Thema Altruismus mal wieder

Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon Bionic » So 1. Aug 2010, 13:14

stine hat geschrieben:Altruismus gibt es innerhalb einer Sippschaft.
Ein Vater, der die Niere seinem Sohn gibt oder eine Mutter, die lieber nichts isst, als ihre Kinder hungern zu lassen.

Wie es im Körper auch Zellen gibt, die Zum Wohle des Gesammten Organismus zum Absterben programmiert sind.
Macks hat geschrieben:Der Altruismus existiert nicht.
Alle Lebewesen, die ein Bewusstsein haben, handeln IMMER egoistisch.

Das ist Quatsch! Oftmals steckt hinter einer scheinbar selbstlosen Tat auch ein Eigenutz, aber sicher nicht immer. Man kann nicht einfach eine These aufstellen und dann sagen jetzt wiederlegt sie mal schön. Die Beweislast liegt schon bei dir! Was ist zum Beispiel mit Ärzten, Rettungsleuten, ect? Die Welt ist nicht Schwarz-Weiß.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon Macks » So 1. Aug 2010, 20:53

stine hat geschrieben:Altruismus gibt es innerhalb einer Sippschaft.
Ein Vater, der die Niere seinem Sohn gibt oder eine Mutter, die lieber nichts isst, als ihre Kinder hungern zu lassen.

Diese Liebe ist nicht egoistisch im Sinne von: dient einem alleine, sie dient der ganzen Sippschaft und ist deswegen für den einzelnen altruistisch.

LG stine


Dies ist ebenfalls egoistisch. Wie lautet das Programm des Menschen? Überleben. Warum Überleben? Um seine Gene weiter zugeben. Wenn also ein Vater seinem Sohn die Niere nicht gibt, ist seine DNS-Weitergabe gefährdet. Genauso die Mutter, die nichts isst, um ihre Kinder weiterleben zu lassen, damit die DNS-Weitergabe gesichert ist.

Entschuldigt, dass ich einfach eine Hypothese aufgestellt habe. Aber ich dachte, es dauert zu lange, alle Fälle zu behandeln und ausführlich meine Begrünung zu formulieren. Ich wollte nur wissen, ob mir die meisten/wenigsten zustimmen. :^^:

Ärzte und Rettungsleute verdienen damit auch ihr Geld. Außerdem ist das in der Gesellschaft angesehener als Straßenkehrer zu sein. Reputation ist auch ein Grund, warum Menschen sich entscheiden so und so zu handeln. Im Endeffekt ist auch dies egoistisch.
Auch wenn du einem Bettler Kleingeld gibst, ist das egoistisch. Einerseits könntest du ja theoretisch auch einmal diese Situation kommen und würdest auch wollen, dass dir jemand Geld gibt. Andererseits demonstrierst du damit deine Überlegenheit. Bei manchen Vogelarten kann man das auch beobachten. Den Höhergestellten geht es so gut, dass sie es sich sogar leisten können, etwas von ihrer Beute/ihrem Vermögen abzugeben. Damit steigt ihr eigener Status. Eine andere Erklärung für Geldgeben an einen Bettler, wäre er auch die Reputation. Vielleicht bist du mit anderen Personen unterwegs und willst nicht knauserig, sondern gönnerhaft wirken. Oder ganz andere Leute sehen dich ja, wenn du diesem Bettler Kleingeld zusteckst oder auch nicht.

stine hat geschrieben:Alle Lebewesen, die ein Bewusstsein haben, handeln IMMER altruistisch. Alles was du tust, machst du, damit es sich positiv auf andere auswirkt." - Nenne doch mal dafür ein Gegenbeispiel!


Wenn ich die ganze Welt einem bösartigen Virus aussetzen würde und sie damit vernichten würde, handele ich wohl nicht so, damit es sich positiv auf andere auswirkt. Ein nicht ganz so melodramtisches Beispiel wäre: Ich nehme dem Kleinkind den Lolly weg, welchen seine Mutter ihm gerade gegeben hat, weil ich jetzt Lust auf etwas Süßes habe. Ich schlage einen x-beliebigen Passanten grün und blau und nehme mir seine Brieftasche. Nicht gerade eine positive Auswirkung auf andere, oder?
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon Macks » So 1. Aug 2010, 20:56

Bionic hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Die Welt ist nicht Schwarz-Weiß.


Ja, die Welt ist nicht Schwarz-Weiß. Sie ist schwarz. :lachtot:
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » So 1. Aug 2010, 22:02

Macks hat geschrieben:Der Altruismus existiert nicht.
Alle Lebewesen, die ein Bewusstsein haben, handeln IMMER egoistisch.
Alles was du tust, machst du, damit es sich positiv auf dich auswirkt.
Auch "Liebe" ist egoistisch...
Wenn jemand irgendein Gegenbeispiel hat, dann immer her damit.

Gegenbeispiele wären, wie schon im Nachbarthread genannt, a) der Soldat, der sich auf eine scharfe Granate wirft, um seine Kameraden zu retten und b) der Judenverstecker im Dritten Reich, der um die Nachteile um ihn weiß und in ständiger Angst lebt.

Es erscheint mir wie eine reine ad-hoc-Annahme, dass in diesen Beispielen der Akteur in jedem Falle dasjenige wählt, was sich für ihn am Positivsten auswirkt.

Kann man zwar einfach so behaupten, aber hört sich für mich dennoch erst mal an wie ein Schluss vom Wollen aufs Sein. Was ich wenig überzeugend finde, so als reine Behauptung.

Und übrigens, auch an Dich, (siehe auch hier): ich bin der Meinung, dass Du ein hypothetisches Gegenbeispiel (das in der Realität aber nie vorkommt) liefern können müsstest, um Deine These zu belegen, (Gegenbeispiel bezieht sich hier auf eine Handlung, die Du als nicht egoistisch akzeptieren würdest). Damit überhaupt der Begriff 'Egoismus' einen anderen, zusätzlichen Sinn erhält zu der Aussage 'X handelt', man also 'egoistisches Handeln' überhaupt von 'nicht-egoistischem Handeln' unterscheiden kann, 'egoistisches Handeln' kein reiner Pleonasmus ist.

Kann man das nicht, dann ergibt das Wort 'Egoismus' keinen Sinn. Und dann ergibt es logischerweise auch keinen Sinn, zu sagen, 'Alle Lebewesen, die ein Bewusstsein haben, handeln IMMER egoistisch'. Bzw., genauer gesagt: das ist dann bedeutungsgleich mit: 'Alle Lebewesen, die ein Bewusstsein haben und handeln, handeln'.

Oder, vielleicht mal anders gesagt: Du musst ein Kriterium angeben können, wann, wenn das erfüllt wäre, Deine Behauptung falsifiziert wäre. Kannst Du das nicht, behaupte ich weiterhin, dass diese Behauptung nur tautologisch und selbstimmunisierend ist und daher keinerlei Nährwert hat.

Oder aber Du zeigst den Nährwert einer tautologischen Behauptung, (worauf ich höllisch gespannt bin). Oder Du zeigst, dass Deine Behauptung gar nicht tautologisch ist. Was mE aber einen empirischen Beweis / empirische Nachweise verlangt und nicht einfach so aus dem Lehnstuhl bewiesen werden kann. Oder aber ich irre mich auch bezüglich dessen und Du kannst sehr wohl zeigen, (aber nicht tautologisch - also einfach so zu definieren: alles, was jemand wählt, ist per definitionem für ihn das Positivste), dass z.B. alle Judenverstecker im Dritten Reich egoistisch gehandelt haben.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ujmp » So 1. Aug 2010, 22:15

AgentProvocateur hat geschrieben:Oder, vielleicht mal anders gesagt: Du musst ein Kriterium angeben können, wann, wenn das erfüllt wäre, Deine Behauptung falsifiziert wäre. Kannst Du das nicht, behaupte ich weiterhin, dass diese Behauptung nur tautologisch und selbstimmunisierend ist und daher keinerlei Nährwert hat.

Aus dem selben Grund taugen aber die Gegenbeispiele nichts. Der Soldat wollte vielleicht einem lebenslangen schlechten Gewissen vorbeugen und hat deshalb dem Tod den Vorzug gegeben. Oder es war ihm ganz einfach wichtig, dass der Andere nicht stirbt und er hat sich damit seinen Wunsch erfüllt...
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » So 1. Aug 2010, 22:22

ujmp hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Oder, vielleicht mal anders gesagt: Du musst ein Kriterium angeben können, wann, wenn das erfüllt wäre, Deine Behauptung falsifiziert wäre. Kannst Du das nicht, behaupte ich weiterhin, dass diese Behauptung nur tautologisch und selbstimmunisierend ist und daher keinerlei Nährwert hat.

Aus dem selben Grund taugen aber die Gegenbeispiele nichts. Der Soldat wollte vielleicht einem lebenslangen schlechten Gewissen vorbeugen und hat deshalb dem Tod den Vorzug gegeben. Oder es war ihm ganz einfach wichtig, dass der Andere nicht stirbt und er hat sich damit seinen Wunsch erfüllt...

Ja, das kann zweifellos in bestimmten Fällen sein. Jedoch ist die hier vertretene Behauptung eine All-Aussage, nämlich: so (oder ähnlich) muss es notwendigerweise immer sein.

Und dafür möchte ich einen Beleg, ganz einfach. Und zwar bitte einen, der nicht auf einer Tautologie beruht.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ujmp » So 1. Aug 2010, 23:26

Du hast recht, Allaussagen kann man nicht widerlegen, weil man nie weiß, ob man alle Fälle berücksichtig hat. Kann ja sein es gibt irgendwo ein Universum, wo nichtegoistische Lebewesen leben. Oder hier auf der Erde könnten in ein 100 Millionen Jahren solche Wesen leben.

Man kann aber auch bei den greifbaren Beispielen immer sagen "Wer sich scheinbar nicht egoistisch verhält, tut dies aus dem egoistischen Grund, nicht als egoistisch zu gelten" - was völlig immun gegen jede Kritik wäre.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 2. Aug 2010, 00:07

ujmp hat geschrieben:Du hast recht, Allaussagen kann man nicht widerlegen, weil man nie weiß, ob man alle Fälle berücksichtig hat. Kann ja sein es gibt irgendwo ein Universum, wo nichtegoistische Lebewesen leben. Oder hier auf der Erde könnten in ein 100 Millionen Jahren solche Wesen leben.

Hm, nein, ich sage ja gar nicht, dass Allaussagen prinzipiell falsch seien. Und ich fordere ja gar keinen Beleg, der absolut unanfechtbar ist und für alle Ewigkeiten gilt. Ein Mechanismus, der nachgewiesen werden könnte, würde mir ja locker reichen. So sind zum Beispiel alle Schneeflocken sechseckig. Was eine Allaussage ist.

ujmp hat geschrieben:Man kann aber auch bei den greifbaren Beispielen immer sagen "Wer sich scheinbar nicht egoistisch verhält, tut dies aus dem egoistischen Grund, nicht als egoistisch zu gelten" - was völlig immun gegen jede Kritik wäre.

Ja, das ist der Punkt. Und da frage ich mich eben: was sollte sowas bringen, was kann man weiter daraus folgern, inwiefern hätte diese Aussage einen Gehalt, der über sie selber hinausgeht?
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon stine » Mo 2. Aug 2010, 08:05

@Macks: Ich bitte dich deine Zitate dahingehend zu überprüfen, wer sie wirklich geschrieben hat! :yes:
Ich schreib zwar viel, aber nicht alles ist von mir.

Macks hat geschrieben:Auch wenn du einem Bettler Kleingeld gibst, ist das egoistisch. Einerseits könntest du ja theoretisch auch einmal diese Situation kommen und würdest auch wollen, dass dir jemand Geld gibt. Andererseits demonstrierst du damit deine Überlegenheit. Bei manchen Vogelarten kann man das auch beobachten. Den Höhergestellten geht es so gut, dass sie es sich sogar leisten können, etwas von ihrer Beute/ihrem Vermögen abzugeben. Damit steigt ihr eigener Status. Eine andere Erklärung für Geldgeben an einen Bettler, wäre er auch die Reputation. Vielleicht bist du mit anderen Personen unterwegs und willst nicht knauserig, sondern gönnerhaft wirken. Oder ganz andere Leute sehen dich ja, wenn du diesem Bettler Kleingeld zusteckst oder auch nicht.
Nach deiner Theorie ist also nicht egoistisch, wer alles für sich behält, nichts weiter gibt und dem es wurscht ist, wie andere über ihn denken?

LG stine
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon Macks » Mo 2. Aug 2010, 09:03

stine hat geschrieben:
Nach deiner Theorie ist also nicht egoistisch, wer alles für sich behält, nichts weiter gibt und dem es wurscht ist, wie andere über ihn denken?

LG stine


Nein. Wie bereits gesagt, handelt jeder egoistisch, egal in welchem Falle.
Wenn du alles behaltest und dich nicht um deine Reputation scherst, handelst du eben auf eine offensichtlichere Weise egoistisch.

Und zum Wert der Aussage, dass alle immer egoistisch handeln: Es geht nur darum, das ihm Hinterkopf zu haben und sich keinen Illusionen hinzugeben, dass wir altruistisch sein könnten.
Auch Mutter Theresa war egoistisch, indem sie das im Endeffekt nur getan hat, um ihre Belohnung im "Paradies" zu empfangen. Vielleicht würde sie dies nicht zugeben. Vielleicht weiß sie es gar nicht. Aber unterbewusst ist das, denke ich, schon verankert.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Mo 2. Aug 2010, 13:50

Macks hat geschrieben:Und zum Wert der Aussage, dass alle immer egoistisch handeln: Es geht nur darum, das ihm Hinterkopf zu haben und sich keinen Illusionen hinzugeben, dass wir altruistisch sein könnten.

Geht es Dir also letztlich um die Bewertungen von Handlungen? Du willst, wenn ich das richtig verstehe, alle Handlungen gleich bewerten, (bzw. gar nicht), ganz egal, ob die pro-sozial oder asozial sind, richtig?

Falls so, folgte daraus mE nun: es wäre dann falsch, wenn a) der Status oder die Reputation z.B. durch Abgeben stiege, (was jedoch nach Deiner Theorie unweigerlich Auswirkungen auf die Bereitschaft zum Abgeben hätte: die würde stark sinken). Und es wäre auch falsch, wenn b) der Status oder die Reputation durch asoziales Verhalten sänke, (was ebenfalls Auswirkungen auf das asoziale Verhalten hätte: das würde ansteigen).
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon Macks » Di 3. Aug 2010, 18:05

Niemand hat etwas von falsch gesagt oder von Bewertungen.
Ich kann nur keine Personen, Institutionen oder Gruppierungen leiden, die sich nach außen hin altruistisch geben, obwohl dieser nicht existiert und sich als etwas Besseres betrachten. Wie der angebliche Altruismus des Christentums.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon Nanna » Di 3. Aug 2010, 18:21

Ist es in deinen Augen besser, wenn Gruppen oder Institutionen ganz offen raffgierig und rücksichtslos vorgehen, als dass sie altruistisch agieren, auch wenn das "nur" aus Opportunismus heraus geschieht (jetzt mal gesetzt, diese Theorie stimmt)?
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Di 3. Aug 2010, 18:52

Macks hat geschrieben:Niemand hat etwas von falsch gesagt oder von Bewertungen.
Ich kann nur keine Personen, Institutionen oder Gruppierungen leiden, die sich nach außen hin altruistisch geben, obwohl dieser nicht existiert und sich als etwas Besseres betrachten. Wie der angebliche Altruismus des Christentums.

Du merkst das offensichtlich selber gar nicht: aber damit hast Du meine Vermutung bestätigt.

Natürlich redest Du von Bewertungen von Handlungen, die eben Deiner Ansicht nach falsch sind (die Bewertungen).
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Di 3. Aug 2010, 20:47

AgentProvocateur hat geschrieben:Geht es Dir also letztlich um die Bewertungen von Handlungen? Du willst, wenn ich das richtig verstehe, alle Handlungen gleich bewerten, (bzw. gar nicht), ganz egal, ob die pro-sozial oder asozial sind, richtig?

Ich verstehe es so, dass erstmal nur das Kriterium "altuistisch/nicht altruistisch" vermieden werden soll. Alle anderen Kriterien (sozial/asozial), (rücksichtsvoll/rücksichtslos) usw. bleiben erhalten. Von einer Gleichbewertung könnte demnach keine Rede sein.

Ich sehe es jedenfalls auch so, dass Altruismus letztendlich eine Illusion ist. Die Illusion existiert (im Gegensatz zum Altuismus) und führt zu fehlgeleiteten Bewertungen, wenn das Kriterium (altruistisch/egoistisch) herangezogen wird. Ich plädiere so wie Macks dafür, bei der Bewertung von Handlungen alle möglichen Kriterien anzuwenden, nicht aber jene, die auf Illusionen gründen.

ujmp hat geschrieben:Du hast recht, Allaussagen kann man nicht widerlegen, weil man nie weiß, ob man alle Fälle berücksichtig hat.

Da hat sich ein Fehler eingeschlichen. Allaussagen kann man schlecht beweisen und sehr gut widerlegen. Ein einziges Gegenbeispiel genügt als Falsifikation. Wenn also Macks mit seiner Allaussage daher kommt ("alle Handlungen sind letztlich egoistisch"), dann fehlt da natürlich der Beweis. Den zu verlangen, finde ich aber relativ unfair. Viel einfacher wäre es da doch, das eine Gegenbeispiel zu liefern, oder?

Ich glaube übrigens, es gibt wirklich altruistische Handlungen im Sinne von Selbstlosigkeit. Immer dann, wenn das handelnde Individuum es nicht schafft, seine eigenen Interessen zu erkennen. Durch Fehlfunktionen im Hirn beispielsweise, kommt es sicher laufend zu Handlungen, die dem Handelnden in keiner Weise dienen. Ich nehme an sowohl bei Tieren als auch beim Menschen.
Forrest Gump sagte, dass nur der dumm ist, der auch Dummes tut. Ein selbstlos Handelnder wäre ein solcher Dummer.

So, jetzt habe ich das Gegenbeispiel gleich selber geliefert. Und Macks These ist falsifiziert. Es sei denn, man formuliert sie genauer, indem man Altruismus so definiert, dass Selbstlosigkeit aus Dummheit nicht mitgerechnet wird, sodass es nur um absichtliches, berechnetes, bewusstes Verhalten geht.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Di 3. Aug 2010, 21:37

ganimed hat geschrieben:
AgentProvocateur hat geschrieben:Geht es Dir also letztlich um die Bewertungen von Handlungen? Du willst, wenn ich das richtig verstehe, alle Handlungen gleich bewerten, (bzw. gar nicht), ganz egal, ob die pro-sozial oder asozial sind, richtig?

Ich verstehe es so, dass erstmal nur das Kriterium "altuistisch/nicht altruistisch" vermieden werden soll. Alle anderen Kriterien (sozial/asozial), (rücksichtsvoll/rücksichtslos) usw. bleiben erhalten. Von einer Gleichbewertung könnte demnach keine Rede sein.

Ich sehe es jedenfalls auch so, dass Altruismus letztendlich eine Illusion ist. Die Illusion existiert (im Gegensatz zum Altuismus) und führt zu fehlgeleiteten Bewertungen, wenn das Kriterium (altruistisch/egoistisch) herangezogen wird.

Nun, meiner Ansicht nach besteht der Unterschied darin, ob bei der Bewertung der Handlung die (angenommenen) individuellen Motive herangezogen werden oder nicht.

Wenn ich nun nur die Auswirkung betrachte, dann ist es immer gleich zu bewerten, wenn jemand einem Bettler 10 € gibt. Ist alles gleich pro-sozial. Aber meiner Ansicht nach ist das nicht gleich, es ist dabei ein Unterschied, ob ein Millionär oder ein armer Student das tut. Oder nehmen wir an, ein Politiker in einem Wahlkampf mit einem großen Tross Zeitungsleuten im Schlepptau würde das tun. Würde man auch wieder anders bewerten, oder? Obgleich das Ergebnis gleich wäre: der Bettler hat 10 € mehr. Ist also gleichermaßen pro-sozial. (Ist aber unterschiedlich rücksichtsvoll / rücksichtslos / selbstlos - all dies hängt mE untrennbar mit dem zusammen, was man so unter egoistisch / altruistisch versteht).

Und man würde es meiner Ansicht nach deswegen unterschiedlich bewerten, weil man den jeweiligen Schaden und den jeweiligen Nutzen des Gebers anders einschätzen würde.

Und das ist eben mAn der Unterschied zwischen Egoismus / Altruismus.

(Und ich glaube auch erst mal nicht, dass Du das so siehst wie Macks. Aber egal.)
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon ganimed » Di 3. Aug 2010, 22:13

Mit dem Kriterium (altruistisch/egoistisch) würde man anders bewerten als ohne. Da gebe ich dir recht. Aber deine ursprüngliche Unterstellung war ja, dass es Macks darum ginge, gar keine Bewertung mehr anzustellen bzw. alle Bewertungen gleich zu machen, so dass ihm alle Handlungen gleich wären. Ich würde aber differenzieren zwischen Kriterium und Bewertung. Die Bewertung soll nicht entfallen, nur das eine Kriterium. Und es gibt wirklich jede Menge Kriterien, so dass durch die Entfernung eines einzigen Kriteriums niemand auf eine Bewertung verzichten müsste.

Und dein Beispiel mit dem Millionär und dem Student passt übrigens gar nicht. Denn das Kriterium (altruistisch/egoistisch) taugt nicht zur Differenzierung. Beide, der Millionär und der Student, geben das Geld ohne etwas davon zu haben (so deine Illlusion) und sind deshalb beide zu 100% altruistisch. Nichts gewonnen an Erkenntnis. Interessant wird es nur, wenn man sich den relativen Geldbetrag anschaut. Für den armen Studenten sind 10 Euro natürlich mehr und er ist deshalb großzügiger. Das Kriterium (großzügig/geizig) ist in diesem Fall also der Winner. Auf das illusionistische (altruistisch/egoistisch) kannst du getrost verzichten.
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Wir sind ja einer

Beitragvon AgentProvocateur » Di 3. Aug 2010, 23:39

Lassen wir mal den Macks außen vor, der soll für sich selber sprechen.

ganimed hat geschrieben:Und dein Beispiel mit dem Millionär und dem Student passt übrigens gar nicht. Denn das Kriterium (altruistisch/egoistisch) taugt nicht zur Differenzierung. Beide, der Millionär und der Student, geben das Geld ohne etwas davon zu haben (so deine Illlusion) und sind deshalb beide zu 100% altruistisch.

Huch, wie kommst Du denn darauf?

'Altruismus' hängt für mich mit den jeweiligen persönlichen Kosten und Nutzen zusammen. Je mehr Kosten im Vergleich zu dem Nutzen: altruistischer. Und umgekehrt: egoistischer. Und ob es dabei überhaupt einen 100 %-Wert gibt: das ist hier unerheblich. (Ich glaube das eher nicht.)

Aber schauen wir nochmal auf die Beispiele: nehmen wir an, ein Millionär wirft einem Bettler 100 € in den Beutel und zwar deswegen, weil er irgend einem Begleiter / einer Begleiterin imponieren will. Nehmen wir auch an, ein armer Student, der auf dem Weg in die Kneipe ist, gibt einem Bettler seine letzten 5 €. Nach meinem Begriff wäre Letzteres altruistischer, weil ich damit größere Kosten verbinde. Und diese Kosten / Nutzenrechnung kann man mE nicht völlig unabhängig von dem ansehen, was man gemeinhin so als Kosten (unangenehm) und was man als Nutzen (angenehm) ansieht. Es bleibt doch gar nichts anderes übrig, als das ein bisschen zu abstrahieren, denn die tatsächlichen Motive kennt man eh nicht. Deine Behauptung, (der Student ist nach seiner Spende genauso glücklich, bzw. das ist ihm genauso nützlich, wie dem Millionär, bzw. jeder hat sein Nutzen-Maximum erreicht), erscheint mir also nicht evident.

ganimed hat geschrieben:Nichts gewonnen an Erkenntnis. Interessant wird es nur, wenn man sich den relativen Geldbetrag anschaut. Für den armen Studenten sind 10 Euro natürlich mehr und er ist deshalb großzügiger. Das Kriterium (großzügig/geizig) ist in diesem Fall also der Winner. Auf das illusionistische (altruistisch/egoistisch) kannst du getrost verzichten.

Hm, aber das ist doch genau dasselbe, was ich meine. Der Student ist genau deswegen großzügiger als der Millionär, weil er eben einen größeren Nachteil, einen größeren Kosten (gegengerechnet zum Nutzen) als der Millionär hat.

Na gut, wenn unser Dissens letztlich nur darin besteht, dass Du die Worte 'egoistisch' und 'altruistisch' vermeiden möchtest und stattdessen 'großzügig' und 'nicht großzügig' sagen willst, dann soll mir das recht sein. Da besteht nämlich meiner Ansicht nach überhaupt kein Unterschied. Muss mir dann nur merken, dass ich gegenüber Dir die richtige Nomenklatur verwende. Wofür ich nicht garantieren kann, das ist bei einem Menschen noch okay, bei mehreren wird das aber schwierig.

Eigentlich müsste ich ja jetzt alles revidieren, was ich oben zu Deinem ersten Zitat geschrieben habe. Wir sind ja einer Meinung! Nur unsere Nomenklatur ist unterschiedlich, was aber egal ist, wenn wir dasselbe meinen. Aber ich lasse das oben dennoch stehen, nun habe ich es schon mal geschrieben.
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon Macks » Mi 4. Aug 2010, 15:02

Danke erstmal an ganimed. Du hast meine Sichtweise verstanden bzw. teilst sie sogar.
Klar, gibt es da noch Fälle, in denen Fehlfunktionen vorhanden sind. Wenn man sich beispielsweise geistig behinderte Menschen ansieht. Oder auch Kleinkinder? Also Gehirne, die (noch) nicht völlig gereift sind, um sich selber nicht zu schaden. Ein Kleinkind weiß eben nicht, dass die Herdplatte heiß ist.

Aber ganimed, du hast recht. Diese Amendement müsste zu meiner Theorie hinzugefügt werden.

Egoismus und Altruismus sind in unserem Vokabular so nützlich wie ein Sandkasten in der Wüste. =)
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Re: Thema Altruismus mal wieder

Beitragvon AgentProvocateur » Do 5. Aug 2010, 20:12

@ganimed: ich antworte mal in diesem Thread auf Deinen Beitrag im anderen Thread, weil das mE hier besser hinpasst.

Du schreibst dort:

ganimed hat geschrieben:"Weil im Gehirn ein Belohnungsmechanismus alles steuert ... und die größte Belohnung sich immer durchsetzt, kann man nie etwas tun, was nicht maximal belohnt wird. Und weil alles, was maximal belohnt wird, egoistisch ist, folgt, dass alles, was man tut, egoistisch ist."

Hm, mir wäre es jetzt noch lieb, wenn wir den Belohnungsmechanismus daraus eliminieren könnten. Du sagtest ja weiter oben im anderen Thread:

ganimed hat geschrieben:Ich behaupte, die Motivation des Judenversteckers besteht aus Elementen, die der Befriedigung von Bedürfnissen und Trieben dienen.


Könnte man das nun auf obige Argumentation anwenden und zwar so:

"Weil alles der Befriedigung von Bedürfnissen und Trieben dient ... und die größte Befriedigung von Bedürfnissen und Trieben sich immer durchsetzt, kann man nie etwas tun, was nicht maximal belohnt wird. Und weil alles, was die jeweils maximale Befriedigung von Bedürfnissen und Trieben ist, egoistisch ist, folgt, dass alles, was man tut, egoistisch ist." ?

Wäre das so ok für Dich?

Nochmal kurz festhalt: bei folgender Definition stimmen wir überein:

Egoistisch ist demnach eine Handlung dann, wenn sie mehr Vorteile als Nachteile für den Handelnden bringt (bzw. er vorher glaubt, dass dies so ist). Altruistisch ist eine Handlung dann, wenn sie mehr Nachteile als Vorteile (mehr Kosten als Nutzen) für den Handelnden bringt.

Dazu noch eine Frage: wie bestimmt man die Nachteile und die Vorteile eines Menschen in einer bestimmten Situation? Man kann zwar aus der Situation und seinem Wissen darüber und über den Menschen und seiner Selbstauskunft je nach Wissen mehr oder weniger gute Schlüsse ziehen, man muss aber immer zumindest teilweise interpolieren, (d.h. von sich oder von anderen in vergleichbaren Situationen analoge Annahmen treffen). Oder nicht?

Nehmen wir nochmal den Judenverstecker. Nun behaupte ich selbstverständlich nicht, dass dessen Entscheidung nicht auf Bedürfnissen, Trieben, Interessen, Gefühlen, Überlegungen, Abwägungen etc. pp. beruhte. Und ich behaupte auch nicht, dass er sich nicht für das entschieden hatte, was er in der Situation letztlich für das Beste hielt. Ich gehe davon aus, dass er eben das getan hat.

Aber das ist doch gar die Frage hier. Die Frage ist, (nach der von Dir bestätigten Definition): ob seine Handlung mehr Nachteile als Vorteile für ihn bedeutete. Und da ich seine Motive nicht genau kenne, muss ich eben interpolieren. Ich stelle mir vor, dass er aufgrund seiner Entscheidung jahrelang in Angst gelebt hat und das auch vorher wusste. Und ich stelle mir vor, dass er, hätte er den Juden nicht versteckt, nicht in Angst gelebt hätte. Es mag nun zwar sein, dass, hätte er es nicht getan, er daraufhin mit Selbstvorwürfen gelebt hätte, die er als schlimmer als die Angst empfunden hätte, (das wäre dann eine egoistische Handlung nach unserer Definition gewesen). Nun steckt da natürlich unweigerlich ein Stück Spekulation drin, das ist unausweichlich, aber mir erscheint es nicht nur möglich, dass es viele solcher Fälle gab, bei denen die persönlichen Nachteile die persönlichen Vorteile weit überwogen, mir erscheint es sehr unplausibel, per se zu behaupten, das könne nicht sein. Warum sollte es prinzipiell nicht möglich sein, dass jemand in seiner Abwägung die Interessen von anderen höher gewichtet als seine eigenen und daraufhin seine Interessen zurücksteckt und das dann für das Beste hält?

Und noch folgende Frage auf Deinen Beitrag weiter oben in diesem Thread bezogen: wenn Du zwischen 'großzügiger' und 'weniger großzügig' unterscheidest, nach welchen Kriterien tust Du das? Ist das etwa nicht die Abwägung zwischen den persönlichen Vor- und Nachteilen für den Geber? Wenn nicht: was sonst?
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