dvrvm hat geschrieben:Du stellst das als indiskutabel hin
Nicht indiskutable - sondern unsinnig!
Ich kann nichts ueber irgendeine hinreichend weitentfernte Zukunft aussagen, wie kann ich also etwas, worueber ich nichts aussagen kann, als Entscheidungshilfe hernehmen?
dvrvm hat geschrieben:Übrigens besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen den Fragen, ob der Embryo "leidensfähig" oder ob er "menschenartig" ist.
Ich hab ja auch nicht geschrieben "menschenartig" sondern "ob er so ist wie ein Mensch"!
Und damit mein ich die Faehigkeiten, die ein geborener Mensch besitzt, die einen geborenen menschen ausmacht, also auch Leidensfaehigkeit - und eben das besteht bei einen Zellhaeufchen nicht!
dvrvm hat geschrieben:Das ist eine falsche Folgerung beziehungsweise eine Fehlinterpretation. Es geht nicht darum, dass jeder jede Menge Kinder produzieren soll, "weil Leben lebenswert ist". Es kann aber, konsequentialistisch gesehen, für eine Person, je nach Situation moralisch geboten sein, ein, zwei oder drei Kinder zu bekommen, in speziellen Fällen wohl auch mehr, oder auch gar keines (wenn das Kind ein "schlechtes Leben" hätte, oder die Welt negativ beeinflussen würde. Zur Welt gehört immer auch der Handelnde selber, aber nicht nur.) Nicht "jedes Leben was entstehen könnte, muss entstehen", aber es kann sein, dass eine Person der Welt einen Dienst erweist, indem er ein Kind auf die Welt setzt, und dann ist das, wenn man konsequent konsequentialistisch sein will, geboten. Oft wird aber die Entscheidung "Kind oder nicht" ca. neutral ausfallen. Dann kann man mit der einfachen Abstraktion "Leidensfähigkeit des Fötus vs. Leiden der Mutter" argumentieren.
Weil etwas fuer die Welt gut ist, ist es geboten?
Nein, eindeutig nein!
1. wer bestimmt was gut (der Welt einen Dienst erweisen) oder schlecht (Der Welt keinen Dienst erweisen) ist?
Alle Voelker dieser Erde haben zu unterschiedlichsten Zeiten alle moeglichen Moralvorstellungen gehabt, was "ein Dienst an der Welt" ist.
2. wuerde ich gerne die objektivierungs-kritierien sehen, die bestimmen was "ein Dienst an der Welt ist"!
3. Koennte ich genauso behaupten, das es gewisse Zeiten benoetigen, das Kinder auf die Welt kommen (also das Kindermachen ein Dienst fuer die Welt ist) und daraus kann ich schlussfolgern das das Selbstbefriedigung, wo das Sperma nicht zum kindermachen verwendet wird, ab diesen Zeitpunkt verboten ist, da soviel Sperma wie moeglich fuers kindermachen zur Verfuegung stehen muss.
4, lehne ich es grundsaetzlich ab, Menschen eine Moral aufzusetzen, die einerseits unter Umstaenden gegen ihren Willen ist (zum Wohle einer Welt) - und genau nichts anderes ist gemeint, wenn ich meine "das fuer das Wohl einer Welt" etwas "geboten" ist.
Es ist nicht an einem Wohl der Welt zu streben (denn wie gesagt: wer bestimmt das?), sondern nach den groesstmoeglichen Wohl der Menschen, und das bedeutet kein Individualismus ins Extreme verzehrt, sondern genau das Gegenteil, in dem ich als Individuum erkenne, das auch andere Beduerfnisse habe (der Mensch als soziale Wesen), werd ich moeglichst darauf schauen, das es auch ihnen wohl ergeht - das bedeutet in Wirklichkeit ein gemeinschaftliches Bestreben nach Wohlergehen, wobei keine Interessen einiger Weniger zaehlen, sondern eben die Interessen aller. (du siehst auch ich bin ein idealistischer Ethiker
)
dvrvm hat geschrieben:@Zukunft (abseits von dieser Diskussion [Bedeutet: fuer eine Folgeethik, die aber im Fall der Abtreibung nicht zutrifft]): Ich koennte insofern einer nahen Zukunft mehr Bedeutung zumessen, in dem ich bestimme Vorhersagen ueber eine nahe Zukunft erstellen kann, das funktioniert bei einer fernen Zukunft nicht!
Denn selbst wenn ich alle Naturgesetze kenne und damit alle Ereignisse determiniert sind, bedeutet das ja noch lange nicht, das ich die Ereignisse berechnen kan (dynamische Systeme, Dreikoerper-Problem, etc) - aufgrunddessen werden alle Aussagen ueber eine Zukunft, die hinreichend weit entfernt liegt, unsinnig!)
Erstmal ist es für mich völlig unverständlich, warum die Folgenethik überall anwendbar sein soll AUSSER bei der Abtreibung?
Das habe ich auch nicht behauptet!
Nur indem ich keine Aussage ueber eine hinreichend weitentfernte Zukunft machen kann, gilt das somit nicht fuer eine Abtreibung.
Und das gilt natuerlich auch fuer entsprechend gleiche Ereignisse!
dvrvm hat geschrieben:Deine weitere Argumentation spricht wieder einen anderen Punkt an: Du bevorzugst eine Ethik, die auf relativ einfache Weise praktisch anwendbar ist, weil man keine sehr komplizierten Abschätzungen machen muss, die man sowieso nicht hinreichend genau beantworten kann. Dafür hat diese Variante die Schwäche, dass sie im Vornherein darauf verzichtet, eventuelle bessere Lösungen in Betracht zu ziehen.
Es kann keine bessere Loesung dabei rauskommen, wenn ich keine Aussage ueber hinreichend komplexe systeme machen kann!
Es ist daher muessig und rein akademisch ohne jeglichen praktischen Einfluss, wenn ich darueber nachdenke, worueber ich keine Aussagen treffen kann.
Und die Umwelt, mit allen sozialen Einfluessen, das Gehirn das mit der Umwelt in Kontakt ist, die menschlichen Beziehungen sind chaotische, dynamische Prozesse, die unter Umstaenden einer deterministischen Gesetzgebung unterliegen, die aber niemals berechenbar sein werden!
Im nachhinein, ja, da kann ich darueber nachdenken, ob es bessere Loesungen gibt! Vorher nicht!
Was aber nicht bedeutet, das ich nicht mehr ueber die Zukunft nachdenken kann! Aber eben nur so wie ich sie haben will!
Ich kann maximal Abschaetzungen abgeben, wie die Welt einmal sein wird, das die aber sogut wie kaum zutreffen, beweisen uns die ZukunftsforscherInnen jedesmal aufs neue ...
dvrvm hat geschrieben:Ich bevorzuge eine idealistische Ethik, im Wissen, dass ich sie nie vollständig und genau umsetzen kann, aber ebenfalls im Wissen, dass ich mir die Angelegenheit nicht unnötig bzw. unzulässig leicht mache und nur naiv auf die unmittelbare Zukunft schaue. Siehe mein Umwelt-Beispiel weiter oben für eine Begründung der Position. Allerdings macht man in den meisten Fällen wohl keinen grossen Fehler mit der Nahe-Zukunft-Annahme.
Eine idealistische Ethik bevorzuge ich, nur worueber ich keine Aussage machen kann, darueber soll ich auch keine Aussage treffen!
Was ich aber machen kann: ich kann hier und jetzt eine idealistische Ethik entwerfen und alles moegliche tun darauf hinzuarbeiten.
Nur sag ich damit nichts ueber eine Zukunft aus, sondern ich will nur jetzt das es so sein wird! Wobei du, bei der Abtreibung eine Zukunft miteinbeziehst und da gleichzeitig eine Aussage ueber die Zukunft machst.
dvrvm hat geschrieben:(Zur theoretischen Berechenbarkeit der Zukunft siehe aber Laplace-Dämon-Problem. Wenn die Quantenphysik indeterministisch interpretiert wird, sind die Vorgaben andere, aber in einer deterministischen Interpretation wäre bei Kenntnis aller Variablen die Berechnung möglich. Wiederum geht es hier nur um theoretische Aussagen, Aussagen über "Dauer der Berechnung" etc. sind hier out of context. Das Dreikörperproblem oder dynamische Systeme sind aber nicht die limitierenden Faktoren.)
Nein!
Auch ein deterministisches System bedeutet _nicht_, das etwas berechenbar ist!
Zb Klima: ich kann das Klima nicht berechnen, ich kann Vorhersagen treffen, ich kann ungefaehr sagen, wie sich ein System mit bestimmten Parametern verhaelt.
Ich kann aber ein dynamisches System wie das Klima nicht gaenzlich berechnen, auch mit aller Zeit dieses Universums nicht und auch nicht mit aller Rechenkraft.
Ich kann zwar nachher sagen "Ah! Okay der Regen in New York am 1.1.2005 um 5 Uhr, laesst sich zurueckverfogend genau determinieren", aber ich kann nicht zb am 1.1.2004 vorrausberechnen, wie das Wetter am 1.1.2005 um 5 Uhr in New York sein wird. Das ist nicht moeglich! Auch nicht mit den besten Computern dieser Welt! (bestimmte) Dynamische Systeme verhalten sich hochgradisch chaotisch und selbe Einfluesse koennen unterschiedliche Auswirkungen haben. Die ich zwar im nachhinein streng deterministsich erklaeren kann, aber eben nicht fuer eine
1. beliebig weitenfernte Zukunft, und
2. fuer ein beliebig komplexes System.
(verzeihung fuer meine Sprachwahl ich bin Mathematiker
)
Determinismus eines Systems darf nicht mit der Berechenbarkeit eines Systems verwechselt werden! Das faengt bei der guten alten Turingmaschine schon an (und die Turingmaschine ist alles andere als chaotisch, sondern streng deterministisch!).
Ich will nicht behaupten, das die physikalische Welt dem Unvollstaendigkeitssatz Goedels unterliegt, da das ein strengformales System vorrausetzt. Und die Physik ist nicht in dem Sinne der Mathematik strengformal, da ich durch neue Erkenntnise, das formale Alphabet eines System staendig erweitere. Und ob das so ist, ist die zu stellende Frage.
Aber wenn das Universum tatsaechlich einen formalen System entspricht, und die Naturgesetze einen formalen Alphabet und ich bestimmte Saetze aus diesen formalen Alphabet durch vorgegebene Regeln bilden kann (also Phaenomene aus den Naturgesetzen erklaeren kann), dann - und damit muessen sich auch DeterminsitInnen (wie zb auch ich einer bin) abfinden - wird es immer Phaenomene geben, die wir nicht berechnen koennen, ueber die keine Aussage getroffen werden kann.
edit: Man kann sogar folgendes aussagen:
Das ein geschlossenes deterministsiches System, wie zb ein strengformales System, weniger Moeglichkeit zulaesst es zu berechnen, als ein offenes chaotisches System, dessen deterministischen Gesetzen ich nicht kenne!
Warum?
Der Unvollstaendigkeitssatz, das Halte-Problem gilt fuer formale Systeme und formale Systeme sind geschlossene Systeme (haben ein endliches formale Alphabet), somit gibt es in einen geschlossenes deterministsiches System, wie zb ein strengformales System, Saetze ueber die ich keine Aussage treffen kann, ob sie wahr oder unwahr sind, sie sind unentscheidbar.
Dagegen ein offenes chaotisches System, dessen deterministischen Gesetzen ich nicht kenne, nehmen wir als Bsp. das Wetter kann ich unter Umstaenden Aussagen treffen, die die darueber hinausgehen, als wenn ich das Wetter als formales System behandle, dessen deterministischen Gesetze ich kenne.
Einfach aus den grund weil ich fuer die Erklaerung des Wetters, andere Gesetze hernehmen kann, die im geschlossenen (formalen) System Wetter nicht enthalten sind, zb Sonneneinstrahlung, etc.
Das bedeutet
1. nicht, das das tatsaechlich funktioniert, das war nur ein theoretisches Beispiel; und
2. kann ich damit logischerweise nicht den unvollstaendigkeitssatz umgeehen, da ich ja die "unentscheidbarkeit" an das System Sonne-Erde weiterreiche.