Ein Universum ohne Beobachter?

Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon spacetime » Sa 22. Sep 2007, 11:55

Ich frage mich jetzt schon seit längerem wie man dieses philosophische Problem eventuell beantworten kann. Stell dir vor, in unserem sinnleeren Universum, aus dem wir selbst immer Sinn suchen, gibt es kein Leben (was ja auch irgendwann mal so war). Wenn niemand sagen könnte, dass es die Welt gibt, gibt es dann überhaupt eine Welt? Ich weiß, dass die Welt vor meiner Geburt existiert hat, aber wie kann man das mit Sicherheit behaupten, wenn man es nicht erlebt hat?

Mir ist bewusst, dass die Frage vielleicht etwas naiv klingt, aber ich sehe in ihr trotzdem ein tief philosophisches Problem...
Eine Welt ohne Beobachter, in einem sinnleeren Universum!

Habt ihr evtl. Erklärungen? Oder macht alleine die Frage keinen Sinn?
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Peter Janotta » Sa 22. Sep 2007, 12:17

Der Naturalismus nimmt den Menschen aus den Mittelpunkt der Welt. Danach sind die Naturgesetze die bestimmenden Faktoren, wie sich alles verhält und entwickelt. Mit oder ohne Mensch darin. Letztendlich führt deine Frage auf das alte philosophische Problem, ob es überhaupt etwas gibt, d.h. die Frage nach dem Sein als solches.

Die Annahme, dass es etwas gibt, stellt jedoch die Grundvoraussetzung für sowas wie objektive Naturgesetze dar. Ohne Sein keine Naturgesetze, keine objektiv vorhandene Welt und keine Wissenschaft. Das widerspricht aber der Position des Naturalismus.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon spacetime » So 23. Sep 2007, 18:55

Also ist es für einen Naturalisten völlig irrelevant, ob es jemanden im Universum gibt, der bestätigen kann, dass es existiert?
Muss ich das so verstehen, dass das Universum (wir sind ja ein Teil davon) mit der Entstehung des menschlichen Gehirns über sich selbst philosophieren konnte. Davor wusste niemand etwas von dessen Existenz und trotzdem war es da. Wenn es nie Leben gegeben hätte, gäbe es trotzdem diesen riesigen Raum (Universum)...
Ich weiß nicht warum, aber ich kann mich mit diesem Gedanken nicht abfinden. Woran liegt das, nimmt man sich als Mensch zu wichtig?

PS: Gibt es dazu evtl. Informationen im Internet oder Bücher?
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Myron » So 23. Sep 2007, 19:06

spacetime hat geschrieben:Ich frage mich jetzt schon seit längerem wie man dieses philosophische Problem eventuell beantworten kann. Stell dir vor, in unserem sinnleeren Universum, aus dem wir selbst immer Sinn suchen, gibt es kein Leben (was ja auch irgendwann mal so war). Wenn niemand sagen könnte, dass es die Welt gibt, gibt es dann überhaupt eine Welt? Ich weiß, dass die Welt vor meiner Geburt existiert hat, aber wie kann man das mit Sicherheit behaupten, wenn man es nicht erlebt hat?

Mir ist bewusst, dass die Frage vielleicht etwas naiv klingt, aber ich sehe in ihr trotzdem ein tief philosophisches Problem...
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Wir wissen, dass es im Universum nicht schon immer es beobachtende Lebewesen gegeben hat.
Damit ist die Beobachterunabhängigkeit des Universums empirisch nachgewiesen.

Objektive Tatsachen, wie diejenige, dass es eine Welt gibt, sind von ihrem Gedachtwerden unabhängig.
In einem beobachterfreien Universum werden selbstverständlich keine Tatsachen festgestellt, was den Tatsachen selbst jedoch völlig "wurscht" ist, da ihre Existenz nicht davon abhängt, dass sich irgendwelche denkenden Wesen ihrer bewusst sind.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Myron » So 23. Sep 2007, 19:24

spacetime hat geschrieben:Also ist es für einen Naturalisten völlig irrelevant, ob es jemanden im Universum gibt, der bestätigen kann, dass es existiert?


Für einen Realisten sind die physikalischen Tatsachen beobachterunabhängig.

spacetime hat geschrieben:Ich weiß nicht warum, aber ich kann mich mit diesem Gedanken nicht abfinden. Woran liegt das, nimmt man sich als Mensch zu wichtig?


Der Mensch scheint in der Tat eine Art "narzisstische Kränkung" zu erleiden, wenn er begreift, dass das Universum nicht speziell für ihn gemacht worden und überhaupt nicht für ihn da ist.
Die Einsicht, dass der Mensch nur ein unwesentlicher Teil der Natur ist, d.h. dass er von der Natur abbhängig ist, aber die Natur nicht von ihm, geht mit einer buchstäblichen Enttäuschung einher.

spacetime hat geschrieben:PS: Gibt es dazu evtl. Informationen im Internet oder Bücher?

Hm..., was genau interessiert Dich?
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon spacetime » So 23. Sep 2007, 20:04

Mich interessiert z.B. was bekannte Philosophen dazu sagen. Aber eigentlich ist meine Frage schon beantwortet. Es liegt wohl in der Natur der der Sache, dass man sich das nicht so leicht vorstellen kann. Ich war mir zwar bewusst, dass es dem Univerum egal ist ob es jemand sehen kann oder nicht, aber es ist eigentlich das Gleiche wenn man von sich selbst ausgeht: Man hat vor ein paar Jahren nicht gelebt, aber das Universum war trotzdem da egal mit oder ohne dich und mich!

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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon ernst.eiswuerfel » So 23. Sep 2007, 20:22

Mir ist bewusst, dass die Frage vielleicht etwas naiv klingt, aber ich sehe in ihr trotzdem ein tief philosophisches Problem...
Eine Welt ohne Beobachter, in einem sinnleeren Universum!


Ich finde das total wichtig, dass solche Fragen, auch wenn sie sich naiv anhören, hier diskutiert werden. Diese Fragen sind es doch unter anderem, welche die Menschen den verschieden Religionsgemeinschaften in die Arme treiben. Daher wäre es doch eine Herrausforderung auf solche Fragen naturwissenschaftliche, fundierte Antworten zu suchen, die auch ein "normal Verbraucher" verstehen kann.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Myron » So 23. Sep 2007, 20:45

spacetime hat geschrieben:Mich interessiert z.B. was bekannte Philosophen dazu sagen. Aber eigentlich ist meine Frage schon beantwortet. Es liegt wohl in der Natur der der Sache, dass man sich das nicht so leicht vorstellen kann. Ich war mir zwar bewusst, dass es dem Univerum egal ist ob es jemand sehen kann oder nicht, aber es ist eigentlich das Gleiche wenn man von sich selbst ausgeht: Man hat vor ein paar Jahren nicht gelebt, aber das Universum war trotzdem da egal mit oder ohne dich und mich!


Die Vorstellung einer Welt ohne Vorstellungen/Vorsteller hat nichts Widersprüchliches an sich.
Es kann selbstverständlich keine vorstellungsunabhängigen/vorstellerunabhängigen Weltvorstellungen geben, was aber mitnichten bedeutet, dass es keine vorstellungsunabhängige/vorstellerunabhängige Welt geben kann.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Myron » So 23. Sep 2007, 20:52

spacetime hat geschrieben:Mich interessiert z.B. was bekannte Philosophen dazu sagen.


Zum Realismus?

Siehe z.B.:

* Searle, John R. Geist, Sprache und Gesellschaft: Philosophie in der wirklichen Welt. Übers. H. P. Gavagai. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 2004.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon a.stefan » So 23. Sep 2007, 20:54

Eine Ursache, das der Mensch sich immer im Mittelpunkt sehen muss, koennte sein, das das evolutionaer vom Vorteil war.

Wenn der fruehe Homo X in der Welt herumspazierte und irgendetwas ereignete sich, dann koennen wir zwar vom realistischen Standpunkt davon ausgehen, das das in 90% der Faelle nicht unseren Homo X betraf, aber der Homo X selbst, tat gutes daran, dieses "Irgendetwas" auf sich zu beziehen und zu fluechten - denn immerhin es koennte ja, in unseren Beispiel, bei 10% der Faelle eine reale Gefahr sein.
Und umso mehr unser Homo X das auf sich bezogen hat und zwar automatisch, ohne zu nachzudenken, umso groesser waren seine Chancen zu Ueberleben, falls wirklich einmal der 10%-Fall eintrat.

Der Mensch hat ja tatsaechlich eine enorme Interpretationsgabe, von den Bergen, in denen wir Gesichter erkennen, zu den Geraeuschen, denen wir etwas Besonderes zuschreiben.

So gibt es ja auch das "Gottesmodul" ( http://de.wikipedia.org/wiki/Gottesmodul ) in unserem Gehirn, das wenn gereizt uns transzendentalen Erfahrungen erleben laesst (Glaeubige, sowie AtheistInnen! [die Glaeubigen erkennen meist Personen aus ihrem Glauben, AtheistInnen, AgnostikerInnen haben nur das Gefuehl "das noch wer im Raum ist"]) - warum sollte der Mehraufwand an Energie, fuer dieses "Gottesmodul" gut sein, wenn nicht fuer einen evolutionaeren Vorteil (vorallem, da mehr Gehirnleistung, meist einen groesseren Kopf bedeutet und der menschliche Kopf fuer das weibliche Becken bei der Geburt, fast schon zu gross ist - daher die hohe Sterblichkeitsrate, bei Menschen bei Kindern und Muettern, im Gegensatz zu anderen Saeugetierarten [abgesehen von der modernen Medizin]).

Der evolutionaere Vorteil, Unerwartetes auf sich zu beziehen, in Dingen "etwas" zu erkennen und vorallem in Ablaeufen "etwas" zu erkennen, koennte also der Grund sein, fuer unsere widerstrebende Haltung, das wir nichts weiter als ein zufaellig entstandenes Haeufchen Biomolekuele sind, die weiter keine Bedeutung fuer das Universum haben.

Dank der kulturellen Evolution, die inzwischen zwar nicht unabhaengig von der biologischen Evolution ablaeuft, aber eigenstaendig und die biologische Evolution sogar beeinflusst (siehe Milchvertraeglichkeit durch die Kulturleistung "Viehwirtschaft"), koennen wir uns diesen evolutionaeren Ballast vom Halse schaffen und eigenstaendig denken.
Und da gilt das Kopernikanisches Prinzip: "Das kopernikanische Prinzip sagt aus, dass der Mensch keine ausgezeichnete, spezielle Stellung, sondern nur eine typisch durchschnittliche Stellung im Kosmos einnimmt." ( http://de.wikipedia.org/wiki/Kopernikanisches_Prinzip ).
Was meiner Meinung auch fuer einzelne Menschen zutrifft - allerdinge nur im einem weiteren Sinne: der einzelne Mensch ist nichts besonderes als andere Menschen, somit ist jegliche Einteilung von Menschen in Rassen, aber auch in anderen Kategorien, falsch! (oder besser gesagt, die Einteilung, die ueber den Erkenntnisgewinn hinausgeht und zu einer ideologischen Einteilung fuehrt und damit zu einer Verachtung gegenueber Menschen, ist falsch [das der Rassebegriff/Subart-Begriff beim Menschen nicht zutrifft, soll auch dazu gesagt werden])
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Zwackelmann » Mi 26. Sep 2007, 11:47

spacetime hat geschrieben:Ich frage mich jetzt schon seit längerem wie man dieses philosophische Problem eventuell beantworten kann. Stell dir vor, in unserem sinnleeren Universum, aus dem wir selbst immer Sinn suchen, gibt es kein Leben (was ja auch irgendwann mal so war). Wenn niemand sagen könnte, dass es die Welt gibt, gibt es dann überhaupt eine Welt? Ich weiß, dass die Welt vor meiner Geburt existiert hat, aber wie kann man das mit Sicherheit behaupten, wenn man es nicht erlebt hat?


Wie sollte das Leben denn entstanden sein, wenn es vor dem Leben nichts gab?
Es mussten doch die chemischen/physikalischen Eigenschaften vorhanden sein, damit sich
Leben entwickeln kann!
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon lorenz » Mi 26. Sep 2007, 12:07

spacetime hat geschrieben:Wenn niemand sagen könnte, dass es die Welt gibt, gibt es dann überhaupt eine Welt?

Für mich ist das ein rein sprachliches Problem:

"gibt es die Welt?": Das kann verstanden werden als: "existiert das XYZ, das wir heute als 'die Welt' kategorisieren?" oder als "existiert die Kategorie 'die Welt'?"

Wenn kein kategorisierendes Subjekt existiert, lautet die Antwort im ersteren Fall ja, im letzteren nein.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Myron » Mi 26. Sep 2007, 12:46

lorenz hat geschrieben:Für mich ist das ein rein sprachliches Problem:

"gibt es die Welt?": Das kann verstanden werden als: "existiert das XYZ, das wir heute als 'die Welt' kategorisieren?" oder als "existiert die Kategorie 'die Welt'?"


Nicht "die Welt", sondern "Welt" steht für die Kategorie/den Begriff <Welt>.
Die Frage "Existiert die Welt?" ist nicht doppeldeutig, denn wer nach der Existenz der Welt fragt, fragt nicht nach der Existenz des Begriffs <Welt>.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon lorenz » Mi 26. Sep 2007, 13:38

Myron hat geschrieben:
lorenz hat geschrieben:Für mich ist das ein rein sprachliches Problem:

"gibt es die Welt?": Das kann verstanden werden als: "existiert das XYZ, das wir heute als 'die Welt' kategorisieren?" oder als "existiert die Kategorie 'die Welt'?"


Nicht "die Welt", sondern "Welt" steht für die Kategorie/den Begriff <Welt>.
Die Frage "Existiert die Welt?" ist nicht doppeldeutig, denn wer nach der Existenz der Welt fragt, fragt nicht nach der Existenz des Begriffs <Welt>.


Dann eben mal anders:

Existiert irgend ein Zeug, dass wir als "(die) Welt" interpretieren, auch wenn wir Interpretierer nicht existieren? Davon kann man ausgehen, auch wenn man nie dabei sein kann. Auch wenn man es nie überprüfen kann.
Aber:
Existiert genau das, was für uns in dem Begriff "(Die) Welt" enthalten ist, auch wenn... (s.0.)? Nein. Es existiert allenfalls "so ein Zeug" (s. o.).

Können wir überhaupt im Einzelfall richtig zwischen dem "Zeug da draußen" und unseren Kategorien davon unterscheiden? Können wir überhaupt "nach draußen schauen", oder betrachten wir bei dem Versuch immer (nur?) unser eigenes Modell von "dem da draußen"?

Denken und sprechen übner solche Themen ist ja ein Umgehen mit solchen (im Modell vorhandenen) Kategorien.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Myron » Mi 26. Sep 2007, 15:44

lorenz hat geschrieben:Existiert genau das, was für uns in dem Begriff "(Die) Welt" enthalten ist, auch wenn... (s.0.)? Nein. Es existiert allenfalls "so ein Zeug" (s. o.).

Können wir überhaupt im Einzelfall richtig zwischen dem "Zeug da draußen" und unseren Kategorien davon unterscheiden? Können wir überhaupt "nach draußen schauen", oder betrachten wir bei dem Versuch immer (nur?) unser eigenes Modell von "dem da draußen"?

Denken und sprechen über solche Themen ist ja ein Umgehen mit solchen (im Modell vorhandenen) Kategorien.


Wie wir das "Zeug da draußen" klassifizieren/kategorisieren, d.i. begrifflich fassen, ist eine Sache der Konvention, d.h. wir konstruieren unsere Begriffsschemata mehr oder minder willkürlich; aber das bedeutet nicht, dass das "Zeug da draußen" davon abhängig ist, ob und wie wir es repräsentieren, d.i. geistig mittels Zeichen erfassen.

John Searle zitiert Nelson Goodman (aus "Vom Denken und anderen Dingen", Suhrkamp 1998):

"Wie wir nun also Sternbilder dadurch erzeugen, dass wir bestimmte Sterne und nicht andere herausgreifen und zusammenbringen, so erzeugen wir auch Sterne dadurch, dass wir bestimmte Grenzen ziehen und nicht andere. Es gibt keine Vorschrift, nach der der Himmel in Sternbilder oder andere Gegenstände aufgeteilt werden muss. Wir müssen erzeugen, was wir finden, sei es der große Wagen, Sirius, Nahrung, Brennstoff oder ein Stereosystem."

(Searle 1997, S. 172)

1. Das Beispiel mit den Sternbildern ist nicht analog zum Beispiel der Sterne, weil es sich im Gegensatz zu letzteren bei ersteren nicht um natürlich bzw. physisch zusammenhängende Systeme handelt. Es gibt reale System-Umwelt-Grenzen in der Natur, die nicht von uns gezogen worden sind.
2. Searle gibt Goodman insoweit recht, als die Konstruktion unserer Klassifikationssysteme in der Tat eine Sache der Konvention ist. Aber die Ansicht, dass die Klassifikation, d.i. die konzeptuelle Repräsentation z.B. eines Himmelkörpers diesen buchstäblich erzeugt, hält er—wie ich finde zu Recht—für völlig abwegig.
Seine Erwiderung auf Goodman's Antirealismus:

"Man denke sich das Verhältnis von Realismus und Begriffsrelativismus etwa so:
Man nehme sich eine Ecke der Welt, zum Beispiel das Himalaya-Gebirge, und man denke es sich, wie es vor der Existenz menschlicher Wesen war. Nun stelle man sich vor, dass Menschen daherkommen und sich die Tatsachen auf vielfache verschiedene Weise repräsentieren. Sie haben verschiedene Vokabularien, verschiedene Systeme, sich Karten zu machen, verschiedene Systeme, Berge zu zählen, einen Berg, zwei Berge, denselben Berg usf. Als Nächstes stelle man sich vor, dass schließlich alle Menschen aufhören zu existieren, Was passiert nun mit der Existenz des Himalaya und all den Tatsachen hinsichtlich des Himalaya-Gebirges im Verlauf dieser verschiedenen Wechselfälle? Überhaupt nichts. Verschiedene Beschreibungen von Tatsachen, Objekten usf. kamen und gingen, aber die Tatsachen, Objekte usf. blieben unberührt. (Bezweifelt jemand das wirklich?)"


(Searle, John R. Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Übers. M. Suhr. Reinbek: Rowohlt, 1997. S. 174)
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon spacetime » Mi 26. Sep 2007, 16:33

Falls mich jemand Falsch verstanden hat... Es ging mir darum, dass es für viele Menschen nicht leicht ist, sich eine Welt vorzustellen in der es niemanden gibt, der sagen kann, dass es sie gibt. Es ist wohl für jeden ziemlich klar, dass Searle mit seiner Ansicht besser dasteht.
Ich denke es liegt daran, dass der Mensch sich als etwas sieht, das außerhalb der Welt existieren kann. Man muss sich als Teil des Universums verstehen. Erst dann sieht man, dass es niemanden braucht, für die Tatsache, dass es die Welt gibt. Es muss keinen "Metasinn" für die Welt geben, sie kommt auch gut ohne solchen zurecht.
Fazit: Ich habe es zwar verstanden, aber vorstellen kann ich mir es trotzdem nicht. Mein Kopf sagt: "Ist ja logisch!" :up: Meine Gefühle sagen: "Kann doch nicht wahr sein...!" :gott:

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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Myron » Mi 26. Sep 2007, 16:40

spacetime hat geschrieben:Man muss sich als Teil des Universums verstehen.


Der Mensch ist in seiner körperlich-seelischen Ganzheit ein Teil der Natur, d.h. er ist vollständig natürlich.
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon spacetime » Do 27. Sep 2007, 15:39

@ Myron
Genau das müssen die Leute verstehen!
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Re: Ein Universum ohne Beobachter?

Beitragvon Myron » Do 27. Sep 2007, 17:12

spacetime hat geschrieben:@ Myron
Genau das müssen die Leute verstehen!


Alle psychischen Phänomene hängen von physischen Phänomenen ab (bzw. sind dazu supervenient oder emergent).

Das ist eine zentrale naturalistische These.
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