn nur nicht siehst?

Ich habe hier das Wort "Zwang" in zweierlei Bedeutungen verwendet, erst mal in Deiner und dann in meiner.

Ich meine, dass es kein Zwang ist, egal, ob ich das sehe oder nicht.

Um zu verdeutlichen, auf was ich hinauswill, habe ich mir mal ein kleines Gedankenexperiment ausgedacht, (allerdings schon vor längerer Zeit), welches jedoch einige Bereitschaft erfordert, um sich darauf einzulassen:

Erstens und das ist wichtig: stelle Dir vor, Du bist absolut frei, in dem Sinne, wie Du es für nötig hältst (das geht zwar mE logischerweise nicht, aber Du musst Dir das trotzdem irgendwie vorstellen, auch wenn Du es bisher nicht plausibel machen konntest - nimm' halt Deinen merkwürdigen Geist oder irgendwas, egal, Du bist einfach völlig frei).

Nehmen wir nun an, Du kommst in einen Raum. Dort sind in gläsernen Zylindern auf einem Sockel unterschiedliche Gegenstände, die Du gerne haben möchtest. Du darfst Dir beliebig unter allen Gegenständen einen aussuchen. Nun ist es so, dass in allen Zylindern ein Mechanismus eingebaut ist, der durch eine Lichtschranke ausgelöst wird. Die Zylinder stehen relativ weit auseinander, so dass Du nur jeweils einen öffnen kannst. Sobald Du Dich einem Zylinder näherst, löst die Lichtschranke aus und alle anderen Zylinder, (die außerhalb Deiner Reichweite), werden verriegelt. Dieser Mechanismus ist lautlos, Du kannst das nicht hören.

Du betrachtest nun in Ruhe alle Gegenstände, suchst Dir einen aus, gehst dort hin, öffnest den Zylinder und nimmst den Gegenstand heraus. Er gehört jetzt Dir. Danach erst erfährst Du von dem Mechanismus. Du hattest also, während Du den gewünschten Gegenstand herausgenommen hast, keine Möglichkeit dazu, einen der anderen Gegenstände herauszunehmen. Du warst in Deiner Handlungsfreiheit eingeschränkt, ohne das aber bemerken zu können. Ist das Zwang? Macht es einen Unterschied, ob der Mechanismus existiert oder nicht? Macht es einen Unterschied, ob der Mechanismus eingeschaltet war oder nicht? Wenn ja: warum? Wenn nein: war das keine Einschränkung Deiner Handlungsfreiheit? Warum nicht?

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Aber Deine Vorliebe für Schokoriegel zwingt Dich doch nicht, solche zu essen.

Ich meine, die Vorliebe zwingt mich durchaus. Wieso sonst sollte ich Schokoriegel essen?

Das ist die falsche Frage. Der Punkt ist: sie determiniert Dich nicht zum Schoko-Riegelessen, es ist nur ein Faktor und deswegen zwingt sie Dich auch nicht dazu. Du kannst immer vorher überlegen, ob Du das willst oder ob Du das Schoko-Riegel-Essen lieber ein bisschen einschränkst. Diese Überlegung ist Deine und die Entscheidung liegt bei Dir.

Wenn Du aber entscheidest, keinen Schokoriegel mehr zu essen, Dich aber sozusagen dabei erwischst, wie Du es wieder tust, dann ist das zwanghaft. Vorher nicht, eine Vorliebe ist kein Zwang.

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Für Dich ist Freiheit gleichbedeutend mit "Unabhängigkeit von allem", mir geht es um die Frage, ob und inwiefern Menschen ihre Entscheidungen und Handlungen kontrollieren können. Freiheit bedeutet also für mich die Fähigkeit zur Selbstkontrolle.

Freiheit ist für mich die Unabhängigkeit von Zwängen, in diesem Fall von kausalem Zwang.

Für mich ist Freiheit immer nur graduell zu denken, d.h. absolute Freiheit kann es nicht geben, es muss immer Gegebenheiten / Umstände geben, es kann nicht etwas geben, das von Allem unabhängig ist. So ist für mich die Frage nur sinnvoll, wieweit jemand frei ist.

Jemand, der absolut frei von allen Gegebenheiten ist, ist gar nicht denkbar und das hat nichts mit Kausalität zu tun, denn jemand, der frei von Kausalität wäre, wäre kein jemand mehr.

Wenn Freiheit für Dich nur die Unabhängigkeit von kausalen Gegebenheiten (und diese sind keineswegs immer gleich zu setzen mit Zwang) bedeuten kann, dann ist das in jeder Hinsicht uninteressant. Es kann keine Unabhängigkeit von kausalen Gegebenheiten geben, zumindest kann das kein Wille sein. Das ist aber banal, irrelevant. Vor allem irrelevant für die Frage nach Verantwortung und Schuld.

ganimed hat geschrieben:Der Unterschied zwischen mir und dir scheint mir also nur noch zu sein:
Ich sehe die Abhängigkeit von kausalen Ursachen als einen Zwang an, so dass ich keine Freiheit und Selbstkontrolle sehen kann.
Du sieht den Zwang nicht als Zwang an, so dass du Freiheit und Selbstkontrolle siehst.

Ja. Du hast eine ungewöhnliche Auffassung davon, was Zwang ist. Für Dich sind alle kausalen Zusammenhänge gleichermaßen Zwang.

Frag' mal irgend einen Menschen aus Deinem Bekanntenkreis, ob sie das auch so sehen. Ob sie es gleichermaßen (ganz genau so!) als Zwang ansehen, gerne Filme zu sehen und z.B. eine Drogensucht oder eine Phobie.

Tun sie das nicht und stimmst Du dabei auch noch zu, dass es da Unterschiede gibt, dann bedeutet das, dass (Entscheidungs-)Freiheit etwas Graduelles ist. Und dann kann man eben fragen, so wie ich, was diese Freiheit ausmacht, wann es mehr und wann es weniger davon gibt.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon stine » Mi 13. Jan 2010, 07:43

Hätte er eine Chance gehabt anders zu leben?
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 13. Jan 2010, 13:05

stine hat geschrieben:Hätte er eine Chance gehabt anders zu leben?

Ich meine, dass jemand, der nur nach momentanen Lustgefühlen handelt und demnach entweder nicht in der Lage dazu ist, langfristig zu denken oder der zwar in der Lage dazu ist, das aber bei seinen Entscheidungen nicht berücksichtigen kann, diese also lediglich von momentanen Regungen / Trieben bestimmt werden, nicht frei ist in seiner Entscheidung, und zwar dann, wenn das bedeutet, (was es aber nicht automatisch muss), dass dies seinen langfristigen Zielen widerspricht, er also eigentlich gar nicht will, was er tut.

Jedoch, selbst wenn das hier so wäre, könnte er ja Hilfe von außen in Anspruch nehmen, falls er mit seinem Leben unzufrieden ist.

Falls er also wirklich anders leben möchte und er jedoch seine Triebe nicht unter Kontrolle bekommt und es keine Möglichkeit gibt, ihm von außen zu helfen, dann hatte und hat er keine Chance, anders zu leben als so, dann ist er sozusagen einem Schicksal ausgeliefert, dass er ablehnt.

Falls er aber mit seinem Leben zufrieden ist, dann stellt sich Deine Frage erst gar nicht, oder?
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon stine » Mi 13. Jan 2010, 13:12

Ich glaube, er war mit seinem Leben nicht zufrieden, konnte aber dennoch nicht anders.

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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 13. Jan 2010, 13:14

stine hat geschrieben:Ich glaube, er war mit seinem Leben nicht zufrieden, konnte aber dennoch nicht anders.

Warum hat er sich dann nicht helfen lassen?
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon stine » Mi 13. Jan 2010, 14:27

Soviel ich weiß, haben viele Manuel Uribe geholfen: Das Essen gereicht, gewaschen und auch sonst gepflegt.
Sein täglicher Speiseplan hätte für eine fünfköpfige Familie gereicht.

Ich lese eure Diskusion sehr interessiert mit und ich frage mich, ob das Tourette-Syndrom nicht der Fettsucht gleichzusetzen ist?
Bin ich also frei, wenn ich nicht tu, was ich nicht tun sollte oder bin ich frei, wenn ich trotzdem tu, was ich nicht tun sollte?

Ich meine, er wußte, dass er mit Essen haushalten muss und aß trotzdem, bis er starb. Hat er damit frei oder unfrei gehandelt?

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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Mi 13. Jan 2010, 18:50

Meiner Ansicht nach unfrei. (Siehe dazu auch nochmal oben meinen ersten Beitrag nach dem Bild).

Und für ganimed hinge das nur davon ab, ob der Wille, immer mehr zu essen, irgendwie kausal entstanden war oder nicht. Stellen wir uns jemanden in einer anderen Welt mit identischer Lebensgeschichte vor, dessen Entscheidungen aber durch einen "akausalen dualistischen immateriellen Geist aus einer anderen Dimension" getroffen wurden, dann war der frei. Und in unserer Welt war er unfrei, weil hier alles gleichermaßen (= ganz genauso, identisch, ohne Unterschied) unfrei ist, egal, ob jemand süchtig ist oder nicht, egal, ob Dir jemand eine Pistole an die Schläfe hält und Deine Geldbörse fordert oder ob Du ins Kino gehst, weil Du das gerne willst. Hört sich zwar (vielleicht nur für mich) merkwürdig an, (wie können von zwei Menschen mit ein- und derselben Lebensgeschichte, mit denselben Entscheidungen und Kontrollmöglichkeiten, der eine frei und der andere unfrei sein?), ist aber dennoch so.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon stine » Do 14. Jan 2010, 07:23

Demnach gäbe es Menschen mit freiem Willen und solche mit unfreiem Willen?
Zellhaufen und begeisterte Zellhaufen? (ich weiß das klingt blöd, ist aber eindeutig formuliert)

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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon AgentProvocateur » Do 14. Jan 2010, 11:06

stine hat geschrieben:Demnach gäbe es Menschen mit freiem Willen und solche mit unfreiem Willen?
Zellhaufen und begeisterte Zellhaufen? (ich weiß das klingt blöd, ist aber eindeutig formuliert)

Was meinst Du mit "begeistert"?

Man muss sich mE einfach nur von der Vorstellung lösen, Freiheit sei etwas Binäres. Entweder sei jemand ganz frei oder ganz unfrei. Freiheit ist mAn etwas Graduelles, es gibt Faktoren, die die Freiheit einschränken und zwar äußere und innere Zwänge. Ein innerer Zwang ist zum Beispiel eine Sucht oder eine Phobie oder auch dies, wobei das gemeinsame Merkmal dabei ist, dass das nicht der persönlichen Kontrolle unterliegt und es langfristigen Zielen massiv entgegenstehen kann.

Willensfreiheit basiert mE auf der Fähigkeit, zu überlegen, überdenken, abzuwägen (nicht nur rein rational gemeint, sondern auch intuitiv), zur Selbstreflexion und Zukunftssimulation, zur Entscheidung und der daraus resultierenden Fähigkeit, seine Zukunft selber bestimmen zu können. Dieser Selbstbestimmung, bzw. ihrer Umsetzung (als Handlung), stehen natürlich immer diverse Faktoren entgegen, die sie einschränken (innere, äußere, soziale [die Selbstbestimmung des Anderen]).

Ergo: es gibt Menschen mit freierem und welche mit unfreierem Willen - situationsbezogen, aber eine Unterscheidung in Menschen mit (absolut) freiem Willen und Menschen mit (absolut) unfreiem Willen erscheint mir unsinnig.
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Re: Widerspruch im Denken der Brights?

Beitragvon stine » Do 14. Jan 2010, 12:01

AgentProvocateur hat geschrieben:Was meinst Du mit "begeistert"?
Dass der Mensch mehr ist, als die Summe seiner Teile.

AgentProvocateur hat geschrieben:Ergo: es gibt Menschen mit freierem und welche mit unfreierem Willen - situationsbezogen, aber eine Unterscheidung in Menschen mit (absolut) freiem Willen und Menschen mit (absolut) unfreiem Willen erscheint mir unsinnig.
Die Frage scheint mir aber doch eine prinzipielle zu sein: Steuern wir ausgehend von einem Urknall zielorientiert auf irgend etwas zu, oder können wir das beeinflussen. Ob ein einzelner Mensch unter Zwängen leidet oder nicht, ist daher reine Nebensache. Es ist sozusagen wie der Steinwurf in einen reißenden Fluß.

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