Die Lehre des Materialismus

Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » So 21. Dez 2008, 02:25

Apropos "Bewusstseinsfeld".
Was soll das bloß für ein "Viech" sein?!
Wenn ein physikalisches Feld eine räumliche und zeitlich veränderliche Verteilung energetischer (oder sonstiger dynamischer) Zustände ist, in denen sich der Raum befindet, soll dann ein "Bewusstseinsfeld" etwa eine räumliche und zeitlich veränderliche Verteilung von ontisch subjektiven Bewusstseins- oder Geisteszuständen sein, in denen sich der Raum selbst befindet?
Ist der Raum ein einheitliches kosmisches Subjekt, das in seinen unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Empfindungen, Gefühle, Stimmungen oder Gedanken hat?
Dann wäre der Raum ja ein bewusstes Lebewesen und die Kosmologie damit ein Teil der Biologie!
Ich gratuliere jedem herzlich, dem es gelingt, aus dem Begriff "Bewusstseinsfeld" auch nur einen Tropfen Sinn herauszuwringen! :irre:
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » So 21. Dez 2008, 02:57

Myron hat geschrieben:Egal, wie "gespenstisch" die Materie aus Sicht der heutigen Physik erscheinen mag, eines ist sie jedenfalls nicht: ein mentaler und damit subjektiver Inhalt.


Was das Psychische , d.i. das Geistig-Seelische, gegenüber dem (rein) Physischen auszeichnet, ist seine (ontische, nicht epistemische) Subjektivität, seine Phänomenalität, seine Qualitativität.
Für das geistig-seelische Sein gilt: Sein heißt Erlebtwerden!
Des Weiteren gilt für es: Kein Erlebnis ohne Erleber, der selbst kein Erlebnis ist!

Physiker wie Dürr haben sich anscheinend wieder vom längst überwunden geglaubten Idealismus verhexen lassen (siehe z.B. folgendes Interview: http://www.das-weisse-pferd.com/04_05/v ... natur.html).
Als Gegengift gegen idealistische Anflüge empfehle ich immer wieder den genialen Aufsatz "Der Gedanke" von Gottlob Frege (1918).

Überhaupt scheinen eine ganz Reihe von antimaterialistischen Physikern zurzeit ihr metaphysisches Unwesen zu treiben, eine seltsame Art von Idealismus, Quasi-Spiritualismus oder Panpsychismus propagierend.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » So 21. Dez 2008, 04:18

Myron hat geschrieben:Physiker wie Dürr haben sich anscheinend wieder vom längst überwunden geglaubten Idealismus verhexen lassen (siehe z.B. folgendes Interview: http://www.das-weisse-pferd.com/04_05/v ... natur.html).


Ich habe noch etwas gefunden:

"Die Einsichten der modernen Physik, der ‚Quantenphysik’, legen eine Weltdeutung nahe, die grundsätzlich
aus dem materialistisch-mechanischen Weltbild herausführt. Anstelle der bisher angenommenen
Welt, einer mechanistischen, dinglichen (objektivierbaren), zeitlich determinierten ‚Realität’ entpuppt
sich die eigentliche Wirklichkeit (eine Welt, die wirkt) im Grunde als ‚Potenzialität’, ein nicht-auftrennbares,
immaterielles, zeitlich wesentlich indeterminiertes und genuin kreatives Beziehungsgefüge, das nur
gewichtete Kann-Möglichkeiten, differenziertes Vermögen (Potenzial) für eine materiell-energetische
Realisierung festlegt. Die im Grunde offene, kreative, immaterielle Allverbundenheit der Wirklichkeit,
erlaubt die unbelebte und auch die belebte Welt als nur verschiedene – nämlich statisch stabile bzw. offene,
statisch instabile, aber dynamisch stabilisierte – Artikulationen eines ‚prä-lebendigen’ Kosmos aufzufassen.
Die in der Mikrowelt herrschenden immateriellen, informations-tragenden, prä-lebendigen Verknüpfungen
werden nur indirekt auf der Meso-Ebene unserer Erfahrungswelt wirksam. Gewöhnlich werden
sie ausgemittelt und führen in dieser ‚verwaschenen’ Form zu dem uns wohl-vertrauten ‚klasssischen’
Verhalten des Unbelebten. Instabilität wirkt jedoch wie ein enormer Verstärkungsfaktor, was eine Ausmittelung
verhindert: Das Lebendige, wie es uns in unserer Erfahrungswelt begegnet, bezieht seine Fähigkeit
zur fortwährenden schöpferischen Differenzierung und kooperativen Integration aus seinem
‚prä-lebendigen’ (mikrophysikalisch erkennbaren) Urgrund; dessen ‚Informationen’ steigen durch Instabilitäten
verstärkt in die Mesosphäre auf und entfalten sich dort schöpferisch in intensiver und reicherer
Form. Das ‚Prä-lebendige’ organisiert sich so in der komplexen Vielheit unsere ‚höheren’ bioökologischen
Lebendigkeit, wie sie uns in unserem täglichen Leben begegnet. Auch die kulturökologische
Vielfalt mit ihren Entwicklungsformen, das heißt ihren Wandlungs- und Ausgleichsprozessen, resultiert
letztlich aus diesem Zusammenhang."


(aus "Potsdamer Manifest 2005": http://gcn.de/download/manifest_de.pdf)

"Materie ist im Grunde gar nicht Materie, sondern ein Beziehungsgefüge, eine Art
Gestalt oder in gewisser Weise trägerlose ‚Information’. Die ontische Grundstruktur der Welt,
basierend auf primär existierender Substanz wird ungültig. Sie muss ersetzt werden durch einen
‚Komos’, in dem nicht mehr Fragen: „Was ist? Was existiert?“ am Anfang stehen, sondern nur
Fragen der Art: „Was passiert? Was bindet?“. Genauer: Anstelle der bisher angenommenen Welt, einer
mechanistischen, dinglichen (objektivierbaren), zeitlich determinierten ‚Realität’ (lat. res = Ding)
entpuppt sich die eigentliche Wirklichkeit (eine Welt, die wirkt!) im Grunde als ‚Potenzialität’, ein
nicht-auftrennbares, immaterielles, zeitlich wesentlich indeterminiertes Beziehungsgefüge, das nur
gewichtete Kann-Möglichkeiten, differenziertes Vermögen (Potenz) für eine materiell-energetische
Realisierung festlegt. Die klassische Realität des materiell-objekthaft Getrenntem ergibt sich erst
durch eine vergröbernde Ausmittelung aus der potentiellen, ganzheitlichen, zeitlich wesentlich
offenen, immateriellen Allverbundenheit.
(...) Die Einsichten in der Mikrophysik legen eine Weltdeutung nahe, die grundsätzlich aus dem
materialistisch-mechanischen Weltbild herausführt. Aus diesem Grund muss die Bedeutung und
Ausrichtung der Wissenschaften grundsätzlich neu befragt und bestimmt werden. Die neue Einsicht
führt von einer substantialistischen (von statischer Substanz primär geprägten) Auffassung mit
kausalem Letztbegründungsanspruch hin zu einem Denken, das (in einem ‚embryonalen’ Sinne) von
lebendigen und kreativen Beziehungen ausgeht."


(aus "Potsdamer Denkschrift 2005": http://gcn.de/download/denkschrift_de.pdf)

Diese Aussagen richtig zu deuten, ist nicht einfach (zumindest mir fällt es schwer), zumal es so etwas wie die philosophische Interpretation der Quantenphysik nicht gibt. Dürrs Interpretation scheint ihn jedenfalls zu einer Art idealistisch-prozessualistischen Naturalismus (antimaterialistisch-antisubstanzialistischen N.) mit panvitalistischem Einschlag geführt zu haben.


P.S.:
Man kann übrigens auch als Materialist/Physikalist eine prozessualistische, d.i. antisubstanzialistische, Sicht der Dinge befürworten, sofern man die ursprünglichen und grundlegenden Vorgänge (Ereignisketten) in der Wirklichkeit als objektiv vonstatten gehende nichtpsychische Vorgänge begreift, die ihr Werk unbewusst verrichten:

"[T]here are not really two categories of things in the world: objects and processes. There are only relatively fast processes and relatively slow processes. (...) Nothing is, except in a very approximate and temporary sense. How something is, or what its state is, is an illusion. It may be a useful illusion for some purposes, but if we want to think fundamentally we must not lose sight of the essential fact that 'is' is an illusion. So to speak the langugage of the new physics we must learn a vocabulary in which process is more important, and prior to, stasis. (...) From this point of view, the universe consists of a large number of events. An event may be thought of as the smallest part of a process, a smallest unit of change. But do not think of an event as a change happening to an otherwise static object. It is just a change, no more than that."

"Es gibt nicht wirklich zwei Kategorien von Dingen in der Welt: Objekte und Prozesse. Es gibt nur relativ schnelle Prozesse und relativ langsame Prozesse. (...) Um die Sprache der neuen Physik zu sprechen, müssen wir also ein neues Vokabular erlernen, worin Vorgang wichtiger und vorrangiger ist als Stillstand. (...) Dieser Sichtweise zufolge besteht das Universum aus einer großen Zahl von Ereignissen. Ein Ereignis kann als der kleinste Teil eines Vorganges, als eine kleinste Einheit des Wandels aufgefasst werden. Aber verstehen Sie unter einem Ereignis keine Wandlung, die ein ansonsten statisches Objekt betrifft. Es ist bloß eine Wandlung, und nicht mehr als das."

[© meine Übers.]

(Smolin, Lee. Three Roads to Quantum Gravity. New York: Basic Books, 2001. p. 52+)

"As process ontologists see it, enduring things are never more than patterns of stability in a sea of process. Like a wave pattern in water they are simply pending configurations in a realm of change. (...) Processes are not the machinations of stable things; things are the stability-patterns of variable processes."

"In den Augen der Prozess-Ontologen sind fortbestehende Dinge niemals mehr als stabile Muster in einem Meer von Prozessen. Wie ein Wellenmuster im Wasser sind sie einfach in der Schwebe seiende Konfigurationen in einem Reich des Wandels. (...) Prozesse sind nicht die Machenschaften stabiler Dinge; Dinge sind die Stabilitätsmuster variabler Prozesse."

[© meine Übers.]

(Rescher, Nicholas: http://plato.stanford.edu/entries/process-philosophy)

Ob alle Substanzen oder Objekte wirklich auf undingliche Ereignisse und Prozesse ontologisch reduziert werden können, darüber sind die Philosophen jedoch—wie immer—uneins.
In der Philosophie der Physik bekämpfen sich die Anhänger der Ding-Ontologie und diejenigen der Ereignis-Ontologie.
Das alles führt ganz tief in die Metaphysik hinein ......—...... aber nicht unbedingt aus dem Materialismus/Physikalismus hinaus!
Denn das Entscheidende am Materialismus ist die Annahme, dass das Nichtpsychische gegenüber dem Psychischen vorrangig und ursprünglicher ist, und dass alles Psychische vom Nichtpsychischen hinsichtlich seines Werdens, Seins und Wandels abhängig ist.
(Das gilt gleichermaßen für den ding-ontologischen und den ereignis-ontologischen Standpunkt innerhalb des Materialismus.)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » So 21. Dez 2008, 07:45

Myron hat geschrieben:Vom alten mechanistischen Weltbild, dem zufolge die Atome im Grunde so etwas Handfestes wie winzigste Steinchen sind, die sich einfach anziehen oder abstoßen, haben sich die zeitgenössischen Materialisten doch längst verabschiedet. Der heutige Materialismus ist als Physikalismus postmechanistisch (allerdings nach wie vor antisupernaturalistisch sowie antipanpsychistisch, wobei anzumerken ist, dass der Panpsychismus mit dem Materialismus zumindest logisch vereinbar ist, solange keine psychischen Substanzen postuliert werden).


J. J. C. Smart schreibt in seinem Artikel über den Materialismus in der Encyclopaedia Britannica:

"In der modernen Physik (wenn sie realistisch interpretiert wird) wird die Materie als aus solchen Dingen wie Elektronen, Protonen und Mesonen bestehend aufgefasst, die sich erheblich von den harten, massiven, steinartigen Teilchen des mechanistischen Materialismus unterscheiden. In ihr ist auch die Unterscheidung zwischen Materie und Energie aufgehoben worden. Es ist deshalb naheliegend, das Wort 'Materialist' über den paradigmatischen Fall des mechanistischen Materialismus hinaus zu erweitern, um jeden zu erfassen, der seine Theorie darauf gründet, wovon auch immer die Physik letztendlich behauptet, dass es existiere. Diese Art kann man 'physikalistischer Materialismus' nennen. Ein solcher Materialist lässt eine Erweiterung des Begriffs 'materielles Ding' zu, damit er all die Elementarteilchen und die anderen Dinge, die in der fundamentalen Theorie der Physik postuliert werden, einschließt—vielleicht sogar kontinuierliche Felder und Punkte der Raumzeit. Insoweit einige Kosmologen sogar versuchen, die Elementarteilchen selbst in Beziehung zur Krümmung der Raumzeit zu definieren, gibt es keinen Grund, warum eine Philosophie, die auf solch einer geometrisierten Kosmologie basiert, nicht zu den materialistischen zählen sollte, vorausgesetzt, sie billigt nichtphysischen Dingen wie Geistern kein selbstständiges Dasein zu."
[© meine Übers. aus d. Engl.]

(Anmerkung: Die Unterscheidung zwischen Materie und Energie ist nicht einfach gleich derjenigen zwischen Masse und Energie. Smart hat sich hier also strenggenommen etwas unsauber ausgedrückt. Siehe: http://plato.stanford.edu/entries/equivME)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Pablo » Mo 22. Dez 2008, 14:22

Myron hat geschrieben:Apropos "Bewusstseinsfeld".
Was soll das bloß für ein "Viech" sein?!
Wenn ein physikalisches Feld eine räumliche und zeitlich veränderliche Verteilung energetischer (oder sonstiger dynamischer) Zustände ist, in denen sich der Raum befindet, soll dann ein "Bewusstseinsfeld" etwa eine räumliche und zeitlich veränderliche Verteilung von ontisch subjektiven Bewusstseins- oder Geisteszuständen sein, in denen sich der Raum selbst befindet?
Ist der Raum ein einheitliches kosmisches Subjekt, das in seinen unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Empfindungen, Gefühle, Stimmungen oder Gedanken hat?
Dann wäre der Raum ja ein bewusstes Lebewesen und die Kosmologie damit ein Teil der Biologie!
Ich gratuliere jedem herzlich, dem es gelingt, aus dem Begriff "Bewusstseinsfeld" auch nur einen Tropfen Sinn herauszuwringen!


Ganz so absurd, ist diese Vorstellung nicht, denn die durchgeführten Experimente ( Alain Aspect in den 80 Jahren) können durchaus so interpretiert werden. Ich darf hier nur an die geisterhafte Fernwirkung erinnern, die zwischen zwei mit Lichtgeschwindigkeit auseinanderstrebenden Photonen vorhanden ist. Schneller als Lichtgeschwindigkeit geht nach Ansicht der Physiker nicht, trotzdem ist die Verständigungsmöglichkeit nachweisbar vorhanden. Die Physiker gehen deshalb von einer ungeteilten Ganzheit aus, bei der Alles mit Jedem in Verbindung steht. Die Frage ist nur auf welchen ganzgeitlichen Träger diese Verständigung erfolgen kann? Da schneller als mit Lichtgeschwindigkeit nicht funktioniert, muss dieser Träger demnach über Zeit und Raum hinausreichen und im "Hier und Jetzt" vorhanden sein.

LASZLO (Kosmische Kreativität) zum Beispiel postuliert ein PSI-Feld, das tatsächlich auch in die Biologie hineinreicht, da es auch als Informationspeicher für Veränderungen in der DNA-Struktur herangezogen werden kann. Da die Frage nach der Zelldifferenzierung nach wie vor offen ist, hat auch diese Annahme einen durchaus realistischen Hintergrund.

Mathematische Symmetrie und Geist.

Im Prinzip haben Ditfurth und Heisenberg die Antwort doch schon gegeben. Das Zusammenspiel der bisher bekannten physikalischen Kräfte wie Schwerkraft, elektromagnetische Kraft, schwache und starke Schwerkraft lässt sich mit Formeln ausdrücken und berechnen, d.h. dieses Zusammenspiel der Kräfte kann als mathematische Symmetrie bezeichnet werden.
Diese Symmetrie muss von Anfang an vorhanden gewesen sein und auch der Zufall kann diese Symmetrie nicht aufheben.
Hinter der mathematischen Formelsprache steht jedoch stets ein geistiger Inhalt, weshalb es m.E. nur folgerichtig ist, wenn HEISENBERG diesen geistigen Inhalt gleich an den Anfang setzt. So gesehen, wachsen wir mit unserem Geist wieder in dieses Universum hinein und beginnen, es immer besser zu verstehen. Auch dies dürfte eine Tatsache darstellen.

Diese Annahme erscheint mir auf jeden Fall nachvollziehbarer als ein Gott im Himmel oder als ein Ursache definierter Zufall. Beide Ursachen kennen wir nicht, Geist kennen wir hingegen sehr wohl.

Viele Grüße

Paul
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon ganimed » Mo 22. Dez 2008, 15:24

Pablo hat geschrieben:Das Zusammenspiel der bisher bekannten physikalischen Kräfte wie Schwerkraft, elektromagnetische Kraft, schwache und starke Schwerkraft lässt sich mit Formeln ausdrücken und berechnen, d.h. dieses Zusammenspiel der Kräfte kann als mathematische Symmetrie bezeichnet werden.

Leider habe ich auch mit deinen Neuformulierungen immer noch Verständnisprobleme. Dabei fände ich es hyperspannend, deine Sicht der Dinge wenigstens zu verstehen. Ich muss sie ja nicht unbedingt teilen. Aber hier klappt noch nicht einmal das verstehen. Für mich ist Symmetrie etwas anders als die Ausdrückbarkeit in Formeln. Verwenden wir die Begriffe unterschiedlich? Oder meinst du mit Symmetrie, dass bei vielen Formeln ein Gleichheitszeichen in der Mitte steht und die linke und die rechte Seite also "gleich" sind?

Pablo hat geschrieben:Diese Symmetrie muss von Anfang an vorhanden gewesen sein und auch der Zufall kann diese Symmetrie nicht aufheben. Hinter der mathematischen Formelsprache steht jedoch stets ein geistiger Inhalt, weshalb es m.E. nur folgerichtig ist, wenn HEISENBERG diesen geistigen Inhalt gleich an den Anfang setzt.

Die Naturgesetze waren von Anfang an da, ok. Die Naturgesetze ließen sich auch von Anfang an mit Formeln beschreiben, ok. Aber die Formeln waren nicht von Anfang an da, NUR die Naturgesetze. Und der Geist "hinter" den Formeln, war auch nicht von Anfang an da, erst mit der Entstehung des ausreichend komplexen Hirns.

Der Fehler in deiner Formulierung scheint mir also zu sein, dass hier an den Knackpunkten die Begriffe gleichgesetzt werden. Naturgesetz, Formel, Geist. Das Naturgesetz war am Anfang da. Der Geist kam erst vor 1 Million Jahre. Mit dem Geist kam die Formel, welche das Naturgesetz beschreibt (aber nicht ist).
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Mo 22. Dez 2008, 22:39

Pablo hat geschrieben:Ich darf hier nur an die geisterhafte Fernwirkung erinnern, die zwischen zwei mit Lichtgeschwindigkeit auseinanderstrebenden Photonen vorhanden ist. Schneller als Lichtgeschwindigkeit geht nach Ansicht der Physiker nicht, trotzdem ist die Verständigungsmöglichkeit nachweisbar vorhanden. Die Physiker gehen deshalb von einer ungeteilten Ganzheit aus, bei der Alles mit Jedem in Verbindung steht. Die Frage ist nur auf welchen ganzgeitlichen Träger diese Verständigung erfolgen kann? Da schneller als mit Lichtgeschwindigkeit nicht funktioniert, muss dieser Träger demnach über Zeit und Raum hinausreichen und im "Hier und Jetzt" vorhanden sein.


Das Phänomen der Teilchenverschränkung und der Korrelation (man beachte: Korrelation ist nicht gleich Kausation!) zweier verschränkter Teilchen, die so weit voneinander entfernt sind, dass keine unterlichtschnelle oder lichtschnelle Wirkung von dem einen zum anderen übertragen werden kann, ist in der Tat höchst verblüffend.
Wie es richtig zu verstehen ist, darüber streiten die Physiker und die Philosophen.
Über die Möglichkeit einer überlichtschnellen Verursachung oder Signalübertragung wird dabei durchaus diskutiert (siehe Link).

Und was die holistische Interpretation der "spukhaften Fernwirkung" (Einstein) betrifft, so mag diese auf der richtigen Fährte sein. Als Nichtphysiker kann ich die innerphysikalische Diskussion darüber nicht kommentieren. Aber soweit ich weiß, befassen sich die Physiker hier mit einem ganz speziellen quantenphysikalischen Phänomen und behaupten keineswegs ganz allgemein und vage, dass alles mit allem in Verbindung stehe.
Und einen wichtigen Punkt möchte ich hervorheben:

"As applied to physics, ontological holism is the thesis that there are physical objects that are not wholly composed of basic physical parts. Views of Bohr, Bohm and others may be interpreted as endorsing some version of this thesis. In no case is it claimed that any physical object has nonphysical parts. The idea is rather that some physical entities that we take to be wholly composed of a particular set of basic physical parts are in fact not so composed."

"Auf die Physik angewandt, ist der ontologische Holismus die These, dass es physische Objekte gibt, die nicht gänzlich aus elementaren physischen Teilen zusammengesetzt sind. Die Ansichten Bohrs, Bohms und anderer kann man dahin gehend interpretieren, dass sie eine bestimmte Version dieser These gutheißen. In keinem Fall wird behauptet, dass irgendein physisches Objekt nichtphysische Teile hat. Die Idee besteht vielmehr darin, dass einige physische Entitäten, von denen wir annehmen, dass sie sich gänzlich aus einer besonderen Menge elementarer physischer Teile zusammensetzen, in Wirklichkeit nicht so zusammengesetzt sind."
[© meine Übers.]
(http://plato.stanford.edu/entries/physics-holism/#OHQM)

Links:

Action at a Distance in Quantum Mechanics

Holism and Nonseparability in Physics


Pablo hat geschrieben:
LASZLO (Kosmische Kreativität) zum Beispiel postuliert ein PSI-Feld, das tatsächlich auch in die Biologie hineinreicht, da es auch als Informationspeicher für Veränderungen in der DNA-Struktur herangezogen werden kann. Da die Frage nach der Zelldifferenzierung nach wie vor offen ist, hat auch diese Annahme einen durchaus realistischen Hintergrund.


Der materialistische/physikalistische Standpunkt wird durch den quantenphysikalischen Holismus in keiner Weise gefährdet, da (fast) kein Physiker behauptet, der "spukhaften Fernwirkung" lägen irgendwelche hyperphysischen, nichtraumzeitlichen Kräfte oder Felder zugrunde.

Mit Laszlos "PSI-Feld" habe ich mich bislang noch nicht befasst.
Ich habe dazu eben den folgenden Text hervorgegoogelt, worin seine Theorie vorgestellt und kritisch beurteilt wird:

http://www.christiansaemann.de//files/holos.pdf

Nach dem ersten Überfliegen scheint mir Laszlo einer derjenigen "Paraphysiker" zu sein, die allerlei pseudowissenschaftliches Geschwurbel produzieren.
Eine starke antiphysikalistische Tendenz in Richtung Panpsychismus, Pantheismus und Idealismus ist offensichtlich.

Pablo hat geschrieben:
Hinter der mathematischen Formelsprache steht jedoch stets ein geistiger Inhalt, weshalb es m.E. nur folgerichtig ist, wenn HEISENBERG diesen geistigen Inhalt gleich an den Anfang setzt. So gesehen, wachsen wir mit unserem Geist wieder in dieses Universum hinein und beginnen, es immer besser zu verstehen. Auch dies dürfte eine Tatsache darstellen.


Von einer "Folgerichtigkeit" kann hier keine Rede sein!
Denn, wie schon gesagt, daraus, dass alle mathematisch-physikalischen Repräsentationen (Formeln, Theorien) der Natur Geistesinhalte und damit geistabhängig sind (Physikbücher sind natürlich keine Geistesinhalte), folgt mitnichten, dass das Repräsentierte, d.i. die natürliche Realität und ihre Gesetze, seinem grundlegenden Wesen nach geistig oder geistabhängig ist.
Und selbst ein Platonist, d.h. einer, der an die Realität eines abstrakten und damit immateriellen mathematischen Reichs glaubt, verneint, dass dieses ein spirituelles Reich ist. Ihm zufolge sind mathematische Abstrakta weder physische noch psychische Entitäten!

Pablo hat geschrieben:
Diese Annahme erscheint mir auf jeden Fall nachvollziehbarer als ein Gott im Himmel oder als ein Ursache definierter Zufall. Beide Ursachen kennen wir nicht, Geist kennen wir hingegen sehr wohl.


Was mir absolut unglaubwürdig erscheint, ist die Annahme, dass der dynamisch-kreative "Urgrund des Seins", der die veränderliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen selbsttätig und eigengesetzlich aus sich heraus erzeugt, eine bewusste, geistige Wesenheit ist.
Geist und Bewusstsein sind in meinen Augen nicht kosmologisch fundamental, sondern abhängige Produkte der Materie, die erst sehr spät die Bühne der Naturgeschichte betreten haben—und zwar als Eigenschaften, Zustände von auf Planeten lebenden Tieren.
Als immaterielle Substanzen gibt es Geister, Seelen und Bewusstseine überhaupt nicht (*; es handelt sich dabei lediglich um Inbegriffe der psychischen Eigenschaften. Und diese können ausschließlich von physischen Dingen besessen werden, und auch nur von ganz bestimmten physischen Dingen.
(* Auch ein Bewusstseinsfeld wäre zu den immateriellen Substanzen zu zählen.)

Ich glaube, schlicht ausgedrückt, an einen ewigen materiellen "Urkraftstoff", der vollkommen unbewusst, aber nicht nur rein zufälligerweise, sondern auch notwendigerweise, sozusagen infolge ihm innewohnender "Zwänge" und "Dränge", schöpferisch und gestalterisch tätig ist.

"Materialismus, diejenige philosophische Behauptung oder systematische Ansicht, vermöge welcher die Materie oder die körperliche Substanz als Grundursache der Dinge angesehen wird. Wer ihr zugetan ist, heißt Materialist im philosophischen Sinne."

(Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände (Conversations-Lexikon), Bd. 7, 7. Aufl. Leipzig: Brockhaus, 1827. S. 189)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Di 23. Dez 2008, 03:18

Pablo hat geschrieben:Hinter der mathematischen Formelsprache steht jedoch stets ein geistiger Inhalt, weshalb es m.E. nur folgerichtig ist, wenn HEISENBERG diesen geistigen Inhalt gleich an den Anfang setzt. So gesehen, wachsen wir mit unserem Geist wieder in dieses Universum hinein und beginnen, es immer besser zu verstehen. Auch dies dürfte eine Tatsache darstellen.
Diese Annahme erscheint mir auf jeden Fall nachvollziehbarer als ein Gott im Himmel oder als ein Ursache definierter Zufall. Beide Ursachen kennen wir nicht, Geist kennen wir hingegen sehr wohl.


Wer einen geistigen Inhalt an den Anfang bzw. den Grund der Dinge setzt, der setzt logischerweise mindestens ein Wesen mit Geistes- bzw. Bewusstseinszuständen (* dorthin.
Was könnte das aus atheistischer Sicht bloß sein?!
Ein atheistischer Panpsychismus/Hylozoismus ist mir jedenfalls unbegreiflich.

(* Sogenannte grundsätzlich unbewusste Geisteszustände sind für mich überhaupt keine geistigen Zustände mehr, sondern nur rein körperliche.)

Bewusstsein und Geist sind—nach allem, was wir wissen—ausschließlich besondere Eigenschaften von tierischen Lebewesen.
In einer tierfreien Welt gibt es kein Bewusstsein und keinen Geist, d.h. darin gibt es nichts, was irgendetwas empfindet, fühlt oder denkt. Mit anderen Worten, eine tierfreie Welt ist eine Welt bar jeglicher Subjektivität.
(Und, gelinde gesagt, bezweifle ich, dass der Anfang oder Urgrund der Welt ein selbstbewusstes Tier ist.—Hallo, all ihr Anthropomorphismen...! :abschied: )

"Wie weit in die Natur hinein erstreckt sich Bewusstsein?
Vor allem einmal können wir feststellen, dass Bewusstsein strikt an Körper gebunden ist. Bewusstsein zu haben bedeutet notwendigerweise, Empfindungen davon zu haben, 'was mit mir vorgeht': anders gesagt, was an der Grenze zwischen Ich und Nicht-Ich passiert. Ohne einen Körper gäbe es selbstredend keine solche Grenze und folglich nichts, wovon das Subjekt ein Bewusstsein haben könnte. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir die Möglichkeit von Bewusstsein in nichtkörperlichen Wesenheiten, wie etwa (um ein paar zugegebenermaßen unwahrscheinliche Fälle zu nennen) in Kraftfeldern, Zahlen, Schallwellen, Regenbögen, Universitäten, Pop-Hits, Telefonnetzen oder immateriellen Seelen beziehungsweise Geistern, absolut ausschließen können. Wir können all jene materiellen Dinge ausschließen, die zwar äußerlich erkennbare Umrisse, aber keine wesentliche Begrenztheit haben, wie interstellare Staubwolken, Schlammpacken oder Schneestürme, und ebenso kollektive Einheiten, die aus jeweils klar abgegrenzten Individuen bestehen, wie Zwillingspaare, Bienenschwärme oder die Menschheit als Ganzes. Wenn wir wollen, können wir auch das Universum in seiner Totalität oder Gott in seiner Allmacht ausschließen—da keine der beiden Wesenheiten eine Grenze hat, an der etwas passieren könnte (was könnte Gott in seiner Unendlichkeit mit sich vorgehen spüren?). Zweitens dürfen wir feststellen, dass Bewusstsein an Körper gebunden ist, die an sich selbst interessiert sind. Empfindungen und sensorische Aktivitäten, bei denen es (zumindest ursprünglich) darum geht, ob etwas 'gut' oder 'schlecht' ist. Ohne selbstbezügliches Interesse kann es Bewertungen einer Sache oder einer Handlung als gut oder schlecht nicht geben und folglich auch nicht die Möglichkeit, dass Reaktionen auf Reize diese affektive Dimension besitzen. Das bedeutet, dass wir des Weiteren die Möglichkeit von Bewusstsein in all den körperlichen Wesen ausschließen können, die zwar Körpergrenzen aufweisen und tatsächlich auch auf das reagieren, was an diesen Grenzen passiert, denen es aber grundsätzlich gleichgültig ist, was mit ihnen geschieht. Wir können Eisberge ebenso wie Gummibälle, Taschenuhren oder den Mond ausschließen. Tatsächlich können wir in der natürlichen, nicht durch Menschenhand geformten Welt alles ausschließen bis auf die lebenden Wesen, da keine anderen ein wesentliches Interesse am eigenen Überleben haben und ein Reiz für keines von ihnen eine Bedeutung hat.
Drittens dürfen wir feststellen, dass Bewusstsein an eine ganz spezifische Gruppe von Lebewesen gebunden ist, nämlich an jene Tiere, die sich über das Stadium einer einfachen Sinnesempfindungsreaktion hinaus bis zu dem Punkt entwickelt haben, an dem die Reaktion Bestandteil einer unendlichen Schleife mit beträchtlicher Lebensdauer wird. Empfindungen sind intentionale Tätigkeiten, die sich über eine subjektive Zeitspanne erstrecken. Wenn die Aktivität nicht in dieser Form existierte, entspräche die bewusste Gegenwart einer 'Totgeburt', und der entsprechende Organismus könnte sich ebenso wenig dessen bewusst sein, was mit ihm vorgeht, beziehungsweise seiner Reaktionen auf äußere Vorgänge, wie ein Mensch, der schläft. Das bedeutet, dass wir Bewusstsein bei all jenen Organismen ausschließen können, die sich noch auf einer Entwicklungsstufe befinden, auf der die sensorische Reaktion eine auf die Körperoberfläche begrenzte körperliche Aktivität bleibt und sich nicht an einer Ersatzschleife im Gehirn abspielt—und bei denen folglich die erwähnte Schleife zu lang und störanfällig ist, um Nachhallaktivitäten zu erlauben. Wir können also Amöben, Würmer, Fliegen ausschließen ...
(...) Nichts, was ich im Zusammenhang mit meiner Theorie bislang gesagt habe oder noch sagen will, begrenzt das Bewusstsein auf irdisches Leben. Sollten sich auf einem der anderen ungefähr eine halbe Milliarde zählenden Planeten unserer Milchstraße, deren Milieubedingungen eine organische Chemie auf Kohlenstoffbasis zulassen, tatsächlich lebende Organismen entwickelt haben, dann spricht alles dafür, dass es dort auch Geschöpfe gibt, die aus den gleichen evolutionsgeschichtlichen Gründen Bewusstsein haben wie wir. Im Übrigen schränkt nichts vom bisher Gesagten Bewusstsein auf ein Leben auf Kohlenstoffbasis ein und schließt ein Leben auf der Basis von Silikonatomen, oder auf welcher Grundlage auch immer, von der Fähigkeit, Bewusstsein zu haben, aus. (...) Sollten sich also auf einem der zahllosen Planeten, die eine andere Art von organischer Chemie zulassen, tatsächlich lebende Organismen entwickelt haben, so spricht alles dafür, dass es auch dort Wesen mit Bewusstsein gibt."


(Humphrey, Nicholas. Die Naturgeschichte des Ich. Übers. U. Enderwitz. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1995. S. 266ff.)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Di 23. Dez 2008, 05:28

Ein relevanter Punkt:

"Materialist metaphysicians want to side with physics, but not to take sides within physics."

"Materialistische Metaphysiker wollen auf der Seite der Physik stehen, aber sich nicht auf eine bestimmte Seite innerhalb der Physik schlagen."

[© meine Übers.]

(Lewis, David. "New Work for a Theory of Universals." in David Lewis, Papers in Metaphysics and Epistemology, 8-55. Cambridge: Cambridge University Press, 1999. p. 37+)

Soll heißen, die materialistischen Philosophen sind in erster Linie an der Physik (und an der Naturwissenschaft insgesamt) orientierte Generalisten, aber keine Spezialisten, die im innerwissenschaftlichen Diskurs unter den Physikern das Sagen haben wollen. Es ist nicht die Aufgabe der Philosophen, über den Wahrheitsgehalt physikalischer Theorien zu entscheiden.
Bei den philosophischen Interpretationen physikalischer Theorien und deren metaphysisch-ontologischen Implikationen will der Philosoph allerdings verständlicherweise mitreden.
(Man kann freilich sowohl Physiker als auch Philosoph sein.)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Di 23. Dez 2008, 06:09

Pablo hat geschrieben:Es gibt also sehr wohl vernüftige Gründe, im Sinne von HUME und HEISENBERG etc, eine absolut neutral definierte geistige Grundlage (was nichts mit einem Gott zu tun hat) in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen.


Mir ist erst jetzt in den Sinn gekommen, dass du mit "neutral definiert" auch den Standpunkt des neutralen Monismus meinen könntest:

http://plato.stanford.edu/entries/neutral-monism

"Neutral monism is a monistic metaphysic. It holds that ultimate reality is all of one kind. To this extent neutral monism is in agreement with idealism and materialism. What distinguishes neutral monism from its better known monistic rivals is the claim that the intrinsic nature of ultimate reality is neither mental nor physical. This negative claim also captures the idea of neutrality: being intrinsically neither mental nor physical in nature ultimate reality is said to be neutral between the two."

"Der neutrale Monismus ist eine monistische Metaphysik. Ihm zufolge gehört alles grundlegend Wirkliche zu einer einzigen Art (von Seiendem). Insoweit stimmt der neutrale Monismus mit dem Idealismus und dem Materialismus überein. Was den neutralen Monismus von seinen besser bekannten monistischen Konkurrenten unterscheidet, ist die Behauptung, dass das ureigene Wesen der grundlegenden Wirklichkeit weder physisch noch psychisch sei. In dieser negativen These kommt auch die Idee der Neutralität zum Ausdruck: Indem die grundlegende Wirklichkeit ihrem ureigenen Wesen nach weder psychisch noch physisch (beschaffen) sei, heißt es, sie sei gegenüber den beiden (Kategorien) neutral."
[© meine Übers]

Anmerkung:
Wenn man "psychisch" als "nichtphysisch" oder "physisch" als "nichtpsychisch" liest, dann ist der neutrale Monismus ein theoretischer Rohrkrepierer, da die Behauptung, es gebe etwas, das weder psychisch noch physisch sei, in diesem Fall der Behauptung eines glatten Widerspruchs gleichkommt, nämlich, dass es etwas gebe, das weder physisch noch nichtphysisch, weder psychisch noch nichtpsychisch sei.
Es ist also schon sehr schwierig, überhaupt in widerspruchsfreier Weise darzulegen, was das Neutrale des neutralen Monismus eigentlich ist.

Außerdem fällt auf, dass der angeblich neutrale Monismus in Richtung Idealismus tendiert und damit in Wahrheit nur scheinbar neutral ist, das Geistige gegenüber dem Körperlichen letztlich bevorzugend.

Meiner Meinung nach kann der neutrale Monismus nicht halten, was er verspricht.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Pablo » Mi 24. Dez 2008, 00:05

Myron hat geschrieben:Außerdem fällt auf, dass der angeblich neutrale Monismus in Richtung Idealismus tendiert und damit in Wahrheit nur scheinbar neutral ist, das Geistige gegenüber dem Körperlichen letztlich bevorzugend.


Hinsichtlich eines Standpunktes lasse ich mich ungern festlegen. Was für mich zählt, ist das"Sapere aude" von KANT und nichts weiter. Die von mir durchgeführte Untersuchung ergab (für mich) allerdings, dass wir den guten und gerechten Gott im Himmel vergessen können, was allerdings genauso für den Zufall gilt, wie ihn beispielsweise DAWKINS und viele Atheisten verwenden.

Der Zufall ist und bleibt ein in das Universum integriertes Ereignis, was mit der Frage verbunden ist, auf welcher Ebene die Bedingungen definiert gewesen sind, damit der Zufall Leben überhaupt im Universum entstehen lassen kann, wenn die Bedingungen stimmen und die Zeit dafür reif ist.
Ausgehend von dieser Feststellung bleibt nur noch eine geistige Grundlage übrig, außer man entscheidet sich für das Spaghetti-Monster von Henderson. Dann kann ich aber auch gleich Gott oder Zufall sagen, denn alle drei Begründungen kennen wir nicht.
So gesehen, tendiere ich tatsächlich zur Meinung von DÜRR, CAPRA, DAVIES usw. die dem Geistigen eine maßgebliche, wenn nicht sogar die ausschlaggebende Rolle im Universum zusprechen. DÜRR begründet dies u.a. mit der Eigenschaft des Feldes, DAVIES tendenziell mehr mit den durchgeführten Versuchen und Experimenten.
Beide zweifeln auch an, dass uns die rein materielle Sichtweise letzlich nicht weiterbringt, was anhand der nachstehenden Zitate offensichtlich wird.

Wir erfassen mit unseren naturwissenschaftlichen Methoden (z.B. das Miller-Urey-Experiment) aber nicht das Wesentliche. Wenn man diese Methode beispielsweise anwendet, um ein Gedicht zu beschreiben, dann kommt man darauf, wie die Buchstaben aus Kohlestäubchen aufgebaut sind, wie man die Buchstaben anordnet, damit Wörter entstehen und so weiter. Man weiß dann zwar hinterher, wie ein Buch geschrieben ist, auch wie die Buchstabenfolge angeordnet ist, aber die genaue Untersuchung der Buchstaben gibt mir keinen Einblick in die Bedeutung des Geschriebenen. Man kann das auch auf das Leben übertragen. Für mich ist Leben letztendlich reine Form. Denn die Anordnung der Substanz ist eigentlich nicht das Wesentliche, sondern gerade das, was von der Substanz gelöst ist. Ein Beispiel dafür ist die Symphonie auf einer Schallplatte. Man kann mit dem Mikroskop die Linien der Platte ansehen, aber dennoch absolut nicht verstehen, dass hier in diesen Rillen eine Symphonie verborgen ist, nämlich in der Form, nicht in der materiellen Substanz.
Das ist auch auf das Phänomen des Lebens übertragbar. Das Lebendige ist eigentlich auch reine Form. Und wenn man von höheren oder niedrigeren Lebewesen spricht, dann ist auf der jeweiligen Schallplatte eine Symphonie oder eben ein triviales Lied. In der Rille kann ich das aber nicht ersehen. Wir Menschen sind wie das Immaterielle unbeständig, unverlässlich, aber genau aus diesem Grund sind wir kreativ. Wir sind eine höhere Stufe oder wie sind von einer Art, aus dem eigentlich Wirklichkeit zusammengebaut ist...
... Das Geistige braucht aber nicht einmal diesen materiellen Träger. Deshalb ist es für mich etwas Allgemeineres. Das Feld durchdringt alles, und das Gegenständliche ist für mich eine Vergröberung des Geistigen. Das Geistige ist viel durchlässiger..."
HANS-PETER-DÜRR (aus: Gott, der Mensch und die Wissenschaft)


Bewusstsein und Intelligenz sind Begriffe der Software-Ebene; sie auszudrücken ist lediglich eine Frage der Anordnung - der Organisation -, nicht des Mediums. Denkt man das konsequent zu Ende, kann man sich durchaus einen seit der Schöpfung existierenden “Über”-Geist vorstellen, der alle Grundfelder der Natur umfasst und dem die Aufgabe obliegt, aus einem völlig ungeordneten Urknall den komplexen und wohlgeordneten Kosmos zu organisieren, den wir jetzt wahrnehmen; und das alles im Rahmen der physikalischen Gesetze. Das wäre kein Gott, der alles durch übernatürliche Mittel erschüfe, sondern ein leitender, alles umfassender Geist, der den Kosmos durchdringt und die Naturgesetze so handhabt, dass dabei ein bestimmter Zweck erfüllt wird. Wir könnten diesen Stand der Dinge so beschreiben, dass wir sagen, die Natur sei ein Ergebnis ihrer eigenen Technik, und das Universum sei ein Geist: ein sich selbst beobachtendes wie auch sich selbst organisierendes System. Unserer eigener Geist ließe sich dann als jeweils eng umrissene “Insel” des Bewusstseins in einem Meer als Geist auffassen, eine Vorstellung, die an solche in einigen Systemen der asiatischen Mystik denken lässt, die Gott als das vereinigende Bewusstsein aller Dinge ansehen, in die der menschliche Geist eingeht und, wenn er eine hinreichend hohe Stufe seelischer Vervollkommnung erreicht hat, seine Identität verliert.
PAUL DAVIES (aus: Gott und die moderne Physik)


Jeder der bekannten Physiker argumentiert natürlich etwas anders, aber in diese gernerelle Richtung könnten Einstein, Schrödinger, Wheeler, Bohm, Jeans, Wolf, usw. interpretiert werden (Planck und Tippler dürften Ausnahmen ein, da diese wieder von einem Gott sprechen)

Grob gesagt läuft es bei den meisten (bekannten) Physikern auf ein pantheistisches Weltbild hinaus im Sinne SPINOZAS hinaus.

Wenn wir die Fakten und Argumente prüfen und den Gott und Zufall mangels Kenntnis verwerfen, bleibt meiner Meinung nach auch nur diese Variante übrig. Mit einem Gott im Himmel hat dieses Weltbild meiner Meinung nach nichts zu tun, denn man kann es durchaus selbstbewusst vertreten. SCHRÖDINGER hat dies zum Beispiel getan, denn er schrieb in "Was ist Leben" Folgendes:

Mein Körper funktioniert als reiner Mechanismus in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen. Doch weiß ich aufgrund unbestreitbarer unmittelbarer Erfahrung, dass ich seine Bewegungen leite und deren Folgen voraussehe ...
Die einzig mögliche Folgerung aus diesen zwei Tatsachen ist die folgende: Ich – Ich im weitesten Sinne des Wortes, d. h. jedes bewusst denkende geistige Wesen, das sich als »Ich « bezeichnet oder empfunden hat – ist die Person, sofern es überhaupt eine gibt, welche die »Bewegung der Atome« in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leitet. ... ist es gewagt, diesen Schluss in so einfachen Worten auszudrücken, wie es die Sache erfordert. Es klingt gotteslästerlich und wahnsinnig, wenn man sich der christlichen Ausdrucksweise bedient und erklärt: »Also bin ich der Liebe Gott.«
ERWIN SCHRÖDINGER


Auch Schrödinger war übrigens wie Schopenhauer ein Anhänger der Upanishaden.

Viele Grüße

Paul
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon ganimed » Mi 24. Dez 2008, 11:46

@Pablo: Ich bin wiedereinmal ein wenig verblüfft. Das ist genau die Stelle, die mich in den letzten Jahren bei gewissen Diskussionen umtreibt. Ich würde gerne verstehen, wieso die jeweiligen Diskussionspartner die Meinung haben, die sie haben. Aber es gelingt mir oft nicht. In meinen Ohren klingen die entscheidenden Stellen dann einfach wie Unsinn und damit bleibt mir oft das Nachvollziehen verwehrt. Wohlgemerkt, ich kann nicht glauben, die Wahrheit gepachtet zu haben. An den Meinungen der anderen MUSS was dran sein. Ich ärgere mich also zunächst einmal über meine Blindheit, nicht zu sehen was dran ist.

Deine Physiker-Zitate zum Beispiel. Es ist mir Blindfisch schleierhaft, wie man über die folgenden Stellen hinweg kommen kann:
    Dürr: "Man weiß dann zwar hinterher, wie ein Buch geschrieben ist, auch wie die Buchstabenfolge angeordnet ist, aber die genaue Untersuchung der Buchstaben gibt mir keinen Einblick in die Bedeutung des Geschriebenen."
Dieser Dürr kann sich unter naturwissenschaftlichen Methoden also nur die Untersuchung der Bleistift-Kohlespuren auf dem Papier vorstellen. Wie wäre es aber mit Neurologie? Im Scanner schauen, wie die "Bedeutung" eines Gedichtes beim Lesen im Gehirn entsteht und wie sie konkret verarbeitet wird. Davon schonmal gehört? Wie kann ein einzelner Physiker nur so beschränkt denken?

    Paul Davies: "Bewusstsein und Intelligenz sind Begriffe der Software-Ebene; sie auszudrücken ist lediglich eine Frage der Anordnung - der Organisation -, nicht des Mediums."
Auch so ein Opfer der Ignoranz gegenüber der Hirnforschung. Natürlich ist die Intelligenz abhängig vom Medium. Aktuell wird beispielsweise propagiert, dass das Klavierspielen als Kind die Nervenverbindung zwischen linker und rechter Hirnhälfte stärke und die Intelligenz fördere. Ob das nun so plakativ einfach stimmt, wäre noch zu überlegen. Aber klar ist doch, dass Hirnleistungen wie Bewusstsein und Intelligenz von der Hardware abhängen. Da feuern ständig Neuronen und erzeugen komplexe Muster und Verarbeitungsschritte. Natürlich ist es auch eine Frage der Anordnung und Organisation, damit alles so klappt wie es klappt. Aber es ist eine Frage der Anordnung von physikalisch anfassbaren Synapsen und Nervenfasern, also des Mediums.

    Schrödinger: "Doch weiß ich aufgrund unbestreitbarer unmittelbarer Erfahrung, dass ich seine Bewegungen leite und deren Folgen voraussehe"
Alles klar Schrödi. Wärst du doch nur bei deiner Katze geblieben. Deine unmittelbaren Erfahrungen sind nämlich sehr wohl bestreitbar. Und die Sache mit dem freien Willen musst du dir wohl auch nochmal überlegen.

Alle drei Physiker mögen sehr helle Köpfe sein. Aber sie haben entweder nie etwas von Hirnforschung gehört oder wollten es nicht hören (oder konnten es nicht, wie ich bei Schrödinger einräume). Ergo gehen sie in ihren jeweils ersten Sätzen von einfach falschen Dingen aus, womit, zumindest aus meiner Sicht, der Rest der Zitate einfach auch falsch und sinnlos wird.

Vielleicht sind Physiker einfach nicht gut im Weltbild aufstellen. Vielleicht sind sie zu sehr Spezialist und zu wenig offen für andere Disziplinen? Das wäre vielleicht die naheliegendste Erklärung für den verzapften Unsinn. Aber auch hier kann ich nicht recht glauben, dass diese Superdenker solch banale Denkfehler begehen und gegenüber allgemein verfügbaren Ergebnissen der Hirnforschung so ignorant sein sollen. Sind es irgendwelche tiefer liegenden psychologischen Denkfallen, in die auch die klügsten Geister hineintappen? Es ist mir ein Rätsel.

Aber dich, Pablo, kann ich ja fragen. Wie kannst du solche Vorgaben wie "man könne die Bedeutung eines Gedichtes prinzipiell nicht erfoschen" akzeptieren?
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Do 25. Dez 2008, 03:58

Pablo hat geschrieben:Die von mir durchgeführte Untersuchung ergab (für mich) allerdings, dass wir den guten und gerechten Gott im Himmel vergessen können, ...


Da haben wir also etwas gemeinsam: die Ablehnung des Theismus.

Pablo hat geschrieben:... was allerdings genauso für den Zufall gilt, wie ihn beispielsweise DAWKINS und viele Atheisten verwenden.


Nicht dass ich noch nichts von Dawkins gelesen hätte; aber wie genau verwenden Dawkins & Co. den Zufallsbegriff denn eigentlich?
Behaupten sie etwa, der Urquell der weltlichen Erscheinungen sei ein absolut anarchisches Chaos?

Pablo hat geschrieben:Der Zufall ist und bleibt ein in das Universum integriertes Ereignis, was mit der Frage verbunden ist, auf welcher Ebene die Bedingungen definiert gewesen sind, damit der Zufall Leben überhaupt im Universum entstehen lassen kann, wenn die Bedingungen stimmen und die Zeit dafür reif ist.
Ausgehend von dieser Feststellung bleibt nur noch eine geistige Grundlage übrig, außer man entscheidet sich für das Spaghetti-Monster von Henderson.


Ich denke, dazwischen gibt es noch eine Reihe von Alternativen.

Kleine historische Exkursion am Rande:
Zufälligerweise bin ich darauf gestoßen, dass bereits der vorsokratische Philosoph Anaxagoras eine "geistige Grundlage" gesetzt hat:

"He propounded a physical theory of 'everything-in-everything,' and claimed that 'nous' (mind or intellect) was the motive cause of the cosmos. (...) According to Diogenes Laertius, Anaxagoras acquired the nickname Mr. Mind (DK 59 A1); his view that the cosmos is controlled by nous, mind or intelligence, first attracted and then disappointed Socrates (Plato, Phaedo 97b8ff.)."

"Eines Tages [um 440 v. Chr.] hörte ich [Sokrates], wie jemand in einem Buch las, von Anaxagoras, wie er sagte; dabei sagte er, es sei der Geist, der die Ordnung im Kosmos herbeiführe und Grund von allem sei." (S. 173)
(Übers. aus Platons 'Phaidon')
"Die heutige Weltordnung ist nicht spontan aus der irgendwie 'kritisch' gewordenen Urmasse hervorgegangen. Anaxagoras benötigt eine unabhängige Ursache, welche die notwendigen Veränderungen einleitet, und nennt diese 'Geist'—sozusagen eine hypostasierte 'Initiative' (schon Parmenides hatte eine 'bewegende' Sonderursache angesetzt). Warum Anaxagoras diese Kraft als 'Geist' bezeichnet hat, lässt sich bloß vermuten. Möglich ist, dass er sich einen Rückschluss vom planenden und den Körper beherrschenden menschlichen 'Geist' auf einen alles Körperliche beherrschenden erlaubt hat. Wenn der Geist ein möglicher Bestandteil irgendeines Zusammengesetzten ist, muss er ewig bestehen—als 'Stoff'." (S. 164)
(Die Vorsokratiker II, hrsg. v. Jaap Mansfeld. Stuttgart: Reclam, 1986.)

Tja, darauf kann man ganz platt materialistisch erwidern, dass es keines immateriellen "Geistes" bedarf, der die Urmaterie in Bewegung, in Schwung bringt, sondern dass diese von Natur aus selbstbewegt ist, d.h. dass ihr wesensmäßig schon immer eine Eigendynamik innegewohnt hat und ein absoluter Stillstand des kraftstofflichen Grundgeschehens somit unmöglich ist. Ein Anstoß "von außen", der erst den die gestalterischen Vorgänge einleitenden Schwung in den vermeintlich an sich "reglosen" Stoff bringt, ist nicht vonnöten.

Überhaupt ist die entscheidende Frage, was genau hier mit "geistige Grundlage" oder kurz "Geist" gemeint ist, wenn nicht der gute alte Gott der Theisten.
Für die alten Griechen war die Seele oder der Geist jedenfalls nichts absolut Unstoffliches im Descartes'schen Sinne, sondern etwas "Feinstoffliches", d.h. Luft- oder Gasartiges, im Vergleich mit dem "Grobstofflichen" fester Körper.
Der Geist ist dann eben nichts weiter als eine bestimmte Art von Stoff.

Pablo hat geschrieben:So gesehen, tendiere ich tatsächlich zur Meinung von DÜRR, CAPRA, DAVIES usw. die dem Geistigen eine maßgebliche, wenn nicht sogar die ausschlaggebende Rolle im Universum zusprechen.


Was ist denn "das Geistige" als etwas völlig Unkörperliches?!
Die Idee einer immateriellen Substanz mit mentalen Attributen erscheint mir völlig unbegreiflich und widersinnig.
Oder meinst du damit eine bestimmte materielle Substanz nichtbiologischer Art mit mentalen Attributen? Das ergibt auch keinen Sinn, da Bewusstsein und Geist Eigenschaften von Lebewesen sind.
Was soll ich bloß mit Aussagen wie "Die Raumzeit selbst ist bei Bewusstsein" anfangen?!
Geistiges kann es nicht ohne einen Geist geben—doch von was für einem Geist sprichst du?

Pablo hat geschrieben:DÜRR begründet dies u.a. mit der Eigenschaft des Feldes, DAVIES tendenziell mehr mit den durchgeführten Versuchen und Experimenten.


Aha, der Feldbegriff muss also wieder herhalten.
Schön und gut, was ist ein Feld?
Ein physikalisches Feld ist, wie gesagt, eine veränderliche Verteilung von Zuständen einer bestimmten Zustandsart (d.i. einer physikalischen Größe), in denen sich die Raumzeit befindet.
Wer von einem ursprünglichen Bewusstseins- oder Geistfeld spricht, der behauptet, dass die Raumzeit selbst ein bewusstes, d.h. empfindendes, fühlendes und womöglich sogar vorstellendes, denkendes Wesen ist.
In meinen Augen ist diese Annahme blanker Unsinn!
Eine Hypostasierung des Geistes als einer realen unkörperlich-unstofflichen Wesenheit, die das "ordnungspolitische" Fundament der Realität bildet, führt zu groteskem theoretischen Nonsens!
Damit landen wir letzlich auch wieder bei einer kosmologischen Teleologie.

Pablo hat geschrieben:Beide zweifeln auch an, dass uns die rein materielle Sichtweise letzlich nicht weiterbringt, was anhand der nachstehenden Zitate offensichtlich wird.


Wenn du mit "rein materialistisch" die Leugnung der Realität psychisch-subjektiver Eigenschaften meinst, dann gebe ich dir recht. Psychische, genauer psychophysische Phänomene sind real und natürlich. Ein eliminationistischer Materialist bin ich nicht!
Was ein Materialist wie ich natürlich auf jeden Fall verneint, ist der Substanzdualismus, welcher immaterielle, nichtphysische Substanzen (Wesen, Wesenheiten, Dinge) postuliert, d.h. reine Seelen oder Geister.
Ein Bewusstseins- oder Geistfeld, das nicht eine Menge von Raumzuständen, sondern eine vom physischen Raum seinsmäßig getrennte, selbstständige Wesenheit ist, wäre eine solche nichtphysische Substanz.
Da taucht jedoch ein logisches Problem auf: Ein hyperphysisches, d.h. nicht von der Raumzeit getragenes substanzielles Geistfeld wäre ausdehnungslos und damit überhaupt kein Feld!
Rein psychische/spirituelle/mentale Substanzen sind nämlich per definitionem nulldimensional!
Alles räumlich Ausgedehnte ist per definitionem eine physische Entität.

Was ich dir mit all meinen Ausführungen vor Augen führen will, ist, dass die Rede von einer (rein) geistigen Grundlage des Seins unsinnig und unverständlich ist.
Die konzeptionelle Verdinglichung des Geistigen führt geradewegs ins ideologische Irrenhaus!

Pablo hat geschrieben:Dürr: "Wir erfassen mit unseren naturwissenschaftlichen Methoden (z.B. das Miller-Urey-Experiment) aber nicht das Wesentliche."


Einspruch! Wenn etwas "dem Wesentlichen", d.h. der Natur der Natur, nahe kommt, dann die objektiven Methoden der Naturwissenschaft.

Pablo hat geschrieben:"Dürr: ... Für mich ist Leben letztendlich reine Form. Denn die Anordnung der Substanz ist eigentlich nicht das Wesentliche, sondern gerade das, was von der Substanz gelöst ist. Ein Beispiel dafür ist die Symphonie auf einer Schallplatte. Man kann mit dem Mikroskop die Linien der Platte ansehen, aber dennoch absolut nicht verstehen, dass hier in diesen Rillen eine Symphonie verborgen ist, nämlich in der Form, nicht in der materiellen Substanz.
Das ist auch auf das Phänomen des Lebens übertragbar. Das Lebendige ist eigentlich auch reine Form."


"Reine Form"—was iss'n das?
Aristoteles hat zwischen Materie und Form unterschieden.
Seine Theorie nennt sich "Hylemorphismus". Das heißt, in der Natur finden wir Materie und Form stets untrennbar vereint.
Was ist eine Form?
Ich kann darunter nur eine Eigenschaft verstehen.
Der Begriff des reinen, d.i. eigenschaftslosen Dinges ist ebenso eine bloße Abstraktion wie der Begriff der reinen, d.i. unbesessenen Eigenschaft.
Das heißt, alle Dinge tragen notwendigerweise Eigenschaften und alle Eigenschaften werden notwendigerweise von Dingen getragen.
Und in der Natur sind die grundlegenden Eigenschaftsträger ausschließlich physische Dinge.
Wer von "reinen Formen" spricht, der glaubt offenkundig an den platonischen Universalien-Realismus, d.h. an einen abstrakten, außerraumzeitlichen Formenhimmel, in dem sich von keinem Ding besessene Eigenschaften (und Beziehungen) tummeln.

In meinen Augen ist die Behauptung, dass es substanzunabhängige Formen gäbe, schlichtweg falsch. Denn Eigenschaften lassen sich nicht von ihren dinglichen Besitzern ablösen!

Pablo hat geschrieben:"Dürr: ... Und wenn man von höheren oder niedrigeren Lebewesen spricht, dann ist auf der jeweiligen Schallplatte eine Symphonie oder eben ein triviales Lied. In der Rille kann ich das aber nicht ersehen. Wir Menschen sind wie das Immaterielle unbeständig, unverlässlich, aber genau aus diesem Grund sind wir kreativ. Wir sind eine höhere Stufe oder wie sind von einer Art, aus dem eigentlich Wirklichkeit zusammengebaut ist..."


Was will der Her Professor damit sagen?
Dass unsere Empfindungen, Gefühle, Stimmungen, Vorstellungen, Gedanken die wahren Atome der Realität sind?
Das läuft auf einen subjektiven Idealismus hinaus, den ich persönlich absurd finde.

Pablo hat geschrieben:
Dürr: "... Das Geistige braucht aber nicht einmal diesen materiellen Träger. Deshalb ist es für mich etwas Allgemeineres. Das Feld durchdringt alles, und das Gegenständliche ist für mich eine Vergröberung des Geistigen. Das Geistige ist viel durchlässiger..."
HANS-PETER-DÜRR (aus: Gott, der Mensch und die Wissenschaft)


Dürrs Aussagen sind leider ziemlich nebulös.
Ich weiß einfach nicht, von was für einem "Feld" er spricht.
Geistiges kann es jedenfalls ohne materiellen Träger nicht geben.
Wer an spirituelle Felder glaubt, der ist kein Naturalist mehr.

Pablo hat geschrieben:
"Bewusstsein und Intelligenz sind Begriffe der Software-Ebene; sie auszudrücken ist lediglich eine Frage der Anordnung - der Organisation -, nicht des Mediums. Denkt man das konsequent zu Ende, kann man sich durchaus einen seit der Schöpfung existierenden “Über”-Geist vorstellen, der alle Grundfelder der Natur umfasst und dem die Aufgabe obliegt, aus einem völlig ungeordneten Urknall den komplexen und wohlgeordneten Kosmos zu organisieren, den wir jetzt wahrnehmen; und das alles im Rahmen der physikalischen Gesetze. Das wäre kein Gott, der alles durch übernatürliche Mittel erschüfe, sondern ein leitender, alles umfassender Geist, der den Kosmos durchdringt und die Naturgesetze so handhabt, dass dabei ein bestimmter Zweck erfüllt wird. Wir könnten diesen Stand der Dinge so beschreiben, dass wir sagen, die Natur sei ein Ergebnis ihrer eigenen Technik, und das Universum sei ein Geist: ein sich selbst beobachtendes wie auch sich selbst organisierendes System. Unserer eigener Geist ließe sich dann als jeweils eng umrissene “Insel” des Bewusstseins in einem Meer als Geist auffassen, eine Vorstellung, die an solche in einigen Systemen der asiatischen Mystik denken lässt, die Gott als das vereinigende Bewusstsein aller Dinge ansehen, in die der menschliche Geist eingeht und, wenn er eine hinreichend hohe Stufe seelischer Vervollkommnung erreicht hat, seine Identität verliert.
PAUL DAVIES (aus: Gott und die moderne Physik)"


1. Bewusstsein und Intelligenz sind an materielle Systeme von der strukturellen Komplexität tierischer Organismen gebunden. (Siehe das lange Humphrey Zitat in einem meiner vorherigen Beiträge!)

1. Ein Geist als eine immaterielle Substanz wäre nulldimensional und könnte folglich kein raumdurchdringendes, d.i. dreidimensionales, Feld sein.

2. Wenn "Das Universum ist ein Geist" bedeuten soll, dass die Raumzeit bei Bewusstsein ist und Empfindungen, Gefühle, Gedanken und Vorstellungen hat, dann ist das doch eine absolut absurde Annahme, die allen physikalischen Erkenntnissen zuwiderläuft.

Pablo hat geschrieben:
Jeder der bekannten Physiker argumentiert natürlich etwas anders, aber in diese gernerelle Richtung könnten Einstein, Schrödinger, Wheeler, Bohm, Jeans, Wolf, usw. interpretiert werden (Planck und Tippler dürften Ausnahmen ein, da diese wieder von einem Gott sprechen).


... und auch gewaltig missinterpretiert werden!
Ich bestreite, dass die Quantenphysik Argumente für eine antiphysikalistische Metaphysik liefert.

Pablo hat geschrieben:
Grob gesagt läuft es bei den meisten (bekannten) Physikern auf ein pantheistisches Weltbild hinaus im Sinne SPINOZAS hinaus.


Wenn "Pantheismus" in nicht mehr als der Behauptung besteht, dass Gott und Natur identisch seien, dann mag das zutreffen, wobei ich vermute, dass die meisten Physiker das Wort "Gott" nur in einem übertragenen Sinne oder gar nicht verwenden.
Die wenigsten Physiker sind jedoch Antiphysikalisten oder Panpsychisten, die einer spiritualistischen Metaphysik das Wort reden, in der hyperphysische Bewusstseinsfelder vorkommen.

Und was Spinoza anbelangt:

"Das Denken [Bewusstsein] ist ein Attribut [eine wesentliche Eigenschaft] Gottes, oder: Gott ist ein denkendes Ding. (...)
Die [räumliche] Ausdehnung ist ein Attribut Gottes, oder: Gott ist ein [räumlich] ausgedehntes Ding."


(Spinoza: Ethik, "Von der Natur und dem Ursprunge des Geistes", Lehrsätze 1 + 2. Stuttgart: Kröner, 1982.)

Wenn Gott = Natur, dann ist die Natur, das Universum, der Kosmos also eine "res extensa cogitans".
Es tut mir leid, aber die ganze Welt zu einem bewussten Wesen zu erklären, erscheint mir aberwitzig.

Pablo hat geschrieben:
SCHRÖDINGER hat dies zum Beispiel getan, denn er schrieb in "Was ist Leben" Folgendes:
"Mein Körper funktioniert als reiner Mechanismus in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen. Doch weiß ich aufgrund unbestreitbarer unmittelbarer Erfahrung, dass ich seine Bewegungen leite und deren Folgen voraussehe ...
Die einzig mögliche Folgerung aus diesen zwei Tatsachen ist die folgende: Ich – Ich im weitesten Sinne des Wortes, d. h. jedes bewusst denkende geistige Wesen, das sich als »Ich « bezeichnet oder empfunden hat – ist die Person, sofern es überhaupt eine gibt, welche die »Bewegung der Atome« in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leitet."



Eine Person ist kein immaterielles Wesen, das in einem Körper haust.
Was bin ich?—Ich bin ein selbstbewusstes Tier, nicht mehr und nicht weniger.

Pablo hat geschrieben:
Auch Schrödinger war übrigens wie Schopenhauer ein Anhänger der Upanishaden.


An eine hyperphysische "Weltseele" ("Brahman") glauben Naturalisten wie ich nicht.

"CHR. THOMASIUS erklärt: »Der Geist ist eine Kraft, d. i. ein Ding, welches ohne Zutun der Materie bestehen kann, in welchem alle materialischen Dinge bewegt werden und welches auch diesen die Bewegung gibt, sie ausspannt, zerteilt, vereinigt, zusammendrückt, anzieht, von sich stößt, erleuchtet, erwärmt, kältet, durchdringt, mit einen, Worte, in der Materie wirkt und ihr gehörige Gestalt gibt«"

Eine Kraft ist kein selbstständiges Ding, sondern eine Eigenschaft von Dingen—physischen Dingen—bzw. eine Beziehung zwischen Dingen.

"Nach CZOLBE werden die einzelnen Empfindungen und Gefühle »aus den die Körperwelt, mithin auch das Gehirn der Menschen und Tiere durchdringenden unbegrenzten Raume, in welchem sie als sein ruhender Inhalt, als tote, unsichtbare Spannkraft überall verborgen sind, durch ganz bestimmte Gehirnbewegungen als lebendige, zum Bewußtsein kommende Kräfte freigemacht oder ausgelöst« (Gr. u. Urspr. d. menschl. Erk. S. 200). Diesen geistigen Inhalt des Raumes nennt Czolbe Weltseele (l. c. S. 201 ff.)."

Die Weltseele ist also der Inbegriff der Empfindungen, Gefühle, Stimmungen, Vorstellungen und Gedanken des Raumes.
Tja, was soll man zu dieser grotesken Idee sagen ...?!

Begriffe wie "Weltseele" oder "Weltgeist" mögen schön klingen und einen gewissen poetischen Wert haben, aber wörtlich genommen kann man damit nichts Gescheites anfangen.
Der Glaube an spirituelle Substanzen ist Sache der Supernaturalisten.
Das sind reine Schimären!

Eine unstofflicher Weltgeist könnte kein räumliches Feld sein, da eine immaterielle Substanz per definitionem nulldimensional ist, d.h. die Größe eines mathematischen Punktes besitzt; und der Raumzeit als einer (möglicherweise unendlich) ausgedehnten materiellen Substanz geistig-seelische Eigenschaften zuzuschreiben und sie damit zum Träger eines Bewusstseins- oder Geistfeldes zu machen, erscheint mir völlig ungereimt.
Das mag daran liegen, dass ich im Vergleich mit einem Schrödinger nur eine intellektuelle Funzel bin; aber immerhin ist Einstein auf dem naturalistischen Teppich geblieben:

"[T]he concept of a soul without a body seems to me to be empty and devoid of meaning." (p. 40)

"Da unsere seelischen Erlebnisse in Reproduktionen und Kombinationen sinnlicher Eindrücke bestehen, so scheint mir die Konzeption einer Seele ohne Körper leer und nichtssagend." (p. 132—deutschsprachige Originalaussage)

(Albert Einstein, Letter from February 5, 1921. Quoted in: Dukas, Helen, and Banesh Hoffmann, eds. Albert Einstein—The Human Side: New Glimpses from his Archives. Princeton, NJ: Princeton University Press, 1979.)
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Do 25. Dez 2008, 05:39

Nachtrag:

Zu den Stichwörtern "Weltseele" und "Weltgeist" siehe grimmsches Wörterbuch:
http://tinyurl.com/8j2xzh
http://tinyurl.com/9hdxk5

Schopenhauer kritisiert den Begriff der (immanenten) Weltseele (und damit auch des Weltgeistes),

"... weil wir als das innere Wesen der Welt etwas durchaus Wirkliches und empirisch Gegebenes erkannt haben. Hingegen schon die Benennung 'Weltseele', wodurch manche jenes innere Wesen bezeichnet haben, gibt statt desselben ein bloßes 'ens rationis': denn 'Seele' besagt eine individuelle Einheit des Bewusstseins, die offenbar jenem Wesen nicht zukommt, und überhaupt ist der Begriff 'Seele', weil er Erkennen und Wollen in unzertrennlicher Verbindung und dabei doch unabhängig vom animalischen Organismus hypostasiert, nicht zu rechtfertigen, also nicht zu gebrauchen. Das Wort sollte nie anders als in tropischer Bedeutung angewendet werden: denn es ist keineswegs so unverfänglich, wie 'psyche' oder 'anima', als welche Atem bedeuten."

(Schopenhauer, Arthur. Die Welt als Wille und Vorstellung. Bd. 2, Kap. 28 [1844]: "Charakteristik des Willens zum Leben".)

Schelling nennt die Weltseele in seinem Buch "Von der Weltseele" (1798) an einer Stelle den "verständigen Äther".
Aus evolutionistisch-materialistischer Sicht ist es unsinnig, dem Weltraum, der Raumzeit, dem physischen Universum als Ganzem einen Verstand, einen Geist, eine Seele zuzuschreiben.
Wir Materialisten glauben an einen unverständigen, bewusstlosen, geist- und seelenlosen aktiv-dynamischen "Äther" als die Basis der Realität, der nicht weiß, was er tut, aber vermöge seiner Eigengesetzlichkeit im Laufe von Abermillionen Jahren Dinge hervorgebracht hat, die geistig-seelische Eigenschaften besitzen: Tiere.
Jene Dinge sind aber nicht das Ergebnis bewusster Vorausplanung durch eine geistige Urwesenheit!

"Die Materie, welche die unmittelbare Position Gottes ist, welche das ganze Universum ausfüllt, welche die gespannte und bewegte Zeit, der geformte Raum, das schwere Urwesen ist, nenne ich Urmaterie, Weltmaterie, kosmische Materie, Äther.
Der Äther ist die erste Realwerdung Gottes, die ewige Position desselben. Er ist die erste Materie der Schöpfung; alles ist mithin aus ihm entstanden, er ist das höchste, göttliche Element, der göttliche Leib, die Ursubstanz = 0 + –."


(Lorenz Oken, "Lehrbuch der Naturphilosophie", 3. Aufl., 1843, §169, S. 32)

Der raumzeitliche Äther als das materielle Weltmedium hat als Ganzes aus materialistischer Sicht keinerlei psychisch-subjektive Eigenschaften, wenngleich er das kreative Potenzial in sich trägt, bewusste Dinge zu erzeugen.
Jenes Potenzial ist aber ausschließlich in tierischen Organismen evolutionär aktualisiert worden.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Pablo » Fr 26. Dez 2008, 00:55

Hallo Myron,

Myron hat geschrieben:Schopenhauer kritisiert den Begriff der (immanenten) Weltseele (und damit auch des Weltgeistes),


Wenn du schon Schopenhauper heranziehst, müsstest du auch sagen, dass Schopenhauer den Weltgeist von Hegel durch seinen "Willen" ersetzt hat.

Nun ist der Tod das zeitliche Ende der zeitlichen Erscheinung: Aber sobald wir die Zeit wegnehmen, gibt es gar kein Ende mehr und hat dies Wort alle Bedeutung verloren. Ich aber, hier auf dem objektiven Wege, bin jetzt bemüht, das Positive der Sache nachzuweisen, dass nämlich das Ding an sich (der Wille) von der Zeit und dem, was nur durch sie möglich ist, dem Entstehen und Vergehen, unberührt bleibt, und dass die Erscheinungen in der Zeit sogar jenes rastlos flüchtige, dem Nichts zunächst stehende Dasein nicht haben könnten, wenn nicht in ihnen ein Kern aus der Ewigkeit wäre. (Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 3, Mundos, S. 444)


Außerdem war Schopenhauer ein überzeugter Vertreter der Wiedergeburt, Anhänger von Platons Ideenlehre, begeisterter Anhänger der Upanishaden, dessen Kernaussage "Brahman = Atman" lautet. Seinen Pudel nannte er übrigens Atman. Den Pantheismus lehnte er aber gleichzeitig ab, was mehr als widersprüchlich ist und vermutlich darauf zurückgeführt werden kann, dass er sich von Hegels Weltgeist abgrenzen wollten.

Myron hat geschrieben:Nicht dass ich noch nichts von Dawkins gelesen hätte; aber wie genau verwenden Dawkins & Co. den Zufallsbegriff denn eigentlich?
Behaupten sie etwa, der Urquell der weltlichen Erscheinungen sei ein absolut anarchisches Chaos?


Im Prinzip ja, denn in der "Gotteswahn" behauptet er, dass in einem von Millionen/Milliarden zufällig existierenden Universen zufällig Leben entstehen könne. Dies sei wahrscheinlicher als die Existenz eines Gottes. Wir befinden uns halt zufällig in einem solchen zufällig entstanden Universum, weshalb das Anthropische Prinzip hinfällig sei.

Eine völlig idiotische Argumentation, da er einen in das Universum integrierten Zufall sozusagen unter der Hand neu definiert, als "Ursache" deklariert und an den Beginn des Universums setzt. Da wir diese Art von Zufall aber nicht kennen, besteht absolut kein Unterschied zum Gott der Gläubigen.

Myron hat geschrieben:Was ist denn "das Geistige" als etwas völlig Unkörperliches?!
Die Idee einer immateriellen Substanz mit mentalen Attributen erscheint mir völlig unbegreiflich und widersinnig.
Oder meinst du damit eine bestimmte materielle Substanz nichtbiologischer Art mit mentalen Attributen? Das ergibt auch keinen Sinn, da Bewusstsein und Geist Eigenschaften von Lebewesen sind.
.

Lass mich hier nochmals DAVIES aus einem anderen Buch von ihm einfügen (Prinzip Chaos)

Viele Autoren haben den Computer als Beispiel benutzt, um die Tatsache zu veranschaulichen, das es für eine bestimmte Ereignisfolge zwei komplementäre und in sich schlüssige Beschreibungen auf unterschiedlichen begrifflichen Ebenen geben kann, den Ebenen der Hardware und der Software. Jeder Computerbenutzer weiss, dass es “Softwaregesetze” geben kann, die sich mit den “Hardwaregesetzen”, die für die Schaltunen des Computers maßgebend sind, durchaus vertragen. Niemand wird behaupten, man könne aus den Gesetzen des Elektomagnetismus die Steuergesetze ableiten, nur weil diese im Computer des Finanzamts gespeichert sind. Wir müssen daher die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es in der Natur “Softwaregesetze” gibt, Gesetze, die das Verhalten von Organisationen, Information und Komplexität bestimmen. Diese Gesetze sind insofern fundamental, als sie nicht logisch aus den zugrundeliegenden “Hardwaregesetzen” abgeleitet werden können, die den traditionellen Gegenstand der fundamentalen Physik bilden, gleichzeitig sind sie aber auch mit diesen zugrundeliegenden Gesetzen vereinbar, so wie die Steuergesetze mit den Gesetzen des Elektromagnetismus vereinbar sein können.... PAUL DAVIES

Myron hat geschrieben:Aha, der Feldbegriff muss also wieder herhalten.
Schön und gut, was ist ein Feld?


Auf jeden Fall hat ein Feld keine materiellen Eigenschaften, sondern vielmehr wellenförmigen Charakter. Jedes materielle Teilchen trägt offensichtlich diesen wellenförmigen Charakter in sich, was der berühmte Doppelspaltversuch mit den Photonen ja ergeben hat. Wenn Lebewesen sterben, könnte man also durchaus sagen, dass sie wieder in die wellenförmige Struktur des oder der Energiefelder eintauchen. Und diese Felder können offenbar auch Informationen speichern, was wir ja am Ablauf der Evolution auch feststellen können. Und der Versuch von Alain Aspekt weist meiner Meinung nach nachdrücklich darauf hin, dass wir von einem zusätzlichen Feld ausgehen können, da die Verständigung zwischen zwei mit Lichtgeschwindigkeit auseinanderstrebenden Photonen anders nicht erklärt werden kann.

Myron hat geschrieben:Was ein Materialist wie ich natürlich auf jeden Fall verneint, ist der Substanzdualismus, welcher immaterielle, nichtphysische Substanzen (Wesen, Wesenheiten, Dinge) postuliert, d.h. reine Seelen oder Geister.


Mit Geistern etc. kann ich auch nicht viel anfangen. Aber dass sich das "Geistige" in unterschiedlichen Formen manifestieren und ausdrücken kann, dürfe auch feststehen.´

Myron hat geschrieben:Einspruch! Wenn etwas "dem Wesentlichen", d.h. der Natur der Natur, nahe kommt, dann die objektiven Methoden der Naturwissenschaft.


Ebenfalls Einspruch: Das Wesentlich an einem Auto ist der dahinterstehende Bauplan. Den wirst du aber mit rein wissenschaftlichen Methoden in Form von Analyse, Experimenten etc. niemals nachweisen können, obwohl er die "wesentliche" Ursache für dessen Exitenz darstellen dürfte.

Myron hat geschrieben:"Reine Form"—was iss'n das?
Aristoteles hat zwischen Materie und Form unterschieden.
Seine Theorie nennt sich "Hylemorphismus". Das heißt, in der Natur finden wir Materie und Form stets untrennbar vereint.
Was ist eine Form?


Eine uralte Streitfrage, die sicherlich noch nicht geklärt ist. Nehmen wir an, ein Mensch hat vor 300 Jahren von einem Flugzeug geträumt. Kann diese "Idee" nun im Sinne Platons als die eigentliche Realität angesehen werden oder kann sie erst in Verbindung mit der materiellen Form als verwirklicht angesehen werden? Streng genommen, müssten wir DAWKINS "Idee" von Multiversen ebenfalls verwerfen, da sie empirisch niemals nachgewiesen werden kann. Wo verläuft demnach die Grenze zwischen leerer Metaphysik und Ideen, die irgendwann Gestalt annehmen?

Myron hat geschrieben:In meinen Augen ist die Behauptung, dass es substanzunabhängige Formen gäbe, schlichtweg falsch. Denn Eigenschaften lassen sich nicht von ihren dinglichen Besitzern ablösen!


Womit wir wieder bei PLATON angelangt wären. Exitieren die generalisierten Eigenschaften von Autos, wie zum Beispiel "4 Räder, Motor, Karosserie, Sitze und Lenkrad" unabhängig von der dinglichen Form? Platon würde "Ja" sagen, denn die einzelnen Autos verschwinden, während die Eigenschaften in Form einer "Idee" erhalten bleiben.
Was ist nur falsch oder richtig? Meines Erachtens urteilst du hier zu vorschnell.

Myron hat geschrieben:Wenn Gott = Natur, dann ist die Natur, das Universum, der Kosmos also eine "res extensa cogitans".
Es tut mir leid, aber die ganze Welt zu einem bewussten Wesen zu erklären, erscheint mir aberwitzig.


Ebenfalls Ansichtssache. Einstein und viele andere Wissenschafler und Philosophen teilten diese Ansicht. Sie würde vermutlich die Vorstellung von einem Zufalls-Universum im Sinne der Atheisten als aberwitzig bezeichnen.
Meiner Meinung nach nicht ganz zu unrecht.

Für heute solls genug sein.

Viele Grüße

Paul
Pablo
 
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon gerhard » Fr 26. Dez 2008, 09:52

Schopenhauers "Wille", Hegels "Weltgeist" bzw. "universale Vernunft", Einsteins "Weltvernunft" Platons "Ideenlehre", Heraklits und Sokrates "Logos", in moderner Welterklärung scheinbar chaotische, aber kreative Felder...

Weihnachten ist um, die geistige Wende wurde gefeiert:
Lass uns nicht weiter in metphysischen Übernatürlichkeiten nach Schöpfung forschen, sondern philosophisch nach einem "Sinn/Logos" des gesamten natürlichen evolutionären Geschehens fragen, den alle Materie zum Ausdruck bringt, der selbst dort zu sehen ist, wo Dawkins die Welt erklärt und auf den auch die allen alten Lehren verweisen.

Erst dann kann wieder nachgedacht werden, wie dieser Sinn, Weltgeist, Logos, Idee (jüd. Wort) bzw. die kreative Vernünftigkeit des natürlich-materiellen Gesamtgeschehen als Maß für die menschlich-subjektive Vernunft wieder in kultgerechter Tauglichkeit zur Welt gebracht werden kann, beim Kampf ums menschliche Dasein bringt: Was m.E. an Weihnachten besungen wurde.
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Sa 27. Dez 2008, 02:59

Pablo hat geschrieben:Im Prinzip ja, denn in der "Gotteswahn" behauptet [Dawkins], dass in einem von Millionen/Milliarden zufällig existierenden Universen zufällig Leben entstehen könne. Dies sei wahrscheinlicher als die Existenz eines Gottes. Wir befinden uns halt zufällig in einem solchen zufällig entstanden Universum, weshalb das Anthropische Prinzip hinfällig sei.

Eine völlig idiotische Argumentation, da er einen in das Universum integrierten Zufall sozusagen unter der Hand neu definiert, als "Ursache" deklariert und an den Beginn des Universums setzt. Da wir diese Art von Zufall aber nicht kennen, besteht absolut kein Unterschied zum Gott der Gläubigen.


Die Quantenphysik kennt sehr wohl echten Zufall, d.h. Ereignisse, für die es prinzipiell keine kausale Erklärung gibt.
Es ist durchaus denkbar, dass Prozesse im "Quantenchaos" zur zufälligen "Gerinnung" unterschiedlichster Anfangsbedingungen und damit zu einer Vielzahl unterschiedlicher Welten führen, von denen einige, so wie die unsrige Welt, Leben hervorgebracht haben. Die Multiversums-Hypothese, die in verschiedenen Varianten existiert, (* lässt das, was unter der Annahme eines einzigen Universums so extrem unwahrscheinlich erscheint, viel weniger erstaunlich erscheinen.
Denn je mehr "Big Bangs" stattfinden, desto erwartbarer ist es, dass die Bedingungen in mindestens einer kosmischen Sphäre lebensermöglichend sind.

(Und wenn man annimmt, dass es nur ein einziges Universum gibt, ist das Vorkommen von komplexem Leben darin nicht unwahrscheinlich, falls insgesamt nur wenige Mengen von Anfangsbedingungen möglich sind oder gar nur eine möglich ist, die den wirklichen Anfangsbedingungen entspricht.)

(* Siehe: http://www.skeptic.com/the_magazine/fea ... 2_Kuhn.pdf)

Gerade in der ZEIT gelesen:

Anton Zeilinger:
"Woher kommen die Naturgesetze? Woher kommen die Naturkonstanten? Woher kommen die Anfangsbedingungen der Welt? Diese Fragen können wohl innerhalb der Naturwissenschaften nicht beantwortet werden. Für den Naturwissenschaftler sind die Naturgesetze etwas Wunderschönes. Die Naturkonstanten sind innerhalb sehr enger Grenzen gerade so, dass sie Leben ermöglichen. Die Welt hatte einen Anfang, der in der durch die Naturgesetze und die Naturkonstanten ablaufenden Evolution die jetzige Welt ermöglichte.
Besonders interessant ist die Rolle des Zufalls. Das Einzelereignis in der Quantenphysik, also etwa der Zerfall eines radioaktiven Atoms, ist rein zufällig in dem Sinn, dass es keine kausale Erklärung gibt, und nicht nur, dass wir eine solche Erklärung vielleicht nur nicht wüssten."


Pablo hat geschrieben:Lass mich hier nochmals DAVIES aus einem anderen Buch von ihm einfügen (Prinzip Chaos):

"Viele Autoren haben den Computer als Beispiel benutzt, um die Tatsache zu veranschaulichen, das es für eine bestimmte Ereignisfolge zwei komplementäre und in sich schlüssige Beschreibungen auf unterschiedlichen begrifflichen Ebenen geben kann, den Ebenen der Hardware und der Software. Jeder Computerbenutzer weiss, dass es “Softwaregesetze” geben kann, die sich mit den “Hardwaregesetzen”, die für die Schaltunen des Computers maßgebend sind, durchaus vertragen. Niemand wird behaupten, man könne aus den Gesetzen des Elektomagnetismus die Steuergesetze ableiten, nur weil diese im Computer des Finanzamts gespeichert sind. Wir müssen daher die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es in der Natur “Softwaregesetze” gibt, Gesetze, die das Verhalten von Organisationen, Information und Komplexität bestimmen. Diese Gesetze sind insofern fundamental, als sie nicht logisch aus den zugrundeliegenden “Hardwaregesetzen” abgeleitet werden können, die den traditionellen Gegenstand der fundamentalen Physik bilden, gleichzeitig sind sie aber auch mit diesen zugrundeliegenden Gesetzen vereinbar, so wie die Steuergesetze mit den Gesetzen des Elektromagnetismus vereinbar sein können...." (PAUL DAVIES)


Ob die Geist-Software-Analogie zutrifft, ist umstritten.
Gerald Edelman ist einer derjenigen, die dies verneinen:

"The brain is not a computer, and the world is not a piece of tape."

"Das Gehirn ist kein Computer, und die Welt ist kein Speicherband."
[© meine Übers.]

(Edelman, Gerald M. Wider than the Sky: The Phenomenal Gift of Consciousness. New Haven: Yale University Press, 2004. p. 39)

Computerprogramme sind komplexe abstrakte Objekte und die sie betreffenden "Softwaregesetze" sind genauso abstrakt.
Aus nominalistischer Sicht sind abstrakte Objekte irreale intentionale Objekte; und was nicht real ist, kann nichts Reales bestimmen.
Und selbst aus realistischer Sicht erscheint es mehr als zweifelhaft, ob solche "Softwaregesetze" sinnvollerweise als rein psychologische Gesetze gedeutet werden können, denen die physikalischen Prozesse unterworfen sind.
(Abstrakte Objekte sind bekanntlich weder psychischer noch physischer Natur.)

Pablo hat geschrieben:Auf jeden Fall hat ein Feld keine materiellen Eigenschaften, sondern vielmehr wellenförmigen Charakter.


Felder und Wellen sind keine substanziellen Dinge, d.h. keine selbstständigen Wesenheiten.
Sowohl Felder als auch Wellen bedürfen eines materiellen Trägers, einer materiellen Grundlage, um existieren zu können.
Ein Feld ist eine räumliche Verteilung von quantitativen Eigenschaften eines bestimmten Typs, deren Besitzer Punkte oder Regionen der Raumzeit sind.
Und eine Wellenbewegung kann es nicht in einem Nichts geben, sondern nur in einem Medium.
Sowohl Felder als auch Wellen sind Zustände eines materiellen Mediums, sprich der Raumzeit und ihrer Teile.
Subtrahiert man den Trägerstoff, dann bleiben weder Felder noch Wellen übrig, sondern schlichtweg nichts.

Pablo hat geschrieben:Wenn Lebewesen sterben, könnte man also durchaus sagen, dass sie wieder in die wellenförmige Struktur des oder der Energiefelder eintauchen.
Und diese Felder können offenbar auch Informationen speichern, was wir ja am Ablauf der Evolution auch feststellen können.


Spielst du auf so etwas wie Sheldrake's mysteriöse "morphische (morphogenetische) Felder" an?

Wir landen also immer wieder bei der absurden Behauptung, dass die Raumzeit Träger bestimmter spiritueller Felder sei, die geistige Zustände darstellen und insbesondere eine Art Gedächtnis bilden.

Ein entscheidender Denkfehler vieler esoterischer "Feldfreunde" ist der Irrglaube, dass ein Feld eine unstoffliche, raumunabhängige Wesenheit wäre.

"Man kann heute seine [= Lorentz'] Erkenntnis so aussprechen: physikalischer Raum und Äther sind nur verschiedene Ausdrücke für ein und dieselbe Sache; Felder sind physikalische Zustände des Raumes."
(A. Einstein, "Das Raum-, Äther- und Feld-Problem der Physik", S. 143)

Ein Zustand eines Dinges besteht darin, dass es eine Eigenschaft oder eine Menge von Eigenschaften besitzt. Ein Feld ist in der Physik also eine Menge von kontinuierlich verteilten physikalischen (d.i. quantitativen) Eigenschaften, die von Punkten der Raumzeit besessen werden (oder, falls man nicht an die Realität von 0-dimensionalen Raumzeitpunkten glaubt, von 3-dimensionalen Bereichen der Raumzeit, die ja auch ein extrem kleines Volumen haben können).

Pablo hat geschrieben:Und der Versuch von Alain Aspekt weist meiner Meinung nach nachdrücklich darauf hin, dass wir von einem zusätzlichen Feld ausgehen können, da die Verständigung zwischen zwei mit Lichtgeschwindigkeit auseinanderstrebenden Photonen anders nicht erklärt werden kann.


Bei Brian Greene habe ich gelesen, dass es der orthodoxen Quantenphysik zufolge die allgegenwärtigen Wahrscheinlichkeitswellen der beiden verschränkten Teilchen sind, die interagieren und somit deren schier wundersame Zustandskorrelationen erklären.
Doch soweit ich weiß, ist der ontologische Status jener Wellen höchst umstritten.
Bis heute scheint den Quantenphysikern nicht klar geworden zu sein, ob sie als Bestandteile der Wirklichkeit gelten können oder nicht.

Wie auch immer die geheimnisvollen Quantenkorrelationen zustande kommen mögen, es spricht jedenfalls nichts dafür, dass irgendein hyperphysisches Phänomen außerhalb von Raum und Zeit dafür verantwortlich ist!

Pablo hat geschrieben:Mit Geistern etc. kann ich auch nicht viel anfangen. Aber dass sich das "Geistige" in unterschiedlichen Formen manifestieren und ausdrücken kann, dürfe auch feststehen.


Stichwort: "Multiple Realisierbarkeit".
Ja, es spricht in der Tat nichts gegen die Annahme, dass die gleichen psychischen Eigenschaften von physischen Systemen unterschiedlicher Bauart besessen werden können. Das bedeutet aber nicht, dass jedes beliebige physische Objekt psychische Eigenschaften haben kann. Denn es hängt sehr wohl von der materiellen Organisationsstruktur und deren Komplexität ab, ob in einem physischen Objekt psychische Zustände realisierbar sind oder nicht.
Die paradigmatischen bewusstseinsfähigen Objekte sind tierische Organismen.
Und es besteht für mich nicht der geringste Grund, daran zu zweifeln, dass ausschließlich tierische oder tierartige Gebilde (womöglich auch künstlich hergestellte) bewusstseinsfähig, d.h. zu subjektivem Erleben fähig sind.

Wie du dir denken kannst, verwerfe ich den Panpsychismus und befürworte stattdessen den emergentistisch-evolutionistischen Standpunkt in Bezug auf das Vorkommen psychischer Erscheinungen.

Pablo hat geschrieben:Ebenfalls Einspruch: Das Wesentlich an einem Auto ist der dahinterstehende Bauplan. Den wirst du aber mit rein wissenschaftlichen Methoden in Form von Analyse, Experimenten etc. niemals nachweisen können, obwohl er die "wesentliche" Ursache für dessen Exitenz darstellen dürfte.


Glaubst du ernsthaft an Aristoteles' "causa formalis", d.h. an "Formursachen"?!

Es sieht doch vielmehr ganz danach aus, dass "Mutter Natur" bei all ihren (unbewusst ablaufenden) Designprozessen auf präexistente abstrakte Baupläne verzichten kann, und es somit keiner mentalen Entität bedarf, in dessen Gedächtnis jene abrufbereit gespeichert sind.

Pablo hat geschrieben:Eine uralte Streitfrage, die sicherlich noch nicht geklärt ist. Nehmen wir an, ein Mensch hat vor 300 Jahren von einem Flugzeug geträumt. Kann diese "Idee" nun im Sinne Platons als die eigentliche Realität angesehen werden oder kann sie erst in Verbindung mit der materiellen Form als verwirklicht angesehen werden?


("Form" in Eislers Wörterbuch.)

Das, was einen Gegenstand formt, sind seine wesentlichen Eigenschaften.
Ich kann unter einer Form nur das wirkliche Sosein eines Daseienden verstehen, d.h. dessen Beschaffenheit. Und die Rede von einer Beschaffenheit, die nicht die aktuelle Beschaffenheit von etwas ist, ist in meinen Augen widersinnig.
Aus naturalistischer Sicht ist der transzendentalistische Universalienrealismus Platons zu verwerfen, welcher behauptet dass "Formen" und "Ideen" ante res ("vor den Dingen") existieren.

Pablo hat geschrieben:Streng genommen, müssten wir DAWKINS "Idee" von Multiversen ebenfalls verwerfen, da sie empirisch niemals nachgewiesen werden kann. Wo verläuft demnach die Grenze zwischen leerer Metaphysik und Ideen, die irgendwann Gestalt annehmen?


Besonders wenn es ums Große und Ganze geht, dann ist die Grenze zwischen Wissenschaft und Philosophie, zwischen Physik und Metaphysik fließend.
Es ist aber nicht so, dass alle metaphysischen Theorien, die sich empirischer Verifikation bzw. Falsifikation entziehen, gleich gut oder gleich schlecht sind. Wenn sich nämlich die Multiversums-Idee als die beste unter den angebotenen herausstellt, dann ist das trotz fehlender empirischer Überprüfbarkeit ein rationaler Grund, an ihre Wahrheit zu glauben.
(Im Englischen spricht man einer "inference to the best explanation": Wenn die Hypothese H_0 im Vergleich mit den alternativen Hypothesen H_1, ..., H_n die beste Erklärung für das Phänomen X liefert, dann ist es rational gerechtfertigt, H_0 als wahr zu betrachten.)

Pablo hat geschrieben:Womit wir wieder bei PLATON angelangt wären. Exitieren die generalisierten Eigenschaften von Autos, wie zum Beispiel "4 Räder, Motor, Karosserie, Sitze und Lenkrad" unabhängig von der dinglichen Form? Platon würde "Ja" sagen, denn die einzelnen Autos verschwinden, während die Eigenschaften in Form einer "Idee" erhalten bleiben.
Was ist nur falsch oder richtig? Meines Erachtens urteilst du hier zu vorschnell.


Ich urteile hier insofern nicht vorschnell, als ich mich mit dem Thema Universalien schon seit längerer Zeit eingehend befasse.
Und je länger ich mich damit befasse, desto mehr werde ich in meinem Urteil bestärkt, dass es keine unexemplifizierten, unbesessenen, ungehabten, unverkörperten Eigenschaften (sowie Beziehungen) gibt. Falls es überhaupt Universalien geben sollte, dann sind sie immanent, in rebus, d.h. genau dort, wo sich diejenigen Dingen befinden, die sie exemplifizieren. Und da für einen Naturalisten wie mich die natürliche, raumzeitliche Welt die ganze Welt ist, sind die prinzipiell exemplifizierten Universalien ebenfalls innerhalb der Raumzeit vorhanden.

Pablo hat geschrieben:Ebenfalls Ansichtssache. Einstein und viele andere Wissenschafler und Philosophen teilten diese Ansicht.


Davon, das Einstein ein Panpsychist war, weiß ich nichts.
Wenn dem so sein sollte, dann bitte ich um entsprechende Zitate.

Pablo hat geschrieben:Sie würde vermutlich die Vorstellung von einem Zufalls-Universum im Sinne der Atheisten als aberwitzig bezeichnen.
Meiner Meinung nach nicht ganz zu unrecht.


Ich könnte als Atheist auch annehmen, dass grundsätzlich nur eine einzige oder nur ganz wenige Welten realiter möglich sind, von denen die wirkliche Welt eine ist.
Im ersteren Fall würde der Zufall überhaupt keine Rolle spielen, denn wenn nur eine einzige Welt möglich ist, dann muss die wirkliche Welt notwendigerweise ebenjene sein; und im letzteren Fall wäre die Entstehung einer lebensförderlichen Welt nicht sonderlich unwahrscheinlich, denn wenn beispielsweise nur 100 Welten möglich sind, dann stehen die Chancen für die zufällige Wahl einer Welt mit Lebewesen (mindestens) 1:100.

(Bei all jenen Wahrscheinlichkeitserwägungen kommt es maßgeblich darauf an, von welcher Grundmenge an Möglichkeiten man ausgeht. Die Plausibilität des kosmologischen Feinabstimmungs-Argumentes hängt nämlich davon ab, welche Werte die Anfangsbedingungen aus mathematischer Sicht überhaupt annehmen können. Sind alle Werte aus der Menge der reellen Zahlen möglich oder nur eine Teilmenge davon? Sind die Wahrscheinlichkeiten gleich verteilt oder haben wir es mit einer ungleichförmigen Wahrscheinlichkeitsverteilung zu tun. Diejenigen, die das Feinabstimmungs-Argument ins Feld führen, tun sich schwer damit, diese Fragen a priori zu beantworten.
Zu dieser leider nicht unkomplizierten Thematik siehe: "Problems with the Argument from Fine Tuning" (pdf))
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Pablo » Sa 27. Dez 2008, 19:50

Myron hat geschrieben:Die Quantenphysik kennt sehr wohl echten Zufall, d.h. Ereignisse, für die es prinzipiell keine kausale Erklärung gibt.
Es ist durchaus denkbar, dass Prozesse im "Quantenchaos" zur zufälligen "Gerinnung" unterschiedlichster Anfangsbedingungen und damit zu einer Vielzahl unterschiedlicher Welten führen, von denen einige, so wie die unsrige Welt, Leben hervorgebracht haben. Die Multiversums-Hypothese, die in verschiedenen Varianten existiert, (* lässt das, was unter der Annahme eines einzigen Universums so extrem unwahrscheinlich erscheint, viel weniger erstaunlich erscheinen.


Die Grundannahme ist falsch. Wir müssen unterscheiden zwischen einem subjektiven Zufall (z.B. Würfeln) und dem objektiven Zufall, wie wir ihn beim nicht vorhersehbaren Zerfall eines Atoms feststellen können.

Der ojektive Zufall ist aber nicht "ursachenlos" denn er kann die Naturgesetze nicht außer Kraft sezten. Demnach wird auch dieser Zufall von den Naturgesetzen kontrolliert und außerdem kann er sehr wohl statistisch erfasst werden. Beispiel: Selbst wenn in dieser Sekunde Milliarden von Atomen ohne scheinbare Ursache zerfallen, wird morgen die Sonne wieder aufgehen.

Wenn also ein solcher integrierter Zufall an den Beginn des Universums gesetzt wird, erfolgt eine Neudefinition in Form der Gleichsetzung von "Zufall = Ursache". Ein solches Ereignis kennen wir aber nicht, weshalb man gleich "Gott" sagen könnte.

Myron hat geschrieben:Denn je mehr "Big Bangs" stattfinden, desto erwartbarer ist es, dass die Bedingungen in mindestens einer kosmischen Sphäre lebensermöglichend sind.


Du redest hier von etwas, bei dem der wissenschaftliche Nachweis in Form eines Experimentes niemals erbracht werden kann. Demnach Metaphysik, wobei hinzu kommt, dass du aus den dargestellten Gründen den Zufall neu definieren würdest.

Myron hat geschrieben:Die Welt hatte einen Anfang, der in der durch die Naturgesetze und die Naturkonstanten ablaufenden Evolution die jetzige Welt ermöglichte.
Besonders interessant ist die Rolle des Zufalls. Das Einzelereignis in der Quantenphysik, also etwa der Zerfall eines radioaktiven Atoms, ist rein zufällig in dem Sinn, dass es keine kausale Erklärung gibt, und nicht nur, dass wir eine solche Erklärung vielleicht nur nicht wüssten."


ZEILINGER setzt auch keinen Zufall an den Beginn, sondern I N F O R M A T I O N. (nachzulesen in "Einsteins Schleier" von Anton ZEILINGER)

Myron hat geschrieben:Computerprogramme sind komplexe abstrakte Objekte und die sie betreffenden "Softwaregesetze" sind genauso abstrakt.


Ja, genauso abstakt, sie die Software in deinem Computer. Der zerlege mal deinen PC und versuche auf materialistische Art und Weise diese Software zu entdecken. Da du sie nicht finden kannst, wirst du vermutlich behaupten, dass sie nicht existiert. Das erinnert mich ein klein wenig an die eingeschränkte Sichtweise von vielen Gläubigen.

MYRON: Sowohl Felder als auch Wellen bedürfen eines materiellen Trägers, einer materiellen Grundlage, um existieren zu können.


Tut mir leid, aber das ist Quatsch. Im Anfangsstatium des Universums gab es noch keine Materie. Das, woraus Materie besteht, ist eine Vergröberung des Feldes. Und den Stellenwert des Feldes beschrieb Einstein wie folgt:

Wir können daher Materie als den Bereich des Raumes betrachten, in dem das Feld extrem dicht ist ... in dieser neuen Physik ist kein Platz für beides, Feld und Materie, denn das Feld ist die einzige Realität. EINSTEIN(Zitiert aus CAPRA, Tao der Physik)



Myron hat geschrieben:Glaubst du ernsthaft an Aristoteles' "causa formalis", d.h. an "Formursachen"?!


Was heißt hier glauben? Natürlich gibt es Formursachen oder glaubst du, dass dein PC oder das Haus in dem du wohnst, zufällig entstanden sind? Und wenn wir den Zufall richtigerweise als ein in das Universums integriertes Ereignis ansehen, dann kann er eben "Leben" dann auslösen, wenn die Bedingungen stimmen und die Zeit dafür reif ist. Eine Meinung, die übrigens von den meisten Wissenschaftlern und sogar von DAWKINS geteilt wird.
Aber... diese "Bedingungen" müssen irgendwo definiert und festgeselt sein und können demnach als Formursache definiert werden. Arbeitest du nur mit dem Zufall alleine, landest du bei Wahrscheinlichkeiten die mit einem Wunder verglichen werden können (siehe Berechnungen von SHAPIRO) Realistischerweise müssen wir deshalb von Formursachen ausgehen, denn an "Wunder" will ich nicht glauben.

Myron hat geschrieben:Spielst du auf so etwas wie Sheldrake's mysteriöse "morphische (morphogenetische) Felder" an?


Was heisst hier mysteriös? Kannst du mir sagen, wo sich der Bauplan befindet, der Milliarden von völlig identischen Zellen sagt, wie sie einen Organismus bilden sollen. Hier dürfte immer noch die Feststellung von FRANCIS CRICK gelten, der immerhin den Nobelpreis für die Entdeckung der DNA-Struktur erhalten hat.

Man könnte die gesamte genetische und molekularbiologische Arbeit der letzten 60 Jahre als ein langes Intermezzo bezeichnen ... Nachdem dieses Programm jetzt abgeschlossen ist, sind wir in einer vollen Kreisbewegung zum Ausgangspunkt zurückgekehrt ... zu den ungelöst zurückgelassenen Problemen. Wie kommt es, dass ein verletzter Organismus sich zu genau derselben Struktur regeneriert, die er vorher hatte? Wie formt das Ei den Organismus? (Aus Wendezeit von Capra)


Myron hat geschrieben:Davon, das Einstein ein Panpsychist war, weiß ich nichts.


EINSTEIN bekannte sich zur Gottesvorstellung von SPINOZA:

Berühmt geworden ist Einsteins Antwort auf die Frage eines New Yorker Rabbiners, ob er an Gott glaube: "Ich glaube an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit Schicksalen und Handlungen der Menschen abgibt. http://www.mensch-einstein.de


Myron hat geschrieben:(Bei all jenen Wahrscheinlichkeitserwägungen kommt es maßgeblich darauf an, von welcher Grundmenge an Möglichkeiten man ausgeht. Die Plausibilität des kosmologischen Feinabstimmungs-Argumentes hängt nämlich davon ab, welche Werte die Anfangsbedingungen aus mathematischer Sicht überhaupt annehmen können.


Richtig, aber wie bei den nicht überprüfbaren These der Multiversen dürfte hier Occams Rasiermesser greifen. Tasache ist doch, wir wir Naturkonstanten vorfinden, deren geringste Abänderung die Entstehung von Leben unmöglich gemacht hätte. Zuerst suche ich doch eine Begründung für diese exakte Abstimmung, bevor ich aus ideologischen Gründen auf irgendwelche nicht beweisbare Thesen zurückgreife. Und eine durchaus nachvollziehbare Begründung hat HEISENBERG geliefert. Sie ist jeden auf jeden Fall wesentlich greifbarer und auch nachvollziehbarer als das nicht nachweisbare Spiel mit abgänderten Naturkonstanten.

Viele Grüße

Paul
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Myron » Mo 29. Dez 2008, 00:03

Pablo hat geschrieben:Der ojektive Zufall ist aber nicht "ursachenlos" denn er kann die Naturgesetze nicht außer Kraft sezten. Demnach wird auch dieser Zufall von den Naturgesetzen kontrolliert und außerdem kann er sehr wohl statistisch erfasst werden. Beispiel: Selbst wenn in dieser Sekunde Milliarden von Atomen ohne scheinbare Ursache zerfallen, wird morgen die Sonne wieder aufgehen.


Was bedeutet es zu sagen, ein Ereignis sei ursachenlos?
Was ist eine Ursache?
Der Standardauffassung gemäß besteht die Beziehung der Verursachung zwischen Ereignissen.
Entsprechend sind sowohl Ursachen und Wirkungen Ereignisse.
Und ein ursachenloses Ereignis ist eines, zu dem es kein davon verschiedenes Ereignis gibt, das dessen hinreichende (nächste) Ursache ist.

Und, soweit ich weiß, beziehen sich statistische Aussagen in der Quantenphysik nicht auf einzelne Teilchen bzw. auf einzelne Teilchen betreffende Einzelereignisse, sondern auf große Mengen von Teilchen. Das bedeutet zum Beispiel, dass man eben nicht voraussagen kann, wann ein einzelnes radioaktives Teilchen zerfallen sein wird, da dieses zu einem bestimmten Zeitpunkt t "spontan" zerfällt, ohne dass ein bestimmtes anderes Ereignis seinen Zerfall zu t verursacht.

Pablo hat geschrieben:Wenn also ein solcher integrierter Zufall an den Beginn des Universums gesetzt wird, erfolgt eine Neudefinition in Form der Gleichsetzung von "Zufall = Ursache". Ein solches Ereignis kennen wir aber nicht, weshalb man gleich "Gott" sagen könnte.


Die Quantenphysik scheint einen ontischen Zufall, d.i. einen, der nicht nur auf unzureichender Kenntnis aller ursächlichen Bedingungen beruht, durchaus zu kennen.

Pablo hat geschrieben:Du redest hier von etwas, bei dem der wissenschaftliche Nachweis in Form eines Experimentes niemals erbracht werden kann.


Die Annahme irgendwelcher Geistfelder ist nicht minder spekulativ.
Wie will man denn z.B. Sheldrake's morphische Felder experimentell nachweisen?

Pablo hat geschrieben:ZEILINGER setzt auch keinen Zufall an den Beginn, sondern I N F O R M A T I O N.


Ja, aber behauptet er auch, dass Information nicht von ihrer physischen Realisierung abhängig ist?

Pablo hat geschrieben:Ja, genauso abstakt, sie die Software in deinem Computer. Der zerlege mal deinen PC und versuche auf materialistische Art und Weise diese Software zu entdecken. Da du sie nicht finden kannst, wirst du vermutlich behaupten, dass sie nicht existiert. Das erinnert mich ein klein wenig an die eingeschränkte Sichtweise von vielen Gläubigen.


Ein Realist in Bezug auf abstrakte Objekte muss die Existenz der Software nicht leugnen.
Doch als Naturalist muss ich bezweifeln, dass abstrakte Objekte real sind.

Pablo hat geschrieben:Tut mir leid, aber das ist Quatsch. Im Anfangsstatium des Universums gab es noch keine Materie.


"Obohl die allgemein akzeptierte Urknalltheorie die Behauptung aufstellt, das beobachtbare Universum sei aus einer etwa zehn bis zwanzig Milliarden Jahre zurückliegenden Explosion hervorgegangen, wird dennoch angenommen, dass die gesamte im Universum vorfindbare Materie von Anfang an existierte. Der Zustand der Materie mag ein anderer gewesen sein, aber sie war in ihrer Gesamtheit bereits vorhanden."

(Guth, Alan. Die Geburt des Kosmos aus dem Nichts: Die Theorie des inflationären Universums. München: Knaur, 2002. S. 22)

Am Anfang war zumindest die Raumzeit bzw. das energetische Vakuum der Raumzeit vorhanden. Und da dieses kein Nichts, sondern ein wirkliches Etwas ist, muss es ein materielles Etwas sein, das die Energie besitzt—eine Art "Äther", halt nur kein mechanischer, wie die alte Physik dachte.

Pablo hat geschrieben:Das, woraus Materie besteht, ist eine Vergröberung des Feldes. Und den Stellenwert des Feldes beschrieb Einstein wie folgt:

"Wir können daher Materie als den Bereich des Raumes betrachten, in dem das Feld extrem dicht ist ... in dieser neuen Physik ist kein Platz für beides, Feld und Materie, denn das Feld ist die einzige Realität." EINSTEIN(Zitiert aus CAPRA, Tao der Physik)


Ja, man kann Elementarteilchen als Energiekonzentrate in Felder betrachten.
Doch es stellt sich immer noch die grundsätzliche Frage, was ein Feld überhaupt ist.
Dass es etwas räumlich Ausgedehntes ist, steht außer Frage.
Jetzt könnte ich erstens schon argumentieren, dass alles räumlich Ausgedehnte per definitionem eine stoffliche Wesenheit, ein "Körper" ist.
Denn Ausdehnung setzt ja voraus, dass da etwas ist, das sich ausdehnt; und das kann nur eine Form von Materie sein.

Zweitens, wenn du Felder als von der Raumzeit ontologisch getrennte Substanzen und damit nicht als nichtsubstanzielle Zustände, Eigenschaften der zugrundeliegenden substanziellen Raumzeit betrachtest, dann kommst du nicht umhin, einen besonderen "Feldstoff" zu postulieren.
Brian Greene schreibt in "The Fabric of the Cosmos", ein Feld sei wie ein "mist", wie ein "Dunst". Doch ein dunstähnliches Gebilde, das den Raum erfüllt, kann unmöglich eine unstoffliche Sache sein!

Die Rede von einem immateriellen Feld als einer immateriellen Substanz erscheint somit widersinnig, da etwas Immaterielles/Nichtphysisches sich erstens nicht im Raum ausdehnen kann, und zweitens da etwas Immaterielles/Nichtphysisches kein Träger physischer Energie sein kann.

Hinzu kommt, dass der Physik nach Masse und Energie äquivalent sind.
Ein energiehaltiges Feld ist damit ein massehaltiges Feld; und wenn man unter einem materiellen Objekt klassischerweise ein Objekt versteht, das eine Masse hat, dann sind Felder in diesem Sinne materielle Objekte.

Es scheint also auf folgende Alternative hinauszulaufen:
Entweder man betrachtet die Raumzeit selbst als eine materielle Substanz, d.h. als eine Art Äther, welcher das reale Substrat der Felder darstellt; oder man betrachtet die Felder selbst als materielle Substanzen.

Pablo hat geschrieben:Natürlich gibt es Formursachen oder glaubst du, dass dein PC oder das Haus in dem du wohnst, zufällig entstanden sind?


Der abstrakte Bauplan eines Hauses hat doch keine eigenen kausalen Kräfte, vermöge deren er den Hausbau selbst bewirken kann. Dazu bedarf es der materiellen Bauarbeiter, die den Plan verwirklichen. Nur diese sowie die von ihnen eingesetzten technischen Geräte verfügen über reale Kräfte.

Pablo hat geschrieben:Aber... diese "Bedingungen" müssen irgendwo definiert und festgeselt sein und können demnach als Formursache definiert werden.


Damit führst du im Grunde wieder eine finalistische, teleologische Betrachtungsweise auf kosmologischem Niveau ein, die in der Naturwissenschaft wenig Fans hat—zu Recht!

Die naturgesetzlichen Bedingungen schweben nicht abstrakt über den Dingen; sie existieren nicht wie der ewige Urkoran in einer himmlischen Sphäre, und sie sind auch nicht wie die Zehn Gebote auf einer Steintafel eingemeißelt.

Nichtsdestoweniger gebe ich dir insofern recht, als es hier durchaus etwas zu erklären gibt.
Was hat bewirkt, dass die Welt so beschaffen ist, wie sie beschaffen ist, und nicht anders?
Diese Frage macht freilich nur dann Sinn, wenn man voraussetzt, dass eine kausale Erklärung überhaupt möglich ist.
Setzt man beispielsweise Gott als erste Ursache, als bewussten und vor allem zielbewussten "Bedingungsauswähler", dann kann es keine kausale Erklärung der Existenz Gottes geben, was bedeutet, dass nicht die gesamte Wirklichkeit kausal erklärbar ist und wir uns folglich mit einigen unerklärlichen "nackten Tatsachen" zufrieden geben müssen.

Pablo hat geschrieben:Was heisst hier mysteriös? Kannst du mir sagen, wo sich der Bauplan befindet, der Milliarden von völlig identischen Zellen sagt, wie sie einen Organismus bilden sollen.


Ich bin kein Biologe und erst recht kein Genetiker, und wie auch immer die Begriffe "genetische Information" und "genetisches Programm" definiert werden mögen, es spricht in meinen Augen nichts dafür, dass die Gestaltentwicklung von Lebewesen von irgendetwas Hyperphysischem oder Hyperchemischem (ziel-)bewusst gesteuert wird.

Pablo hat geschrieben:Richtig, aber wie bei den nicht überprüfbaren These der Multiversen dürfte hier Occams Rasiermesser greifen.


Einstein soll auch mal gesagt haben, dass jede Erklärung so einfach wie möglich sein solle, aber nicht einfacher.
Der gute Ockham hat dann nichts zu melden, wenn sich die umfangreichere Erklärung als die beste unter den angebotenen herausstellt.
(Das gilt auch dann, wenn man, wie der amerikanische Philosoph David Lewis, so weit geht zu behaupten, dass absolut alle logisch möglichen Welten gleichermaßen real, d.i. koexistent seien.)

Pablo hat geschrieben:Tasache ist doch, wir wir Naturkonstanten vorfinden, deren geringste Abänderung die Entstehung von Leben unmöglich gemacht hätte. Zuerst suche ich doch eine Begründung für diese exakte Abstimmung, bevor ich aus ideologischen Gründen auf irgendwelche nicht beweisbare Thesen zurückgreife. Und eine durchaus nachvollziehbare Begründung hat HEISENBERG geliefert. Sie ist jeden auf jeden Fall wesentlich greifbarer und auch nachvollziehbarer als das nicht nachweisbare Spiel mit abgänderten Naturkonstanten.


Wir bewegen uns hier im Bereich metaphysischer Spekulation, und ich würde niemals behaupten zu wissen, dass meine Meinung der Wahrheit entspricht.
Mit knallharten Beweisen im streng naturwissenschaftlichen Sinne kann ich nicht aufwarten—und du auch nicht.
Keine der (natur-)philosophischen Theorien, die derzeit zur Auswahl stehen, ist auch nur ansatzweise empirisch verifizierbar bzw. falsifizierbar! (Die Gottes-Hypothese am allerwenigsten!)
Die Multiversums-Hypothese lässt sich nichtsdestotrotz nicht so einfach als "metaphysischer Quatsch" vom Tisch wischen, wie du es tun möchtest.
Was auch immer davon genau zu halten ist, wovon ich jedenfalls überzeugt bin, ist, dass die Erstursache oder "der Herrscher" der Welt nichts Immaterielles, Hyperphysisches ist.

Ich verweise abermals auf den folgenden ausgezeichneten Überblick über die angebotenen Theorien:

"Why This Universe? A Taxonomy of Possible Explanations" (pdf)

Siehe insbesondere Kapitel 3: "Nonphysical Causes"! Darin werden allerdings Sachen als "nichtphysisch" bezeichnet, bei denen mir dies zweifelhaft erscheint:

"Dieses Universum, wie unergründlich es auch sein mag, ist auf das menschliche Leben feinabgestimmt, weil eine nichtphysische Ursache dafür gesorgt hat. Die Ursache kann eine Person, ein Wesen, ein Geist, eine Kraft, eine Macht, ein Seiendes, eine Einheit, eine Gegenwart, ein Prinzip, ein Gesetz, Urgesetz, ein Stoff oder ein Merkmal sein. (...)"

Zum Beispiel ist die Rede von einem nichtphysischen Stoff unsinnig, da alles Stoffliche per definitionem physischer, materieller Natur ist. (Das Gleiche gilt, wie gesagt, auch für alles räumlich Ausgedehnte, d.h. für alles 3-Dimensionale.)
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Myron
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Re: Die Lehre des Materialismus

Beitragvon Pablo » Di 30. Dez 2008, 14:11

Myron hat geschrieben:Die Quantenphysik scheint einen ontischen Zufall, d.i. einen, der nicht nur auf unzureichender Kenntnis aller ursächlichen Bedingungen beruht, durchaus zu kennen.


Richtig, aber keiner dieser Zufälle kann als Begründung für die Existenz des Universums herangezogen werden. Jetzt, in dieser Sekunde können beispielsweise irgendwelche Atome in deinem PC ohne bekannte Ursache zerfallen. (Objektiver Zufall) Gleichzeitig kann ein Zufallsgenerator in deinem PC laufen (Subjektiver Zufall)

Diese beiden Zufälle können aber nicht als Begründung für die Existenz des PC´s mit seiner Software herangezogen werden, d.h. er ist in die Naturgesetze fest eingebunden. Genau darauf läuft aber die Behauptung von vielen Atheisten hinaus, wenn sie sagen, das Universum sei zufällig entstanden.

Myron hat geschrieben:Wie will man denn z.B. Sheldrake's morphische Felder experimentell nachweisen?


Tatsache ist, dass die zentrale Frage nach der Formgebung von Lebewesen noch völlig offen ist. Da jede Zelle den gleichen Bauplan enthält, stellt sich die Frage, wo der übergeordnete Bauplan angesiedelt werden kann. Zum besseren Verständnis hier eine Aussage von DAVIES (aus Prinzip Chaos)

Nehmen wir zum Beispiel das Phänomen der Zelldifferenzierung. Bestimmte Zellen werden zu Blutzellen, andere zu Bestandteilen des Darms, des Rückgrats, aber woher »wissen« die Zellen, was aus ihnen werden soll? Weiter gibt es das Problem der räumlichen Positionierung. Woher weiß eine bestimmte Zelle, wo ihr Platz in Bezug auf die anderen Teile des Organismus ist, sodass sie sich in die entsprechende Zellart des ausgewachsenen Organismus »verwandeln« kann. Eine der damit zusammenhängenden Schwierigkeiten besteht in der Tatsache, dass die einzelnen Teile des Organismus sich zwar unterschiedlich entwickeln, aber alle dieselbe DNA enthalten. Wenn jedes DNA-Molekül den gleichen Gesamtplan für den ganzen Organismus enthält, wie kommt es dann, dass verschiedene Zellen unterschiedliche Teile dieses Plans verwirklichen? Gibt es vielleicht einen »Metaplan«, der jeder Zelle sagt, welchen Teil des Plans sie zu verwirklichen hat. Und wenn ja, wo hat dieser Metaplan seinen Sitz? ...
Das »Wunder« der Morphogenese verbirgt sich in der Beziehung zwischen der lokal gespeicherten Information und dem globalen, holistischen Eingriff, der erforderlich ist, um die entsprechenden Strukturen hervorzubringen. PAUL DAVIES



Myron hat geschrieben:Ja, aber behauptet er auch, dass Information nicht von ihrer physischen Realisierung abhängig ist?


Im Prinzip läuft es bei ZEILINGER darauf hinaus. Er schreibt in "Einsteins Scheier" Folgendes:

In unserem Bild ist also Information der Urstoff des Universums... Der Vorschlag ist also, wegen unseres Postulats, dass kein Naturgesetz und keine Naturbeschreibung einen Unerschied zwischen Wirklichkeit und Information machen dürfen, die beiden als daselbe anzusehen... Unsere frühere Aussage, dass Information der Urstoff des Universums sei, ist nun auch im Sinne dieses gemeinsamen Begrifffs von Wirklichkeit und Information zu sehen. ANTON ZEILINGER


Da zu Beginn des Universums noch keine Materie vorhanden war, setzt ZEILINGER demnach "Information" noch vor der physischen Realisierung.


Myron hat geschrieben:Zweitens, wenn du Felder als von der Raumzeit ontologisch getrennte Substanzen und damit nicht als nichtsubstanzielle Zustände, Eigenschaften der zugrundeliegenden substanziellen Raumzeit betrachtest, dann kommst du nicht umhin, einen besonderen "Feldstoff" zu postulieren.


Richtig, da sich ein solches Feld induktiv aus den Versuchen/Experimenten von Alain Aspekt ableiten lässt. Und jederzeit wiederholbare Experimente stellen nun einmal die Grundlage einer wissenschaftlichen Forschungsarbeit dar.


Myron hat geschrieben:Der abstrakte Bauplan eines Hauses hat doch keine eigenen kausalen Kräfte, vermöge deren er den Hausbau selbst bewirken kann. Dazu bedarf es der materiellen Bauarbeiter, die den Plan verwirklichen. Nur diese sowie die von ihnen eingesetzten technischen Geräte verfügen über reale Kräfte.


Natürlich, aber über die Frage, was nun die eigentliche Ursache für die Existenz eines Hauses darstellt, lässt sich schwerlich streiten. Ohne Bauplan kein Haus.

Myron hat geschrieben:Ich bin kein Biologe und erst recht kein Genetiker, und wie auch immer die Begriffe "genetische Information" und "genetisches Programm" definiert werden mögen, es spricht in meinen Augen nichts dafür, dass die Gestaltentwicklung von Lebewesen von irgendetwas Hyperphysischem oder Hyperchemischem (ziel-)bewusst gesteuert wird.


Aber die Umsetzung des in der DNA gespeicherten Bauplans ist doch bereits eine zielgerichtete Umsetzung! Und die von CRICK aufgeworfenen Frage: "Wie formt das Ei des Organismus" ist nach wie vor offen. Siehe auch DAVIES. Wo ist der Bauplan angesiedlet, der zum Beispiel dafür sorgt, dass bei Verletzungen die Zellen sofort mit Reperaturarbeiten beginnen?


Myron hat geschrieben:Zum Beispiel ist die Rede von einem nichtphysischen Stoff unsinnig, da alles Stoffliche per definitionem physischer, materieller Natur ist. (Das Gleiche gilt, wie gesagt, auch für alles räumlich Ausgedehnte, d.h. für alles 3-Dimensionale.)


Dieses Argument kann man natürlich auch umdrehen. Die meisten Wissenschafler gehen zum Beispiel davon aus, dass Leben überall im Universum entstehen könne, wenn die "Bedingungen" stimmen und die Zeit dafür reif ist. Die Information über diese "Bedingungen" muss aber dann auch im gesamten Universum vorhanden sein, damit der Zufall (meinentwegen ein Blitzeinschlag) es auslösen kann. Da Materie alleine keine Informationen speichern kann, bleibt nur noch übrig, dass sich die Materie aufgrund einer Vorlage selbst organisiert.

Mit der Einführung der Selbstorganisation als Grundeigenschaft der Materie ist aber auch gesagt, dass jede Materie apriori ideenträchtig ist. Sie hat die Idee ihrer Selbstorganisation, ihrer Entfaltung, aller Baupläne und Aus-Formungen in sich. FRIEDRICH CRAMER
(aus Chaos und Ordnung)

Am Anfang war demnach "Information". Und wenn wir den Zufall und den Gott als Träger dieser Information verwerfen, bleibt nur noch eine geistige Grundlage in Form eines zusätzlichen Feldes übrig.

Viele Grüße

Paul
Pablo
 
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