LinuxBug hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Was ist daran rational, wenn viele von uns sich dabei schlecht fühlen?
Was hat das schon wieder mit schlecht fühlen zu tun? Ob etwas rational ist oder nicht, hat nichts damit zu tun, wie es ethisch bewertet wird. Wenn ich meinen Profit maximieren will, dann kann ich auch Kinder ausbeuten. Und nur weil sich die Kinder schlecht fühlen, ist es doch vernünftig für mich, meine Firma und meine Aktieninhaber. So war der Sklavenhandel in der Antike auch ziemlich rational (billige Arbeitskräfe, mit denen man alles machen kann, weil sie keine Rechte haben und wer sich schlecht dabei fühlt, kann ja nett zu ihnen sein und sie wie Menschen behandeln und sich an seiner Großzügigkeit aufgeilen..) und wäre es heute auch noch, wenn es nicht irgendwie mit harterkämpften Menschenrechten in Konflikt stehen würde.
Sich schlecht fühlen bedeutet eine Kostenerhöhung im politischen Sinne, d.h. es wird aufwändiger eine bestimmte Position durchzusetzen, was sich selbst in unserer derzeitigen Ökonomie irgendwann auch monetär niederschlägt. Dass Menschen sich schlecht dabei gefühlt haben, dass Sklaven ausgebeutet werden, hat letztlich zur Abschaffung dieser unwürdigen Praxis geführt. Rational denken und handeln, bedeutet, dass man auch soetwas miteinbezieht. Im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung ist eine freie Gesellschaft ohne Sklaven nämlich volkswirtschaftlich gesehen insgesamt besser dran und wesentlich rationaler, als ein Unterdrückerregime. Natürlich kannst du auch alles relativieren und die Situation des Knechts nur aus Sicht des Herrn und unter dem Credo von Eigennutz (homo oeconomicus) bewerten, aber ich glaube doch, dass es für ethische Maßstäbe angemessener wäre, nach größtmöglicher Universalität und Objektivität zu streben.
LinuxBug hat geschrieben:Nanna (!) hat geschrieben:Zweitens ist ein Argumentationsschema nach dem Muster "Wir schaffen es nichtmal bei allen Menschen, also müssen die Tiere halt auch dran glauben." keine gültige Begründung wenn es um prinzipielle Positionen geht
Das ist keine Begründung, sondern eine einfache Einklärung, warum Idealismus einfach nicht funktioniert. Und es geht nicht darum, dass die Tiere darum dran glauben sollen, sondern dass sie es unabhängig davon tun werden, weil die gesellschaftliche Mehrheit nicht bereit ist, deine Ideologie zu übernehmen.
Mal davon abgesehen, dass Dinge trotzdem immer noch nicht dadurch richtiger werden, dass die Mehrheit sie glaubt (lassen wir mal die Wahrheit über die Evolution demokratisch bestimmen

), haben sich schon eine Menge Positionen durchgesetzt, die am Anfang als hoffnungsloser Idealismus verschrien waren, beispielsweise die Abschaffung ebenjener Sklaverei, der Umweltschutz, die Gleichberechtigung. Diese Dinge heute sogar von weiten Teilen der Bevölkerung sogar als ökonomisch sinnvoll und notwendig erachtet und nur wenige wollen in die Zeit zuvor zurück. Klar ändert eine Idee alleine gar nichts, aber die langsame aber stetige Zunahme der Beachtung von Menschenrechten oder Hinwendung zum Vegetarismus lassen zumindest auf einen langsamen, aber ebenfalls stetigen gesellschaftlichen Wandel hoffen. Wenn man mal den kritischen Punkt überschritten hat, werden solche Positionen zum Selbstläufer, wie man derzeit gut an der Ächtung des Rauchens beobachten kann.
LinuxBug hat geschrieben:Ob sie leiden können oder nicht, ist mir ja egal.
An was willst du denn ethische Positionen festmachen, wenn nicht an der Vermeidung von Leid?
LinuxBug hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Erstens können soziale Tiere sehr wohl emotionale Bindungen aufbauen
Ich habe nicht behauptet, dass sie es nicht können. Es spielt keine Rolle, ob sie das können. Das würde es nur, wenn Tiere ethische Regeln aufstellen könnten oder wir sie oder ihr Leiden beachten müssten...
Warum nimmt in solchen Diskussionen eigentlich so ziemlich jeder völlig unreflektiert an, dass nur Lebewesen in den Genuss ethischen Verhaltens kommen sollen, die selber ethisch handeln können? Was dürfte ich da nicht alles an Kleinkindern, Greisen, Behinderten, Kranken und Psychopathen abschlachten ohne einen Fetzen schlechtes Gewissen haben zu müssen?
LinuxBug hat geschrieben:...Ich sage, dass wir das nicht müssen und du müsstest mich jetzt erst mal davon überzeugen, warum es wichtig ist, dass man schauen sollte, leidensfähige Wesen nicht leiden zu lassen. So viel Empathie für Tiere habe ich nämlich nicht und ich hab jetzt auch keine Lust es zu heucheln, wenn es mir ja eh total egal ist. (Ignorance is bliss, wie es so schön heißt. Wenn ich irgendwie betroffen wäre, würde ich vielleicht mehr unternehmen, aber ich bin es nicht. Kann mich jetzt schön ausruhen und einmal froh sein, dass ich ein Mensch und kein armes Schwein bin, in dessen Haut ich auch gar nicht stecken möchte.)
Ich fürchte, dass ethisches Verhalten ohne ausreichend Empathie kaum möglich ist. Solltest du vehement auf der Gleichgültigkeitsschiene bleiben, gäbe es auch nur eine andere Möglichkeit, die unsere Spezies auch schon seit Jahrtausenden erfolgreich anwendet, nämlich gegenüber Anweichlern Gruppendruck zu erzeugen und dich zur sozialen Konformität zu zwingen oder dir über ein Schlachtungsverbot zumindest die Grundlage des Fleischkonsums zu entziehen. Nicht so ganz die Lösung, die mir vorschwebt, deshalb werde ich es weiter mit Überzeugungsarbeit versuchen.
LinuxBug hat geschrieben:Nanna hat geschrieben:Zudem kann man sich mal fragen, ob Respektlosigkeit gegenüber Lebewesen nicht auch ein Hemmnis bei der - ich nenne es mal so - "Entrohung" der Gesellschaft ist.
Klär mich bitte auf: Warum sollte die Gesellschaft verroht sein? Weil sich die Mehrheit lieber um ihre eigenen Probleme kümmert, als die Welt für alle andere zu verbessern oder wieso?
Bis vor nicht allzulanger Zeit waren Prügelstrafen in der Schule noch üblich, Vergewaltigung in der Ehe nicht strafbar und Gewalt in Familien ist heute noch ein alltäglicheres Phänomen als man glaubt. Also ja, rohes Verhalten gibt es trotz Fortschritten nach wie vor.
Ich denke schon, dass gewalttätiges Verhalten gegenüber anderen Lebewesen einen Einfluss darauf hat, wie wir auch als Menschen miteinander umgehen. Das heißt nicht, dass ich den Verzehr von Tieren für Gewaltprobleme in der Gesellschaft als Alleinursache hinstelle, aber da gäbe es viel Potential, Respekt gegenüber anderen Lebewesen als allgemeine Tugend zu demonstrieren und damit ein gesellschaftliches Signal gegen jegliche Gewalt zu setzen. Ich kann mich erinnern, dass die Kinder in meiner Schule auch die gewalttätigsten gegen Menschen waren, die es lustig fanden, die Nachbarskatze am Schwanz durch die Luft zu schleudern. Der Zusammenhang ist jetzt auch nicht so kompliziert, denke ich. Ich frage mich auch, wie viel Schaden die Gesellschaft mit sich herumträgt, weil aus den Schlachthöfen alle vier bis fünf Jahre traumatisierte Arbeiter herauskommen, die durch neue ersetzt werden müssen, weil sie die Arbeit nicht packen.
Die beiden Beiträge zuvor wurden geschrieben, während ich diesen Beitrag verfasst habe. Daher noch eine Frage zu dem neusten Beitrag von dir, LinuxBug: Wenn ich mir deine Argumentation zu eigen mache (tot ist tot, egal, ob die vorher gelitten haben): Welchen rationalen Grund außer der Drohung mit Strafverfolgung gibt es für mich, dir nicht ein Stück Blei in den Kopf zu jagen, um meine politische Position durchzusetzen?