Myron hat geschrieben:ujmp hat geschrieben:Ich ziehe allerdings wissenschaftliche Argumente philosophischen vor.
Nicht alle Fragen lassen sich "rein wissenschaftlich", d.h. allein mithilfe empirisch-experimenteller Methoden entscheiden.
Dazu zählt die Frage nach unserer personalen Identität.
Eine mögliche Entgegnung darauf wäre allerdings, was Sabrist schon angedeutet hat, dass solche Fragen Scheinprobleme darstellen. Eine Frage, die nicht bewantwortet werden kann, hat im Grunde keinen praktischen Wert. Es kommt bei Wissenschaft eben auch immer darauf an, die richtigen Fragen zu stellen. Nicht jede grammatikalisch korrekte Frage macht Sinn. Die personale Identität beispielsweise sollte sich doch eigentlich mithilfe biologisch-neurologischer Methoden prinzipiell beantworten lassen. Olson führt in seinem Text ja auch ein Argument an, bei dem ein Großhirn verpflanzt wird; dieses Experiment ließe sich experimentell mit der nötigen technischen Ausrüstung durchführen.
Im Grunde ist es doch einfach, denke ich mir zumindest, aber man darf mich gerne widerlegen: Nur, wer empirische Belege für seine Theorie anführen kann ODER seine Theorie aus empirischen Belegen ableitet (z.B. die Stringtheorie, die eine Weiterentwicklung eines mathematischen Gebäudes ist, von dem bekannt ist, dass ein Teil mit der Wirklichkeit korreliert; man vergleiche: Ich habe das Foto eines Zimmers und zeichne anhand von Symmetrieüberlegungen, Spiegelungen, Schatten und Lichteinfall eine Skizze des gesamten Zimmers, obwohl ich nur einen Teil davon empirisch einsehen kann. Diese Skizze ist mit einer wesentlich höheren Wahrscheinlichkeit richtig, als eine randomisierte), kann den Anspruch erheben, irgendetwas relevantes über die Wirklichkeit auszusagen. Das gilt auch und gerade für die Philosophie.
Fragen nach Identität (oder Bewusstsein, Gott usw.) sind insofern sinnvoll und widersprechen auch der Empirie nicht, als dass es sie als empirisch belegbare Begriffe gibt. Es muss also mindestens ein Konstrukt geben, das der menschliche Verstand, seinerseits ein emergentes materielles System, sich ausgedacht hat, um eine von ihm beobachtete Struktur zu beschreiben. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass es eine materielle Entsprechung dieses Begriffes im Sinne des ursprünglichen Erfinders bzw. Beobachters gibt. Es muss keine Seele, kein Bewusstsein, keinen Gott materiell genau so geben, wie das konstruierende Gehirn dachte, sondern die beobachtete Struktur kann auch auf z.B. einen Hirnanomalie, eine missverstandene Naturbeobachtung oder ein sozialpsychologisches Phänomen zurückgehen, wie beispielsweise die Neigung des Menschen, aus seiner starken empathischen Fähigkeit heraus Dinge zu "beleben", sich also tendentiell eine dualistische Vorstellung von der Welt zu machen. Diese aber ist empirisch überprüfbar und wenn sie ausreicht, um z.B. ein Phänomen wie imaginäre Freunde oder Götter hinreichend zu beschreiben, gibt es für (Pseudo-)Philosophen bzw. Theologen keinen Grund, mit esoterischen Theorien weiterhin im Trüben zu stochern und unnötigerweise übernatürliche Bestandteile wie eine Seele zu postulieren, die uns von Tieren unterscheidet. Dass das trotzdem passiert, ist wohl eher auf die Unfähigkeit zurückzuführen, sich als materielles, organisch an die Umwelt angebundenes und damit hochgradig abhängiges und manipulierbares Wesen zu begreifen, das übrigens schon deshalb nicht die "Krone der Schöpfung" sein kann, weil es dem Universum prinzipiell egal ist, was wir denken. Oder um es etwas hegelianischer zu sagen: Wenn kein Knecht da ist, der den Herrn (bewusst) anerkennen kann, ist der Herr auch kein Herr.
Wichtig ist jetzt dieses hier: Ob wir Tiere sind, ist nicht objektiv feststellbar, weil es im Universum keine systemimmanent festgemeißelte Definition eines Tieres gibt. "Tier" ist eine Beschreibung für ein System von empirischen feststellbaren Merkmalen, das wir uns ausgedacht haben.
Insofern ist vermutlich die gestellte Frage nicht korrekt: Es muss nicht heißen "Was ist ein Tier?" oder "Sind wir Tiere?", sondern "Fallen wir in unsere eigene Definition des Begriffes 'Tier'?". Und das ist logisch-empirisch überprüfbar.