Nanna hat geschrieben:Das ist intuitiv natürlich völlig einleuchtend, aber eben in der Goldenen Regel so nicht explizit enthalten.
Myron hat geschrieben:1. Wenn sich die Person P in der Situation S befindet, dann soll man ihr gegenüber das Verhalten V an den Tag legen.
2. Wenn ich mich in der Situation S befände, dann sollte man mir gegenüber nicht das Verhalten V an den Tag legen.
Myron hat geschrieben:1. Wenn jemand ein Jude ist, dann soll man ihn vergasen.
2. Wenn ich ein Jude wäre, dann sollte man mich nicht vergasen.
Ein Nazi, der so argumentiert, verhält sich moralisch unvernünftig und widersprüchlich. Und ein Nazi, der 1 bejaht und 2 verneint, ist verrückt und kein ernst zu nehmender ethischer Diskussionspartner, denn nur Verrückte würden sich wünschen, wegen ihrer Volkszugehörigkeit vergast zu werden.
Nanna hat geschrieben:Man kann sowohl Kants Kategorischen Imperativ als auch die Goldene Regel nach Belieben aushebeln, indem man Andere einfach assertorisch als Nicht-Menschen, d.h. Nicht-Beteiligte definiert und sie damit vom Spiel ausschließt.
Myron hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:- die goldene Regel gilt nur für Unterlassungen
Das stimmt nicht: Wenn du willst, dass dir in der Situation S jemand hilft, dann hilf auch du jemandem, der sich in der Situation S befindet!
Gernot Back hat geschrieben:Hallo Nanna!Nanna hat geschrieben:Man kann sowohl Kants Kategorischen Imperativ als auch die Goldene Regel nach Belieben aushebeln, indem man Andere einfach assertorisch als Nicht-Menschen, d.h. Nicht-Beteiligte definiert und sie damit vom Spiel ausschließt.
Also ich finde die Verleihung des Ethik-Preise der Giordano-Bruno-Stiftung an Peter Singer durchaus berechtigt, obwohl er sich für Nicht-Menschen einsetzt . Wie siehst du das?
Nanna hat geschrieben:Gernot Back hat geschrieben:
Um jetzt nochmal festzustellen, worum es eigentlich ging, bevor du diese Peter-Singer-Nebelkerze gezündet hast:
Gernot Back hat geschrieben:Wie kommst du darauf, meinen berechtigten Einwand als "Nebelkerze" zu diffamieren?
Gernot Back hat geschrieben:Ich bin z.B. wie Singer dagegen, einen gesunden nicht-menschlichen Primaten als Organspender für einen geistig behinderten Menschen zu missbrauchen, zumal wenn Letzterer über weniger Ich-Bewusstsein verfügt als Ersterer. Da wäre es eher legitim, einen geistig behinderten Menschen ohne Ich-Bewusstsein ungefragt als Organspender für den nicht-menschlichen Primaten mit Ich-Bewusssein zu verwenden! Wie verhältst du dich dazu?
Gernot Back hat geschrieben:Wer ist im humanistischen Sinne eigentlich ein "Jemand" und wer nicht? Kann man das allein an der Zugehörigkeit zu der Spezies Homo festmachen, wenn ja, wie begründest du das dann?
Gernot Back hat geschrieben:Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem anderen (wem oder was eigentlich?) zu!
Gernot Back hat geschrieben:Ein Nazi argumentiert aber nicht so, sondern er wird im Zweifel in Bezug auf einen Juden, in dem er kein ebenbürtiges Wesen sieht, so argumentieren wie ich in Bezug auf ein lästiges Insekt:
Ich selbst möchte nicht erschlagen werden; dennoch habe ich keine Skrupel, dies mit einer lästigen Fliege zu tun und ich habe noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen dabei!
Gernot Back hat geschrieben:
- Wenn jemand eine Fliege ist und einen Menschen ständig belästigt, dann sollte ihn der belästigte Mensch erschlagen dürfen.
- Wenn ich eine Fliege wäre und einen Menschen ständig belästigte, dann sollte mich dieser nicht erschlagen dürfen. Vielmehr sollte er Toleranz gegenüber den mir angeborenen Verhaltensweisen als Fliege üben.
Gernot Back hat geschrieben:Wer ist im humanistischen Sinne eigentlich ein "Jemand" und wer nicht? Kann man das allein an der Zugehörigkeit zu der Spezies Homo festmachen, wenn ja, wie begründest du das dann?
Nanna hat geschrieben:AgentProvocateur hat geschrieben:der Angeklagte könnte vom Richter verlangen, nicht verknackt zu werden, wenn der Richter nicht verknackt werden willganimed hat geschrieben:Verstehe ich nicht. Der Richter will doch Gerechtigkeit, also würde er auch wollen, dass er verknackt wird wenn er etwas ausgefressen hat. Ich würde mir also vorstellen, dass der Angeklagte gar kein Argument hat.
Zu viele implizite Annahmen. Woher weißt du, dass der Richter Gerechtigkeit will?
ganimed hat geschrieben:Fazit: Der Angeklagte kann eine Freilassung vom Richter mit Hinweis auf die goldene Regel nur verlangen, indem er dem Richter unterstellt, dass dieser auf alle juristischen Regeln pfeift. Ich als Richter würde mir so eine Unterstellung verbitten. Im Normalfall ist die goldene Regel also kein Freilassungs-Argument gegenüber einem Richter.
Nanna hat geschrieben:Gernot Back hat geschrieben:Wie kommst du darauf, meinen berechtigten Einwand als "Nebelkerze" zu diffamieren?
Du hast angefangen, das Werk eines großen Denkers ohne große Begründungen als "Wortgeklingel" und "aufgedunsenes Geschwafel" zu "diffamieren". Der Umgangston war deine Wahl, jetzt beschwer dich nicht, wenn ich Tit for tat mit dir spiele.
Nanna hat geschrieben:Gernot Back hat geschrieben:Ich bin z.B. wie Singer dagegen, einen gesunden nicht-menschlichen Primaten als Organspender für einen geistig behinderten Menschen zu missbrauchen, zumal wenn Letzterer über weniger Ich-Bewusstsein verfügt als Ersterer. Da wäre es eher legitim, einen geistig behinderten Menschen ohne Ich-Bewusstsein ungefragt als Organspender für den nicht-menschlichen Primaten mit Ich-Bewusssein zu verwenden! Wie verhältst du dich dazu?
Ich lehne das genauso ab, und zwar wegen der prinzipiellen Ähnlichkeit des Behinderten zum Gesunden. Auch der Behinderte gehört zur Spezies Mensch und innerhalb dieser Spezies gelten die Menschenrechte, die ich aus einem der Goldenen Regel relativ nahestehenden, in erster Linie aber funktionialistischen Begründungsschema heraus ablehne (z.T. von Rawls inspiriert). Es geht mir aber weniger um den Behinderten (vorausgesetzt, er hat so wenig Hirn übrig, dass er nicht über die Gefühlswelt einer Ameise hinauskommt), sondern um den an sich barbarischen Akt, einen anderen Menschen derart zu behandeln, weil dies meiner Meinung nach der menschlichen Zivilisation als Ganzes schadet.
Nanna hat geschrieben:Gernot Back hat geschrieben:Was du nicht willst, das man dir tu, das füg' auch keinem anderen (wem oder was eigentlich?) zu!
Du führst ja gerade selber an, dass die Regel nicht derart eindeutig ist, wie sie auf den ersten Blick vielleicht klingt, sondern Zusatzannahmen braucht. Das ist auch das Wesentliche, was ich aussagen wollte.
Nanna hat geschrieben:Aber nur deshalb, weil du mit dem Wort "Richter" eine im Allgemeinen in seinen Absichten sehr integere Person vermutest (implizite Annahme!).
Ähnlichkeit des Behinderten zum Gesunden
Genauso gut könntest du -so wie Christen und Juden das tun- von einer Gottesebenbildlichkeit des Menschen reden!
ganimed hat geschrieben:Bei der goldenen Regel geht es darum, sich in den Gegenüber hineinzuversetzen. Man könnte die goldene Regel auch so formulieren: Mensch, benutze deine Empathie (die du sowieso nicht abschalten kannst, wenn du sie denn hast).
ganimed hat geschrieben:Kulturabhängig ist es allemal, wer in Europa aufwächst, lernt die Todesstrafe kritisieren. Mit einem Wort: Moral ist reine Geschmackssache. Ich finde, Kant muss endlich einsehen, dass es für Moral keine logischen Prinzipien gibt.
AgentProvocateur hat geschrieben:bei der goldenen Regel geht es explizit nicht darum, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen
AgentProvocateur hat geschrieben:Der KI und auch die goldene Regel sind natürlich ungeeignet dafür, einfach so aus sich heraus eine universell (für alle denkbaren Lebensformen) gültige Moral zu erstellen.
AgentProvocateur hat geschrieben:Ich denke, der Punkt bei beiden ist die Einführung eines Universalisierungsprinzipes in der Ethik und ein solches halte ich für unverzichtbar - falls man eine Ethik möchte, die von allen akzeptiert werden kann.
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