Naturalismus als Weltanschauung

Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Sa 19. Apr 2008, 16:23

Myron hat geschrieben:Derartige nichtnatürliche Ursachen wären selbstredend übernatürlicher Art und mit dem Naturalismus sicher nicht vereinbar.

Wo siehst du da den Widerspruch in meiner Aussage, ohne in WIderspruch mit dieser deiner Aussage zu kommen?
Qubit hat geschrieben:Ja, weiter, der Naturalismus "naturfiziert" gar gleichsam alles, was in der Natur wirkt, dies unabhängig davon, ob es eine natürliche Rekonstruktion überhaupt geben kann. Ob letzteres der Fall ist, lässt sich in diesem Bezugsrahmen selbst nicht entscheiden.

Wenn man das von mir als naturalistisches Weltbild Beschriebene mit der Weltanschauung, die die uneingeschränkte Gültigkeit des naturalistischen Weltbildes anerkennt, und welche Weltanschauung wir hier als Weltanschauung der "Brights" bezeichnen, nicht identifiziert, dann magst du über eine naturalistische Weltanschauung aber nicht das naturalistische Weltbild gesprochen haben. Die von dir in diesem Sinne als naturalistische Weltanschauung charakterisierte Auffassung, dass es auch "nicht natürliche", gar "übernatürliche" Ursachen prinzipiell geben kann, ist für mich allerdings mit der vorderen Charakterisierung der "Brights" so nicht vereinbar.
Würdest du dich also in etwa "halbbekennender Bright" betrachten, der neben dem Naturalismus prinzipiell auch übernatürliche Weltbilder für möglich hält?
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon El Schwalmo » Sa 19. Apr 2008, 16:39

folgsam hat geschrieben:Es ist zumindest geboten davon auszugehen, dass Elektronen physikalische Gebilde sind.

was meinst Du mit 'ist geboten'?

Würde sich irgendetwas ändern, wenn wir sagen würden, dass unsere Theorien, die davon ausgehen dass es Elektronen 'gibt', die Natur passend beschreiben, ohne dass man davon ausgehen muss, dass es Elektronen 'gibt'?

folgsam hat geschrieben:Wie sie nun "wirklich" aussehen kann natürlich niemand sagen, aber die Modelle die wir anwenden um Elektronen und mit ihnen Verknüpfte Erscheinungen zu beschreiben und Vorherzusagen haben sich als so korrekt herausgestellt das eigentlich an der Existenz eines Elektrons kein Zweifel bestehen kann.

Da bin ich mir nicht so sicher. Du machst Deine Aussage relativ zur Leistungsfähigkeit der heute bekannten Modelle. Woher weißt Du, dass es nicht irgendwann Modelle geben wird, in denen das, was in den heutigen Modellen als 'Elektron' beschrieben wird, gar nicht mehr existiert?

Ich kann in diesem Zusammenhang immer nur empfehlen, gelegentlich in alte Lehrbücher zu schauen. Das, über das wir heute lächeln, war irgendwann mal der 'Stand der Erkenntnis' und wurde mit dem Brustton der Überzeugung vertreten.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Sa 19. Apr 2008, 16:45

folgsam hat geschrieben:Es ist zumindest geboten davon auszugehen, dass Elektronen physikalische Gebilde sind.

Nochmal
Qubit hat geschrieben:"Natur" bedeutet für mich der Kontext, den wissenschaftliche Theorien über Erscheinungen der Wirklichkeit, welche sich an empirisch überprüfbaren Aussagen bewähren, festlegen.

Oder ausführlicher formuliert: die "Natur" des "Elektrons" wird durch den Kontext einer physikalischen Theorie, die sich an empirisch überprüfbaren Aussagen über Erscheinungen des Elektrons in der Wirklichkeit, i.e. "Wirkungen" des Elektrons, bewährt hat, festgelegt.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » Sa 19. Apr 2008, 17:10

Qubit hat geschrieben:Wenn man das von mir als naturalistisches Weltbild Beschriebene mit der Weltanschauung, die die uneingeschränkte Gültigkeit des naturalistischen Weltbildes anerkennt, und welche Weltanschauung wir hier als Weltanschauung der "Brights" bezeichnen, nicht identifiziert, dann magst du über eine naturalistische Weltanschauung aber nicht das naturalistische Weltbild gesprochen haben. Die von dir in diesem Sinne als naturalistische Weltanschauung charakterisierte Auffassung, dass es auch "nicht natürliche", gar "übernatürliche" Ursachen prinzipiell geben kann, ist für mich allerdings mit der vorderen Charakterisierung der "Brights" so nicht vereinbar.
Würdest du dich also in etwa "halbbekennender Bright" betrachten, der neben dem Naturalismus prinzipiell auch übernatürliche Weltbilder für möglich hält?


1. Weltbilder als sprachliche oder bildliche Darstellungen der Wirklichkeit sind kulturelle Produkte. Auch ein supernaturalistisches Weltbild ist selbst nichts Übernatürliches. Aber deine Frage lautet sicher: "Hältst du es für möglich, dass ein Glaube an etwas Übernatürliches wahr sein kann?"

2. Es geht mir darum, dass der (materialistische) Naturalismus keine (logisch) notwendige, sondern eine kontingente Wahrheit sein soll.

"[W]e materialists usually think that Materialism is a contingent truth. We grant that there are spooky possible worlds where Materialism is false, but we insist that our actual world isn't one of them."

"Wir Materialisten denken üblicherweise, dass der Materialismus eine kontingente Wahrheit ist. Wir gestehen zu, dass es gespenstische mögliche Welten gibt, wo der Materialismus falsch ist; aber wir behaupten fest, dass unsere wirkliche Welt keine davon ist."
[meine Übers.]

(Lewis, David. "What Experience Teaches." in Papers in Metaphysics and Epistemology, 262-290. Cambridge: Cambridge University Press, 1999. p. 274)

Ein von übernatürlichen Elementen freies Weltbild vertritt derjenige, der nicht an das tatsächliche, das wirkliche Vorkommen übernatürlicher Dinge oder Ereignisse glaubt. Er muss nicht unbedingt auch an die (logische) Unmöglichkeit des Vorkommens solch "gespenstischer" Sachen glauben.

Die stärkste Form des Naturalismus ist diejenige, der zufolge übernatürliche Wesen wie Geister und "freischwebende" Seelen logische Undinge sind, d.h. Dinge, die in keiner (logisch) möglichen Welt existieren.
Ich persönlich neige sogar zu der Ansicht, dass der Begriff der Seelen- oder Geistersubstanz widersinnig und unverständlich ist, d.h. dass der Substanzdualismus eine notwendige Falschheit ist. Doch da ich befürchte, dass ein streng formaler Beweis seiner logisch unmöglichen Wahrheit kaum zu erbringen sein wird, bin ich (noch) vorsichtig und halte es mit Lewis, d.h. mit der Behauptung, dass der Naturalismus bzw. Materialismus (= materialistischer Naturalismus) kontingentermaßen wahr ist.
Mit anderen Worten, der Naturalist räumt ein, dass es hätte sein können, dass in unserer Welt übernatürliche Sachen vorkommen, aber er verneint, dass es tatsächlich so ist, dass in unserer Welt übernatürliche Sachen vorkommen.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » Sa 19. Apr 2008, 17:18

Qubit hat geschrieben:Oder ausführlicher formuliert: die "Natur" des "Elektrons" wird durch den Kontext einer physikalischen Theorie, die sich an empirisch überprüfbaren Aussagen über Erscheinungen des Elektrons in der Wirklichkeit, i.e. "Wirkungen" des Elektrons, bewährt hat, festgelegt.


Der Inhalt, d.i. die Summe der (semantischen) Merkmale des Begriffs <Elektron> wird von den Physikern festgelegt.
Darüber, ob es tatsächlich etwas gibt, das unter den Begriff <Elektron> fällt, d.h. das die von dessen Merkmalen repräsentierten Eigenschaften besitzt, entscheiden jedoch nicht die Physiker, sondern allein die physische Realität.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Nathan » Sa 19. Apr 2008, 17:22

Wenn ich das richtig verstehe, gibt es hier zwei Auffassungen Naturalismus: einmal den Glauben an den Gegenstand der Wissenschaft, also das, was grundsätzlich herausgefunden werden kann. Und den Glauben an den Stand der Wissenschaft, also das, was die Wissenschaft glaubt herausgefunden zu haben.
Naturalismus ist in beiden Fällen ein Scientismus, sehe ich das richtig? Geht es eigentlicht gar nicht um "Natur" oder "Physische Welt" oder dergleichen, sondern um Wissenschaft?

Nur finde ich beide Thesen oben ziemlich gewagt: wenn Naturalismus nur an das glaubt, was "grundsätzlich" von der Wissenschaft herausgefunden werden kann, dann umfasst er eben auch Dinge, die nicht überprüfbar sind. Denn er glaubt an eine Wahrheit, die von der Wissenschaft noch nicht entdeckt wurde und vielleicht auch nie entdeckt wird, also auch nicht überprüfbar ist. Und als Christ glaube ich übrigens auch, dass alle Menschen nach dem Tod überprüfen können, ob es einen Gott gibt, nur hier ist das nicht so einfach.
Interessanter ist daher die zweite Fassung, die allerdings so naiv klingt, dass sie eigentlich keine Wissenschaft mehr möglich macht. Welchen Sinn macht Wissenschaft, wenn der aktuelle Stand schon die Wahrheit ist? Wissenschaft würde ja geradezu zum Kampf gegen die Wahrheit.

Gruß

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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Sa 19. Apr 2008, 17:35

Myron hat geschrieben:Der Inhalt, d.i. die Summe der (semantischen) Merkmale des Begriffs <Elektron> wird von den Physikern festgelegt.
Darüber, ob es tatsächlich etwas gibt, das unter den Begriff <Elektron> fällt, d.h. das die von dessen Merkmalen repräsentierten Eigenschaften besitzt, entscheiden jedoch nicht die Physiker, sondern allein die physische Realität.

Das, was die "physische Realität" in diesem Kontext entscheidet, sind die
Qubit hat geschrieben:empirisch überprüfbaren Aussagen über Erscheinungen des Elektrons in der Wirklichkeit, i.e. "Wirkungen" des Elektrons

nicht mehr und nicht weniger ;-)
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Sa 19. Apr 2008, 18:03

Myron hat geschrieben:Es geht mir darum, dass der (materialistische) Naturalismus keine (logisch) notwendige, sondern eine kontingente Wahrheit sein soll.

Was bedeutet das hier für dich konkreter:
Alles was "logisch wahr" oder nicht "logisch nicht wahr" ist KANN also auch "kontingent wahr" sein?
Was bestimmt denn dann in deiner Logik, was "kontingent wahr" IST?
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon El Schwalmo » Sa 19. Apr 2008, 18:34

Myron hat geschrieben:Mit anderen Worten, der Naturalist räumt ein, dass es hätte sein können, dass in unserer Welt übernatürliche Sachen vorkommen, aber er verneint, dass es tatsächlich so ist, dass in unserer Welt übernatürliche Sachen vorkommen.

genauer: er glaubt, dass das so ist, denn 'verneinen' heißt nicht, 'beweisen können'.

Selbstverständlich kann man die Auffassung vertreten, dieser 'Glaube' sei rationaler als andere Formen von Glauben, vor allem, weil er auf Intersubjektivität Wert legt. Dadurch kommen wir aber zu der Frage, wie weit die 'Welt an sich' mit der kommunzierbaren 'Welt für mich' übereinstimmt.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 19. Apr 2008, 19:39

Qubit hat geschrieben:Du hast den Naturalismus in diesen Kontext gebracht. Dieser ist jedoch nicht nur nicht notwendig, sondern hier nicht zutreffend.

Du schriebst weiter oben:
Qubit hat geschrieben:Die "Kontingenz" der erzeugten Ontologie des Naturalismus liegt in der "Kontingenz" der Rekonstruktionen.

Was ich unter Kontingenz verstehe, deckt sich mit dem, was Myron bereits ausgeführt hat.

Bevor ich dazu Stellung nehme, versuche ich, Deinen Standpunkt mit meinen Worten zu beschreiben. (Es hat keinen Sinn, sich über etwas auseinander zu setzen, was keiner von uns vertritt)
Bitte korrigiere mich, wenn Du Dich missverstanden fühlst:

Der Naturalismus rekonstruiert "Natur" aus Seiendem. Da der Prozess dieser Rekonstruktion seinerseits etwas Seiendes darstellt, ist er nicht kontingent. Ergo ist der Naturalismus real. Und auch nicht falsifizierbar, also selbstkonsistent.

Ist das soweit korrekt wiedergegeben?
Woher weißt Du, dass der Naturalismus rekonstruiert, und nicht einfach konstruiert? (immerhin lässt Du offen, ob es eine solche Rekonstruktion überhaupt geben kann)

fragt
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 19. Apr 2008, 19:44

Myron hat geschrieben:2. Es geht mir darum, dass der (materialistische) Naturalismus keine (logisch) notwendige, sondern eine kontingente Wahrheit sein soll.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mit einem materialistischen Naturalisten mal so auf einer Linie sein könnte.

Dass man den eigenen Standpunkt für den bestmöglichen hält, weil er nicht nur plausibel, sondern auch in theoretischer Hinsicht bestechend erscheint, ist das Normalste von der Welt - aber es lässt sich zumindest nicht ausschließen, dass andere Ontologien richtiger sind.
Für mich ergibt sich daraus die Einsicht, dass andere Ontologien, die sich (im Rahmen ihres Bezugssystems) nicht selbst widersprechen, zu tolerieren sind.

Grüßle,
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 19. Apr 2008, 19:46

Myron hat geschrieben:Wie die Physiker den Begriff <Elektron> definieren, ist freilich deren Sache; und insofern kann man sagen, der Begriff <Elektron> sei theorieabhängig. Aber entweder gibt es Elektronen im Sinne der entsprechenden physikalischen Konzeption oder nicht. Wenn es sie gibt, dann existieren sie theorieunabhängig "an sich".

Gewiss, aber theorieunabhängig begegnen uns keine Elektronen. Um sie empirisch festzustellen, bedarf es der Theorie.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » Sa 19. Apr 2008, 20:22

Nathan hat geschrieben:Naturalismus ist in beiden Fällen ein Scientismus, sehe ich das richtig? Geht es eigentlicht gar nicht um "Natur" oder "Physische Welt" oder dergleichen, sondern um Wissenschaft?


Die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschung sind für die Naturalisten von sehr großer Bedeutung, und der Naturalismus ist insoweit szientistisch, als er den Glauben, dass die Philosophie auf rein apriorischem Wege zu "höherem" Wissen gelangen könne als die empirisch arbeitenden Wissenschaften, ablehnt.

Es gibt rein methodologische Naturalisten, die der Metaphysik grundsätzlich nicht wohlgesinnt sind, und die unterwürfig an den Lippen der Naturwissenschaftler hängen, auf jegliche "transempirische" Grundsätze verzichtend.

Ich will es frei nach David Lewis so ausdrücken:
Der Naturalismus sollte neben den Naturwissenschaften Platz nehmen, aber nicht auf deren Stuhl.
Will sagen, der Naturalismus sollte als relativ eigenständiger philosophischer Standpunkt aufgefasst werden, der zwar wissenschaftsnah, aber kein Teil der Naturwissenschaften ist.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Sa 19. Apr 2008, 20:33

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Qubit hat geschrieben:Du hast den Naturalismus in diesen Kontext gebracht. Dieser ist jedoch nicht nur nicht notwendig, sondern hier nicht zutreffend.

Du schriebst weiter oben:
Qubit hat geschrieben:Die "Kontingenz" der erzeugten Ontologie des Naturalismus liegt in der "Kontingenz" der Rekonstruktionen.

Was ich unter Kontingenz verstehe, deckt sich mit dem, was Myron bereits ausgeführt hat.
[..]
Der Naturalismus rekonstruiert "Natur" aus Seiendem. Da der Prozess dieser Rekonstruktion seinerseits etwas Seiendes darstellt, ist er nicht kontingent. Ergo ist der Naturalismus real. Und auch nicht falsifizierbar, also selbstkonsistent.
[..]
Ist das soweit korrekt wiedergegeben?

Nein, du hast es noch nicht verstanden.
Der Naturalismus rekonstruiert nichts. Die Natur wird durch den Kontext wissenschaftlicher Theorien rekonstruiert, die sich empirisch bewährt haben. Der Prozess dieser Rekonstruktion erzeugt die Ontologie des Naturalismus. "Kontingent" ist die Rekonstruktion, nicht der Naturalismus selbst. Nein, der Naturalismus ist nicht in dem von dir angeführten Sinne real. Ja, der Naturalismus ist nicht falsifizierbar und selbstkonsistent.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Woher weißt Du, dass der Naturalismus rekonstruiert, und nicht einfach konstruiert? (immerhin lässt Du offen, ob es eine solche Rekonstruktion überhaupt geben kann)

Es ist die Auffasung der "Natur" im Sinne meines Naturalismus, die eine Rekonstruktion notwendig macht und keine Konstruktion sein kann.
Wie oft muss ich mich noch selbst zitieren?
Qubit hat geschrieben:"Natur" bedeutet für mich der Kontext, den wissenschaftliche Theorien über Erscheinungen der Wirklichkeit, welche sich an empirisch überprüfbaren Aussagen bewähren, festlegen.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 19. Apr 2008, 20:51

Qubit hat geschrieben:Der Prozess dieser Rekonstruktion erzeugt die Ontologie des Naturalismus.

Inwiefern?

Qubit hat geschrieben:Es ist die Auffasung der "Natur" im Sinne meines Naturalismus, die eine Rekonstruktion notwendig macht und keine Konstruktion sein kann.
Wie oft muss ich mich noch selbst zitieren?
Qubit hat geschrieben:"Natur" bedeutet für mich der Kontext, den wissenschaftliche Theorien über Erscheinungen der Wirklichkeit, welche sich an empirisch überprüfbaren Aussagen bewähren, festlegen.


Dein Zitat ist mir sehr bewusst. Und darin liegt ja auch das Problem. Wenn "Natur" das ist, was durch wissenschaftliche Theorien festgelegt wird, dann kann es vorher nicht schon Natur gewesen sein. Darum gibt es auch nichts zu rekonstruieren.

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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Sa 19. Apr 2008, 21:00

Qubit hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Es geht mir darum, dass der (materialistische) Naturalismus keine (logisch) notwendige, sondern eine kontingente Wahrheit sein soll.

Was bedeutet das hier für dich konkreter:
Alles was "logisch wahr" oder nicht "logisch nicht wahr" ist KANN also auch "kontingent wahr" sein?
Was bestimmt denn dann in deiner Logik, was "kontingent wahr" IST?


Also, ich sehe für dich hier 2 Möglichkeiten:
(1) Die "kontingente Wahrheit" hängt nicht von der "logischen Wahrheit" ab
(2) Die "kontingente Wahrheit" hängt von der "logischen Wahrheit" ab

ad (1) Die "logische Wahrheit" ist unerheblich für die "kontingente Wahrheit". Dein Argument ist also hinfällig, dass "logische Wahrheit" überhaupt Auswirkungen auf "Wirklichkeiten" haben können.
ad (2) Wir müssen näher hinschauen. Was "kontingent wahr" ist, muss auch "logisch wahr" sein? Was "kontingent nicht wahr" ist, ist unabhängig davon, ob es "logisch wahr" ist? "Kontingent wahr" bedeutet hier "Wirklichkeit" als das was "wirkt" und erfahrbar ist.

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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Sa 19. Apr 2008, 21:12

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Qubit hat geschrieben:Der Prozess dieser Rekonstruktion erzeugt die Ontologie des Naturalismus.

Inwiefern?

Indem die Rekonstruktionen den Kontext der Natur festlegen.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
Qubit hat geschrieben:Es ist die Auffasung der "Natur" im Sinne meines Naturalismus, die eine Rekonstruktion notwendig macht und keine Konstruktion sein kann.
Wie oft muss ich mich noch selbst zitieren?
Qubit hat geschrieben:"Natur" bedeutet für mich der Kontext, den wissenschaftliche Theorien über Erscheinungen der Wirklichkeit, welche sich an empirisch überprüfbaren Aussagen bewähren, festlegen.


Dein Zitat ist mir sehr bewusst. Und darin liegt ja auch das Problem. Wenn "Natur" das ist, was durch wissenschaftliche Theorien festgelegt wird, dann kann es vorher nicht schon Natur gewesen sein. Darum gibt es auch nichts zu rekonstruieren.


Das "Re" in Rekonstruktion ist bedingt durch die Forderung, dass sich in der wissenschaftlichen Theorie "empirisch überprüfbaren Aussagen bewähren" müssen.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 19. Apr 2008, 22:22

Qubit hat geschrieben:Indem die Rekonstruktionen den Kontext der Natur festlegen.

Diese (Re)Konstruktionen selbst sind doch kontingent. Wenn aber kontingente (Re)Konstruktionen den Kontext der Natur festlegen, dann ist die resultierende Ontologie ebenfalls kontingent.
Also muss es wohl der Vorgang, dass Menschen ein Gedankenkonstrukt erstellen, selbst sein, aus dem Du ontologische Notwendigkeit und Selbstkonsistenz ableitest ... wie soll das gehen(?)
Oder geht es Dir um das, was mit dem Portrait-Malen verglichen wurde: Dass die Forschungsgeschichte einem Maler gleicht, der sein Bild erst skizzenhaft und mit der Zeit immer präziser zeichnet?

Qubit hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Dein Zitat ist mir sehr bewusst. Und darin liegt ja auch das Problem. Wenn "Natur" das ist, was durch wissenschaftliche Theorien festgelegt wird, dann kann es vorher nicht schon Natur gewesen sein. Darum gibt es auch nichts zu rekonstruieren.


Das "Re" in Rekonstruktion ist bedingt durch die Forderung, dass sich in der wissenschaftlichen Theorie "empirisch überprüfbaren Aussagen bewähren" müssen.

Diese empirisch überprüfbaren Beobachtungen haben nur eine metatheoretische Funktion. Für die Ontologie tragen sie nichts aus. Sie können kein Sein rekonstruieren, sondern nur wissenschaftliche Sätze bestätigen oder falsifizieren. Keine wissenschaftliche Theorie gibt mir letztgültig Auskunft, ob der Raum, der mich umgibt, 'tatsächlich' nach cartesischen oder riemannschen (oder ganz anderen) Regeln strukturiert ist.

Also geht es bei diesen Konstruktionen nicht um sicheres Sein, sondern um Plausibilität.

Aber eine solche Art von Plausibilität kann jede einigermaßen gut aufgestellte Ontologie innerhalb ihres Bezugsrahmens erzeugen (andernfalls gäbe es sie nicht): Dh, für ontologische "Rekonstruktionen" aller Art gilt: Wes' Knecht ich bin, des Lied ich sing.

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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Sa 19. Apr 2008, 23:34

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Diese (Re)Konstruktionen selbst sind doch kontingent.

Nur insofern sie nicht den Kontext aller Erscheinungen der Wirklichkeit im Kontext der Natur der wissenschaftlichen Theorien über Erscheinungen der Wirklichkeit, welche sich an empirisch überprüfbaren Aussagen bewähren, festgelegt haben.

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Diese empirisch überprüfbaren Beobachtungen haben nur eine metatheoretische Funktion. Für die Ontologie tragen sie nichts aus

Doch, tun sie. Wissenschaftliche Theorien erklären zB warum dein Arsch furzt im Kontext deines Blähbauches, welcher für dich denkt ;-)
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » So 20. Apr 2008, 00:14

Qubit hat geschrieben:Das, was die "physische Realität" in diesem Kontext entscheidet, sind die
Qubit hat geschrieben:empirisch überprüfbaren Aussagen über Erscheinungen des Elektrons in der Wirklichkeit, i.e. "Wirkungen" des Elektrons

nicht mehr und nicht weniger ;-)


Kurzum, die physische Realität macht die physikalischen Aussagen wahr—oder eben nicht.
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