darwin upheaval hat geschrieben:Myron hat geschrieben:Leute, ihr könnt mir nicht weismachen, dass ihr immer noch nicht den Unterschied zwischen dem ontologischen (metaphysischen) Naturalismus und dem methodologischen Naturalismus kennt.
(Siehe:
http://plato.stanford.edu/entries/naturalism)
Diese Unterscheidung ist philosophisch angreifbar.
Sagen wir mal so: Der Unterschied wird oft nicht klar definiert.
darwin upheaval hat geschrieben: Kanitscheider beispielsweise spricht vom "schwachen ontologischen Naturalismus", der mit dem identisch ist, was Du als "methodologischen Naturalismus" bezeichnest. Dieser Naturalismus besagt, "... dass das Universum in seinem empirisch, aber auch theoretisch fassbaren Bereich ohne Rekurs auf autonome spirituelle Entitäten, besondere Lebenskraft oder teleologische und transzendente Wirk-Faktoren erkannt werden kann".
Kanitscheider, B. (2003) Naturalismus, metaphysische Illusionen und der Ort der Seele. Grundzüge einer naturalistischen Philosophie und Ethik. In: Zur Debatte. Themen der Katholischen Akademie in Bayern 1, 33 – 34 (33).
Wenn einer in diesem Zusammenhang das Adjektiv "ontologisch" benutzt, dann soll er eine Aussage darüber treffen,
was es gibt bzw. nicht gibt, und nicht darüber, was erkennbar bzw. unerkennbar ist, oder was wie zu tun ist.
Kanitscheiders These des "schwachen ontologischen Naturalismus" besteht offenkundig darin, dass es nichts Übernatürliches gibt, das in der Raumzeitwelt wirkt oder tätig ist.
darwin upheaval hat geschrieben:Man beachte, dass dieser Satz eine ontologische Hypothese enthält, die genuin Annahmen über das Sein und Werden der Welt trifft. So würde z. B. niemand Zeit und Mühen in Experimente stecken, der es allen Ernstes für wahrscheinlich hielte, dass die Datenerhebung einer willkürlichen supranaturalistischen Manipulation unterliegt. Und wer davon ausgeht, dass es in der Vergangenheit wiederholt übernatürliche Wirkungen ab, der macht sich in den entsprechenden Bereichen gar nicht erst die Mühe, Modelle zur Erklärung der betreffenden Phänomene zu erstellen.
Siehe:
viewtopic.php?p=43055#p43055(insbesondere ab "Ein drittes Argument, ...")
Ich sehe das Grundproblem sehr wohl, welches in der Schwierigkeit besteht, einen gänzlich "unontologischen" methodologischen Naturalismus zu konzipieren. Ob das machbar ist, darüber muss ich erst noch weiter nachdenken ...
darwin upheaval hat geschrieben:Im übrigen bilde ich mir ein, dass beispielsweise Sukopp (2006) u. a. Philosophen unter "methodologischem Naturalismus" etwas ganz anderes verstehen, nämlich diejenige Art von Szientismus, die beispielsweise W.v.O. Quine vertreten hat. Daher kommt es zu einer Doppelbelegung dieses Begriffs, die eigentlich mehr Verwirrung stiftet, als sie löst.
Ein Sukopp-Zitat kann ich unten noch anbieten, aber die Bezeichnung "methodologischer Naturalismus" ist, wie ich bereits mehrmals unterstrichen habe, eh schon doppelt belegt, einmal das Verhältnis von Philosophie und (Natur-)Wissenschaft und einmal das Verhältnis von Religion/Supernaturalismus und (Natur-)Wissenschaft betreffend.
Siehe:
viewtopic.php?p=47335#p47335"Beginnen wir mit einschlägigen und unproblematischen Charakterisierungen des ontologischen Naturalismus.
Goebel unterscheidet einen weiten (schwachen) Naturalismus und einen engen (starken) Naturalismus. Schon der erste schließt Übernatürliches wie Geister, cartesische Seelensubstanzen oder 'eine zweite Welt gegenständlicher (angeblich 'platonischer') Ideen' aus (Goebel 2003, 25). Eine solche Position wird von der Mehrheit der Philosophen geteilt. Ähnlich unterscheiden Mahner (2002, 689f.), Kanitscheider (2003, 33f.) und Wetz (2003a, 42) einen starken und einen schwachen Naturalismus und meinen damit vor allem jeweils eine ontologische These. In Kanitscheiders Version ist der schwache Naturalismus weithin akzeptiert:
'Die These, dass das materielle Substrat (des Universums; Anm. des Autors) aus seiner eigenen Gesetzlichkeit heraus letztendlich alle Gebilde hervorbringt, hat man mit dem Namen 'schwacher Naturalismus' (David Armstrong 1983) belegt. Dieser innerweltliche Naturalismus behauptet die keineswegs besonders gewagte Aussage, dass das Universum in seinem empirischen, aber auch theoretisch fassbaren Bereich ohne Rekurs auf autonome spirituelle Entitäten, besondere Lebenskraft oder teleologische und transzendente Wirklichkeit erkannt werden kann.'
(Kanitscheider 2003, S. 33)
Dieser Naturalismus schließt supernaturale Faktoren für den Seinsbereich der Natur aus und ist insofern ontologisch. Transzendente Bereiche werden mit dem schwachen Naturalismus nicht ausgeschlossen. Dieser Naturalismus ist wie der starke Naturalismus ein ontologischer Naturalismus. Erst der starke Naturalismus schließt einen Transzendenzbereich aus. Das gesamte Universum, 'so wie es heute von der Wissenschaft erforscht wird, ist [danach] alles, was es gibt' (Kanitscheider 2003, S. 33). Wir sehen leicht, dass dieser Naturalismus als metaphysischer Naturalismus verstanden werden kann, weil jede Ontologie letztlich Erfahrungstranszendentes enthält. Schon die bescheidene These, dass es eine Welt 'da draußen' gibt, ist eine metaphysische These. Franz Josef Wetz sieht den Anschluss an weltanschauliche Fragen in einer Behauptung des 'stärker metaphysische[n] Naturalismus' (Wetz 2003a, 42). Danach ist der Mensch ein unbedeutender Agent in einem ziel- und sinnfreien, dem Spiel blinder Naturkräfte unterliegendem Universum. Diese sinnfreie Natur ist alles, was es gibt." (S. 9f.)
"Wir können den ontologischen Naturalismus vom methodologischen Naturalismus unterscheiden, wie es Rainer Hedrich tut:
'Der im Ansatz verwendete Naturalismus entspricht einer methodologischen Maxime, die vorrangig das Vorgehen bei der Interpretation empirischen Materials betrifft und erst in zweiter Linie auf eine ontologische Naturalismus-Hypothese abzielt. Dem (methodologisch)-naturalistischen Ansatz und vor allem der im Hintergrund stehenden ontologischen Naturalismushypothese wird nicht axiomatischer Status, sondern ausschließlich höhere empirische Kohärenz und Plausibilität zugesprochen. Im Rahmen einer methodologischen Naturalismus-Maxime stellt der ontologische Naturalismus nur eine jederzeit revisionsbedürftige empirische Hypothese dar.'
(Hedrich 1998, 127f.)"(S. 10)
(Sukopp, Thomas. "Philosophischer Naturalismus." In
Naturalismus: Positionen, Perspektiven, Probleme, hrsg. v. Thomas Sukopp u. Gerhard Vollmer, 2-24. Tübingen: Mohr Siebeck, 2007.)