Naturalismus als Weltanschauung

Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » So 20. Apr 2008, 21:49

Qubit hat geschrieben:Nein, die vermeintliche Unredlichkeit entstammt der Beschränktheit deiner Auffassung ;-)
Schau mal, wenn beispielsweise übernatürliche "Geisterfurze" einen Tornado hier auf der Erde versursachen und man diese übernatürliche Ursache nachweisen kann, welches Vorgehen liegt dann näher als folgendes:
Die "Furzgeister" werden zur Natur erklärt, die "Superfurzologie", welche den Zusammenhang zwischen "Geisterfurz" und Tornado beschreibt und nachgewiesen hat wird ein Bestandteil der Naturwissenschaften und der "Wirkzusammenhang" bleibt vereint im Naturalismus?


Deine "Furzgeister" könnten höchstens für einen Teil der Wirklichkeit, aber nicht für einen Teil der natürlichen Wirklichkeit erklärt werden. Es könnte womöglich irgendeine Art von gesetzlichem Wirkungszusammenhang zwischem dem Reich der physischen Natur und dem Reich der spirituellen Übernatur geben, aber ein solcher würde eben über die Natur hinausgehen und damit kein rein natürlicher mehr sein.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » So 20. Apr 2008, 21:51

Nathan hat geschrieben:Wartest du ernsthaft auf eine physikalische Erklärung für Totenauferweckungen?


Wären derartige Vorkommnisse real, dann gäbe es dafür sicher keine vernünftige physikalische Erklärung.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » So 20. Apr 2008, 21:56

Nathan hat geschrieben:Die Vorstellung von Naturgesetzen, die nicht gebrochen werden können, ist ja gerade die moderne Sicht, die allerdings nicht wissenschaftlich entdeckt sondern vorausgesetzt wird. Das kann man ja sehen, wie man will, man darf so ein Verständnis nur nicht zu ernst nehmen.


Die Nezessitarier, die übrigens keineswegs ausgestorben sind, nehmen ihre Sichtweise durchaus ernst; und auch ich glaube, dass es so etwas wie eine Naturnotwendigkeit gibt, worunter ich, vage gesprochen, eine Art von natürlichem "Sachzwang" verstehe.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » So 20. Apr 2008, 22:02

Qubit hat geschrieben:Alles was in der Natur etwas bewirkt ist per definitionem Naturwissenschaft und als solches sind die Phänomene zu betrachten. D.h. man verwendet das etablierte "Toolset" (wie dein Leidensgenosse es formulierte) und schaut, was man damit erklären kann.


Der zur Untersuchung nichtphysischer Ursachen bzw. Wesen benötigte Werkzeugkasten müsste eigentlich aus der (Para-)Psychologie kommen und nicht aus der Physik. Für die Untersuchung physischer Ursachen ist freilich die Physik zuständig.
Für den Supernaturalismus hat die Psychologie eine größere Bedeutung als die Physik, da das übernatürliche Reich ja rein spiritueller Natur ist!
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon El Schwalmo » So 20. Apr 2008, 22:26

Robert hat geschrieben:Wieso würde Darwin aus jeder Talk-Show fliegen, wenn er über Rassen spricht?

Darwin war ein Kind seiner Zeit. Für ihn gab es Menschen-Rassen, und die waren nicht gleichwertig.

Robert hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Aus diesem Gedanken entstand die Sorge, dass ein Volk, dass aus dem als natürlich vermuteten Kampf ums Überleben aussteigt und so Dinge wie "Nächstenliebe" für wichtig hält, degeneriert und wieder zum Tier wird - eine Sorge, die im christlichen Weltbild überhaupt keinen Sinn macht. Aber zur Zeit der Nazis war die Sorge, welchen negativen Entwicklungen durch den Evolutionsgedanken möglich sind, recht verbreitet, denn alle Eigenschaften konnten aus kleinsten Anfängen entstehen und sich folglich auch wieder zu kleinsten Formen zurückentwickeln, warum sollte dies nicht auch mit der menschlichen Vernunft möglich sein?


Degeneration?

Kann der Biologielehrer bitte aushelfen? Hab davon noch nie was gehört.

Von dem, was Nathan schreibt, habe ich auch noch nichts gehört (dass Menschen zu Tieren degenerieren könnten). 'Degeneration' gibt es natürlich durchaus in der Natur. Wenn der Selektionsdruck auf ein Organ wegfällt, kann dieses durchaus reduziert werden. Beispiele wären Augen bei Fischen, die in Höhlen leben, oder alle möglichen Fortbewegungsorgane bei Parasiten.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 20. Apr 2008, 23:18

Qubit hat geschrieben:Selbstkonsistenz bedeutet bzgl. Naturalismus als Prozess der Erzeugung der Ontologie der Natur, dass ALLE Erfahrungen der Wirklichkeit im Kontext der Natur stehen, der durch die wissenschaftlichen Theorien, die sich empirisch bewährt haben und somit insbesondere den Kontext der empirischen Bewährung in diesem Kontext der Natur festlegen, beschrieben wird.
Die erzeugte Ontologie ist somit selbstkonsistent.

Das letztgültig zu klären, überlasse ich Dir und Myron, der nicht ausschließt, dass es auch andere Kontexte für Wirklichkeitserfahrungen gibt. Ich bin zu wenig Experte in Sachen Naturalismus, um das beurteilen zu können, aber ich folge dem Diskurs mit Interesse.

Qubit hat geschrieben:Nach deiner Wortwahl wäre sie insofern "kontingent", als dass sie als erzeuge Ontologie als ganze möglicherweise auch durch einen anderen solchen Prozess erzeugt werden könnte.

Jeder solcher Prozess erfüllt jedoch die Programmatik des Naturalismus :-)

Nicht nur das, es können auch genausogut ganz andere Ontologien erzeugt werden, die - im Rahmen ihrer eigenen Festlegungen - selbstkonsistent sind (wobei ich nicht glaube, dass sie das sein müssen). Diese anderen Ontologien sind (aus rationaler Sicht) ebenfalls kontingent, selbst wenn sie von sich behaupten, sie seien das Ei des Kolumbus.

Qubit hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Anders ausgedrückt: Es gibt im Rahmen von Rationalität keine unwiderleglich wahre Letztbegründung. Es gibt Letztbegründungen, die sich nicht widerlegen lassen, aber keine, die nicht kontingent ist.

Die "Letzbegründung" ist für den Naturalismus die "Natur" selbst ;-)


Meinst Du die Natur, die vom Naturifizierungsprozess so festgelegt wurde, oder die Realität, die keine "Natur" sein kann, weil sie sonst vom Naturifizierungsprozess nicht naturifiziert werden müsste?
;-)

Ein kleines, nicht ganz neues, hier aber lehrreiches Beispiel: Ontologien sind Weltsichten; "Brillen", durch die man die Realität rezipiert und mit ihr interagiert. Wenn man den Naturalismus mit einer blauen Brille vergleicht, dann erscheint zwar alles blau ("Natur"), aber daraus ergibt sich noch nicht notwendig, dass die Realität nur blau ist.
Da wir die Realität nicht an sich ("ohne Brille") rezipieren können, ließe sich die These, das die blaue Brille die blaue Wirklichkeit rekonstruiert, nur indirekt beweisen, indem man sich nacheinander noch eine grüne und noch eine rote Brille anzieht. Wenn man mit diesen beiden Brillen nichts sehen kann, dann ist die Wirklichkeit blau.

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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 21. Apr 2008, 00:23

El Schwalmo hat geschrieben:Trotzdem kann man auf dem Anerkennen bestimmter Sachverhalte bestehen, selbst wenn die eben nicht evident sind.

Ich weiß aus vielen Diskussionen, dass beispielsweise eine Evolution des Lebendigen für viele Menschen eben nicht 'evident' ist. Ich behaupte aber, dass niemand gegen eine Evolution als historische Tatsache mit Anspruch auf Geltung diskutieren kann.


Warum sollte man das nicht können?

fragt
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » Mo 21. Apr 2008, 00:42

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Das letztgültig zu klären, überlasse ich Dir und Myron, der nicht ausschließt, dass es auch andere Kontexte für Wirklichkeitserfahrungen gibt.


Was ich glaube und behaupte, ist, dass der Naturalismus eine kontingente und keine notwendige Wahrheit ist, d.h. dass er zwar faktisch wahr ist, seine Falschheit aber nicht logisch ausgeschlossen ist.

Um es wie David Lewis, der berühmteste modale Realist, auszudrücken:
Es gibt unzählige (mögliche) Welten, in denen übernatürliche Wesen wie Götter vorkommen; aber keines von ihnen ist einer unserer Weltgenossen, d.h. keines ist Teil unserer Welt.

"I think of this world we live in as entirely godless."

"Ich denke, dass diese Welt, in der wir leben, völlig gottlos ist." [meine Übers.]

(Lewis, David. Philosophical Papers. Vol. 1. New York: Oxford University Press, 1983. xi, fn. 4)

(Wir haben das Glück—manche würden sagen: das Pech—in einer ganz und gar natürlichen Welt zu leben. Der Lewis'schen Theorie zufolge gibt es unendlich viele andere konkrete Welten, die genauso wirklich ("aktual") sind wie die unsrige. Und in einer Vielzahl jener anderen Welten existieren von jedem von uns sogenannte Gegenparte (counterparts), d.h. eine Art von Zwillingsbrüdern bzw. -schwestern, die uns mehr oder weniger gleichen, ohne dass ich mit einem meiner Gegenparte numerisch identisch bin. Meine Gegenparte, die in Welten mit übernatürlichen Erscheinungen leben, irren sich, wenn sie den Naturalismus für wahr halten; denn in ihren unheimlichen Welten geht es nicht ausschließlich "mit rechten Dingen" zu.
Wir können uns glücklich schätzen, dass unsere Welt keine jener fremdartigen Welten mit einer übernatürlichen Sphäre ist! :yes:)
[All die armen Myrons, die meine Gegenparte sind und sich in ihren Welten mit realen Dämonen auseinandersetzen müssen, tun mir wirklich leid. Bei ihnen ist die Nachfrage nach exorzistischem Beistand vonseiten der katholischen Kirche objektiv gerechtfertigt ... :kerze:]
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 21. Apr 2008, 01:07

Nathan hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Es könnte Indizien geben, die indirekt auf ein Wirken solch nichtphysischer Wesenheiten schließen lassen.


Und dann? Wären die Indizien schlechter als die Indizien, aus denen man irgendwelche Atommodelle konstruiert? Eigentlich glaubst du doch nicht an solche Wesen, oder?

Ich denke, es entspricht einer rationalen Redlichkeit, dass man gewisse Dinge nicht ausschließt, auch wenn man nicht daran glaubt. Schließlich will der Naturalismus keine Glaubenslehre sein.

Es gibt übrigens ein Buch, das ich in diesem Zusammenhang empfehlen will: Die Stimme des Herrn von Stanislaw Lem. Man kann die dortige Geschichte unterschiedlich deuten, aber in meiner Sicht versuchte Lem ein Szenario zu entwickeln, in dem sich eine ideale Form von "Offenbarung" ereignet.
Was geschieht, ist zwar messbar und wird vielen wissenschaftlichen Versuchen unterzogen, lässt sich aber weder abschießend deuten noch in irgendeiner Form verwursten. Die Information, welche den Menschen zugeht, bleibt geheimnisvoll, unerklärlich, unverfügbar, aber auch unverständlich.

Was die Seite der Physiker und Informatiker betrifft, sollte so etwas (nach ausgiebigen Testreihen) eigentlich hinreichen, ihr physikalistisches Paradigma in Frage zu stellen, aber vermutlich hat Qubit recht: Die Mehrheit der Wissenschaftler würde sich wohl mit Hilfshypothesen behelfen, die das unbekannte Phänomen einfach vereinnahmen.

Aber auch was die gläubige Seite in mir betrifft, stellte mich das Buch vor Probleme. Denn Lems Fassung von Offenbarung erscheint von ihrer Struktur her viel besser als Jesus Christus oder die Bibel: Sie scheint unmittelbar lebenschaffende Eigenschaften zu besitzen und ein Energiepotential, wie man es auf Erden nicht kennt. Zugleich kann sie weder in Worten noch in der praktischen Anwendung instrumentalisiert werden.
Andererseits besteht der Preis dieser überragenden Qualität darin, dass sie nichts offenbart.

Myron hat geschrieben:Wenn du an einen persönlichen Gott glaubst, dann musst du auch an Seelensubstanzen glauben!
Denn Gott (ich rede vom Gott des Theismus) ist eine solche Seelen- oder Geistersubstanz.
("Substanz" im metaphysischen, nicht im chemischen Sinne!)


Da wir nichts über Gott wissen können, was er uns nicht selbst offenbart, macht es keinen Sinn, Begriffe für ihn zu erfinden. Mit so etwas kann man nur auf die Nase fallen.

Ich halte zwar nicht viel davon, "Offenbarung" im Rahmen naturwissenschaftlicher Erfahrungsdimensionen zu verwenden, aber wenn man es schon tut, so würde es wohl nicht auf eine irgendwie vorhandene Seelen- oder Geistersubstanz hinauslaufen, sondern auf eine ursachelose Wirkung.

"Substanz" im metaphysischen Sinn würde immerhin eine gewisse Objektivierbarkeit (und damit: irgendeine Form der Erforschbarkeit) dieser Substanz einschließen, aber genau das ist unmöglich, da Gott zugleich die Voraussetzung allen Seins und aller Erkenntnis bildet. Was ich aber bereits vorausgesetzt habe, kann ich nicht nachträglich beweisen.
Daran scheitern alle Letztbegründungen.

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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » Mo 21. Apr 2008, 02:06

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ich denke, es entspricht einer rationalen Redlichkeit, dass man gewisse Dinge nicht ausschließt, auch wenn man nicht daran glaubt. Schließlich will der Naturalismus keine Glaubenslehre sein.


Ich muss allerdings betonen, dass ich den Begriff eines nichtphysischen Dinges mit psychischen Eigenschaften sowie alle damit zusammenhängenden Begriffe wie "Seelensubstanz", "immaterielle Person" oder "körperloser Geist" im Grunde für ungereimt und unverständlich halte, und die Existenz von Gegenständen, die unter diese Art von Begriffen fallen, wenn nicht für logisch doch zumindest für praktisch ausgeschlossen erachte.
Aber großzügig, wie ich bin, schenke ich den Supernaturalisten (vorläufig) ihren Glauben an die logische Möglichkeit des Daseins von nichtphysischen Dingen mit psychischen Eigenschaften. Fürs Erste gebe ich mich damit zufrieden, die Tatsächlichkeit, die Wirklichkeit solch übernatürlicher Dinge in Abrede zu stellen. ;-)
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Myron » Mo 21. Apr 2008, 04:12

Myron hat geschrieben:Der Naturalismus sollte neben den Naturwissenschaften Platz nehmen, aber nicht auf deren Stuhl.
Will sagen, der Naturalismus sollte als relativ eigenständiger philosophischer Standpunkt aufgefasst werden, der zwar wissenschaftsnah, aber kein Teil der Naturwissenschaften ist.


Mit anderen Worten, der Naturalismus ist mehr als ein Fanklub der Naturwissenschaft.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Nathan » Mo 21. Apr 2008, 09:55

Qubit hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Niemand will, dass sich hier jemand mit irgendetwas benebelt, aber es gibt Phänomene, bei denen man mit physikalischen oder psychologischen Erklärungen eher Nebel wirft.
[QUATSCH entfernt]


Alles was in der Natur etwas bewirkt ist per definitionem Naturwissenschaft und als solches sind die Phänomene zu betrachten.


Ich glaube dir gerne, dass du das so als Atheist gerne definieren möchtest, aber die Naturwissenschaften gab es schon, bevor Atheisten sie als ihre Spielwiese entdeckten.
Aber btw: du wolltest doch gar nicht definieren, was "Natur" ist, wie kannst du dann definieren, was "Naturwissenschaft" ist? Den Einwand finde ich nicht gerade spitzfindig!
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Mo 21. Apr 2008, 10:07

Nathan hat geschrieben:
Qubit hat geschrieben:Alles was in der Natur etwas bewirkt ist per definitionem Naturwissenschaft und als solches sind die Phänomene zu betrachten.


Ich glaube dir gerne, dass du das so als Atheist gerne definieren möchtest, aber die Naturwissenschaften gab es schon, bevor Atheisten sie als ihre Spielwiese entdeckten.
Aber btw: du wolltest doch gar nicht definieren, was "Natur" ist, wie kannst du dann definieren, was "Naturwissenschaft" ist? Den Einwand finde ich nicht gerade spitzfindig!

Das "per definitionem" bezieht sich auf die Naturwissenschaften, nicht auf die Natur.
"Naturwissenschaft" hat als "Auftrag", die Natur wissenschaftlich zu erklären.
So what?
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Nathan » Mo 21. Apr 2008, 10:29

Robert hat geschrieben:Versteh ich nicht ganz. Wie kann solch eine Person, die "die Dreifaltigkeit als ein eine Häresie" ansieht, aus der christlichen Überzeugung heraus agiert haben?


Er hat ja nicht mit der Dreieinigkeit argumentiert, aber er war trotzdem christlicher Theologe, der sich an diesem Punkt gewaltig irrte. Das schließt aber nicht aus, dass er in alleln möglichen anderen Bereichen christlich argumentieren konnte.

Robert hat geschrieben:Wieso würde Darwin aus jeder Talk-Show fliegen, wenn er über Rassen spricht?


Er sprach eben nicht nur über Hunderassen, sondern über Menschenrassen (in seiner "Entstehung der Arten"), was man heute als Steilvorlage für Rassismus betrachten muss.


Robert hat geschrieben:Wenn die Trennung zwischen Tier und Mensch zerstört wurde, wie können eine Gruppe von Menschen dann zu Tieren gemacht werden?


Man befürchtete eine Degeneration, die durch den Evolutionsgedanken praktisch beliebig weit vorgestellt werden kann. Dieser Gedanke selbst macht in der Natur keinen Sinn, aber der Mensch ist durch seine Kunst-Natur (Kultur) ja gerade den natürlichen Abläufen und Kämpfen mit Einschränkungen enthoben. Gesetze schützen den Schwachen, Versicherungen schützen vor dem Ruin bei Hochwasser, der Markt sorgt für Verteilung von Nahrungsmitteln in allen Gebieten, die sie bezahlen können etc...
Diese ganzen Mechanismen stehen einer vermeintlich evolutiven Entwicklung entgegen, und allen voran die Nächstenliebe!
Das, was in der Natur als Selektionsmechanismus fungiert, ist durch die Kultur und vor allem durch die Religion weitgehend außer Kraft gesetzt.
Die Sorge einer Degeneration war zwar kein genuiner Bestandteil des Darwinismus, aber er war ein für viele naheliegender Gedanke, wenn man sich vor dem Hintergrund der ET über die Zukunft eines Staates Gedanken machte.

Robert hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Keine Sorge: ich selbst glaube nicht an die Evolutionstheorie und bin für solche Gedanken daher absolut unempfänglich.


Für welche Evolutionstheorie? Oder für jede?


Ich glaube an gar keine Evolutionstheorie.

Robert hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Ich such noch mal nach dem Text, aber die Griechen hatten nach allgemeiner Einschätzung keine Naturwissenschaften entwickelt und die ersten Naturwissenschaftler im modernen Sinn waren nun mal Christen, ob es dir gefällt oder nicht.


"Und zeig mir, wieso sich Naturwissenschaft aus der Bibel ergibt."


Psalm 111,2: Groß sind die Werke des Herrn, wer sie erforscht hat Freude daran.
Sprüche 3,19: Der Herr hat durch Weisheit die Erde gegründet, die Himmel befestigt durch Einsicht.
Psalm 119,90f: Von Geschlecht zu Geschlecht währt deine Treue. Du hast die Erde gegründet, und sie steht.
Nach deinen Ordnungen bestehen sie bis heute, denn alles ist dir dienstbar.
usw...

Der Blick auf die Natur ist in der Bibel geprägt von Begeisterung über Gott, seine Weisheit, die er sichtbar angewandt hat und den Glauben an die heilsame Ordnung, die er den Menschen damit gegeben hat. Die Naturgesetze waren also tatsächlich auf einer Ebene mit den Geboten Gottes gesehen.
Und für Naturwissenschaft ist ebenfalls der Glaube an eine Ordnung Voraussetzung, Demut im Hinblick auf die Grenzen der Vernunft (dadurch wird Forschung nötig) und Liebe zum Gegenstand, damit Forschung nicht auf den wirtschaftlichen Nutzen beschränkt wird.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Nathan » Mo 21. Apr 2008, 10:33

Myron hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Wartest du ernsthaft auf eine physikalische Erklärung für Totenauferweckungen?


Wären derartige Vorkommnisse real, dann gäbe es dafür sicher keine vernünftige physikalische Erklärung.


Der Witz ist: es gibt überhaupt keine "vernünftige" Erklärung für diese "Vorkommnisse". Entweder man betrachtet die Berichte als Irrtum, dann stößt man an die genaue Beschreibung des Testes, ob Jesus schon tot war. Oder man hält sie für Erfindung, aber dann kann man nicht erklären, weshalb die Autoren für diese Ansicht bereit waren zu sterben. Sie hatten absolut nichts davon!
Selbst Theologen, die eigentlich nichts mit Übernatürlicherm am Hut haben, sprechen vage von einem "Ostererlebnis" und vermuten, dass da irgendetwas passiert sein muss, wobei sie natürlich gleichzeitig beteuern, nicht an die Auferstehung im buchstäblichen Sinne zu glauben (so was können nur Theologen...).

Die naheliegendste Erklärung ist tatsächlich diejenige, die den Texten einfach glaubt. Alles andere ist ideologisch motiviertes Gebastel.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Mo 21. Apr 2008, 10:35

Myron hat geschrieben:Mit anderen Worten, der Naturalismus ist mehr als ein Fanklub der Naturwissenschaft.

Das sagt mir der richtige..
Myron hat geschrieben:Die Natur ist das physische Raumzeitsystem mitsamt seinen von der physischen Basisstruktur abhängigen chemischen, biologischen, psychischen und sozio-kulturellen Phänomenen.

Hier wird Natur in die Fragmente heutiger Naturwissenschaften zerschlagen und weitestgehend materialistisch wieder zusammen gebastelt.
Das ist Szientismus pur ;-)
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Nathan » Mo 21. Apr 2008, 10:36

Qubit hat geschrieben:
Nathan hat geschrieben:Ich glaube dir gerne, dass du das so als Atheist gerne definieren möchtest, aber die Naturwissenschaften gab es schon, bevor Atheisten sie als ihre Spielwiese entdeckten.
Aber btw: du wolltest doch gar nicht definieren, was "Natur" ist, wie kannst du dann definieren, was "Naturwissenschaft" ist? Den Einwand finde ich nicht gerade spitzfindig!

Das "per definitionem" bezieht sich auf die Naturwissenschaften, nicht auf die Natur.
"Naturwissenschaft" hat als "Auftrag", die Natur wissenschaftlich zu erklären.
So what?


Aber um Naturwissenschaft zu definieren, musst du eben doch "Natur" definieren.
Wer der Natur ihren Auftrag erteilt weiß ich nicht, aber dass es etwas mit Natur und Wissenschaft zu tun hat ist irgendwie klar. Die Frage ist nur, wieso diese Erklärungen atheistisch sein sollen. Das verstehe ich nicht so ganz.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Qubit » Mo 21. Apr 2008, 10:42

Nathan hat geschrieben:Aber um Naturwissenschaft zu definieren, musst du eben doch "Natur" definieren.
Wer der Natur ihren Auftrag erteilt weiß ich nicht, aber dass es etwas mit Natur und Wissenschaft zu tun hat ist irgendwie klar. Die Frage ist nur, wieso diese Erklärungen atheistisch sein sollen. Das verstehe ich nicht so ganz.

Du redest irr..
"Naturwissenschaft" beschreibt eine Methodik, Natur wissenschaftlich zu erklären.
"Atheismus" ist eine Weltanschauung.
Beides in den Mixer deiner Hirnverwurstung zu werfen, mag die Ursache deines Unverständnis sein.
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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon Fisherman's Fellow » Mo 21. Apr 2008, 11:08

Myron hat geschrieben:Ich muss allerdings betonen, dass ich den Begriff eines nichtphysischen Dinges mit psychischen Eigenschaften sowie alle damit zusammenhängenden Begriffe wie "Seelensubstanz", "immaterielle Person" oder "körperloser Geist" im Grunde für ungereimt und unverständlich halte, und die Existenz von Gegenständen, die unter diese Art von Begriffen fallen, wenn nicht für logisch doch zumindest für praktisch ausgeschlossen erachte.

Dein Ausdruck "Ding" legt nahe, dass es sich bei diesem Ding um eine irgendwie erforschbare Tatsache handeln muss. Aber genau das ist ja ausgeschlossen, wenn man davon ausgeht, dass die Realität und somit auch alle Erkenntnis durch "es" bewirkt sind.

Die oben genannten Beispiele sind zwar auch (prinzipiell) vorstellbar, aber da geht es mir so wie Dir: "ungereimt". Sie zielen auch mehr auf animistisch-spiritistische Vorfestlegungen, nicht auf den Monotheismus.

Auf die Schnelle fallen mir zwei Möglichkeiten ein, wie Spuren einer göttliche Wirksamkeit in der Realität von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus erkennbar sein könnten.

1. Wie schon gesagt: in ursachelosen Wirkungen. Gottes Handeln poppt blitzartig in die Welt und löst Wirkungen aus, für die es keine "naturgesetzlich gedeckten" Ursachen gibt.
In der Praxis wird so etwas kaum zu beobachten sein, weil man ja alles tun wird (Hilfshypothesen aufstellen, notfalls Axiome ändern, wahrscheinlich aber, da es sich um singuläre Phänomene handelt, die Qualität der Berichte über dieses Phänomen in Frage stellen), um die Homogenität der Kausalität zu retten.

2. In der Lebensfreundlichkeit des Universums. (-> anthropisches Prinzip) Der Umstand, dass dieses Universum Leben enthält, das versucht, es selbst zu erforschen, ist einer Verkettung von Ereignissen zuzuschreiben, die nicht gerade besonders zufällig aussieht.
Auf diese Beobachtung lässt sich in verschiedener Weise antworten:

(a) Es liegt durchaus im statistischen Rahmen, wenn man gleich im ersten Wurf sieben Sechser wirft.
(Mag schon sein, aber mir ist das noch nie passiert) ;-)

(b) Es gibt unglaublich viele Paralleluniversen. Die statistische Basis ist sogar so groß, dass es nicht nur ein belebtes Universum gibt, sondern "fast" unendlich viele, in denen sogar ich selbst oftmals vorkomme: Darum ist diese Welt keine Ausnahme, weil es noch viel mehr Universen gab, die nicht mal so groß wie ein Fußball wurden.
(Angesichts solcher Berechnungen und Überlegungen, bei denen das Wörtlein "unendlich" eine große Rolle spielt, geht mir das physikalische Licht aus und der metaphysische Spot an. Die Realität, so wie ich sie hypothetisch annehme, liefert messbare Fakten, keine Formeln, und schon gar nicht solche)

(c) Man geht von dem einen Universum aus, das erforscht werden kann und unterstellt, dass die Verkettung von lebensschaffenden Ereignissen auf eine Eigenschaft der Materie selbst deutet, die sich eben nicht blind zufällig, sondern "tendenziös" entwickelt.
(Dieser Gedanke bedingt nicht notwendig Theismus. Ich glaube, ich habe mal bei Dawkins gelesen, dass die Natur die "Evolution von Information" begünstigen würde. Aber sobald man weiter fragt: "Wie kommt das?", schrammt man hart an der Kante des Theismus entlang.

Hier möchte ich noch eine zweite Sache klären: Alle diese induktiven Versuche, göttliches Wirken in der Natur aufzuspüren, setzen eine Gottesvorstellung voraus, und die ist ein gedankliches Gebilde von Menschen, also eine Art Götze.
Daraus ergibt sich für mich, dass man mit wissenschaftlichen Mitteln (auch philosophischen, metaphysischen), immer nur einen Götzen aus der "Realität" herausmeißeln kann, niemals aber Gott.
Der ist mit der blauen Brille der Wissenschaft überhaupt nicht zu erkennen.

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Re: Naturalismus als Weltanschauung

Beitragvon HF******* » Mo 21. Apr 2008, 11:08

@Nathan:
Die Märchengeschichten der Bibel hat doch irgendein dahergelaufener Typ geschrieben. Die anderen haben es dann zum Teil abgeschrieben, abgeändert. Später wurden Teile aussortiert, die den Herrschaften nicht in den Kram passten. Legenden wurden gestickt, lange nachdem das ganze passiert sein soll. Heute haben wir exakte Aufzeichnungen, Filmaufnahmen, Photographien etc., lebende Zeitzeugen und dennoch haben wir im Detail wesentliche Probleme nachzuweisen, was etwa vor 60 Jahren passiert ist.

Ich sehe nicht, welcher Umstand darauf hindeuten sollte, dass ausgerechnet diese Geschichten nach höherer Wahrscheinlichkeit wahr sein sollten, als jede andere Märchengeschichte. Je weniger Rückhalt eine Geschichte in der Realität findet, wenn sie also etwas darstellt, was es allgemein nicht gibt, dann handelt es sich klassischerweise um ein Märchen. Ich sehe keinen Anhaltspunkt, weshalb sich das ausgerechnet bei der Bibel anders verhalten sollte.

Es wird doch auch wörtlich von Bildnissen die Rede, also von Geschichten, die ihrem Sinn nach zu verstehen sind, nicht aber wörtlich! Bei wörtlichem Verständnis wird die Bibel weitestgehend sinnlos!
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