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Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Di 30. Dez 2008, 16:25
von ganimed
Pablo hat geschrieben:Diese beiden Zufälle können aber nicht als Begründung für die Existenz des PC´s mit seiner Software herangezogen werden, d.h. er ist in die Naturgesetze fest eingebunden. Genau darauf läuft aber die Behauptung von vielen Atheisten hinaus, wenn sie sagen, das Universum sei zufällig entstanden.

Also ich bezweifle starkt, dass die Position von Atheisten hier richtig wiedergegeben wurde (oder überhaupt so einheitlich existiert). Ich zum Beispiel würde das Wort Zufall als höchst problematisch außen vor lassen. Und höchstens deshalb von Zufall beim Big Bang reden, um auszudrücken, dass nichts Geplantes da war. Sozusagen dass es zwar Ursachen gab (davon gehe ich aus), aber dass diese Ursachen keine Absicht enthielten, keinen Geist, keine Berechnung, eben keinen Plan. Also ein völlig neutrales "ist eben so passiert". Ursache A führte zu B führte zu C führte zum BigBag führte zu ... uns Menschen und ... ja auch zu meinem PC. Kausal! Nicht zufällig (im Sinne von akausal)!

Alle Ursachen vor dem BigBang (die zu ihm führten) sind, soweit ich bisher hörte, bislang so ziemlich außerhalb des Bereichs, den wir jemals wissen können, weil wohlmöglich keine Spuren und Informationen von "davor" vorliegen. Aber vielleicht kriegen wir ja mit der Zeit doch noch indirekte Hinweise (über ein pulsierendes Universum, Multiversen, was auch immer, irgendsowas wird es schon sein). Und hier rauscht du, Pablo heran (so kommt es mir vor) und zwängst in diese Lücke "was ist die Ursache für den BigBang" (große Lücke, wie ich zugeben muss) sofort wieder irgendwelche abenteuerlichen Annahmen und Vermutungen wie Geist, universelle Intelligenz, Gott, was auch immer. Sehr voreilig und sehr unbegründet. Analog zu beispielsweise Kreationisten, wie sie das bei anderen "Lücken" in der Evolutionstheorie und bei Erklärungen zur Lebensentstehung tun. Lieber den Mut zur Lücke als sie mit Unsinn vollstopfen, sage ich da.

    Aus dem Zitat von DAVIES: "Bestimmte Zellen werden zu Blutzellen, andere zu Bestandteilen des Darms, des Rückgrats, aber woher »wissen« die Zellen, was aus ihnen werden soll?"
Auch wieder so eine Lücke, die aber dieser Jahre, soweit ich mitbekomme, recht rapide von der Stammzellenforschung geschlossen wird. Die arbeiten mit Hochdruck dran. Diese Lücke jetzt noch schnell mit Quatsch über angebliche Felder zu füllen, erscheint mir hier noch viel sinnloser als die Sache mit der Vor-Urknall-Lücke. Erst an dem Tag, wo eine Mehrheit von Stammzellenforschern eindeutig zu dem Ergebniss kommt: wir finden nicht nur keine Erklärung, sondern wir finden, dass es keine biochemische Erklärung gibt und geben kann! Erst am Abend dieses Tages dürften die Lückenfüller aus ihren Löchern kommen und alternative Theorien vorlegen, finde ich. Aber bis dahin sollte doch jedem Vernunftmenschen klar sein, dass wo bisher nur Biochemie am Werk war (Zelle, Körper, DNA) wird diese eine Lücke und die Frage, wie bilden sich die einzelnen Zelltypen aus, doch wohl aller aller Wahrscheinlichkeit nach auch biochemisch beantwortet werden.
Oder anders formuliert: die Biologie hat bisher, sagen wir ruhig mal, 100.000 Fragen geklärt bezüglich unseres Körpers und seiner Biologie (je nach Zählweise sicher noch viel viel mehr). Und da will jemand behaupten, bei der 100.001ten Frage ist es jetzt plötzlich kein biochemischer Mechanismus sondern Feldtheorie? Bin ich der einzige, dem diese Behauptung wie Irrsinn vorkommt?

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 31. Dez 2008, 11:13
von gerhard
@ganimed,
nur so nebenbei: Wer von der sinnvollen kausalen Logik allen natürlich-kreativen Werdens als schöpferischer Bestimmung (offenbarendes Wort) ausgeht, der braucht sich auch um Erklärungslücken keine Gedanken zu machen, kann den Streit zwischen Materialismus, Monismus und alter Metaphysik aufgeklärt auf-geben, kommt zu neuen EIN-sichten. Was m.E. auch sinn-voll wäre.

Der will weder den kreativen Zufall verleugnen, noch ihn als Beweis gegen einen Gott verwenden, sondern sieht im gesamten Prozess, der im Monismus bzw. Materaialsmus begreifbar=sinnvoll wird, ein schöpferisch sinnvolles Geschehen. Eine Sichtweise, zur der u.A. Davies beigetragen hat. Nach Übernatürlichkeiten oder Erklärungslücken habe ich bei ihm nie gesucht. Nur nach einem sinnvollen großen Ganzen, das er auf wunder-bar, auch für mich begreifbare Weise schilderte. Alle ganzheitlichen Beschreibungen des kosmischen Geschenhens, etwa auf der Suche nach der Weltformel, waren für mich nach Glaubensaufklärung immer so etwas, wie moderne Jesusbücher. Sie haben mir auf zeigemäße Weise eine sinnvoll-begreifbare kreative Vernünftigkeit des Kosmos bzw. Evolutionsverlaufes (Lt. Ken Wiber Logos) vor Augen geführt: die Alten sprachen von Offen-bar-ung, also dem Gegensatz von Geheimniskrämerei in Erklärungslücken und alter Metaphysik.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Fr 2. Jan 2009, 00:15
von Myron
Pablo hat geschrieben:Diese beiden Zufälle können aber nicht als Begründung für die Existenz des PC´s mit seiner Software herangezogen werden, d.h. er ist in die Naturgesetze fest eingebunden. Genau darauf läuft aber die Behauptung von vielen Atheisten hinaus, wenn sie sagen, das Universum sei zufällig entstanden.


Gut, falls unser Universum nicht ewig und damit unentstanden ist, dann macht es einen Unterschied, ob man sagt, es sei zufällig aus nichts entstanden, oder ob man sagt, es sei zufällig aus etwas, d.h. aus etwas Präexistentem, entstanden.
Ein Beispiel für Letzteres ist Edward Tryons Hypothese, unser Universum sei aus einer zufälligen Quantenfluktuation im Vakuum hervorgegangen. Die Präexistenz des Vakuums selbst sowie seiner Natur bleibt dabei freilich unerklärt.

Pablo hat geschrieben:Tatsache ist, dass die zentrale Frage nach der Formgebung von Lebewesen noch völlig offen ist.


Folgendes scheint Tatsache zu sein:

"[D]as Studium der Funktionsweise des [genetischen] Programms [bildet] den schwierigsten Bereich der Biologie. Die Übersetzung des genetischen Programms in Wachstumsprozesse und in die Differenzierung von Zellen, Geweben und Organen beispielsweise stellt heute die größte Herausforderung an die Entwicklunsbiologie dar."

(Mayr, Ernst. Eine neue Philosophie der Biologie. Übers. I. Leipold. München: Piper, 1991. S. 67+)

So weit, so gut; doch wer hat gesagt, Wissenschaft wäre ein einfaches Unterfangen?!

Pablo hat geschrieben:Da jede Zelle den gleichen Bauplan enthält, ...


Eigentlich enthalten Zellen nur besondere Moleküle, die für die Entwicklungsprozesse kausal maßgeblich sind.

Pablo hat geschrieben:... stellt sich die Frage, wo der übergeordnete Bauplan angesiedelt werden kann. Zum besseren Verständnis hier eine Aussage von DAVIES (aus Prinzip Chaos)

"(...) Das »Wunder« der Morphogenese verbirgt sich in der Beziehung zwischen der lokal gespeicherten Information und dem globalen, holistischen Eingriff, der erforderlich ist, um die entsprechenden Strukturen hervorzubringen." (PAUL DAVIES)


Da ich kein Biologe und schon gar kein Entwicklungsbiologe bin, kann ich dir leider auch nicht sagen, wie die Natur dies alles bewerkstellligt; doch es scheint, dass biologische Erklärungen prima ohne Annahme irgendeines "globalen, holistischen Eingriffs" auskommen, zumal du darunter anscheinend den Einfluss irgendeiner bewusst planenden hyperphysischen Entität verstehst.

"Morphogenese: Von manchen Autoren wurde behauptet, die Phänomene der Morphogenese und insbesondere der Embryonalentwicklung stünden im Widerspruch zum Darwinismus. Zwar sind viele Kausalzusammenhänge der Embryonalentwicklung noch nicht ausreichend geklärt, aber eines weiß man: Sie sind vollständig mit einer darwinistischen Erklärung vereinbar. Manche von denen, die hier Kritik üben, unterstellen offenbar, nur der ausgewachsene Phänotyp im letzten Entwicklungsstadium sei der Selektion ausgesetzt. In Wirklichkeit unterliegt ein entstehender Organismus in jedem Stadium von der befuchteten Eizelle (Zygote) bis ins hohe Alter ständig der Selektion. Nach Ende der reproduktiven Phase ist das weitere Schicksal der Individuen für die Evolution jedoch nicht mehr relevant."

(Mayr, Ernst. Das ist Evolution. Übers. S. Vogel. München: Goldmann, 2005. S. 330)

Aber er stellt auch zusammenfassend Folgendes klar:

"1. Die Verwendung der sogenannten teleologischen Sprache durch die Biologen ist gerechtfertigt; sie bedeutet weder eine Ablehnung physikalisch-chemischer Erklärungen noch eine nicht-kausale Erklärung.
2. Die Ausdrücke 'Teleologie' und 'teleologisch' sind auf höchst unterschiedliche Phänomene angewandt worden. Ich habe diese Erscheinungen in mehr oder weniger homogene Klassen einzuordnen versucht.
3. Es ist nicht gerechtfertigt, evolutive Vorgänge oder Trends als zielgerichtet (teleologisch) zu beschreiben. Die Selektion belohnt vorangegangene Phänomene (Mutation, Rekombination und so weiter), aber sie plant nicht für die Zukunft, zumindest nicht auf irgendeine spezifische Weise.
4. Vorgänge (Verhaltensweisen), deren Zielgerichtetsein durch ein Programm gesteuert ist, können 'teleonomisch' genannt werden.
5. Prozesse, die einen Endzustand erreichen, der durch die Naturgesetze (beispielsweise die Schwerkraft, den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik), nicht aber durch ein Programm diktiert ist, können wir mit dem Ausdruck 'teleomatisch' bezeichnen.
6. Programme sind teilweise oder völlig das Produkt der natürlichen Auslese.
7. Die Frage, ob es legitim ist, das Wort 'teleologisch' auf stationäre funktionale oder adaptive Systeme anzuwenden, erfordert eine weitere Analyse.
8. Teleonomisches (d.h. programmiertes) Verhalten kommt lediglich in Organismen (und vom Menschen manipulierten Maschinen) vor. Es bezeichnet einen deutlichen Unterschied im Niveau der Komplexität zwischen der lebenden und der unbelebten Natur.
9. Teleonomische Erklärungen sind streng kausal und mechanistisch. Sie sind kein Trost für die Anhänger vitalistischer Vorstellungen.
10. Der heuristische Wert der teleologischen Fragestellung macht diese zu einem wertvollen Instrument in der biologischen Analyse, von der Untersuchung der strukturellen Zusammensetzung der Makromoleküle bis hin zum Studium kooperativer Verhaltensweisen in gesellschaftlichen Systemen."


(Mayr, Ernst. Eine neue Philosophie der Biologie. Übers. I. Leipold. München: Piper, 1991. S. 79+)

Pablo hat geschrieben:Im Prinzip läuft es bei ZEILINGER darauf hinaus. Er schreibt in "Einsteins Scheier" Folgendes:

"In unserem Bild ist also Information der Urstoff des Universums... Der Vorschlag ist also, wegen unseres Postulats, dass kein Naturgesetz und keine Naturbeschreibung einen Unerschied zwischen Wirklichkeit und Information machen dürfen, die beiden als daselbe anzusehen... Unsere frühere Aussage, dass Information der Urstoff des Universums sei, ist nun auch im Sinne dieses gemeinsamen Begrifffs von Wirklichkeit und Information zu sehen." (ANTON ZEILINGER)

Da zu Beginn des Universums noch keine Materie vorhanden war, setzt ZEILINGER demnach "Information" noch vor der physischen Realisierung.


Falls das Universum einen Beginn hat, dann ist sein Urstoff, sein "Urkraftstoff", auch von Beginn an vorhanden gewesen, wenngleich es sich dabei freilich noch nicht um feste Materie gehandelt hat.
Zeilingers Aussage, der Urstoff des Universums wäre Information, ist mir leider unverständlich.
Ich gebe auch gerne zu, dass ich noch Schwierigkeiten mit dem Begriff der Information habe, der in derart vielfältigem und unterschiedlichem Sinne gebraucht wird, dass es mir schwerfällt, zu einem klaren Verständnis durchzudringen.
Das klassische Konzept von Shannon ist wohl am präzisesten definiert, wobei dessen Anwendung auf biologische Prozesse in keiner Weise den Rahmen rein physikalisch-chemischer Kausalprozesse sprengt (siehe: http://plato.stanford.edu/entries/infor ... #ShaConInf).
Richtig kompliziert wird es offenbar, wenn man anfängt, von semantischer oder intentionaler Information zu sprechen und diesen speziellen Informationsbegriff auf biologische Prozesse anzuwenden.

Die Philosophen der Biologie streiten darüber, ob und wenn ja in welchem Sinne der Informationsbegriff innerhalb der Biologie, insbesondere der Genetik, anwendbar ist.
(Siehe: http://plato.stanford.edu/entries/infor ... biological)
Besonders relevant ist dabei die Frage, ob es so etwas wie "semantische" oder "intentionale" Information ohne bewusst-geistige Interpretation derselben überhaupt geben kann. Denn die elementaren biologischen Prozesse in Organismen, insbesondere die genetischen, scheinen keinerlei Grad an Bewusstsein bzw. -heit vorauszusetzen.

Mit der metaphysischen Auffassung, Information wäre ein Art Stoff, der den materiellen und energetischen Prozessen zugrunde liegt und diesen vorausgeht, kann ich jedenfalls nichts anfangen.

"In some writers, however, the idea that evolution is an informational process can be taken too far. For example, Williams (1992) argues that, via reflection on the role of genes in evolution, we can infer that there is an informational “domain” that exists alongside the physical domain of matter and energy."

"Bei einigen Autoren führt die Idee, dass die Evolution ein informationeller Prozess sei, jedoch zu weit. Zum Beispiel behauptet Williams (1992), dass man über die Betrachtung der Rolle der Gene in der Evolution schlussfolgern könne, dass es eine informationelle 'Sphäre' gebe, die parallel zur physikalischen Sphäre der Materie und der Energie existiere."
[@ meine Übers.]

(http://plato.stanford.edu/entries/infor ... al/#InfEvo)

In ebendiese Richtung scheinst auch du zu argumentieren, nämlich, dass es eine hyperphysische Informationssphäre gäbe, die unabhängig von Materie und Energie, und damit wohl auch unabhängig von Raum und Zeit existieren würde.
(Eine solch mysteriöse Art von Information wäre natürlich ganz und gar unstofflich!)

Mir scheint, dass es mittlerweile nicht nur eine scheinwissenschaftliche Art von "Quantenesoterik", sondern auch eine Art "Informationsesoterik" gibt, der sich allerlei Antimaterialisten unterschiedlichen Schlages (Spiritualisten, Idealisten, Vitalisten, Hylozoisten, Pantheisten, Panpsychisten) mit Wonne hingeben.

Aber einen Mann wie Zeilinger nehme ich durchaus ernst, und so werde ich mir sein Buch "Einsteins Schleier" demnächst zulegen (gibt's ja schon für 8,95€ bei Goldmann).
Vielleicht verstehe ich dann besser, was genau er mit "Information" meint.

Pablo hat geschrieben:Ohne Bauplan kein Haus.


Damit sind wir wieder beim guten teleologischen Gottesargument:

Zu jedem Haus gibt es einen Bauherren und einen Bauplan; folglich gibt es auch für das natürliche Weltgebäude insgesamt und insbesondere für lebende Organismen einen Bauherren und einen Bauplan.

Die Gretchenfrage ist jedoch bekanntlich, ob dieser Analogieschluss gerechtfertigt ist!
(Dass ich das als Atheist und Materialist bestreite, wird dich gewiss nicht überraschen.
Aber selbst ein Nichtmaterialist wie Kant kritisiert dieses Argument.)

Pablo hat geschrieben:Aber die Umsetzung des in der DNA gespeicherten Bauplans ist doch bereits eine zielgerichtete Umsetzung!


Siehe das Mayr-Zitat oben!

Nirgendwo findet sich bei genetischen oder molekularbiologischen Prozessen so etwas wie Zielbewusstheit oder mentale Intentionalität!
Von einer bewussten, geistigen Wesenheit ausgehende, gesetzte Zweckursachen (causae finales) spielen dabei allem Anschein nach keinerlei Rolle.

Pablo hat geschrieben:Da Materie alleine keine Informationen speichern kann, bleibt nur noch übrig, dass sich die Materie aufgrund einer Vorlage selbst organisiert.

"Mit der Einführung der Selbstorganisation als Grundeigenschaft der Materie ist aber auch gesagt, dass jede Materie apriori ideenträchtig ist. Sie hat die Idee ihrer Selbstorganisation, ihrer Entfaltung, aller Baupläne und Aus-Formungen in sich." (FRIEDRICH CRAMER—aus Chaos und Ordnung)

Am Anfang war demnach "Information". Und wenn wir den Zufall und den Gott als Träger dieser Information verwerfen, bleibt nur noch eine geistige Grundlage in Form eines zusätzlichen Feldes übrig.


Du unterschlägst eine ganze Reihe von möglichen theoretischen Alternativen!

Die Materie organisiert sich in der Tat vermöge der ihr innewohnenden Dynamik selbst und differenziert sich infolgedessen in unterschiedlichsten Erscheinungsformen aus—aber all dies tut sie absolut unbewusst—zielunbewusst—und ohne einen präexistenten abstrakten "Masterplan" (sowie ohne die Mitwirkung eines göttlichen Geistes).

Und, wie ich schon betonte, die Rede von einem immateriellen, nichtphysischen Feld als einer "geistigen Grundlage" ist in sich widersprüchlich, weil ein (kosmisches) Feld per definitionem räumlich ausgedehnt, sprich 3-dimensional ist, wohingegen eine nichtphysische Substanz per definitionem unausgedehnt, sprich 0-dimensional ist!
Es ist eine metaphysisch notwendige Wahrheit, dass alle ausgedehnten Gebilde körperlich-stoffliche Gebilde sind!

Ebenso widersprüchlich ist die Rede von einem außerraumzeitlichen Feld, da sich etwas ja nur innerhalb der Raumzeit ausdehnen kann (abgesehen von der Raumzeit selbst).

Es mag ja sein, dass du zugestehst, dass dein "Geistfeld" ein physisches Feld (und damit raumzeitabhängig ist!) ist, aber nichtsdestominder darauf beharrst, dass jenes psychische Eigenschaften besitze, vor allem bewusste Intentionalität, die das zukunftsgerichtete Entwerfen von Bauplänen für materielle Systeme ermöglicht.
Mal abgesehen davon, dass ich diese Idee für völlig abwegig halte, würde mich interessieren, woher dein Geistfeld stammt. Ist es ewig? Älter als die Raumzeit, von der es seinsmäßig abhängig ist, kann es ja nicht sein. Und vermöge welcher Kräfte schafft es dein Geistfeld, die abstrakten Baupläne in konkrete materielle Strukturen umzusetzen?
Müssen dafür nicht besondere nichtphysikalische Kräfte, sprich Geisterkräfte postuliert werden?
Außerdem, müsste ein Geistfeld nicht hinsichtlich seiner strukturellen und funktionalen Komplexität hochentwickelten Organismen, wie wir Menschen es sind, gleichen, um überhaupt intellektuelle Fähigkeiten besitzen zu können?

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Sa 3. Jan 2009, 17:53
von Pablo
Myron hat geschrieben:"[D]as Studium der Funktionsweise des [genetischen] Programms [bildet] den schwierigsten Bereich der Biologie. Die Übersetzung des genetischen Programms in Wachstumsprozesse und in die Differenzierung von Zellen, Geweben und Organen beispielsweise stellt heute die größte Herausforderung an die Entwicklunsbiologie dar."
(Mayr, Ernst. Eine neue Philosophie der Biologie. Übers. I. Leipold. München: Piper, 1991. S. 67+)
So weit, so gut; doch wer hat gesagt, Wissenschaft wäre ein einfaches Unterfangen?!


Absolut richtig. Da die Frage nach der Formgebung aber nunmehr seit Jahrzehnten unbeantwortet geblieben ist und nachweisbar in jeder Zelle der gleiche Bauplan vorhanden ist, lässt sich daraus durchaus die Existenz eines übergeordneten Bauplans ableiten. Außerdem: Tatsache ist doch, dass die materielle Form von Lebewesen sprichwörtlich zu Staub zerfällt, wenn Geist und Intelligenz aus den Lebewesen verschwunden sind. Unabgängig vom Tod der individuellen Formen kann aber ebenfalls zweifelsfrei festgestellt werden, dass das "Leben" seit 3-4 Milliarden von Jahren nachweislich n i c h t gestorben ist.
Da der Bauplan in der DNA nur ausgelesen werden kann, wenn Leben, sprich Geist und Intelligenz in der Zelle vorhanden ist, kann daraus ebenfalls abgeleitet werden, dass das Leben selbst als übergeordneter Träger für alle Lebewesen angesehen und definiert werden kann. Wenn du aber "Leben" mit Geist und Intelligenz gleichsetzt, hast du im Prinzip bereits ein Feld definiert, aus dem heraus immer wieder Lebewesen entstehen. Und dieses Feld ist offensichtlich auch der Informationsträger, der all die Änderungen enthält und abspeichert, die dann im Zuge der Evolution in der "lebenden" DNA ausgelesen werden.

Bitte über diesen Zusammenhang erst nachdenken und sinnieren, bevor eine vorschnelle Antwort kommt.

Myron hat geschrieben:3. Es ist nicht gerechtfertigt, evolutive Vorgänge oder Trends als zielgerichtet (teleologisch) zu beschreiben. Die Selektion belohnt vorangegangene Phänomene (Mutation, Rekombination und so weiter), aber sie plant nicht für die Zukunft, zumindest nicht auf irgendeine spezifische Weise.


Ob das richtig ist, wage ich zu bezweifeln. Der Neurobiologe Jochaim Bauer zeigt zum Beispiel in seinem neuen Buch "Das kooperative Gen - Abschied vom Darwinismus" meiner Ansicht nach eindeutig auf, dass offensichtlich einige der Grundannahmen des Darwinismus falsch sind. Grundlage für diese Behauptung ist die Auswertung des gesamten Genoms von Lebewesen. Dabei kam zum Vorschein, dass das Genom sich offensichtlich selbst umbauen kann, um auf Umweltveränderungen zu reagieren. Vom blinden Zufall ist hier keine Rede mehr, denn der Umbau des Genoms ist vielmehr mit dem Schuss aus einer Schrotflinte auf einen Hasen zu vergleichen. Das einzelne Schrotkorn mag zufällig irgendwo eintreffen, trotzdem kann hier durchaus eine zielgerichtete Bewegung hin zum "Überleben" abgeleitet werden.
Hier ist offensichtlich einiges in Bewegung geraten und ich behaupte jetzt einmal, dass die These, dass neue Arten rein zufällig und ohne Zielrichtung entstanden sind, schon bald überholt sein wird. Und ... Joachim Bauer ist kein Kreationist, sonder er stürzt sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die im Zuge der Auswertung des Genom gewonnen wurden.

Myron hat geschrieben:Mir scheint, dass es mittlerweile nicht nur eine scheinwissenschaftliche Art von "Quantenesoterik", sondern auch eine Art "Informationsesoterik" gibt, der sich allerlei Antimaterialisten unterschiedlichen Schlages (Spiritualisten, Idealisten, Vitalisten, Hylozoisten, Pantheisten, Panpsychisten) mit Wonne hingeben.


CAPRA hat sich auch schon vor längerer Zeit von allzuviel esoterischen Quatsch distanziert. Trotdem bleibt feststellbar, dass fast alle führenden Physiker dieser Welt keine Materialisten ist. Und sie können dies aufgrund der Aussagen und Experimente, die in der Quantenphysik stattfinden, auch sehr gut begründen.

Myron hat geschrieben:Und, wie ich schon betonte, die Rede von einem immateriellen, nichtphysischen Feld als einer "geistigen Grundlage" ist in sich widersprüchlich, weil ein (kosmisches) Feld per definitionem räumlich ausgedehnt, sprich 3-dimensional ist, wohingegen eine nichtphysische Substanz per definitionem unausgedehnt, sprich 0-dimensional ist!
Es ist eine metaphysisch notwendige Wahrheit, dass alle ausgedehnten Gebilde körperlich-stoffliche Gebilde sind!
Ebenso widersprüchlich ist die Rede von einem außerraumzeitlichen Feld, da sich etwas ja nur innerhalb der Raumzeit ausdehnen kann (abgesehen von der Raumzeit selbst).


Wie würdest du denn den Geist und die Intelligenz in deinem Körper definieren? Er ist ausgedehnt und trotzdem im Hier und Jetzt vorhanden. Und er steuert in übereinstimmung mit den Naturgesetzen die Bewegungen der Atome in deinem Körper.
Und dieser Geist/Intelligenz ist auch noch da, wenn wir beide eines Tages tot sind! Siehe auch Punkt weiter oben. Ich sehe deshalb die Aussagen von Dürr, Davies, Capra, Jantsch usw. nach wie vor als voll aussagekräftig an.

Myron hat geschrieben:Außerdem, müsste ein Geistfeld nicht hinsichtlich seiner strukturellen und funktionalen Komplexität hochentwickelten Organismen, wie wir Menschen es sind, gleichen, um überhaupt intellektuelle Fähigkeiten besitzen zu können?


Das ist eine interessante Frage. Capra, Bateson, Jantsch usw. gehen von unterschiedlichen Ausprägungen des Geistigen aus. Ein Vogel kann nicht rechnen und keinen Goethe lesen, aber er kann das Magnetfeld der Erde zur Ortsbestimmung benutzen. Außerdem muss man vermutlich zwischen Einzel.- und Gesamtbewusstsein trennen. Hat eine einzelne Ameise den Bauplan des Ameisenhaufens im Kopf? Ich vermute nein, aber trotzdem entsteht ein mehr als komplexes Gebilde.

ganimed hat geschrieben:Aber bis dahin sollte doch jedem Vernunftmenschen klar sein, dass wo bisher nur Biochemie am Werk war (Zelle, Körper, DNA) wird diese eine Lücke und die Frage, wie bilden sich die einzelnen Zelltypen aus, doch wohl aller aller Wahrscheinlichkeit nach auch biochemisch beantwortet werden.
Oder anders formuliert: die Biologie hat bisher, sagen wir ruhig mal, 100.000 Fragen geklärt bezüglich unseres Körpers und seiner Biologie (je nach Zählweise sicher noch viel viel mehr). Und da will jemand behaupten, bei der 100.001ten Frage ist es jetzt plötzlich kein biochemischer Mechanismus sondern Feldtheorie? Bin ich der einzige, dem diese Behauptung wie Irrsinn vorkommt?


Sorry, aber mit Biochemie alleine wirst du die Frage nach der Formgebung nicht lösen können, da diese untrennbar mit Geist und Intellingenz verknüpft ist. Die Form zerfällt wenn Geist und Intelligenz nicht mehr vorhanden sind, was du durch den Blick in eine Leichenhalle auch jederzeit empirisch überprüfen kannst.
Geist und Intellingenz sind aber die beiden Begriffe, die in der Biochemie überhaupt nicht vorkommen, obwohl sie nachweislich die Voraussetzung für die Entstehung und den Erhalt der Formgebung verantwortlich sind. In diesem Fall ist das eigenständige Denken im Sinne von Kant gefragt.

ganimed hat geschrieben:Aber vielleicht kriegen wir ja mit der Zeit doch noch indirekte Hinweise (über ein pulsierendes Universum, Multiversen, was auch immer, irgendsowas wird es schon sein). Und hier rauscht du, Pablo heran (so kommt es mir vor) und zwängst in diese Lücke "was ist die Ursache für den BigBang" (große Lücke, wie ich zugeben muss) sofort wieder irgendwelche abenteuerlichen Annahmen und Vermutungen wie Geist, universelle Intelligenz, Gott, was auch immer. Sehr voreilig und sehr unbegründet.


Man kann diese Lücken natürlich auch ausblenden, aber dann würden wir immer noch daran glauben, dass die Erde eine Scheibe ist. Wenn also führende Wissenschaftler versuchen, diese Lücken mit Hinweisen auf die mathematische Symmetrie der Naturgesetze, Information oder Feldern zu schließen, dann stellt dies für mich seriöse Grundlagenforschung dar, die experimentiell auch abgesichtert ist. (Alain Aspekt, erweiterter Doppelspaltversuch von Wheeler, Beobachtereffekt usw.) Außerdem dürfte es eine Tatsache sein, dass das rein materialistische Weltbild von den meisten Quantenphysikern als hinfällig bezeichnet wird.

Viele Grüße

Paul

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Sa 3. Jan 2009, 20:39
von ganimed
Pablo hat geschrieben:Sorry, aber mit Biochemie alleine wirst du die Frage nach der Formgebung nicht lösen können, da diese untrennbar mit Geist und Intellingenz verknüpft ist. Die Form zerfällt wenn Geist und Intelligenz nicht mehr vorhanden sind, was du durch den Blick in eine Leichenhalle auch jederzeit empirisch überprüfen kannst.

Die Form zerfällt, wenn und weil bestimmte biochemischen Vorgänge aufhören. Wenn ich jemanden erwürge, dann nehme ich ihm damit nicht die Intelligenz, sondern ich ersticke ihn. Es ist der Sauerstoffmangel, der den Tod herbei führt. An Dummheit direkt ist noch niemand gestorben, ansonsten hätten wir wohl auch kaum ein Überbevölkerungsproblem.
Ich sehe nach wie vor keine Grundlage für deine Behauptung, dass die Formgebung untrennbar mit Geist und Intelligenz verknüpft ist.

Pablo hat geschrieben:Außerdem dürfte es eine Tatsache sein, dass das rein materialistische Weltbild von den meisten Quantenphysikern als hinfällig bezeichnet wird.

Ich muss zugeben, dass ich über diesen Punkt in diesem Forum in letzter Zeit unsicher geworden bin. Bisher hätte ich gedacht, dass die Quantenphysiker nichts weiter als die Berechenbarkeit zunichte gemacht hätten und dass daher das materialistische Weltbild (Kausalität, Monismus) völlig intakt ist minus der Hoffnung auf Berechenbarkeit. Und es gelang mir bisher auch nicht, diesen Punkt durch oberflächliche Internetrecherchen näher zu klären. Muss ich wohl erstmal so hinnehmen. Obwohl ich schon gerne wüsste, was die Quantenphysiker zu so einem weitreichenden Schluss bewegt haben könnte.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: So 4. Jan 2009, 23:26
von Myron
Pablo hat geschrieben:Da die Frage nach der Formgebung aber nunmehr seit Jahrzehnten unbeantwortet geblieben ist und nachweisbar in jeder Zelle der gleiche Bauplan vorhanden ist, lässt sich daraus durchaus die Existenz eines übergeordneten Bauplans ableiten.


In den Zellen sind nicht im wörtlichen Sinne Baupläne enthalten, sondern spezielle molekulare Gebilde (DNA).

Pablo hat geschrieben:Außerdem: Tatsache ist doch, dass die materielle Form von Lebewesen sprichwörtlich zu Staub zerfällt, wenn Geist und Intelligenz aus den Lebewesen verschwunden sind.


Auch Pflanzen verwesen, die bekanntlich grundsätzlich nichts Geistiges an sich haben.

Pablo hat geschrieben:Unabgängig vom Tod der individuellen Formen kann aber ebenfalls zweifelsfrei festgestellt werden, dass das "Leben" seit 3-4 Milliarden von Jahren nachweislich n i c h t gestorben ist.


Diejenigen Arten von Lebewesen, die auch heute noch erfolgreich Nachkommen zeugen, sind logischerweise bislang nicht ausgestorben.

Pablo hat geschrieben:Da der Bauplan in der DNA nur ausgelesen werden kann, wenn Leben, sprich Geist und Intelligenz in der Zelle vorhanden ist, kann daraus ebenfalls abgeleitet werden, dass das Leben selbst als übergeordneter Träger für alle Lebewesen angesehen und definiert werden kann.


Die DNA wird nicht im wörtlichen Sinne ausgelesen, da die genetischen Prozesse selbsttätig und völlig unbewusst ablaufen. In den Zellen hocken keine "homunculi", die bewusst in einem Bauplan lesen und dessen Anweisungen absichtlich in die Tat umsetzen.
Mir scheint, du verkennst, dass Ausdrücke aus dem Bewusstheit voraussetzenden Vokabular wie "Lesen" oder "Übersetzen" in der Biologie nur in einem metaphorischen oder bestenfalls in einem analogischen Sinne zu verstehen sind.
Die genetischen Prozesse, die für die Wachstums- und Gestaltungsvorgänge kausal verantwortlich sind, tun, was sie tun und tun müssen—aber blind, d.h. ohne irgendeine Art von Zielbewusstheit!
(Man beachte: Zielgerichtete Prozesse, d.i. teleomatische oder teleonomische Prozesse im Sinne Mayrs, sind etwas anderes als bewusstseins- oder geistabhängige, d.h. als absichtsvoll initiierte teleologische Prozesse.)

Pablo hat geschrieben:Wenn du aber "Leben" mit Geist und Intelligenz gleichsetzt, ...


Tue ich nicht, da Pflanzen geist- und bewusstlose Lebewesen sind, und man nicht einmal allen Tieren Bewusstseins-/Geisteszustände zusprechen kann (auch wenn es höchst schwierig ist, konkret zu entscheiden, wo genau die Grenze zwischen bewusstem und unbewusstem Leben verläuft.)

Pablo hat geschrieben:... hast du im Prinzip bereits ein Feld definiert, aus dem heraus immer wieder Lebewesen entstehen. Und dieses Feld ist offensichtlich auch der Informationsträger, der all die Änderungen enthält und abspeichert, die dann im Zuge der Evolution in der "lebenden" DNA ausgelesen werden.


Du postulierst also ein kosmisches Geistfeld, worin sämtliche genetischen Informationen über sämtliche Arten von Lebewesen auf immaterielle Weise als eine Menge von idealen "Bauplänen" gespeichert sind, die von den entwicklungsbiologischen Prozesse immer dann abgerufen ("ausgelesen") werden, wenn ein neues organismisches Individuum gebildet wird.

Ich muss schon sagen: das ist eine echt abgefahrene Idee!
Ich finde sie nicht nur abwegig, sondern auch weitestgehend unverständlich.
(Letzteres könnte freilich an der Beschränktheit meines Verstandes liegen.)

Pablo hat geschrieben:Der Neurobiologe Jochaim Bauer zeigt zum Beispiel in seinem neuen Buch "Das kooperative Gen - Abschied vom Darwinismus" meiner Ansicht nach eindeutig auf, dass offensichtlich einige der Grundannahmen des Darwinismus falsch sind.


Es scheint zweifelhaft, ob man sich auf Herrn Bauer als vermeintliche Autorität berufen sollte:
http://brightsblog.wordpress.com/2008/1 ... er-darwin/

Pablo hat geschrieben:Trotdem bleibt feststellbar, dass fast alle führenden Physiker dieser Welt keine Materialisten ist.


Ach ja, ist das so?!
Wäre mir jedenfalls neu. Dazu würde mich eine Statistik wirklich brennend interessieren!
Und was sind sie denn dann, wenn keine Materialisten?
(Anm.: Ich verwende "Materialismus" und die modernere Bezeichnung "Physikalismus" im selben Sinne.)

Pablo hat geschrieben:Wie würdest du denn den Geist und die Intelligenz in deinem Körper definieren? Er ist ausgedehnt und trotzdem im Hier und Jetzt vorhanden. Und er steuert in übereinstimmung mit den Naturgesetzen die Bewegungen der Atome in deinem Körper.
Und dieser Geist/Intelligenz ist auch noch da, wenn wir beide eines Tages tot sind!


Mein Geist ist kein eigenständiges Ding, das in meinem Körper haust wie ein Mieter in einer Mietwohnung.
Mit "Geist" meine ich lediglich den Inbegriff aller geistig-seelischen Eigenschaften und Fähigkeiten eines tierischen Lebewesens.
Psychische/Mentale Eigenschaften und Fähigkeiten werden von räumlich ausgedehnten Dingen, d.i. Körpern, besessen, aber sie sind selbst keine Körper, sondern Arten und Weisen, wie bestimmte Arten von Körpern "innenweltlich" beschaffen sind.
Wenn ich also von meinem Geist spreche, dann spreche ich von der besonderen Art und Weise, wie ich—der ich ein Tier bin—psychisch beschaffen bin.

Außerdem ist mein Geist erst recht kein immaterieller Steuermann, der mithilfe nichtphysischer Kräfte meinen Körper und dessen innere und äußere Bewegungen lenkt.

Pablo hat geschrieben:Capra, Bateson, Jantsch usw. gehen von unterschiedlichen Ausprägungen des Geistigen aus.


"Das Geistige", "das Leben", das sind irreführende Hypostasierungen, sprich Verdinglichungen.
Was es wirklich gibt, das sind die Eigenschaften der Geistigkeit, der Bewusstheit und der Lebendigkeit; und die Frage ist, welchen Arten von Dingen diese Eigenschaften und die damit verbundenen Fähigkeiten überhaupt zukommen (können), und wenn in welchem Umfang.
In meinen Augen ist nur eine Art von Dingen bewusstseinsfähig: Tiere (und vielleicht auch irgendwann tierähnliche künstliche Dinge).

Pablo hat geschrieben:Außerdem dürfte es eine Tatsache sein, dass das rein materialistische Weltbild von den meisten Quantenphysikern als hinfällig bezeichnet wird.


Was genau meinst du mit "rein materialistisch"?
Den eliminativen Materialismus, der praktisch die Realität subjektiv-phänomenaler Bewusstseinszustände leugnet, lehnen selbst die meisten Materialisten ab (so auch ich)!

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Sa 10. Jan 2009, 15:52
von Pablo
ganimed hat geschrieben:Die Form zerfällt, wenn und weil bestimmte biochemischen Vorgänge aufhören. Wenn ich jemanden erwürge, dann nehme ich ihm damit nicht die Intelligenz, sondern ich ersticke ihn. Es ist der Sauerstoffmangel, der den Tod herbei führt. An Dummheit direkt ist noch niemand gestorben, ansonsten hätten wir wohl auch kaum ein Überbevölkerungsproblem.
Ich sehe nach wie vor keine Grundlage für deine Behauptung, dass die Formgebung untrennbar mit Geist und Intelligenz verknüpft ist.


Richtig, aber Tatsache ist doch, dass das Leben seit ca. 3,5 Milliarden von Jahren n i c h t gestorben ist, obwohl zig Milliarden von Lebewesen entweder eines natürlichen Todes gestorben oder erwürgt worden sind.
Tatsache ist doch auch, dass beim Tod, egal ob natürlich oder erwürgen, genau die zwei Faktoren verschwunden sind, die dir jetzt das Lesen dieser Zeilen ermöglichen. Eben Geist und Intelligenz. Unabhängig vom Tod der Individuen bleibt aber trotzdem der ganzheitliche Träger namens “Leben” erhalten.
Und dieses Leben benötigt auch gar keinen materiellen Träger, wie es beispielsweise DÜRR mit seinem Vergleich mit der Schallplatte und der Symphonie ausgedrückt hat, denn die Form von Lebewesen entsteht ja erst, wenn “Leben” in der Zelle vorhanden ist. Die in der DNA gespeicherte Information ist also untrennbar mit dem Leben verbunden und in diesen offensichtlich als ganzheitlichen Träger eingebettet.

Vergleichen kannst du dies vielleicht mit Wassertropfen, die aus einem Meer Meer herausspritzen. Diese einzelnen Tropfen vergehen oder werden meinentwegen erwürgt, aber der ganzheitliche Träger in Form des Meeres bzw. des Lebens bleibt erhalten. Und dass dem so ist, ist doch jederzeit empirisch nachweisbar.

Myron hat geschrieben:Auch Pflanzen verwesen, die bekanntlich grundsätzlich nichts Geistiges an sich haben.


Großer Irrtum. Ich habe hier einen Artikel, der in der SZ Wissen vor einiger Zeit veröffentlich wurde. Die Ergebnisse wurden überprüft und auch an 5000 Fachjournalisten verschickt. Bei diesem Versuch wurden Pflanzen schädlichen Substanzen ausgesetzt. Die Pflanzen reagierten daraufhin mit erhöhten Mutationsraten. Diese erfolgreichen Mutationen wurden dann bis zu 4 Generationen “irgendwo” und offensichtlich außerhalb der DNA gespeichert.

Pflanzen mit Gedächtnis
Die erhöhte Mutationsrate, die die Wissenschaftler daraufhin beobachteten, zeigte sich noch in der vierten Generation - selbst dann, wenn die Nachkommen nie unter Stress leiden mussten. Erklären können Hohn und ihre Kollegen das Stressgedächtnis der Pflanzen nur in Ansätzen. Wahrscheinlich bleibe trotz der Mutationen die Abfolge der DNS-Bausteine unverändert, vermuten die Forscher. Stattdessen ändern sich vermutlich die sogenannten epigenetischen Faktoren, die über die Aktivität der Gene entscheiden. Eine Pflanze würde damit den Befehl »Gen an« oder »Gen aus« an ihre Nachkommen weitergeben. Dass solche epigenetischen Faktoren großen Einfluss auf die Funktion eines Organismus haben, erkennen Wissenschaftlern nach der Entschlüsselung einer Reihe von Genomen immer deutlicher. Pflanzen verdanken diesen Genschaltern der neuen Studie zufolge die Fähigkeit, sich ständig an veränderte Umweltbedingungen anpassen zu können.


Eine Gedächtnisleistung würde ich aber zweifelsfrei als eine Eigenschaft des Geistigen ansehen. Und diese bleibt offensichtlich auf einem von der materiellen Form unabhängigen Träger gespeichert.


Myron hat geschrieben:Die DNA wird nicht im wörtlichen Sinne ausgelesen, da die genetischen Prozesse selbsttätig und völlig unbewusst ablaufen. In den Zellen hocken keine "homunculi", die bewusst in einem Bauplan lesen und dessen Anweisungen absichtlich in die Tat umsetzen.


Als “Homunkuli” würde ich das auch nicht bezeichnen. Aber Tatsache ist, dass jede deiner Zellen den gleichen Bauplan/Informationsgehalt vorweisen kann. Wer aber sagt den Zellen, wann und wie sie Muskeln, Gehirn, Skelett usw. bilden sollen.
Wenn du jetzt nochmals an die Versuche mit den Pflanzen denkst, dann haben wir es hier in der 4. Generation ganz offensichtlich mit einem gezielten Umlegen von Genschaltern zu tun, die auf einer Gedächtnisleistung beruhen.
Daraus lässt sich doch ableiten, dass der Gesamtbauplan ebenfalls auf einer “epigenetischen” Ebene vorhanden ist, da wir es ansonsten mit einer wirklich zufälligen, d.h. Krankheit und Tod verursachenden Mutation zu tun hätten.


Myron hat geschrieben:Du postulierst also ein kosmisches Geistfeld, worin sämtliche genetischen Informationen über sämtliche Arten von Lebewesen auf immaterielle Weise als eine Menge von idealen "Bauplänen" gespeichert sind, die von den entwicklungsbiologischen Prozesse immer dann abgerufen ("ausgelesen") werden, wenn ein neues organismisches Individuum gebildet wird.


Absolut richtig, weil dies aus den bisherigen Ausführen jederzeit abgeleitet werden und die DNA nicht unabhängig vom ganzheitlichen Träger namens “Leben” gesehen werden kann. Und so wie es aussieht, können einmal gespeicherte Informationen auch neu kombiniert werden, was meines Wissens auch von Biologen bestätigt wird.

Die Entstehung des Auges in seiner Grundstruktur soll zum Beispiel unabhängig voneinander von nicht weniger als 40 phylogenetisch nicht miteinander verwandter Arten erfolgt sein". (zitiert aus Lazlos Buch)

Wie willst du denn das ohne einen ganzheitlich vorhanden Informationsspeicher erklären? Das “Leben” selbst enthält diese Informationen, die offensichtlich auch unabhängig von Tod der Individuen erhalten bleiben und neu kombiniert werden können.


Myron hat geschrieben:Außerdem ist mein Geist erst recht kein immaterieller Steuermann, der mithilfe nichtphysischer Kräfte meinen Körper und dessen innere und äußere Bewegungen lenkt.


Was passiert denn, wenn du beschließt, deinen Arm zu bewegen? Ein Gedanke löst die Bewegung von Materie in Form deines Armes aus. Wer ist denn hier der Steuermann? Wenn du ein Roboter wärst, dann würde es stimmen.

Jetzt wird’s zu lang. Bis bald

Paul

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: So 11. Jan 2009, 04:28
von folgsam
Pablo hat geschrieben:[...] Die Pflanzen reagierten daraufhin mit erhöhten Mutationsraten. Diese erfolgreichen Mutationen wurden dann bis zu 4 Generationen “irgendwo” und offensichtlich außerhalb der DNA gespeichert.


Das ist in der Molekularbiologie kein unbekanntes Phänomen. Bei Drosophila melanogaster ( dem Arbeitstier der Entwicklungs/Molekularbiologen) war das schon längere Zeit bekannt und die Mechanismen sind, wenn auch noch nicht vollständig verstanden, kein Geheimnis.
Wenn du mit "irgendwo" meinst, die epigenetischen Information würde in einem nicht materiellen, irgendwie ausserhalb gelegenen Feld gespeichert, dann muss ich dir leider sagen, dass darauf absolut nichts hindeutet und diese Hypothese nicht nur unnötig sondern auch ziemlich hahnebüchern ist.
Es stimmt dass der genetische Code, also die Abfolge von A, T, C & G nicht verändert wird. Die DNA liegt nicht nackt im Zellkern vor, sie ist umgeben von komplex ineinander greifenden Proteinschaltern und Stützkonstruktionen, die zb. bei Umweltstress gewisse Genbereiche unterdrücken oder aktivieren können. Was bei epigenetischer Vererbung geschieht ist, dass die dergestalt manipulierte Genexpression vererbt wird.
In der Eizelle epigenetisch beinflusste DNA-Abschnitte können sich im Laufe der Embryonalentwicklung in Tochterzellen der Urzelle kopieren.
Das ist ein sehr komplizierter Vorgang, jedoch muss man dafür keine geistartige universelle Lebensenergie oder sonstiges bemühen.

Pablo hat geschrieben:Eine Gedächtnisleistung würde ich aber zweifelsfrei als eine Eigenschaft des Geistigen ansehen. Und diese bleibt offensichtlich auf einem von der materiellen Form unabhängigen Träger gespeichert.


Denkst du also, die Pflanze ist sich ihrer vererbten epigenetischen Faktoren bewusst? Ausser den Auswüchsen deiner Phantasie deutet darauf nicht das geringste hin.
Und das ganz offensichtlich keine "von der materiellen Form unabhängie Träger" notwendig sind um diese zu vererben habe ich bereits angerissen.


Pablo hat geschrieben: Aber Tatsache ist, dass jede deiner Zellen den gleichen Bauplan/Informationsgehalt vorweisen kann. Wer aber sagt den Zellen, wann und wie sie Muskeln, Gehirn, Skelett usw. bilden sollen.

Die Entwicklungsbiologie ist ein sehr spannendes Feld und es ist vor kurzem ein hervorragendes, allgemeinverständliches Buch zu genau diesem Thema erschienen: http://www.amazon.de/Evo-Devo-neue-Bild ... 562&sr=8-1
Noch ein bisschen teuer, aber vielleicht kommt es ja als Taschenbuch.
Wenn es dich wirklich interessiert, wirst du hier (für den Laien) erschöpfend und fundiert Antwort auf diese und weitere Fragen finden.

Pablo hat geschrieben:Wenn du jetzt nochmals an die Versuche mit den Pflanzen denkst, dann haben wir es hier in der 4. Generation ganz offensichtlich mit einem gezielten Umlegen von Genschaltern zu tun, die auf einer Gedächtnisleistung beruhen.
Daraus lässt sich doch ableiten, dass der Gesamtbauplan ebenfalls auf einer “epigenetischen” Ebene vorhanden ist, da wir es ansonsten mit einer wirklich zufälligen, d.h. Krankheit und Tod verursachenden Mutation zu tun hätten.


Hier kann ich dir leider nicht folgen.
Was meinst du mit Gesamtbauplan? Das vollständige Genom?


Pablo hat geschrieben:Absolut richtig, weil dies aus den bisherigen Ausführen jederzeit abgeleitet werden und die DNA nicht unabhängig vom ganzheitlichen Träger namens “Leben” gesehen werden kann.


Es gibt keinen rationalen Grund anzunehmen, es gäbe jenseits der physikalisch-chemischen Prozesse biologischer Systeme ein stützend wirkendes Hilfsfeld, eine spirituelle Lebensdomäne oder sonstiges.
Ja, damit will ich sagen, dass diese Idee reichlich wirr ist.

Pablo hat geschrieben:Und so wie es aussieht, können einmal gespeicherte Informationen auch neu kombiniert werden, was meines Wissens auch von Biologen bestätigt wird.


Das stimmt, stützt deine Thesen jedoch in keiner Weise.
Transposone zb., also sich im Genom selbt verschiebende und kopierende DNA-Abschnitte sind der Biologie seit 1948 mit Barbara McClintocks Forschungen an Maispflanzen bekannt. Dafür gabs sogar einen Nobelpreis.

Pablo hat geschrieben:Die Entstehung des Auges in seiner Grundstruktur soll zum Beispiel unabhängig voneinander von nicht weniger als 40 phylogenetisch nicht miteinander verwandter Arten erfolgt sein". (zitiert aus Lazlos Buch)

Wie willst du denn das ohne einen ganzheitlich vorhanden Informationsspeicher erklären? Das “Leben” selbst enthält diese Informationen, die offensichtlich auch unabhängig von Tod der Individuen erhalten bleiben und neu kombiniert werden können.


Die Vorstellung, das Auge sei 40x unabhängig voneinander entstanden, ist eine überholte.
In dem weiter oben empfohlenen Werk wird auch darauf eingegangen.
Es gibt hochkonservative Teile des Genoms, die sich über mehrere hundertmillionen Jahre und stammesübergreifend nur sehr wenig verändert haben. Das Auge und andere Strukturen sind wahrscheinlich in ihrer Grundkonfiguration nur einmal und sehr früh entstanden.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Di 27. Jan 2009, 01:48
von Myron
"Materialism is a set of related theories which hold that all entities and processes are composed of—or are reducible to—matter, material forces or physical processes. All events and facts are explainable, actually or in principle, in terms of body, material objects or dynamic material changes or movements. In general, the metaphysical theory of materialism entails the denial of the reality of spiritual beings, consciousness and mental or psychic states or processes, as ontologically distinct from, or independent of, material changes or processes. Since it denies the existence of spiritual beings or forces, materialism typically is allied with atheism or agnosticism. (...)
Materialism is the general theory that the ultimate constituents of reality are material or physical bodies, elements or processes. It is a form of monism in that it holds that everything in existence is reducible to what is material or physical in nature. It is opposed to dualistic theories which claim that body and mind are distinct, and directly antithetical to a philosophical idealism that denies the existence of matter. It is hostile to abstract objects, if these are viewed as more than just a manner of speaking. An implication of materialism is that the diverse qualitative experiences we have are ultimately reducible to quantitative changes in objects or in our physiological functioning. All the properties of things, including persons, are reducible to properties of matter. Although the terms referring to psychic states such as intention, belief, desire and consciousness itself have a different sense and use than terms referring to material events, a consistent materialist would deny that mentalistic terms have reference to anything other than physical events or physiological changes in our brains. The enormous advances in the sciences have contributed storehouses of empirical data that are often used to support materialism. Many philosophers have been attracted to materialism both because of its reductive simplicity and its association with scientific knowledge."

"Der Materialismus ist eine Gruppe verwandter Theorien, denen zufolge alle Entitäten und Vorgänge aus Materie, materiellen Kräften oder physischen Vorgängen zusammengesetzt sind oder darauf zurückgeführt werden können. Alle Ereignisse und Tatsachen lassen sich, tatsächlich oder grundsätzlich, unter Bezug auf Körper, materielle Objekte oder dynamische materielle Wandlungen oder Bewegungen erklären. Die metaphysische Theorie des Materialismus bringt allgemein die Leugnung der Realität geistiger Wesen, von Bewusstsein und geistig-seelischer Zustände oder Vorgänge mit sich, sofern unter letzteren etwas von materiellen Wandlungen oder Vorgängen seinsmäßig Verschiedenes oder Unabhängiges verstanden wird. Da er die Existenz geistiger Wesen oder Kräfte leugnet, ist der Materialismus typischerweise mit dem Atheismus oder dem Agnostizismus verbündet. (...)
Der Materialismus ist die allgemeine Theorie, dass die fundamentalen Bestandteile der Realität materielle oder physische Körper, Elemente oder Vorgänge sind. Er stellt insofern eine Form von Monismus dar, als er behauptet, dass sich alles Existierende auf dasjenige zurückführen lässt, was wesensmäßig materiell oder physisch ist. Er steht dualistischen Theorien ablehnend gegenüber, die behaupten, dass Körper und Geist getrennt sind; und er ist die direkte Antithese zu einem philosophischen Idealismus, der die Existenz der Materie leugnet. Er ist abstrakten Objekten abgeneigt, wenn dem Reden über sie eine ontologische Bedeutung beigemessen wird. Eine Folgerung aus dem Materialismus ist, dass die unterschiedlichen qualitativen Erlebnisse, die wir haben, letztlich auf quantitative Veränderungen in Objekten oder in unseren physiologischen Funktionsabläufen zurückführbar sind. All die Eigenschaften von Dingen, einschließlich Personen, lassen sich auf Eigenschaften der Materie zurückführen. Obwohl die Begriffe, die sich auf psychische Zustände wie Absicht, Glaube, Verlangen und Bewusstsein beziehen, selbst eine andere Bedeutung haben sowie anders verwendet werden als Begriffe, die sich auf materielle Ereignisse beziehen, würde ein konsequenter Materialist in Abrede stellen, dass die Bezugsgegenstände psychologischer Begriffe etwas anderes als physische Ereignisse oder physiologische Veränderungen in unseren Gehirnen sind. Die enormen Fortschritte in den Wissenschaften haben eine gewaltige Menge an empirischen Daten geliefert, die oft zur Unterstützung des Materialismus herangezogen werden. Der Materialismus ist für viele Philosophen attraktiv, sowohl wegen seiner reduktiven Einfachheit als auch wegen seiner Verbundenheit mit den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen."

[© meine Übers.]

("Materialism." In The Shorter Routledge Encyclopedia of Philosophy, edited by Edward Craig. New York: Routledge, 2005.)

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Di 27. Jan 2009, 22:05
von ganimed
Myron, auch mal von meiner Stelle ein herzliches Dankeschön!
Bewundernswert, wer die entsprechenden Bücher wirklich liest (ich selber bin weit davon entfernt). Und noch bewunderswerter, wer sich die Arbeit macht und die entscheidenden Stellen hier im Forum mundgerecht serviert, sogar mit Übersetzung. Vielen Dank dafür!

Einfacher geht es für mich schon fast gar nicht. Selten habe ich meine Position in einem Text besser wiedergefunden. Ich kann mich damit wohl ohne Restzweifel als Materialist wie hier definiert bezeichnen.

Nun wäre für mich noch interessant, wie selbstverständlich das ist. Ist jeder Naturalist hier im Forum wirklich automatisch auch Materialist? Fast will es mir so scheinen.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Di 27. Jan 2009, 23:22
von Myron
ganimed hat geschrieben:Nun wäre für mich noch interessant, wie selbstverständlich das ist. Ist jeder Naturalist hier im Forum wirklich automatisch auch Materialist? Fast will es mir so scheinen.


Tja, für die einen (z.B. für mich) besteht zwischen dem Naturalismus und dem Materialismus praktisch kein Unterschied, während andere ihn davon abgrenzen, wobei es allerdings auf die betreffende Variante des Materialismus ankommt, welche abgelehnt wird.
Viele von denjenigen, die die Bezeichnung "Naturalismus" bevorzugen, verstehen unter dem Materialismus den radikal reduktiven oder eliminativen M., der psychische Eigenschaften mit physischen Eigenschaften identifiziert oder deren Realität gänzlich leugnet.
Was diese extreme Form des Materialismus betrifft, so bin auch ich ein antimaterialistischer Naturalist, weil ich, die irreduzible Realität subjektiv-phänomenaler Eigenschaften anerkennend, meine Position als "aspektdualistischer Materialismus" bezeichne:

"(...) Another common relaxation of the paradigm [= mechanical Materialism] is that which allows as compatible with Materialism such a theory as epiphenomenalism, according to which sensations and thoughts do exist in addition to material processes but are nonetheless wholly dependent on material processes and without causal efficacy of their own. They are related to material things somewhat in the way that a man's shadow is related to the man. A similar departure from the paradigm is a form of what might be called 'double-aspect Materialism,' according to which in inner experience men are acquainted with nonphysical properties of material processes, though these properties are not causally effective. A form of double-aspect theory in which these properties were allowed to be causally effective would be a species of emergent Materialism."

"(...) Eine andere gängige Lockerung des Paradigmas [= mechanistischer Materialismus] ist das Zugeständnis, dass mit dem Materialismus eine Theorie wie der Epiphänomenalismus vereinbar ist, welchem zufolge Empfindungen und Gedanken zusätzlich zu materiellen Prozessen existieren, aber nichtsdestoweniger von materiellen Prozessen gänzlich abhängig sowie ohne eigene kausale Wirksamkeit sind. Sie sind mit materiellen Prozessen gewissermaßen so verbunden, wie der Schatten eines Menschen mit dem Menschen verbunden ist. Eine ähnliche Abweichung vom Paradigma ist eine Form dessen, was man 'aspektdualistischer Materialismus' nennen könnte, welchem zufolge die Menschen in ihrem inneren Erleben nichtphysischer Eigenschaften materieller Prozesse gewahr werden, wenngleich diese Eigenschaften nicht kausal wirksam sind. Eine Form des Aspektdualismus, worin diese Eigenschaften als kausal wirksam anerkannt werden, wäre eine Art von emergentistischem Materialismus."

[© meine Übers.]

(J. J. C. Smart: "Materialism." In Encyclopaedia Britannica [Ultimate Reference Suite 2005 DVD])


Auch wenn eine Gleichsetzung des reduktiven bzw. eliminativen M. mit dem N. nicht angebracht scheint, so will es mir nicht wirklich gelingen, einen wesentlichen Unterschied zwischen dem nichtreduktiven bzw. nichteliminativen M. (wozu auch der emergentistische M. zählt) und dem N. auszumachen.

Auf jeden Fall bin ich der festen Meinung, dass ein Naturalist zumindest ein Substanz-Materialist, d.i. ein materialistischer Substanzmonist, sein muss, um sich mit Recht überhaupt "Naturalist" nennen zu dürfen. Das heißt, er muss mindestens die Auffassung vertreten, dass alle Substanzen, d.i. alle (relativ) beständigen konkreten Einzeldinge, materieller/physischer Natur sind.

Darüber hinaus scheint es so zu sein, dass die Wahl zwischen "Naturalismus" und "Materialismus" oft nur eine Frage der persönlichen Vorliebe ist. So nennt beispielsweise David Chalmers seine Position "naturalistischer Dualismus", doch er hätte sie eigentlich genauso gut "(eigenschafts-)dualistischer Materialismus" nennen können.
Er selbst begründet seine Nichtverwendung von "M." damit, dass seiner Meinung nach psychische Eigenschaften nicht logisch, sondern nur nomologisch, d.h. mit naturgesetzlicher Notwendigkeit, von physischen Eigenschaften abhängig sind und davon bestimmt werden. Andere Philosophen würden diese Position noch gut und gerne als eine Variante des M. durchgehen lassen, weil Chalmers weder an nichtphysische Dinge glaubt (er ist somit ein Substanz-Materialist) noch daran, dass es in unserem Universum psychische Eigenschaften gibt, die von physischen Eigenschaften unabhängig sind.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 00:46
von Myron
In dem Artikel über den Naturalismus in der Catholic Encyclopedia ist u.a. zu lesen:

"[A]s the terms nature and natural are themselves used in more than one sense, the term naturalism is also far from having one fixed meaning.

* (I) If nature is understood in the restricted sense of physical, or material, nature, naturalism will be the tendency to look upon the material universe as the only reality, to reduce all laws to mechanical uniformities and to deny the dualism of spirit and matter. Mental and moral processes will be but special manifestations of matter rigorously governed by its laws.

* (II) The dualism of mind and matter may be admitted, but only as a dualism of modes or appearances of the same identical substance. Nature includes manifold phenomena and a common substratum of the phenomena, but for its actual course and for its ultimate explanation, it requires no principle distinct from itself. In this supposition,naturalism denies the existence of a transcendent cause of the world and endeavours to give a full account of all processes by the unfolding of potencies essential to the universe under laws that are necessary and eternal.

* (III) Finally, if the existence of a transcendent First Cause, or personal God, is admitted as the only satisfactory explanation of the world, Naturalism claims that the laws governing the activity and development of irrational and of rational beings are never interfered with. It denies the possibility, or at least the fact, of any transitory intervention of God in nature, and of any revelation and permanent supernatural order for man."


"Da die Begriffe 'Natur' und 'natürlich' selbst in mehr als einer Bedeutung gebraucht werden, hat auch die Bezeichnung 'Naturalismus' nicht nur eine einzige feste Bedeutung.

* (I) Wenn 'Natur' im eingeschränkten Sinn als 'physische/materielle Natur' aufgefasst wird, dann ist der Naturalismus die Tendenz, das materielle Universum als die einzige Realität zu betrachten, alle Gesetze auf mechanische Gleichförmigkeiten zurückzuführen und den Dualismus von Geist und Materie zu leugnen. Psychische und moralische Prozesse sind nur spezielle Manifestationen der Materie, die von deren Gesetzen strikt bestimmt werden.

* (II) Der Dualismus von Geist und Materie kann zugestanden werden, aber nur als ein Dualismus von Modi oder Erscheinungsformen derselben identischen Substanz. Die Natur birgt mannigfaltige Phänomene und ein gemeinsames Substrat der Phänomene in sich, aber für ihren wirklichen Verlauf und für ihre grundlegende Erklärung ist kein von ihr getrenntes Prinzip erforderlich. Dieser Annahme gemäß leugnet der Naturalismus die Existenz einer transzendenten Weltursache und bemüht sich um eine vollständige Erklärung aller Prozesse durch die von notwendigen und ewigen Gesetzen gesteuerte Realisierung von dem Universum innewohnenden Entwicklungspotenzialen.

* (III) Schließlich, wenn die Existenz einer transzendenten Erstursache oder eines persönlichen Gottes als die einzig befriedigende Welterklärung zugebilligt wird, dann behauptet der Naturalismus, dass in die Gesetze, die die Tätigkeiten und Entwicklungen irrationaler und rationaler Wesen bestimmen, niemals eingegriffen wird. Er leugnet die Möglichkeit oder zumindest die Tatsächlichkeit von zeitweiligen Eingriffen Gottes in die Natur sowie jegliche [göttliche] Offenbarung und dass der Mensch ständig einer übernatürlichen Ordnung unterworfen ist."

[© meine Übers.]

(http://www.newadvent.org/cathen/10713a.htm)

Kommentar zu (I): Dort ist von einer Gesetzesreduktion auf "mechanische Gleichförmigkeiten" die Rede. Das ist eine veraltete Sichtweise—die Catholic Encyclopedia ist 1913 veröffentlicht worden—; denn der gegenwärtige materialistische Naturalismus/Materialismus ist postmechanistisch, d.h. durchaus auf dem aktuellen Stand des naturwissenschaftlichen Wissens.
Jack Smart schreibt dazu in seinem Encyclopaedia-Britannica-Artikel über den Materialismus:

"In der modernen Physik (wenn sie realistisch interpretiert wird) wird die Materie als aus solchen Dingen wie Elektronen, Protonen und Mesonen bestehend aufgefasst, die sich erheblich von den harten, massiven, steinartigen Teilchen des mechanistischen Materialismus unterscheiden. In ihr ist auch die Unterscheidung zwischen Materie und Energie aufgehoben worden. Es ist deshalb naheliegend, das Wort 'Materialist' über den paradigmatischen Fall des mechanistischen Materialismus hinaus zu erweitern, um jeden zu erfassen, der seine Theorie darauf gründet, wovon auch immer die Physik letztendlich behauptet, dass es existiere. Diese Art kann man 'physikalistischer Materialismus' nennen. Ein solcher Materialist lässt eine Erweiterung des Begriffs 'materielles Ding' zu, damit er all die Elementarteilchen und die anderen Dinge, die in der fundamentalen Theorie der Physik postuliert werden, einschließt—vielleicht sogar kontinuierliche Felder und Punkte der Raumzeit. Insoweit einige Kosmologen sogar versuchen, die Elementarteilchen selbst in Beziehung zur Krümmung der Raumzeit zu definieren, gibt es keinen Grund, warum eine Philosophie, die auf solch einer geometrisierten Kosmologie basiert, nicht zu den materialistischen zählen sollte, vorausgesetzt, sie billigt nichtphysischen Dingen wie Geistern kein selbstständiges Dasein zu."
[© meine Übers.]


So viel zu diesem Punkt. Des Weiteren ist festzustellen, dass in dem Naturalismus-Artikel nur der Deismus und der Pantheismus als nichtmaterialistische Varianten des Naturalismus angeführt sind.
Beim Deismus spricht man ja auch von "natürlicher Theologie", was jedoch nichts daran ändert, dass er in Wahrheit bestenfalls seminaturalistisch ist, da er ja genauso wie der Theismus einen transzendenten, d.i. außerraumzeitlichen, persönlichen Gott postuliert. Von daher ist der Deismus eigentlich überhaupt keine Form von Naturalismus.
Es bleibt also nur noch der Pantheismus übrig, den man, sofern er trivialerweise die Identität von Gott und Natur behauptet, schon als naturalistisch bezeichnen kann. Wenn sich dieser jedoch zu einem idealistischen Pantheismus entwickelt, der die Existenz und die ontische Priorität einer gottgleichen immateriellen "Weltseele", eines "Weltgeistes" oder eines "kosmischen Bewusstseins" behauptet, dann kann er wohl nicht mehr mit Recht für eine Form von Naturalismus erachtet werden.
Es sieht also bei näherer Betrachtung ganz danach aus, dass es eigentlich keine wirklichen Alternativen zu der Auffassung des Naturalismus als materialistischen Naturalismus gibt.

Halt, eine denkbare Alternative ist mir soeben in den Sinn gekommen:
Es gibt eine zulässige (wenngleich in meinen Augen vollkommen unglaubwürdige) Naturalismus-Variante: den panpsychistischen Naturalismus, der den fundamentalen materiellen/physischen Eigenschaften keine ontische Priorität gegenüber den psychischen Eigenschaften zubilligt, sondern diese als gleichermaßen fundamental betrachtet.
Ihm zufolge gibt es zwar ausschließlich materielle Einzeldinge, aber keine materiellen Einzeldinge, Elementarteilchen eingeschlossen, die keinerlei psychische Eigenschaften besitzen.
Man mag vom panpsychistischen Naturalismus halten, was man will, aber im Grunde ist auch er insofern materialistisch, als er den Substanz-Materialismus akzeptiert.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 06:02
von Myron
Dank GoogleBooks bin ich auf Folgendes gestoßen:

"We should distinguish the following two views about the relation between ontological naturalism and materialism: (a) ontological naturalism is logically neutral regarding materialism, and thus is logically compatible with ontological dualism; (b) ontological naturalism logically presupposes materialism, and thus is logically incompatible with ontological dualism. Given (a), a defense of materialism on the basis of ontological naturalism should appeal to supporting evidence beyond naturalism, presumably empirical evidence. Given (b), an appeal to ontological naturalism in defense of materialism would be question-begging, as materialism would then be a logical prerequisite of ontological naturalism. Most contemporary ontologists apparently prefer (a) to (b)."
————————————
"Wir sollten die beiden folgenden Ansichten über die Beziehung zwischen dem ontologischen Naturalismus und dem Materialismus unterscheiden: (a) Der ontologische Naturalismus ist hinsichtlich des Materialismus logisch neutral, und somit mit dem ontologischen Dualismus logisch vereinbar. (b) Der ontologische Naturalismus setzt den Materialismus logisch voraus, und ist somit mit dem ontologischen Dualismus logisch unvereinbar. Bei Annahme von (a) sollte sich eine Verteidigung des Materialismus auf der Grundlage des ontologischen Naturalismus auf stützende Beweise jenseits des Naturalismus berufen, wohl auf empirische Beweise. Bei Annahme von (b) wäre eine Berufung auf den ontologischen Naturalismus zur Verteidiung des Materialismus eine 'Petitio principii', da der Materialismus dann eine logische Grundvoraussetzung des ontologischen Naturalismus wäre. Die meisten zeitgenössischen Ontologen ziehen anscheinend (a) (b) vor."

[© meine Übers.]

(Moser, Paul K., and David Yandell. "Farewell to Philosophical Naturalism." In Naturalism: A Critical Analysis, edited by William Lane Craig and J. P. Moreland, 3-23. London: Routledge, 2000. p. 6)

(Ob es tatsächlich der Fall ist, dass die meisten zeitgenössischen Ontologen (a) gegenüber (b) bevorzugen, sei hier dahingestellt.)

Die entscheidende Frage ist also, ob der materialistische Substanzmonismus, kurz Substanzmaterialismus, als ein ganz wesentlicher Teil des Naturalismus betrachtet werden soll oder nicht.
Der Substanzdualismus behauptet bekanntlich die Existenz zweier grundlegender Arten von Substanzen, d.h. von konkreten Einzeldingen:

1. materielle/physische Substanzen
2. immaterielle/nichtphysische Substanzen

(2) könnte man weiter aufteilen:

2a. Immaterielle/Nichtphysische Substanzen ohne psychische Eigenschaften (dazu fallen mir leider keine Beispiele ein, außer vielleicht irgendwelche möglichen "Kraftpunkte" im Raum.)
2b. Immaterielle/Nichtphysische Substanzen mit psychischen Eigenschaften = spirituelle Substanzen (Geister, Seelen)

(Kommentar zu (2a): Es gibt Philosophen, die zwischen materiellen physischen Substanzen und immateriellen physischen Substanzen unterscheiden:
"A nonmaterial physical substance either has fewer than three spatial dimensions or is such that two things of the kind of nonmaterial substance in question can exhaustively coincide in space."
"Eine immaterielle physische Substanz hat entweder weniger als drei räumliche Dimensionen oder ist derart beschaffen, dass zwei zur betreffenden Art von immaterieller Substanz gehörende Dinge im Raum vollständig zusammenfallen können." [© meine Übers.]
(Hoffman, Joshua, and Gary S. Rosenkrantz. Substance among Other Categories. Cambridge: Cambridge University Press, 1994. p. 25)
Ich lasse das mal so stehen, obschon ich die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung von "materiell physisch" und "immateriell physisch" anzweifle.)

Was nun mich betrifft, ich bevorzuge klar (b) gegenüber (a). Denn meiner Meinung nach genügt es einfach nicht, den (ontologischen/metaphysischen) Naturalismus als die Auffassung zu definieren, dass die Raumzeitwelt die ganze Welt ist; denn damit ist ja nicht ausgeschlossen, dass innerhalb der Raumzeitwelt immaterielle/nichtphysische Dinge mit oder ohne psychische Eigenschaften vorkommen. Ich bin der Überzeugung, dass der Naturalismus minimalerweise zusätzlich die Ansicht erfordert, dass alle konkreten Dinge materielle/physische Dinge sind, insbesondere alle konkreten Dinge mit psychischen Eigenschaften, d.h. mit Bewusstsein und Geistigkeit.

Summa summarum bin ich der Meinung, dass der (ontologische/metaphysische) Naturalismus minimalerweise die beiden folgenden Positionen einzuschließen hat:

1. SPATIOTEMPORALISM / "SPATIOTEMPORALISMUS":

The spatiotemporal world is the whole world. / Die raumzeitliche Welt ist die ganze Welt.

2. SUBSTANCE MATERIALISM / SUBSTANZ-MATERIALISMUS:

All concrete things (with or without mental properties) are material/physical things. / Alle konkreten Dinge (mit oder ohne psychische Eigenschaften) sind materielle/physische Dinge.

A M E N. :klugscheisser:

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 08:06
von stine
Das würde heißen, wenn es (feinstoffliche) Geister gäbe, dann wären sie ziemlich konkret. :mg:
LG stine

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 19:48
von Myron
stine hat geschrieben:Das würde heißen, wenn es (feinstoffliche) Geister gäbe, dann wären sie ziemlich konkret. :mg:
LG stine


Aus spiritistischen Kreisen stammt die Theorie, dass Geister aus einem gasartigen, "Ektoplasma" genannten Stoff bestehen.
Die primitive Unterscheidung zwischen "grobstofflichen" und "feinstofflichen" Gebilden ist keine zwischen materiellen und immateriellen Gebilden, da bekanntlich Gase nichts weiter als Zustandsformen der Materie sind.
Ein aus Ektoplasma bestehender Geist wäre also bloß ein exotisches materielles Wesen.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 20:08
von El Schwalmo
Myron hat geschrieben:Die primitive Unterscheidung zwischen "grobstofflichen" und "feinstofflichen" Gebilden ist keine zwischen materiellen und immateriellen Gebilden, da bekanntlich Gase nichts weiter als Zustandsformen der Materie sind.

Ein aus Ektoplasma bestehender Geist wäre also bloß ein exotisches materielles Wesen.

hmmm, kommt darauf an, was 'Ektoplasma' sein könnte. Ein Gas in Sinne von weit voneinander entfernten sich schnell im leeren Raum bewegenden Teilchen wohl nicht.

Wie sieht es aber mit Feldern aus? Ist ein 'Feld' eine Zustandsform der Materie? Oder die Materie eine mögliche Zustandsform eines Feldes?

Was mich an Überlegungen, wie Du sie dargestellt hast, immer amüsiert, ist, wie wir Menschen immer wieder auf der Basis dessen, was gerade bekannt war, ein philosophisches Weltbild gebastelt und als gültig verkauft haben. Denk mal an Kant, der von Newton die absolute Zeit und den absoluten Raum übernahm. Wenn Kant heute leben würde, würde er seine Kategorien anders basteln.

Mir wird immer klarer, dass es letztlich nicht um Ontologie, sondern um rationalen Diskurs geht. Menschen wie wir vertreten ein Weltbild, das mit dem, was man rational rechtfertigen kann, begründet wird. In diesem Rahmen kann man von 'gültig' oder 'ungültig' mit Anspruch auf Geltung sprechen.

Uns trennt möglicherweise, dass ich das als zeitkernig gültig ansehe, während Du einen Schritt weiter gehst.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 20:17
von folgsam
Die Physik nach Newton hat aber den Naturalismus in keinster Weise angetastet.

Vielleicht ist es ja verfrüht, aber man kann denke ich von einer Tendenz sprechen und sagen: nichts was wir in Zukunft lernen werden wird dem Naturalismus widersprechen.

Falls doch, nun, dann ist es so.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 20:41
von El Schwalmo
folgsam hat geschrieben:nichts was wir in Zukunft lernen werden wird dem Naturalismus widersprechen.

Falls doch, nun, dann ist es so.

Amen, Bruder.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 22:17
von Myron
El Schwalmo hat geschrieben:hmmm, kommt darauf an, was 'Ektoplasma' sein könnte. Ein Gas in Sinne von weit voneinander entfernten sich schnell im leeren Raum bewegenden Teilchen wohl nicht.


Über die genaue Zusammensetzung des Ektoplasmas haben sich diejenigen Nichtwissenschaftler, die daran glauben, wohl keine vernünftigen Gedanken gemacht. Wenn, dann ist nur vage davon die Rede, dass es sich um irgendeinen "feinen", luft- oder sonstwie gasartigen Stoff handle. (Andere wiederum meinten sogar, das Ektoplasma wäre eine Art Schleim oder Gelee.—Die Ghostbusters lassen grüßen!)

El Schwalmo hat geschrieben:Wie sieht es aber mit Feldern aus? Ist ein 'Feld' eine Zustandsform der Materie? Oder die Materie eine mögliche Zustandsform eines Feldes?


Die einen betrachten Felder als Substanzen und die anderen als Attribute des zugrunde liegenden Raumes als einer Substanz.
Substanzielle Felder können auch als eine Art von materiellen Dingen betrachtet werden, weil sie sowohl räumlich ausgedehnt sind als auch Energie und damit—aufgrund der Energie-Masse-Äquivalenz—auch Masse besitzen.
Und nichtsubstanzielle Felder sind räumliche und zeitlich veränderliche Verteilungen von energetischen Zuständen, in denen sich der substanzielle Raum (die Raumzeit) befindet.
Der substanzielle Raum ist eine Art "Äther", wenngleich kein mechanischer im alten Sinne.
Der Physik-Nobelpreisträger Robert Laughlin schreibt:

"About the time relativity was becoming accepted, studies of radioactivity began showing that the empty vacuum of space had spectroscopic structure similar to that of ordinary quantum solids and fluids. Subsequent studies with large particle accelerators have now led us to understand that space is more like a piece of window glass than ideal Newtonian emptiness. It is filled with 'stuff' that is normally transparent but can be made visible by hitting it sufficiently hard to knock out a part. The modern concept of the vacuum of space, confirmed every day by experiment, is a relativistic ether. But we do not call it this because it is taboo."

"Um die Zeit, als die Relativitätstheorie dabei war, akzeptiert zu werden, begannen Untersuchungen der Radioaktivität nachzuweisen, dass das leere Vakuum des Raumes eine spektroskopische Struktur hat, die derjenigen gewöhnlicher Quanten-Festkörper und -Flüssigkeiten ähnelte. Nachfolgende Untersuchungen mit großen Teilchenbeschleunigern haben uns jetzt zu der Auffassung geführt, dass der Raum mehr wie ein Stück Fensterglas als wie die ideale Newton'sche Leere beschaffen ist. Er ist mit 'Stoff' gefüllt, der normalerweise durchsichtig ist, aber sichtbar gemacht werden kann, indem man genügend hart darauf einhaut, um einen Teil herauszuschlagen. Es bestätigt sich experimentell Tag für Tag, dass der moderne Begriff des Raumvakuums einem relativistischen Äther entspricht. Aber wir nennen es nicht so, weil es tabu ist."

[© meine Übers.]

(Laughlin, Robert B. A Different Universe: Reinventing Physics From the Bottom Down. New York: Basic Books, 2005. p. 121)

El Schwalmo hat geschrieben:Was mich an Überlegungen, wie Du sie dargestellt hast, immer amüsiert, ist, wie wir Menschen immer wieder auf der Basis dessen, was gerade bekannt war, ein philosophisches Weltbild gebastelt und als gültig verkauft haben. Denk mal an Kant, der von Newton die absolute Zeit und den absoluten Raum übernahm. Wenn Kant heute leben würde, würde er seine Kategorien anders basteln.


Auch wenn sich unsere Vorstellung von den Bausteinen der Wirklichkeit gewandelt hat, und wir unter Atomen nicht mehr so etwas wie winzige Steinchen verstehen, ist die eigentliche Grundidee des Materialismus seit 2.500 Jahren gleich geblieben:
Die dynamische Materie, die materiellen Prozesse sind die produktive Basis der Realität, von der alle Phänomene, insbesondere alle psychischen, hinsichtlich ihres Werdens und Seins abhängig sind.

Re: Die Lehre des Materialismus

BeitragVerfasst: Mi 28. Jan 2009, 22:24
von Myron
folgsam hat geschrieben:Vielleicht ist es ja verfrüht, aber man kann denke ich von einer Tendenz sprechen und sagen: nichts was wir in Zukunft lernen werden wird dem Naturalismus widersprechen.
Falls doch, nun, dann ist es so.


"I see nothing sacrosanct about naturalism or physicalism; both are fallible, unless saved by vague edges.
If conclusive evidence of telepathy or even clairvoyance were forthcoming, I envision a scurry to the cyclotron, computers, and drawing boards to invent a new and more adequate theory, which would still be called physics. Even today the elementary particles are particles at all only thanks to a succession of ever more strained analogies. Physics can even be pursued as field theory, free of bodies, and no complaints. The name 'physics' would survive the clairvoyance revolution too.
Continuity of the enterprise is what matters."
————————————
"Ich sehe nichts Sakrosanktes am Naturalismus oder Physikalismus; beide sind fehlbar, es sei denn unscharfe Konturen bewahren sie davor.
Wenn stichhaltige Beweise für Telepathie oder gar fürs Hellsehen verfügbar wären, so sehe ich vor meinem geistigen Auge, wie [die Wissenschaftler] zum Zyklotron, zu den Computern und Zeichenbrettern eilen, um eine neue und angemessenere Theorie zu erfinden, die nach wie vor als Physik bezeichnet würde. Selbst heutzutage sind die Elementarteilchen nur dank einer Reihe von immer weiter hergeholten Analogien überhaupt [noch] Teilchen. Die Physik kann man auch als Feldtheorie betreiben, frei von Körpern, und ohne Klagen. Der Name 'Physik' würde auch die Revolution durch das Hellsehen überleben.
Was zählt, ist die Kontinuität des Unternehmens."

[© meine Übers.]

(Orenstein, Alex, and Petr Kotatko. Knowledge, Language and Logic: Questions for Quine. Boston Studies in the Philosophy of Science, vol. 210. Dordrecht: Kluwer, 2000. p. 411)

Allerdings ist die Frage, welche empirischen Entdeckungen überhaupt als Falsifikatoren des Naturalismus bzw. Materialismus/Physikalismus gelten würden, nicht leicht zu beantworten. Denn hinter jeden noch so wundersam scheinenden Vorkommnis könnten ja ganz natürliche Dinge, Vorgänge und Gesetze stecken, die wir nicht kennen.
Nur dann, wenn wir naturwissenschaftlich allwissend wären, könnten wir eindeutig entscheiden, ob sich um ein natürliches oder ein übernatürliches Phänomen handelt.