Leben für irgendwelche höheren Ziele

Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon stine » Fr 27. Feb 2009, 04:44

xander1 hat geschrieben:Es müsste doch auch höhere Naturalistische Ziele geben, oder um es besser auszudrücken: Naturalisten haben doch sicher gemeinsame Ziele, die vielleicht ungerne höhere Ziele genannt werden sollen. Aber so etwas meine ich dann auch mit höheren Zielen.
Das höhere Ziel ist, wie man immer wieder herauslesen kann, die Abschaffung religiöser Indoktrination (schon gleich im Kindesalter) und der damit verbundenen Machtherrschaft der großen Amtskirchen.

Es wird zwar immer wieder gerne behauptet, dass Freigeister jedem "das Seine" großzügig zugestehen, aber lieber hätten sie schon, wenn jeder "das Seine" nochmal überdenken würde, um anschließend zu dem gleichen Schluß zu kommen: Es gibt keinen Gott, daher sind Religionen überflüssig und Kirche als Konstrukt sinnlos bis gefährlich. Es gibt nichts außer Natur mit natürlichen Wesen. Der Mensch ist Teil dieser allesumfassenden Wirklichkeit.
Der Intellekt und das (Selbst)Bewußtsein?
Ein dummer Streich der Evolution, der überflüssigerweise auf die Spitze getrieben wurde.

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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Fr 27. Feb 2009, 17:03

In der Philosophie war ja immer wieder die Moral eine Art Schlüsselbegriff wenn es um höhere Werte ging. Nietzsche wollte mit seiner Einteilung in Herren und Sklavenmoral aufzeigen, dass es die eine Art Moral nicht gibt. Wobei er die Vermischung und das Nebeneinander in einer Kultur nicht ausschloss. Und de facto ist das m. E. auch nicht zu bestreiten.

Herrenmoral: In dieser Form der Moral steht sich das Begriffspaar „vornehm“ und „verächtlich“ gegenüber. Der gute Mensch ist in dieser Moralform der vornehme Mensch, der Edelmann, der Aristrokrat, der Adelige. Zudem sind moralische Wertbezeichnungen nicht auf Handlungen, sondern auf Menschen bezogen. Menschen sind gut, nicht weil sie Gutes tun, sondern weil sie vornehm sind: „Die vornehme Art Mensch fühlt s i c h als werthbestimmend, sie hat nicht nöthig, sich gutheissen zu lassen, sie ,urtheilt was mir schädlich ist, das ist an sich schädlich’, sie weiss sich als Das, was überhaupt erst Ehre den Dingen verleiht, sie ist w e r t h e s c h a f f e n d.“

Die Sklavenmoral ist das genaue Gegenteil der Herrenmoral und ist auch so entstanden: als Gegenmoral und Umwertung. Anhänger der Sklavenmoral sind Nietzsche zufolge die Schwachen. Sie sind misstrauisch, verlogen und erfinden aus diesen Gründen die Sklavenmoral: „Der Blick des Sklaven ist abgünstig für die Tugenden des Mächtigen: er hat Skepsis und Misstrauen, er hat Feinheit des Misstrauens gegen alles Gute, was dort geehrt wird -, er möchte sich überreden, dass das Glück selbst dort nicht ächt sei. Umgekehrt werden die Eigenschaften hervorgezogen und mit Licht übergossen, welche dazu dienen, Leidenden das Dasein zu erleichtern: hier kommt das Mitleiden, die gefällige hülfbereite Hand, das warme Herz, die Geduld, der Fleiß, die Demuth, die Freundlichkeit zu Ehren“

Natürlich verkürze ich Nietzsche jetzt wieder sehr, wenn ich sage, dass es sein Fehler war zu meinen, man müsse sich zwischen der einen oder anderen Art von Moral entscheiden. Dass bei dem Aufzeigen dieser Alternativen seine Wahl auf die Herrenmoral fiel, wundert irgendwie gar nicht. Wer wollte nicht auf der Seite der Sieger stehen, wenn es als selbstverständlich gilt, quasi als ehernes Gesetzt, dass es immer Sieger und Verlierer geben muss. Wenn ich es richtig erinnere hatte sich Nietzsche in seinen jungen Jahren noch als Humanist über das grausame Zuschlagen des Zufalls in der Natur empört, warum er dann meinte, man müsse unbedingt der Natur zu ihrem Recht verhelfen, indem der Mensch zu seiner Raubtierseite stehe - ist mir noch unklar. (Biologismus?) Und um dem Raubtier zu genügen, müsse sich der Rest der Menschheit zur Beute machen lassen

Bert Brecht hat in seinem künstlerischen Schaffen viel Energie darauf verwendet, aufzuzeigen dass es der Moral kaum gelingen kann „vornehm“ zu werden, wenn sie in bitterster Not aufwächst. In Notzeiten ist - zumindest als statistische Größe - sich jeder selbst der Nächste – das Individuum hat kaum noch Kapazitäten frei, um die Folgen des eigenen Handelns für andere weitreichend zu überdenken.

Bei MSS, der für Moral (weil Denkverbote aussprechend) nicht mehr viel übrig hat, findet man z.B. den Versuch in einem Kinderbuch „Die Geschichte vom frechen Hund“ zu erklären „Warum es klug ist, freundlich zu sein“. Diese Erklärung bemüht sich von Werturteilen weg zu kommen, das Eigeninteresse eines Kindes wird ernst genommen und erklärt wird, wieso es im Eigeninteresse liegt, auch die Folgen seiner Handlungen für andere zu überdenken. Das Kind wird also nicht zum „Heucheln“ aufgefordert, d.h. so zu tun als gebe es das Eigeninteresse nicht (bzw. in ihm liege das ganze „Übel“).

Wo ich bei MSS noch herumrätsele ist, dass er das „Werturteilen“ mit dem Begriff der Ethik und den Grundwerten in anderen Texten wieder einführt. Vermutlich bin ich da mal wieder all zu pauschal, wenn mir das so vorkommt, wie sich doch noch „ums Erklären herumdrücken zu wollen“.
Seht ihr einen klaren Unterschied zwischen Moral, Ideal, Grundwert und Ethik? Kennt ihr selbst eine Abgrenzung, die euch wirklich eingeleuchtet hat? Bei den sogenannten Autoritäten in diesen Fragen, musste ich immer wieder logische Brüche entdecken. Ich denke im Moment v.a. an Jarls Satz , ob der mich vielleicht weiter bringt:
"Ideelle Werte" brechen mit der Gesellschaft wie Jesus es einst tat ("Jesus stands for revolution!"


Naturalist sein heißt für mich, sich erklärend zur Welt zu stellen und nicht aus Angst vor den angeblich „unheimlichen“ Folgen des Denkens auf „Wunschdenken“ zu verfallen und dem Verstand billige Interpretationen der Welt anzubieten (z.B. Kreationismus) die ihm leider oftmals so „bequem“ erscheinen wollen.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon xander1 » Sa 28. Feb 2009, 20:14

stine hat geschrieben:Es wird zwar immer wieder gerne behauptet, dass Freigeister jedem "das Seine" großzügig zugestehen, aber lieber hätten sie schon, wenn jeder "das Seine" nochmal überdenken würde, um anschließend zu dem gleichen Schluß zu kommen: Es gibt keinen Gott, daher sind Religionen überflüssig und Kirche als Konstrukt sinnlos bis gefährlich.


Welche Motive stecken hinter diesen Motiven? Was hat der Naturalist davon dem Christen seinen Glauben wegzureden? Wieso wollen Naturalisten, dass alle Menschen auch Naturalisten sind. Die meisten Christen tun doch nur so als würden sie glauben. In Wirklichkeit gibt es nur wenige Unterschiede zwischen Naturalist und Christ. Ein Christ behauptet einfach merkwürdige Sachen an die er selbst nicht glaubt und ein Naturalist fühlt sich dadurch bedroht. Ist das nicht irgendwie lächerlich, was sich da die ganze Zeit abspielt zwischen Christen und Naturalisten? Gott ist etwas wie eine VoodooPuppe die man benutzen kann, man gibt ihm menschliche Eigenschaften und unterstellt ihm einen Willen und auf diese Weise bringt man Menschen dazu so zu handeln wie man will.

Die religiösen Fanatiker sind doch nur der Aufhänger für Naturalisten. Also der einzige Grund kann eigentlich nur die gefühlte Bedrohung sein durch Religion. Fundamentalisten sind wohl kaum das wirkliche Problem. Naturalismus ist vielmehr eine Emanzipationsbewegung und genau das macht es zu einem der so genannten höheren Zielverfolgungen.

Naturalisten haben wohl etwas gegen Gruppendruck, aber was haben Sie davon fremden Gruppen den Gruppendruck zu nehmen?
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » So 1. Mär 2009, 20:29

Wie schon gesagt, will ich eigentlich einmal versuchen und meinen Lehrer hier und da ein Stück weit vorerst zu überwinden; somit nur Kurz zur Herren- und Sklavenmoral:

Bei der psychlogischem Frage nach der Motivation einer Handlung unterschied Nietzsche, gleich Spinoza noch, zwischen actiones und passiones, Tugend und Leidenschaft (im Zarathustra). Ein und diesselbe Handlung kann unterschiedlichen, moralischen Wert haben, je nachdem, was ihre Motivation war: ist es ein Verschenken und Schaffen aus dem Überfluss heraus? oder ist es ein Büßen für seine Mängel, gleichsam ein Berauschen mit Narcotica aller Art, ein Ablenkung vom Leiden, ein zeitweiliges Vergessen des Schmerzes, von "des Nichts durchbohrendem Gefühle"?
Somit setzte Nietzsche gleichsam wieder einen moralischen Maßstab an die Gründe einer Moral an. "Gut" ist es für ihn "ein aus sich rollendes Rad" zu sein, also nicht aus einem Leiden heraus bloß reactiv zu handeln, "aus Ressentiment", "passiv" (was für ihn der Art des Sklaven entspricht); sondern eben als das, was Kant für unmöglich hielt, als "erste Ursache". (Kant widerlegte zwar den "unbewegten Beweger" Thomas von Aquins, setzte ihn aber selber noch als Ursprung der Kausalkette "Welt" noch an.)
In den ersten zwei Aphorismen der zweiten Abhandlung seines Werkes "Zur Genealogie der Moral" beschreibt Nietzsche den Wert, den er jeglicher Moral beimisst.
Ich habe ja auch geglaubt, man könne Kinder von Anfang an zur Freiheit erziehen; doch ein in dieser Weise großgewordener Erwachsener wird essentielle Entwicklungen nie erfahren haben, wird sich nie als begrenzt gefühlt haben und deswegen den anderen immer nur in Hinblick seiner Selbst wahrnehmen, so wie der größte Narziß, der Säugling, es tut. Kindern Christentum ermöglichen heißt auch, ihnen eine zukünftige Entgrenzung zu gewähren; so wie der von der Natur sich als ausgestoßen empfindende Adam nach der ersten Sünde anch Wegen suchte, wieder hinein in den Garten Eden zu gelangen, wo er, gleich dem Tier, mit seiner Umwelt vereint ist.
Diese Vereinigung ist es, was Nietzsche als "dionyseeisch" bezeichnet - nicht der künstliche Rausch der Narkotika, die das Gefühl Begrenzung zur Welt schwächer empfinden lassen, welche ich "Spaß" nenne; - es ist die "Freude", von der Spinoza sagt, sie sei "der Übergang des Menschen von geringerer zu größerer Vollkommenheit", deswegen, meine ich, weil die Freude das Gefühl einer dauerhaften Entgrenzung zur Welt ist, in dem sich zu einem vollkommenerem Menschen schafft. Schaffen, die Freude des Künstlers, ist die Freude schlechthin; sie ist der dionyseeische Rausch der Vereinigung, die actio, die Tugend, der Überfluss und dessen Verschwendung.
Eine Herrenmoral ist somit die Moral, die aus Freude ge s c h a f f e n wurde. Die Sklavenmoral hingegen ist das Erzeugnis des Ressentiments, als eine Verarmung der Lebenskräfte und deren Heiligsprechung, als ein Akt der Unfreiheit, des Getriebenwerdens.


Zu Brecht:
Wenn Künstler denken, kommt Quark wie der obige zustande. Ich, für meinen Teil, kann Brecht nicht ausstehen. Nietzsche wäre der letzte gewesen, der Menschen in schlimmen Lagen dafür verurteilt hätte, dass sie nicht "vornehm" genug seien. "Eine Klugheit ersten Ranges!" so hat er sich über den Wert stoischer Lebensarten in Zeiten großen Leids ausgesprochen (Vom Ziele der Wissenschaft, La gaya scienza, keine Ahnung welches Buch daraus).
Indem MSS in seiner Geschichte vom frechen Hund die Freundlichkeit in seiner Weise erklärt, setzt er das Wesen und den Boden der Moral auch in der Klugheit und in der Sphäre des Eigeninteresses an. In der Gesellschaft, in der ich lebe, ist jede Art Sitte nur ganz schwach noch wahrnehmbar und Kinder dürfen es so lernen wie MSS es in seinem Buch beschreibt, wenn die Eltern es wünschen. Aber wie würde ein solche Geschichte in einem theokratisch regierten Land des nahen Ostens heißen? "Warum es klug ist, deine Frau als Privateigentum anzusehen" oder "Warum es klug ist, Ungläubige mit in den Tod zu reißen" oder "Warum es klug ist, deine Schwester zu ermorden wenn sie sich deinem Urteil nach wie ein leichtes Mädchen aufführt".

Jetzt eine klare Definition von Moral zu geben, fällt mir sehr schwer. Ich sage vorerst, dass die Moral ein veränderliches Gefüge von Schätzungen ist.
Die Ethik ist das praktische Feld der Philosophie; sie vereint unter sich schließlich Anweisungen richtigen Handelns nach den Wertschätzungen einer bestimmten Moral.
Ein Ideal ist die Vorstellung eines Planes bezüglich einem Ding.
"Grundwert" ist einfach nur ein blödes Wort.
Schließlich galt für Wittgenstein folgender Satz in solchen Belangen: "What's in a name? - That which we call a rose by any other name would smell as sweet." (Romeo and Juliet)


Pia hat geschrieben:Naturalist sein heißt für mich, sich erklärend zur Welt zu stellen und nicht aus Angst vor den angeblich „unheimlichen“ Folgen des Denkens auf „Wunschdenken“ zu verfallen und dem Verstand billige Interpretationen der Welt anzubieten (z.B. Kreationismus) die ihm leider oftmals so „bequem“ erscheinen wollen.


Mit meinem "Jesus stands for revolution" habe ich folgendes bedeuten wollen: die Gesellschaft, in der man lebt, glaubt im Besitz der Wahrheit als einem Goldschatz zu sein. Unveränderlich, incorrumpabele und ewig - so denkt sich auch der Großteil der heutigen, westlichen Gesellschaft, wie damals schon die jüdische Gesellschaft der römischen Provinzen, ihre Werte(Demokratie=gut, wenig Leid=gut, Spaß=gut, Bildung= gut etc.). Da kommt Einer daher und meint, er sei im Besitz der Wahrheit und was bisher als Wahrheit gelehrt worden ist, sei falsch. Doch für beide gibt es keinen Beweis, nicht den geringsten, ausser vielleicht dem, des persönlichen Geschmacks des Einzelnen. (Geschmack ist ein gutes Argument.)
Was du, Pia, da als Beschreibung deines Daseins als Naturalist sagtest, scheint mir wie die Verneinung der ewigen Wahrheit und ewiger Werte, wie sie Nietzsche mit den Worten "Gott ist tot!" umschrieb. Diese liebende Haltung zur Welt bedeutet auch, dass das Leben des Menschen und speziell das funktionierende Zusammleben des Menschen kein Argument für irgendeine Art Wahrheit ist. Es ist meine Kritik an den Naturwissenschaften, dass sie das Leben einfacher macht, indem sie alles was es in der Welt gibt in ihr Menschen-Schema presst, somit die Bequemlichkeit des Menschen zur Vorraussetzung ihrer Wahrheit macht und schließlich die Ungewissheit tilgt, mit der der Gottlose lebt. Die Zahl ist ebenso ein Stellvertreter wie das Wort (bezogen auf das Phänomenum der rekursiven Variablenverwendung).
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mo 2. Mär 2009, 09:40

Pia hat geschrieben:Nietzsche würde ihm vermutlich sagen "Der Ursprung unsres Begriffs "Erkenntniss". - Ich nehme diese Erklärung von der Gasse; ich hörte jemanden aus dem Volke sagen "er hat mich erkannt" -: dabei fragte ich mich: was versteht eigentlich das Volk unter Erkenntniss? was will es, wenn es "Erkenntniss" will? Nichts weiter als dies: etwas Fremdes soll auf etwas Bekanntes zurückgeführt werden.


Ich kann das Gequassel nicht lassen: mit solchen Äußerungen hat er sicher nicht den Zuspruch gewollt, sondern wieder zum Überwinden des Herkömmlichen aufgerufen; und doch! bis heute hat die Wissenschaft ihre Prämissen noch nicht geprüft, nicht ihre Gewohnheiten überarbeitet, wie z.B. die Logik oder die Zahl; zumindest hat der Zweifel am Wort breiten Anklang gefunden.
Aber vielleicht hätte er eher das gesagt:
Zu deutlich reden. - Man kann aus verschiedenen Gründen zu deutlich articulirt sprechen: einmal, aus Misstrauen gegen sich, in einer neuen ungeübten Sprache, sodann aber auch aus Misstrauen gegen die Anderen, wegen ihrer Dummheit oder Langsamkeit des Verständnisses. Und so auch im Geistigsten: unsere Mittheilung ist mitunter zu deutlich, zu peinlich, weil Die, welchen wir uns mittheilen, uns sonst nicht verstehen. Folglich ist der vollkommne und leichte Stil nur vor einer vollkommenen Zuhörerschaft erlaubt. (Aus Mörgenröte, Viertes Buch)

Ich verstehe allerdings nicht ganz, weswegen du in jenem Beitrag soviel über die Bildung sprichst; und dann plötzlich über die Montessori-Pädagogik... ist damit das höhere Ziel der erreichten Gleichschätzung der Menschen bedeutet? Das schätze ich nicht als erreichbar ein (es entspricht ja der jüdischen Echnatologie von der messianischen Zeit) und selbst dann wüsste ich nicht, warum es toll sein sollte, dass es keinen Streit mehr auf der Welt gibt und alle nur noch kuscheln. Es ist nicht so, dass ich selber streitsüchtig wäre, aber eine Welt ohne die Auseinandersetzung... ich weiss nicht, ob dann noch einer sich die Mühe zur Sauberkeit seiner Lehren macht - aber das ist ja schon wieder liberalistisch-kapitlaistisches Konkurrenzdenken, dessen ich feind bin (ohne dem sozialistischen Lager anzugehören, sondern einfach nur der Coolness wegen); oder ist es doch eher Heraklitismus? "Der Krieg ist der Vater aller guten Dinge!"
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Mo 2. Mär 2009, 16:09

Ich kann das „Gequassel“ auch nicht lassen und muss dennoch im Moment so sehr mit meiner Zeit haushalten. Weswegen ich vorläufig nur völlig unzureichend antworten kann, so viele Gedankenfäden sind bei mir aktiviert.
Jarl Gullkrølla hat geschrieben:Ein und diesselbe Handlung kann unterschiedlichen, moralischen Wert haben, je nachdem, was ihre Motivation war


Und wie ist es jetzt bei mir dazu gekommen, dass ich nun keinen Zweifel an der Redlichkeit deiner Motivation empfinde, was mich fürderhin davon befreit, diese noch groß beachten zu müssen, weswegen ich mich auf den Inhalt deiner Worte konzentrieren kann. Was mir eine Freude ist, weil die Suche in den Motivationen andere Menschen - wie mir scheinen will -nur immer übelste Verdachtsmomente zu Tage fördert. Zu Wittgenstein „What´s in a name?“ Das lästige Problem mit den Begrifflichkeiten habe ich gerade auch, die Worte „moralische Werte“ wollen mir einfach überhaupt nicht mehr schmecken, weil in ihrem Namen schon so viel Schindluder getrieben wurde. Und dennoch benötigen wir ja der Worte, um nur annähernd verständlich werden zu können.

Zum Brecht, kein Einwand. In deinem Nietzsche-Anschluss sehe ich ein kleines Problem. Er hat leider auch zu den meisten Dingen die er sagte, an anderen Stellen oft das glatte Gegenteil behauptet. Und ich sehe durchaus die „Größe“ des Verstandes, der es aushält in die Extreme hineinzudenken, nur ist es ihm irgendwie nicht gelungen, sich nicht auf die Seite eines der Extreme zu schlagen, obwohl er um den Fehler wusste. Und ja, das hört sich auch für mich jetzt sehr sehr platt an. Werde noch etwas Zeit benötigen um differenzierter zu werden.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Mo 2. Mär 2009, 17:22

unsere Mittheilung ist mitunter zu deutlich, zu peinlich.


Nur in Unkenntnis des „Peinlichkeitsempfinden“, sonst kann das durchaus Mittel sein, denn ohne an Emotionen zu rühren, entsteht auch nicht der Impuls genauer überlegen zu wollen.

Folglich ist der vollkommne und leichte Stil nur vor einer vollkommenen Zuhörerschaft erlaubt.


Menschen sind sehr unterschiedlich, man muss es wohl darauf ankommen lassen, ohne sein Publikum vorab in eine Schublade zu stecken. Am Feedback wird man merken, ob man sie überschätzt hat. Wäre aber unbedingt eher dafür Gefahr zu laufen andere zu überschätzen, als sie zu unterschätzen, bin da schon öfter angenehm überrascht worden. Und ja, es ihnen verbal etwas schwerer zu machen, finde ich dabei genauso in Ordnung, weil mir auch klar ist , dass „einfache Worte“ bei vielen als Unterschätzung empfunden werden, bzw. man schnell selbst unterschätzt wird.

Ich fände es nicht toll, wenn es keinen Streit mehr auf der Welt gäbe und alle nur noch kuscheln. Man hat mich schon als sehr streitsüchtig bezeichnet. Aber der Streit an sich, war noch nie mein Zweck. Aber da, wo der Streit lebensbedrohlich wird, wäre den beiden Streitenden unbedingt zu empfehlen, sich darüber bewusst zu werden, nur so können sie entscheiden, ob sie dieses Risiko wirklich in Kauf nehmen wollen. Es gibt ja z.B. auch Extremsportler, die das totale Risiko suchen, sehe auch nicht warum man es ihnen bestreiten sollte. Hätte ich einen solchen ins Herz geschlossen, wäre mir wichtig zu wissen, ob er dem Risiko sehend entgegengeht. Ob ich es sehr lange aushalten würde, mich ständig um sein Leben zu sorgen, hinge wohl von emotionaler Tiefe ab.

"Der Krieg ist der Vater aller guten Dinge!" und das ist ein echter Nietzsche-Übergang, den du nicht ernst meinst. Da ist doch das Subjekt nun überhaupt nicht mehr gefragt. Das nenne ich in eigenartige Extreme zu verfallen. Auch bei Sartre findet man ähnliches. Sich zum Kanonenfutter machen zu lassen und ohne eigene Gründe in den Tod zu wandern, kann ich nur noch dämlich finden und nicht als toller Gipfelpunkt des Lebens. Es so zu sehen, hilft dem Individuum nur dann, wenn es ganz praktisch in diese Notlage gebracht wurde.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon russellsteapot » Di 3. Mär 2009, 00:06

Das Beispiel Extremsportler in diesem Zusammenhang passt nicht! Ich bin selbst Kletterer und in meinem Bekanntenkreis sind einige die bewusst free-solo klettern (das heisst ohne Seil, ohne Absicherung) Keiner von denen geht unreflektiert und ohne ein Maximum an Vorbereitung an eine imminent lebensbedrohliche Situation heran. Ich bin selbst oft genug schon gefragt worden: "Ist das denn nicht leichtsinnig wenn du da dein Leben riskierst" Aber bis auf 2 haarige Situationen mit Steinschlag (das kann man nicht beeinflussen) hatte ich noch nie das Gefühl in Lebensgefahr zu sein. Die meisten Unfälle passieren ja komischerweise in Kletterhalle/gärten mit fixen Haken also de facto "ungefährlichem" Gelände die einem das Gefühl von Sicherheit vorgaukeln. Eine "Hab alle lieb und Kuschel"-Einstellung ist ähnlich wie eine Kletterhalle - sie gaukelt Sicherheit vor - aber man steht dann allfälligen Angriffen relativ schutzlos gegenüber. Das ist auch der Grund warum ich kein richtiger Pazifist bin - das Gefühl wehrlos, ohnmächtig und schwach zu sein würde meinem Versuch ein selbstbestimmtes Leben zu führen im Weg stehen. Keine Ahnung ob diese Einstellung nietzscheesk ist - hab zuwenig von ihm gelesen und noch weniger verstanden...
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon stine » Di 3. Mär 2009, 07:17

Pia Hut hat geschrieben:
Folglich ist der vollkommne und leichte Stil nur vor einer vollkommenen Zuhörerschaft erlaubt.


Menschen sind sehr unterschiedlich, man muss es wohl darauf ankommen lassen, ohne sein Publikum vorab in eine Schublade zu stecken. Am Feedback wird man merken, ob man sie überschätzt hat. Wäre aber unbedingt eher dafür Gefahr zu laufen andere zu überschätzen, als sie zu unterschätzen, bin da schon öfter angenehm überrascht worden. Und ja, es ihnen verbal etwas schwerer zu machen, finde ich dabei genauso in Ordnung, weil mir auch klar ist , dass „einfache Worte“ bei vielen als Unterschätzung empfunden werden, bzw. man schnell selbst unterschätzt wird.

Ich denke, dass gerade ein "leichter", von Füllwörtern entspeckter Mitteilungsstil, die Essenz auch dann rüberkommen lässt, wenn das Gegenüber seine Aufmerksamkeit nur bedingt zur Verfügung stellen wollte. Lange Texte sind nur dann schön zu lesen, wenn uns die Zeit das auch erlaubt. Inhaltlich in zwei Zeilen zu sagen, was man in 20 Zeilen dachte, ist die Kunst der Mitteilung.
Meist wird diese Kunst unterschätzt, obwohl Werbeagenturen gut davon leben.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon stine » Di 3. Mär 2009, 07:25

OT:
russellsteapot hat geschrieben:Die meisten Unfälle passieren ja komischerweise in Kletterhalle/gärten mit fixen Haken also de facto "ungefährlichem" Gelände die einem das Gefühl von Sicherheit vorgaukeln.
Sowie auch technisches Gerät in die Hände von Sachkundigen gehört und nicht an Hinz und Kunz verkauft werden sollte. Handwerkermärkte boomen und Handwerksbetriebe sterben aus, weil wir, überschwemmt von billigen Stichsägen, Multiflexern und nachgebauten Boschhämmern, unsere Renovierungs- und Anbauarbeiten jetzt alle selbst in die Hand nehmen wollen. Was einfach aussieht endet oft in einem Dilemma.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Di 3. Mär 2009, 15:38

russellsteapot hat geschrieben:Das Beispiel Extremsportler in diesem Zusammenhang passt nicht!


Beispiele hinken immer ein wenig (ich hoffe dieses nicht all zu sehr, vielleicht gelingt es mir noch es besser zu verdeutlichen, vielleicht muss ich mich auch selbst korrigieren). Mir scheint es wichtig von der Verallgemeinerung oder Vereinfachung auch immer wieder den Bezug zu konkreten Lebenssituationen herzustellen, weil man sonst falschen Abstraktionen aufsitzen kann. Dann sieht man auf einmal keinen klaren Unterschied mehr zwischen der Beteiligung an einer Kletterpartie und dem Krieg, weil da scheinbar gleiche Prinzipien gelten.

Das Beispiel wählte ich, um gegen das Missverständnis, ich rede einer „heilen Kuschelwelt“ das Wort anzugehen. „No risk no fun“ Das gehört zum Leben, gestaltet sich aber individuell recht unterschiedlich. Und im Klettern sehe ich selbst durchaus sehr viel fun. Aber praktisch ungemütlich wird es, wenn sich Individuen auf eine Seite dieser Extreme schlagen. (aus Zeitgründen kann ich das erst mal nur anreißen)

russellsteapot hat geschrieben:"Ist das denn nicht leichtsinnig wenn du da dein Leben riskierst"


Diese Frage misst dein Verhalten an angeblich gemeingültigen Maßstäben. Anderen kommt es leichtsinnig vor, weil sie selbst es sich nicht zutrauen würden. Sie gehen zwar unter Umständen (zuweilen aus Naivität) ganz andere Risiken ein, wollen aber dem anderen seine Risiken absprechen. Dennoch ist die Kritik am Leichtsinn anderer nicht generell abzutun. Doch was kann der Maßstab dieser Kritik sein? Ich sehe ihn im Eigeninteresse oder im Hinblick auf Hobbys (z.B. der Wahl der Mitglieder einer Kletterpartie) auch im persönlichen Geschmack. Bei einer Kletterpartie wären mir da Personen, die eine ähnliche Risikoabwägung haben wie ich für den Fun am zuträglichsten. Extrempositionen wären mir das sehr lästig, z.B. der sich selbst überschätzende Risikofan oder der „ständige Mahner“: Das ist doch viel zu gefährlich. Dieser hängt nämlich dem Ideal an, man müsste jedes Risiko bis ins letzte Detail ausrechnen können. Leider muss man aber wohl ganz praktisch, um nicht zur Handlungsunfähigkeit verdammt zu werden, gewisse Unabwägbarkeiten immer in Kauf nehmen. (das ist schon bedingt durch die Existenz des Zufalls)
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon russellsteapot » Di 3. Mär 2009, 15:39

stine hat geschrieben:OT:
Handwerkermärkte boomen und Handwerksbetriebe sterben aus, weil wir, überschwemmt von billigen Stichsägen, Multiflexern und nachgebauten Boschhämmern, unsere Renovierungs- und Anbauarbeiten jetzt alle selbst in die Hand nehmen wollen. Was einfach aussieht endet oft in einem Dilemma.
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Weil wir gerade so hübsch bei Analogien sind - der Handwerkermarkt könnte auch für den Esoterikmarkt stehen :mg: Da manchen der gute alte Handwerker (z.B. der Dorfpriester) zu altmodisch ist, wird mithilfe der Esoterik eine Selbstbaukastenreligion gezimmert und eigene Phantastereien zur Ersatzreli erkoren - nur ich wette diese spiritualisierten Tim Taylors haben fast noch mehr Verletzungsrisiko (in punkto psychischer Gesundheit) als der originale Heimwerkerking beim Basteln :lachtot:
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon russellsteapot » Di 3. Mär 2009, 15:54

Krieg und Klettern haben sicher einen gemeinsamen Nenner - die Kameradschaft und das absolute Vertrauen zu den Freunden! Ich gehöre zu der Kletterergruppe der Antizipierer - ich versuche immer im vorhinein mögliche Risiken abzuwägen und so Für und Wider einzuschätzen, eine Einstellung die ich auch sonst vertrete. Ich könnte nie mit einem "Just fun und geht schon irgendwie"-Kletterer eine Tour machen und hab auch im sonstigen Reallife etwas gegen zu spontane Horuckaktionen. Vorbereitung ist ein Mittel dem Zufall zu begegnen. Ich vermute dass diese Denkweise auch gut in mein Weltbild passt. Mangels eines interventionalistischen Gottes und jeglicher Vorbestimmung bleibt im Grunde eine Welt die ursprünglich vom Zufall strukturiert wurde. Der Mensch, durch seine Fähigkeit zur Selbstreflexion und der Möglichkeit zu planen, hat dem Zufall ein wenig an Schärfe genommen - aber wir sind trotzdem nur ein Produkt aus Zufällen und Wahrscheinlichkeiten...
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Di 3. Mär 2009, 16:37

Pia hat geschrieben:Und wie ist es jetzt bei mir dazu gekommen, dass ich nun keinen Zweifel an der Redlichkeit deiner Motivation empfinde, was mich fürderhin davon befreit, diese noch groß beachten zu müssen, weswegen ich mich auf den Inhalt deiner Worte konzentrieren kann. Was mir eine Freude ist, weil die Suche in den Motivationen andere Menschen - wie mir scheinen will -nur immer übelste Verdachtsmomente zu Tage fördert.


Und wehe du sagst mir, was für üble Dinge du mir unterstelltest! Ich faste zur Zeit übrigens "schlecht über Menschen reden" mit dem Ziel, vielleicht seltener schlecht über Menschen zu denken, obwohl - "Wo die geringe Sehkraft des Auges den bösen Trieb wegen seiner Verfeinerung nicht mehr als solchen zu sehen vermag, d a setzt der Mensch das Reich des Guten an [...]" Ach, diese elende Klugscheißerei ständig...

Was du da mit den Extremenen sagtest, kann ich nicht recht nachvollziehen. Es gab kein Extrem für dass er sich dauerhaft entschied, weil er ja "Wanderer" war, unser Freund, und so viele Lebenspraktiken wie möglich erleben wollte, bis er schließlich auf den Ausspruch über den Vorschlag oder dem Ideal einer Experimentalphiliosophie kam: "Aber ich mag von allen Dingen und allen Fragen, welche das Experiment nicht zulassen, nichts mehr hören!" Diesem Satze nach überhörte er auch jede Skepsis, welche ihn zum bloßen Unterlassen aufforderte.
Hier sind wir wieder dem eignetlichen Thema - zielgerichtetem Handeln und dessen vermeintliche Höhe - wieder ein Stück näher, als mit den Ausführungen über die Moral, wenngleich wir auf diesem Wege feststellen konnten, dass jedes hohe Ziel, seine eigene Moral in sich begreift und vor allem eine eigene Ethik, ein philosophisch präskribiertes Verhalten, fordert die dem Erreichen jenes Zieles dient.
Beispiel: Der Marxist muss sich poltisch engagieren um seinem Ziel näher zu kommen, wohingegen ein Zen-Buddhist eben jene Praktik des Marxisten unterlassen muss um den Steg zu seinem Ziel zu nehmen.
Es gibt zum erreichen e i n e s Zieles allerdings nicht den e i n e n Weg - man schaue sich das Christentum an (und nicht nur Das) um dies zu begreifen. (Aber eigentlich hätte ich eines solchen Satzes hier wohl auch entbehren können...)

Bei den Naturalisten ist es vernehmlich, dass das Verhalten, und vor allem das Denkverhalten, festgesetzt ist, und nicht das Ziel. Selbst die Ethik Kants hatte ein Ziel (die sichere Gesellschaft, das friedliche Miteinander, den Kosmopolitismus - gut, nicht nur e i n Ziel) auf welches hin sie entworfen wurde. Demnach ist der Grundsatz eines naturalistischen Weltbildes eher eine Vereinigung dem Geschmack nach - so wie ein Harry Potter-Fanclub; ach, ich verkenne doch immer wieder das Wesen der Brights, welches zuletzt erst fordert, vorschreibt oder zwingt...

Pia hat geschrieben:denn ohne an Emotionen zu rühren, entsteht auch nicht der Impuls genauer überlegen zu wollen.


Das liegt dann wohl eher daran, dass das geschilderte Problem nicht auch ein persönliches des Rezipienten ist. Dadurch, dass es soviele derer gab, die Kunst und Philosophie zur bloßen Ablenkung, des kurzen Rausches wegen zu sich nahmen, sind diese Schönheiten heutzutage auch allzu oft für solcherlei Lüstlinge gemacht - sodass der Effekt sehr viel wichtiger ist als die Wirkung. (siehe auch Adorno, ein guter Mann!)
Die Existenzialisten waren nicht unwahrscheinlich auch deshalb ohne den großen Effekt auf ihrer Seite so beliebt, weil sie eben jene Fragen und Dinge zur Sprache brachten, die jeden etwas angehen; selsbst die Kränkesten noch, die sonst nur nach Linderung und Milde verlangen.

Pia hat geschrieben:Wäre aber unbedingt eher dafür Gefahr zu laufen andere zu überschätzen, als sie zu unterschätzen, bin da schon öfter angenehm überrascht worden.


Ich weiss, das gehört nicht zum Thema; aber wo hattest du denn die Möglichkeit zu solchen Erfahrungen gehabt? Du bist nicht etwa SchriftstellerIn?

Extremsportler, die das totale Risiko suchen, sehe auch nicht warum man es ihnen bestreiten sollte. Hätte ich einen solchen ins Herz geschlossen, wäre mir wichtig zu wissen, ob er dem Risiko sehend entgegengeht.


Das die erste Erwägung erst einmal die ist, eineN solcheN zu lieben und von da aus weiterzudenken bezüglich eines "modernen Herakles", macht mich nicht länger wundern, weswegen die Griechen der Aphrodite den Ares an die Seite gaben. (Es gibt allerdings ganz außergewöhnliche, erhabene Frauen, die das nicht verstehen können - ich spreche im Plural und meine eigentlich nur Eine.. lustig!)
Einmal angefangen, komm ich von Nietzsche jetzt nich mehr fort, tut mir leid! (Das heißt, richtig leid tun, tut es mir nicht, sonst könnte ich es ja auch einfach bleiben lassen.)

Was macht heroisch? - Zugleich seinem höchsten Leide und seiner höchsten Hoffnung entgegengehen.

Ach! das erinnert so sehr an die nordischen Mythen... Njål kannte sein Schicksal und hat alles erdenkliche getan um ihn zu entrinnen; genau jene Handlungen führten schließlich zum "Tod über das Geschick", wie Homer es hieß (natürlich nicht bezüglich dieser Saga, auch wenn die Syntax dies andeutet).
Tapferer als der mythologisierte Kong Njål, war Sigurd, dem in seiner Jugend von einem Weisen die Zukunft prophezeit wurde und dies als Schicksal von ihm hingenommen wurde... skapdauði, feigr, feigð: das sind die Begriffe, die dem Krieger den Tod bedeuteten; würde er versuchen davon zu entrinnen, wäre er, dem Ideal der isländischen Schreiber im 12. Jh. nach, kein Held mehr.

In der öden Jetztzeit kann man ja aufgrund der sozialen Absicherung nicht einmal mehr als Künstler oder Denker richtig heldenhaft sein; es sei denn man zieht in eine Hütte im Fjell und jagt Rentiere: gar keine so schlechte Idee, oder?

Sich zum Kanonenfutter machen zu lassen und ohne eigene Gründe in den Tod zu wandern


Es gibt nun man sehr viele derer, die sich nicht selbst tragen können: die einen sind unterworfene eines Gottes, die anderen sind der sklavische Ehepartner des anderen, wieder der nächste fixt sich Heroin - manche lassen sich zu Kanonenfutter machen. Psychoanalytisch gesehen sind dies alles Symptome einer masochistischen Störung, die sich oft auch in sadistisch gegenüber Schwächeren zeigt. Sado-masochismus ist nicht nur ein Spaß für kranke Menschen, sondern ein Krankheit.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Mi 4. Mär 2009, 14:54

Ach ja, russelsteapot, was ist denn eigentlich das Yiel welches du durch das Klettern verfolgst? Bloßer kapitalistisch-konsumistisch reduyierter Hedonismus - oder høheres?
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon russellsteapot » Mi 4. Mär 2009, 15:28

Das Ziel? Hmmm, ich wurde von klein auf mit Bergsteigen konfrontiert (bin ja aus Tirol) und das Klettern kam dann einfach als logische Weiterentwicklung dazu. Was mich hauptsächlich daran fasziniert ist die Intensität und die Selbstüberwindung - meine Lieblingsrouten sind nicht ganz schwere Adrenalinmonster sondern eher leichtere, dafür lange Routen. Der "Flow" der beim Klettern entsteht ist sicher vergleichbar mit dem Runnershigh der Langstreckenläufer aber es kommt noch eben die zusätzliche Komponente der Selbstüberwindung und das bewusste herangehen an eine gefährliche Situation dazu - Klettern ist zu 80% Kopfsache. Für mich ist Klettern ein Mittel mehr über mich selbst und meine Grenzen zu erfahren - der Hedonismus setzt erst nachher ein wenn man gemütlich mit einem Bier bei der Hütte sitzt, den Blick über die Gipfel schweifen lässt und das Geschaffte revue passieren lässt...
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Mi 4. Mär 2009, 20:37

Wenn ich Schriftstellerin wäre, hätte ich die Begrifflichkeiten evtl. sauberer im Griff und müsste mir nicht in Nachhinein sagen, so wie ich es sagte, habe ich offenbar Missverständnisse produziert. Ich lasse auch vorläufig von dem Begriff der Extreme ab, bevor ich mich da selbst irgendwo verrenne. Zumal mir aktuell die Zeit durch die Notwendigkeiten verdammt knapp gemacht wird – und ich mich daher in nächster Zeit eher selten einmischen werde.

Zu Nietzsches Experimentalphiliosophie weiß ich nicht so arg viel.

Jarl Gullkrølla hat geschrieben:"Aber ich mag von allen Dingen und allen Fragen, welche das Experiment nicht zulassen, nichts mehr hören!" Diesem Satze nach überhörte er auch jede Skepsis, welche ihn zum bloßen Unterlassen aufforderte.


Das erweckt auf jeden Fall keinerlei Widerspruch in mir. Einer Experimentierbereitschaft lag auch mein Ansprechen der Emotion (Peinlichkeitsempfinden) zugrunde. Aber mir ist auch der Haken an der Sache klar u. a. „dass der Effekt sehr viel wichtiger ist als die Wirkung„. Dabei habe ich selbst mit dem Wort „Mittel“ den Fehler drin gehabt. Als Mittel lässt sich die Emotion nicht benutzen, man muss sie eher v.a. in Form des Streits in Kauf nehmen, will man andere zum Nachdenken veranlassen. (Und genauer bekomme ich es jetzt nicht hin.)

Dass die Vorbereitung genau das Mittel ist dem Zufall zu begegnen, dem würde ich übrigens auch nicht widersprechen.
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Pia Hut » Mi 4. Mär 2009, 22:47

russellsteapot hat geschrieben:Krieg und Klettern haben sicher einen gemeinsamen Nenner - die Kameradschaft und das absolute Vertrauen zu den Freunden!


dieser Satz erregt schon meinen Einwand, weil ich schon wieder die Unterschiede verschwimmen sehe. Zur Kletterpartie geht man sicherlich nicht nur wegen des Sports sondern auch wegen so was wie Kammeradschaft und Vertrauen.
Aber wer geht denn aus diesen Gründen in den Krieg?
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon russellsteapot » Do 5. Mär 2009, 03:26

Niemand - aber die Kameradschaft ist ähnlich - man hat dauernd das Leben des Anderen in der Hand...
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Re: Leben für irgendwelche höheren Ziele

Beitragvon Jarl Gullkrølla » Do 5. Mär 2009, 15:48

Es geht hier doch nicht um diese verfängliche Kletterei! (Und wer meine Wahl-Muttersprache kennt, weiss, was mit "Verfänglichkeit" gemeint ist. Wie bös' , so wenig verstanden werden zu wollen, nein?)

Also: vielleicht mag der einen oder anderen kontemplativen Natur der Kletterer und Bergsteiger als nettes Gleichnis für die Erkenntnis erscheinen und allemal sollte man ja keinem Gedanken glauben, der einem im Sitzen kommt; doch es ist nun einmal ein Gleichnis - nicht "nur" ein Gleichnis wohlgemerkt, wie die Herren materialistischen Nihilisten zu sagen pflegen - und somit ist die physisch umgesetzte Tätigkeit dessen kein respiktiver Gegenstand unserer Betrachtungen bezüglich des Lebens für höhere Ziele.
Es ist wirklich keine kleine Sache, die wir hier besprechen und ich bin der Auffassung, wir sollten auf die kleineren Aussschweife nicht weiter eingehen.
Wenn es so wichtig zu ist, können wir ja auch neue Threads zum Thema der Veränderung der Ausdrucksmittel in Kunst und Denken eröffnen, aber ich glaube das die meisten Naturalisten sich dann wieder nur in sinnfremden Tiraden über die Auswirkung eines Gis +13 Akkordes auf den Hirnstrom ergehen. (Hirnforschung erklärt NICHTS.)

Also: höhere Ziele - hat noch jemand Lust sich damit zu beschäftigen?
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