Julia hat geschrieben:Ich denke es besteht auch immer die Gefahr, wenn man meint seine Kinder nach den eigenen Vorstellungen formen zu können und zu müssen (oder nach denen der Gesellschaft), dass man sich gar nicht mehr dafür interessiert, wer die eigenen Kinder sind, sondern nur noch dafür, was man aus ihnen machen kann und es verpasst die eigenen Kinder kennen zu lernen. Kinder merken das eindeutig, wenn sie nur als Rohmaterial und nicht als Persönlichkeiten behandelt werden und wenn sie so drauf sind wie ich, lassen sie sich das nicht lange gefallen. ;)
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Dressur und Erziehung.
Die Kinder zu 'formen' bedeutet normalerweise Dressur und ist relativ einfach mit Belohnung und Strafe zu erreichen. Dazu bracht man aber nicht unbedingt ein Kind - ein Hund oder ein Pferd tut es auch.
Unter Erziehung verstehe ich die Vermittlung eines Wertesystems damit ein Mensch aus eigener Einsicht und eigener Überzeugung so handelt, daß er in der Gesellschaft gut klarkommt.
Es kann sein, daß es in Einzelfällen ganz von selbst passiert und ein Mensch aus sich heraus ein gutes Wertesystem entwickelt. Ich sehe aber trotzdem einen gewaltigen Zusammenhang zwischen
Elternhaus und Persönlichkeitsentwicklung. Die genetischen Voraussetzungen spielen natürlich eine Rolle - aber für jede Voraussetzung kann man eine optimale Weiterentwicklung finden.
Ich bin in keinster Weise sicher, daß ich alles richtig mache. Im Gegenteil - ich habe täglich Zweifel und sehe, daß vieles nicht so läuft wie ich es mir vorgestellt habe. Ich habe vermutlich sämtliche Bücher zum Thema Erziehung durchgelesen aber Erziehung ist nichts, das man nach einem einzelnen Buch oder selbst nach einem Bücherregal ausrichten kann.
Ich habe gemeinsam mit einem Studienkollegen aus einer Bastelveranstaltung im Hobbykeller eine international tätige Firma mit 50 Leuten 'erschaffen'. Diese Projekt scheint mir im Vergleich zur Kindererziehung als relativ trivial einfach.
Durch die Firma hatte ich natürlich schon mit sehr vielen Menschen zu tun. Es gibt immer Menschen die aus der Masse herausstechen. Die einen bewundert man als besonders vorbildlich und die anderen taugen nur als abschreckendes Beispiel.
Ich habe mich sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, was hat die Guten denn eigentlich so gut gemacht und was ist bei den anderen so fürchterlich schief gegangen ?
Gute Erziehung zeigt sich für mich in:
- Selbstsicherheit und Selbstvertrauen, das auf eigenen Fähigkeiten und nicht auf Besitz oder sonstigen 'fremden Federn' basiert.
- Leidensfähigkeit, Geduld und Ausdauer
- Fähigkeit zu kritischer Selbstreflexion
- Echtes Mitgefühl und Rücksichtnahme aus tiefer Überzeugung (Empathiefähigkeit)
- Wertschätzung
- Bewusstheit über die eigene Individualität und Respekt für die Individualität der anderen
Gute Erziehung heisst nicht, auf Knopfdruck ein Showprogramm mit Blockflöte und Klavirgeklimper abspielen zu lassen wenn der Verwandschaftsbesuch anrückt.
Zu dem Buch das Du erwähnst: Ich habe nur die Rezension überflogen und an der Aussage ist garantiert etwas Wahres dran. Ich staune selbst, wie unterschiedlich meine Vier in den
Persönlichkeiten doch sind - das Gen-Lotto ist schon ein lustiges Spiel. Die Kunst besteht darin, ein auf die unterschiedlichen genetischen Voraussetzungen zugeschnittenes 'Individualcoaching' anzubieten.
Zu guter letzt - 'qualitativ minderwertig' würde ich das Ergebnis meiner Bemühungen sehen, wenn meine Kinder später
- den Kontakt zu mir abbrechen
- ihr Leben nicht selbst vernünftig koordinieren können (... nichts selbst gebacken kriegen)
- durch Arroganz oder Rücksichtslosigkeit massiv negativ auffallen
- sich unfreiwillig in fremde Abhängigkeit flüchten (Partnerschaft, Drogen, Sekten....)
Mir ist klar, daß es für nichts eine Garantie gibt - aber ich stelle mich der Herausforderung und gebe mein Bestes für meine Besten - und danke meinen Eltern für das Vorbild dazu.