von Nanna » Do 6. Mai 2010, 20:49
Wo ist denn eigentlich das Problem daran, dass man das Recht auf Leben an der Fähigkeit zu fühlen und denken festmacht und demnach eine absteigende Skala entwickelt, an deren höchster Stelle man natürlich selbst steht?
Ich denke, töten um zu überleben ist ethisch vertretbar, wobei zuallererst diejenigen Lebewesen sterben sollten, die davon am wenigsten realisieren und am wenigsten an Zukunft verlieren, weil sie einfach keine Zukunftspläne machen können. Diese Lebewesen dürfen im Zweifel zugunsten des Lebens solcher Lebewesen getötet werden, die in irgendeiner Form über solche Fähigkeiten wie komplex fühlen, denken, Bewusstsein, geplantes Handeln, soziale Fähigkeiten usw. verfügen.
Ein Argument, das meiner Meinung nach viel zu selten angebracht wird, ist außerdem die Signalwirkung auf Dritte. Eine Gesellschaft, die bedenkenlos tötet, sendet ein starkes Signal aus, dass sie potentiell gefährlich für andere ist. Die Ängste, die dadurch ausgelöst werden, werden umso größer, je näher uns die Lebewesen stehen, die getötet werden. Das Töten von Menschen löst dabei verständlicherweise die größten Ängste aus, aber auch einem überzeugten Metzger wird man unterbewusst mehr Gewalt zutrauen als einem vegetarischen Ökobauern. Ich sehe im selbstverständlichen Töten von Tieren durchaus einen Gradmesser für die generelle Rohheit einer Gesellschaft.
Man kann natürlich streiten, ob es evolutionär vorteilhaft ist, wenn eine Gesellschaft sich diese Aggressivität abtrainiert, aber da würde ich sagen, kommt es auf die Situation an. Das Recht zu Töten zum Zweck des reinen Überlebens bleibt bestehen, es wird nur mangels Notwendigkeit in bestimmten historischen Situationen nicht ausgeübt. Ich würde daher vorschlagen, dass eine Gesellschaft sich einfach strikt an die Regel halten sollte, nur zum direkten Zweck des Überlebens zu töten und dabei im Zweifel dasjenige Leben auszulöschen, das auf einer gedachten Skala emotionaler und kognitiver Fähigkeiten tiefer steht. Auf welcher Stufe der Skala man sich gerade bewegt hängt von der sozioökonomischen Realität der Gesellschaft ab. So halte ich es für die Menschen der reichen Industrieländer für geboten, sich (annähernd) vegetarisch zu ernähren, hingegen würde ich es nicht von Viehbauern der Sahelzone fordern, die ohne ihre Rinder tatsächlich verhungern würden - wobei man auch hier über Nahrungsmittellieferungen nachdenken könnte.