Agnostizismus vs. Atheismus

Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Di 26. Okt 2010, 21:08

ganimed hat geschrieben:Wieso meint Russel, sich vor Philosophen als Agnostiker bezeichnen zu müssen? Was ist denn in diesem Begriff an Mehrwert enthalten? Wieso reicht nicht "Atheist mit Zweifeln"?

weil es deutlicher ist.

ganimed hat geschrieben:Und da ja niemand sich seiner Sache sicher sein kann, würde doch sogar "Atheist" reichen, ganz ohne den überflüssigen Hinweis auf Zweifel, oder?

Wie gesagt, es geht darum, auf welcher Ebene der Diskurs geführt wird. Meiner Meinung nach ist es durchaus immer wieder mal nützlich, den Zweifel in den Vordergrund zu stellen.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 3. Nov 2010, 03:45

Agnostischer Gambit: sich eine erkenntnistheoretische (d.h. wissenschaftliche) Position erarbeiten, diese gut argumentativ begründen um sie dafür zu benutzen eine warme Ecke für den indoktrinierten Gott einzurichten.

Oder akzeptiert ein W-Agnostiker jede erdenkliche nicht belegbare Theorie, inkl. dass die 42. Dimension (nicht belegbar, messbar, erfahrbar, usw) von Kobolden bevölkert wird? Der Gambit funktioniert nur über die historisch bedingte Legitimation von Gott und dem Anschein, das »Wissen« von Gott sei gleicherweise in vernünftiger Absicht in die Welt gekommen, wie wissenschaftliche Theorien. Wäre es nicht so, wäre diese Theorie nur eine von unendlich vielen abwegigen Ideen/Theorien (die schnell aussortiert worden wären). Ich sehe Agnostizismus daher als Fehlschluss an.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 3. Nov 2010, 06:36

Lumen hat geschrieben:Agnostischer Gambit: sich eine erkenntnistheoretische (d.h. wissenschaftliche) Position erarbeiten, diese gut argumentativ begründen um sie dafür zu benutzen eine warme Ecke für den indoktrinierten Gott einzurichten.

gehe ich recht in der Annahme, dass Du Dich mit dieser Fragestellung noch nie intensiver befasst hast?
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 3. Nov 2010, 11:12

Intensiver als was? Du meinst, weil ich Agnostizismus etwas zugespitzt dem für-möglich-halten-des-übernatürlichen zuordne und die edle Betonung des Zweifels nicht sehe? Tausche »Gott« mit einer beliebigen verrückten Idee aus, je aberwitziger, umso besser — meinetwegen die Zahnfee. Nun vertrete die Position, dass du nicht wissen kannst, ob es die Zahnfee gibt, weil du den Zweifel in den Vordergrund stellen möchtest. Gott oder Nicht-Gott, oder Zahnfee oder Nicht-Zahnfee sind eben nicht gleich wahrscheinlich, ich sehe es daher nicht als »neutrale« Haltung.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 3. Nov 2010, 14:53

Lumen hat geschrieben:Intensiver als was? Du meinst, weil ich Agnostizismus etwas zugespitzt dem für-möglich-halten-des-übernatürlichen zuordne und die edle Betonung des Zweifels nicht sehe? Tausche »Gott« mit einer beliebigen verrückten Idee aus, je aberwitziger, umso besser — meinetwegen die Zahnfee. Nun vertrete die Position, dass du nicht wissen kannst, ob es die Zahnfee gibt, weil du den Zweifel in den Vordergrund stellen möchtest. Gott oder Nicht-Gott, oder Zahnfee oder Nicht-Zahnfee sind eben nicht gleich wahrscheinlich, ich sehe es daher nicht als »neutrale« Haltung.

ich vermute, dass Du, nachdem Du Dich ein wenig intensiver mit dem Thema befasst hast, einsehen wirst, dass Du einen Strohmann abfackelst.

Lies vielleicht den Thread (es gibt noch weitere, ich kann Dir gerne Links nennen). Wenn ich den Eindruck habe, dass Du verstanden hast, wogegen Du polemisierst, diskutiere ich gerne mit Dir. Aber nicht vorher.

Vielleicht als kleiner Denkanstoß: Dawkins bezeichnet sich als Agnostiker. Aus exakt dem Grund, warum Russell das tat.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Arathas » Mi 3. Nov 2010, 15:25

El Schwalmo hat geschrieben:Vielleicht als kleiner Denkanstoß: Dawkins bezeichnet sich als Agnostiker.


Wow, der war gut! :mg:

Dawkins bringt im Gotteswahn die gleichen Argumente, die Lumen gebracht hat und die du ankreidest, und er bezeichnet sich - zumindest im Gotteswahn - als Atheisten durch und durch.

Hast du eine Quelle, die deiner Behauptung ein wenig Gewicht verleihen könnte? =)
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 3. Nov 2010, 15:36

El Schwalmo hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Intensiver als was? Du meinst, weil ich Agnostizismus etwas zugespitzt dem für-möglich-halten-des-übernatürlichen zuordne und die edle Betonung des Zweifels nicht sehe? Tausche »Gott« mit einer beliebigen verrückten Idee aus, je aberwitziger, umso besser — meinetwegen die Zahnfee. Nun vertrete die Position, dass du nicht wissen kannst, ob es die Zahnfee gibt, weil du den Zweifel in den Vordergrund stellen möchtest. Gott oder Nicht-Gott, oder Zahnfee oder Nicht-Zahnfee sind eben nicht gleich wahrscheinlich, ich sehe es daher nicht als »neutrale« Haltung.

ich vermute, dass Du, nachdem Du Dich ein wenig intensiver mit dem Thema befasst hast, einsehen wirst, dass Du einen Strohmann abfackelst.

Lies vielleicht den Thread (es gibt noch weitere, ich kann Dir gerne Links nennen). Wenn ich den Eindruck habe, dass Du verstanden hast, wogegen Du polemisierst, diskutiere ich gerne mit Dir. Aber nicht vorher.

Vielleicht als kleiner Denkanstoß: Dawkins bezeichnet sich als Agnostiker. Aus exakt dem Grund, warum Russell das tat.


Was Russell antrieb, weiss ich nicht. Wenn ich mich recht entsinne gab sich Dawkins die fast höchste Note auf seiner Atheismus-Skala — der klitzekleinen Restzweifel den er einräumt verschwindet aber gänzlich, wenn man seine Positionen und sein Werk betrachtet. Diese klitzekleine Nicht-Sicherheit würde ich bei genauem Hinsehen mir auch unterstellen, nicht weil ich tatsächlich Zweifel hätte, sondern weil »die Wahrheit« prinzipiell nie erreichbar ist. Ich glaube also, ich habe die Diskussionen soweit kapiert, halte es aber dennoch für unsinnig diesen prinzipiellen Rest-Zweifel außerhalb eines klinisch-wissenschaftlichen Elfenbeinturms zu vertreten. Das wäre, wie zuvor geschrieben, der Zahnfee einzuräumen, ihre Existenz sei prinzipiell möglich. Dawkins (oder mich) in allgemeiner Sprache einen Agnostiker zu nennen — im streng wissenschaftlichen Sinne vielleicht formal korrekt — ist allgemeinsprachlich eine sehr starke Verzerrung. Ich lehne dies auch deshalb ab, weil das reichen der Fingerkuppe des kleinen Fingers bei manchen sehr schnell zum abreissen des Arms führt — siehe auch das Märchen von dem Gläubigen namens Einstein.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 3. Nov 2010, 20:25

Arathas hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Vielleicht als kleiner Denkanstoß: Dawkins bezeichnet sich als Agnostiker.


Wow, der war gut! :mg:

Dawkins bringt im Gotteswahn die gleichen Argumente, die Lumen gebracht hat und die du ankreidest, und er bezeichnet sich - zumindest im Gotteswahn - als Atheisten durch und durch.

Hast du eine Quelle, die deiner Behauptung ein wenig Gewicht verleihen könnte? =)

schaust Du mal hier, googelst einfach mal nach "Dawkins Agnostiker"? Es gab Ende letzten Jahres ein Geo-Sonderheft über Religionen, mit einem langen Interview mit Dawkins. Da hat er sich ganz besonders deutlich geäußert.

Lies doch bitte einfach den Thread und versuche, zu verstehen, dass 'Agnostiker' eine epistemische Position ist, dass man daneben aber lebt, also eine pragmatische Position vertritt. Die kann dann auch atheistisch. Ich beispielsweise bin atheistisch lebender Agnostiker.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 3. Nov 2010, 20:34

Lumen hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Intensiver als was? Du meinst, weil ich Agnostizismus etwas zugespitzt dem für-möglich-halten-des-übernatürlichen zuordne und die edle Betonung des Zweifels nicht sehe? Tausche »Gott« mit einer beliebigen verrückten Idee aus, je aberwitziger, umso besser — meinetwegen die Zahnfee. Nun vertrete die Position, dass du nicht wissen kannst, ob es die Zahnfee gibt, weil du den Zweifel in den Vordergrund stellen möchtest. Gott oder Nicht-Gott, oder Zahnfee oder Nicht-Zahnfee sind eben nicht gleich wahrscheinlich, ich sehe es daher nicht als »neutrale« Haltung.

ich vermute, dass Du, nachdem Du Dich ein wenig intensiver mit dem Thema befasst hast, einsehen wirst, dass Du einen Strohmann abfackelst.

Lies vielleicht den Thread (es gibt noch weitere, ich kann Dir gerne Links nennen). Wenn ich den Eindruck habe, dass Du verstanden hast, wogegen Du polemisierst, diskutiere ich gerne mit Dir. Aber nicht vorher.

Vielleicht als kleiner Denkanstoß: Dawkins bezeichnet sich als Agnostiker. Aus exakt dem Grund, warum Russell das tat.


Was Russell antrieb, weiss ich nicht.

lesen bildet. Ich habe den Text verlinkt und die relevante Passage zitiert. Exakt das ist auch mein Punkt, und, wenn ich es richtig sehe, der von Dawkins. Du brauchst das nicht nachvollziehen zu können. Aber Du solltest Dir klar sein, dass man intensiver nachdenken kann.

Lumen hat geschrieben:Wenn ich mich recht entsinne gab sich Dawkins die fast höchste Note auf seiner Atheismus-Skala

98 Prozent. Für einen Atheisten ist das 'teilschwanger'.

Lumen hat geschrieben:— der klitzekleinen Restzweifel den er einräumt verschwindet aber gänzlich, wenn man seine Positionen und sein Werk betrachtet.

Nein, er ist 'eingepreist'. Agnostizismus ist eine epistemische Position, man kann problemlos als Agnostischer atheistisch leben. Das ist in jeder Hinsicht korrekt. Nur wenn Du den Atheismus epistemisch möchtest, kriegst Du massive Probleme, denn dann müsste Dir ein negativer Gottesbeweis gelingen. Das kannst Du unter 'Restzweifel' fassen, ist aber durchaus keine Petitesse.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 3. Nov 2010, 20:41

El Schwalmo hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Wenn ich mich recht entsinne gab sich Dawkins die fast höchste Note auf seiner Atheismus-Skala

98 Prozent. Für einen Atheisten ist das 'teilschwanger'.


Jemand, der glaubt, dass es keine Götter gibt, aber sich dessen nicht hundertprozentig sicher ist, ist nicht "teilschwanger".
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 3. Nov 2010, 20:49

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Wenn ich mich recht entsinne gab sich Dawkins die fast höchste Note auf seiner Atheismus-Skala

98 Prozent. Für einen Atheisten ist das 'teilschwanger'.

Jemand, der glaubt, dass es keine Götter gibt, aber sich dessen nicht hundertprozentig sicher ist, ist nicht "teilschwanger".

als Glaube geht das selbstverständlich durch. Wenn man die Frage aber 'digital' formuliert, ist 'nicht hunderprozentig sicher' ein Äquivalent zu Schrödingers Katze.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Mi 3. Nov 2010, 21:06

El Schwalmo hat geschrieben:als Glaube geht das selbstverständlich durch. Wenn man die Frage aber 'digital' formuliert, ist 'nicht hunderprozentig sicher' ein Äquivalent zu Schrödingers Katze.


Verstehe ich nicht.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Mi 3. Nov 2010, 21:13

Es ändert sich der Sachverhalt nicht (nämlich, dass es keinen Gott gibt, genausowenig wie es die Zahnfee gibt), indem man auf doxastische Logik ausweicht um damit dann, wie du selbst schriebst …

El Schwalmo hat geschrieben:[…] den Zweifel in den Vordergrund zu stellen.


Es gibt keinen Zweifel an der Nicht-Existenz Gottes, nicht den geringsten. Es gibt Zweifel am Wissen. Das ist nicht dasselbe. Dazu noch dieses hier gefunden:

Richard Dawkins (God Delusion, s. 51ff) hat geschrieben:I am agnostic only to the extent that I am agnostic about fairies at the bottom of the garden […] That you cannot prove God's non-existence is accepted and trivial, if only in the sense that we can never absolutely prove the non-existence of anything. What matters is not whether God is disprovable (he isn't) but whether his existence is probable. That is another matter. Some undisprovable things are sensibly judged far less probable than other undisprovable things
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 3. Nov 2010, 21:27

Myron hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:als Glaube geht das selbstverständlich durch. Wenn man die Frage aber 'digital' formuliert, ist 'nicht hunderprozentig sicher' ein Äquivalent zu Schrödingers Katze.


Verstehe ich nicht.

nun, für uns ist eine Katze tot oder lebendig. Durch die Versuchsanordnung wird ein Zustand erreicht, der 'unbestimmt' ist. Die Frage, ob die Katze tot ist oder noch lebt ist dann nicht entscheidbar. Man kann zwar Wahrscheinlichkeiten aufstellen, aber nicht sicher sein.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Mi 3. Nov 2010, 21:36

Lumen hat geschrieben:Es gibt keinen Zweifel an der Nicht-Existenz Gottes, nicht den geringsten. Es gibt Zweifel am Wissen. Das ist nicht dasselbe.

nun solltest Du noch den Unterschied zwischen 'ich zweifle nicht an der Nicht-Existenz Gottes' und 'ich weiß, dass Gott nicht existiert' präziser fassen. Dann bist Du beim Unterschied zwischen pragmatischen und epistemischen Positionen.

Danke, dass Du die Passage aus Dawkins zitiert hast. Versuche mal, das was ich gerade geschrieben habe, mit dem Text von Dawkins in Verbindung zu bringen. Vielleicht auch noch präzisieren, warum Zahnfee und Gott zwei Paar Stiefel sind. Meinst Du wirklich, dass 'Urgrund des Seins', 'Subsistenz der Existenz' vom gleichen Kaliber sind wie Zahnfeen, Zeus oder der Osterhase? Bist Du sicher dass 'Es gibt keinen Zweifel an der Nicht-Existenz Gottes' noch stimmt, wenn Du unter 'Gott' den 'Gott der Philosophen' verstehst?
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Do 4. Nov 2010, 13:22

El Schwalmo hat geschrieben:Meinst Du wirklich, dass 'Urgrund des Seins', 'Subsistenz der Existenz' vom gleichen Kaliber sind wie Zahnfeen, Zeus oder der Osterhase? Bist Du sicher dass 'Es gibt keinen Zweifel an der Nicht-Existenz Gottes' noch stimmt, wenn Du unter 'Gott' den 'Gott der Philosophen' verstehst?


Die Evolution erklärt das menschliche Dasein in befriedigender und sehr gut belegter Weise. Darauf können wir uns wahrscheinlich verständigen. Der Mensch muss sich in seiner Entwicklung an einer Stelle befunden haben, wo Dunkelheit, Gefahr (also Überleben) auf Unwissenheit traf. Das Hervortreten der »Unwissenheit« hat meiner gegenwärtigen privaten Ansicht dazu geführt, dass die Umgebung durch Benennung und durch Anwenden von beobachtbaren Regeln (etwa Kausalität) erklärbar, somit ein Stück weit »überlebbarer« geworden ist. Dabei brachte der Mensch bestimmte kognitive Vorrausetzungen mit, die das Ausgestalten von menschenartigen Schöpfern und übernatürlichen Wesen (Anthropomorphismen) sozusagen aufdrängte.

Auch ein sich abzeichnender Dualismus ist recht plausibel darstellbar. Selbst wenn der Mensch noch keine Moralvorstellungen hatte, so wird er sehr bald zwischen »mir nützlich« und »mir schädlich« unterschieden haben, dazu erscheinen Sinnereize ein duales Weltbild zu fördern (hell-dunkel, warm-kalt etc.). Auch Semiotik und Linguistik bieten Modelle an, die dazu passen. Zum Beispiel gibt es Konzepte die Dinge beschreiben, die nicht vorhanden sind (Zeichen ohne Referent). Angewendet auf Menschen bedeutet dies, vereinfacht, dass das „Leben“ irgendwohin verschwinden muss, es also in der Vorstellung einer „Lebenszutat“ geben muss, die beim Menschen beobachtbar dessen Persönlichkeit umfasst und die sich dann irgendwohin verflüchtigt (natürlich haben wir heute bessere Erklärungen, aber so stellt es sich intuitiv erst einmal dar).

Es mag an vielen Stellen Unklarheiten und Tücken geben, aber es sieht erst einmal hinreichend plausibel aus, dass die Menschen diese verschiedenen Vorstellungen zu einem Modell zusammengefasst haben. Die wundersame flüchtige Lebenszutat (»Seele«) entsprechend dem Himmel zugeordnet wurde, den leidenden Körper, die Materie, den Boden usw. entsprechend des Dualismus dann der anderen »bösen« Seite zugeschlagen wurde.

Letzlich muss ich die Frage von dir so beantworten: Es gibt keinen Unterschied zwischen Zahnfee und Gott, denn es sind anthropomorphismen die reale Dinge erklären sollen. Der Vergleich stimmt auf vielen Ebenen, denn beide Vorstellungen tragen infantile Züge (»Gott Vater«, Beschützer, Hüter usw.). Es mag sein, dass meine allgemeinsprachliche und bodennahe Ansicht deine philosophisch geschliffenen Ansichten beleidigen, aber »so be it«. Jede Fantasywelt kann unendlich komplex sein, und eine beliebig komplizierte Privatsprache hervorgebracht haben. Das macht sie für mich nicht plausibler.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 4. Nov 2010, 13:39

[ ... ]

Lumen hat geschrieben:Jede Fantasywelt kann unendlich komplex sein, und eine beliebig komplizierte Privatsprache hervorgebracht haben. Das macht sie für mich nicht plausibler.

lassen wir uns doch einfach sagen, dass wir Beiden als Atheisten leben und Du Dir darüber sein solltest, dass es eine Ebene der Reflexion gibt, die Dich nicht interessiert, die aber nichts mit dumm oder bösartig zu tun hat.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Lumen » Do 4. Nov 2010, 16:24

El Schwalmo hat geschrieben:[ ... ]

Lumen hat geschrieben:Jede Fantasywelt kann unendlich komplex sein, und eine beliebig komplizierte Privatsprache hervorgebracht haben. Das macht sie für mich nicht plausibler.

lassen wir uns doch einfach sagen, dass wir Beiden als Atheisten leben und Du Dir darüber sein solltest, dass es eine Ebene der Reflexion gibt, die Dich nicht interessiert, die aber nichts mit dumm oder bösartig zu tun hat.


Jedenfalls nicht unter dieser Überschrift. :)

Es sind dann eher Fragen wie: wie ist es möglich, dass es (anscheinend) »Muster« gibt: also Regeln, die diese hervorbringen, warum funktioniert Mathematik überhaupt usw. auf diese Gegebenheit hat sich der Mensch als »Pattern Seeking Primate« entwickelt. Doch da ist Gott, auch nur der Begriff (und im Gepäck Atheismus/Agnostizismus) viel zu stark verseucht.
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon El Schwalmo » Do 4. Nov 2010, 17:03

Lumen hat geschrieben:Es sind dann eher Fragen wie: wie ist es möglich, dass es (anscheinend) »Muster« gibt: also Regeln, die diese hervorbringen, warum funktioniert Mathematik überhaupt usw. auf diese Gegebenheit hat sich der Mensch als »Pattern Seeking Primate« entwickelt.

oder als 'pattern creating primate' ;->

Der ontische Status von 'Naturgesetzen' ist durchaus nicht trivial. 'Gibt' es Naturgesetze und wir entdecken die, oder beschreiben wir die Natur unter der Annahme, es gäbe solche 'Gesetze'? Ein Beispiel: Du kannst die Position eines Apfels am Apfelbaum durch ein cartesisches System, durch Polarkoordinaten oder was auch immer beschreiben. 'Gibt' es nun in der Natur x-,y- und z-Achsen, Polkoordinaten oder was auch immer? Aus der Tatsache, dass Du die Position des Apfels intersubjektiv nachprüfbar beschreiben kannst, folgt nichts über das Beschreibungssystem, es 'passt' halt.

Ein Schuss (nicht-radikaler) Konstruktivismus ist sicher angebracht. Auf der Frage, warum die Technik und die Naturwissenschaften funktionieren, haben Mahner und Bunge eine sehr detailliert ausgearbeitete Ontologie aufgebaut. In der gibt es nur Theisten und Atheisten: entweder, man formuliert eine Ontologie mit oder ohne Übernatur. Allerdings ist der Agnostizismus im Fallibilitätsvorbehalt eingebaut. Das ist dann genau mein Weltbild.

Aber Du hast Recht, es gibt viele Physiker, die aus der Tatsache, dass das Universum intelligibel ist, einen 'Designer-Beweis' ableiten. 'Die Spuren Gottes im Buch der Natur' zu lesen war auch für viele Christen eine Lebensaufgabe.

Lumen hat geschrieben:Doch da ist Gott, auch nur der Begriff (und im Gepäck Atheismus/Agnostizismus) viel zu stark verseucht.

Darum sprechen viele ja vom 'intelligenten Designer' ;->
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Re: Agnostizismus vs. Atheismus

Beitragvon Myron » Do 4. Nov 2010, 18:43

[MOD]Die Evolution und die Naturgesetze sind nicht Thema dieses Threads![/MOD]
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