Popper und Religion

Popper und Religion

Beitragvon Max » Di 17. Apr 2007, 12:32

Karl Raimund Popper äußerte sich nur sehr wenig zur Religion. Mir ist nur ein einziges Kommentar mitsamt persönlichem Bekenntnis von ihm bekannt. Dabei erklärte er, dass er selbst Agnostiker sei und die Religion für ihre kulturellen Leistungen bewundere.

Lange Zeit dachte ich, der KR würde keineswegs bestimmte Haltungen in bezug auf Gott obligieren. Zwar könne man nicht Theist oder Deist sein, aber beispielsweise Agnostiker. Karl Popper sah ich dabei als Beleg dafür an. Er war der bedeutendste Vertreter des KR und kein Atheist, sondern lediglich Agnostiker.

Heute denke ich anders. Die Gottes-Hypothese hat heutzutage keinen Erklärungswert mehr, daher gibt es auch keinen vernünftigen Grund, sie überhaupt in Betracht zu ziehen. Hypothesen dienen schließlich zum erklären der Welt und zum Lösen von Problemen. Wenn eine Hypothese dies allerdings nicht vollbringt und es keinen Unterschied macht, ob sie war ist oder nicht, kann sie auch getrost vergessen werden. Sie ist einfach bedeutungslos.

Dies bezieht sich nur auf das Aufstellen der Hypothese. Die verschiedenen Argumente beiderseits - pro und contra - sind hier noch gar nicht beachtet. Sämtliche Gottes"beweise" in der Geschichte sind längst falsifiziert. Die Mehrzahl von ihnen sind Wortspielereien, bei denen man das Wort "Gott" - mutatis mutandis - problemlos mit "Teufel", "Geist" oder was auch immer ersetzen kann. Wenn man allerdings beim Wort "Gott" bleibt, stellt sich immer noch die Frage, welcher der vielen tausend Götter den jetzt nun damit gemeint ist. Ich will hier nicht näher auf dieses Thema eingehen. Mir geht es hier mehr um die Person Karl Popper und seine religiöse Haltung.

In zahlreichen Aufsätzen von ihm findet man immer wieder das Wort "Gott" in einem umgangsspachlichen Zusammenhang vor. So ist vom "lieben Gott", der ERschaffung der Erde und anderem die Rede. Natürlich stellt das bei Popper nichts religiöses dar, sondern diente lediglich der sprachlichen Gestaltung seiner Reden (die angesprochenen Texte waren Skripte für Reden; entweder aus Auf der Suche nach einer besseren Welt oderAlles Leben ist Problemlösen)

Wieso war Popper so inkonsequent? Wieso hatte er eine solche religiöse Wischi-Waschi-Haltung? Wieso hat er sich so wenig zur Religion geäußert?
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Re: Popper und Religion

Beitragvon Kurt » Di 17. Apr 2007, 13:23

Max hat geschrieben:Wieso war Popper so inkonsequent? Wieso hatte er eine solche religiöse Wischi-Waschi-Haltung? Wieso hat er sich so wenig zur Religion geäußert?


Vermutlich aus dem selben Grund wie andere intelligente Menschen, die an Gott glauben: Weil sie nicht genug über das Thema nachgedacht haben. Oder weil ihre Prägung mit sozialen Normen so stark war, dass sie sich nicht (vor ihrem Tod) davon lösen konnten. Oder weil Popper die Zeit noch nicht reif sah, gegen die Religion zu Felde zu ziehen, weil erstmal die grundlegenderen Dinge in die Köpfe der Allgemeinheit mussten. Oder er hoffte, die Leute würden selbst draufkommen. Oder vielleicht hielt er es einfach für sinnlos, über solche Wischi-Waschi-Themen zu diskutieren. ;-)
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Re: Popper und Religion

Beitragvon Mark » Di 17. Apr 2007, 14:37

Kurt hat geschrieben:
Max hat geschrieben:Wieso war Popper so inkonsequent? Wieso hatte er eine solche religiöse Wischi-Waschi-Haltung? Wieso hat er sich so wenig zur Religion geäußert?


Vermutlich aus dem selben Grund wie andere intelligente Menschen, die an Gott glauben: Weil sie nicht genug über das Thema nachgedacht haben. Oder weil ihre Prägung mit sozialen Normen so stark war, dass sie sich nicht (vor ihrem Tod) davon lösen konnten. Oder weil Popper die Zeit noch nicht reif sah, gegen die Religion zu Felde zu ziehen, weil erstmal die grundlegenderen Dinge in die Köpfe der Allgemeinheit mussten. Oder er hoffte, die Leute würden selbst draufkommen. Oder vielleicht hielt er es einfach für sinnlos, über solche Wischi-Waschi-Themen zu diskutieren. ;-)


es ist insofern festzustellen daß es beiweitem schlimmer ist einer beschissenen zeit vorraus zu sein als einer schönen. es mussten sicherlich sehr viele menschen unaufrichtig sein um ein gleichgestelltes leben führen zu dürfen. es ist einsam...aber wenigstens darf man leben.
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Re: Popper und Religion

Beitragvon PoppersFan » Mo 13. Aug 2007, 14:39

Ich denke, dass Popper einen gewissen widerwilligen Respekt vor den Gefühlen religiöser Menschen hatte, unter denen er schließlich auch viele bewunderte - es gibt zum Beispiel eine lange Liste religiöser Naturwissenschaftler. Außerdem erlaubt ihm seine Haltung als kritischer Rationalist aber einfach nicht, Hypothesen gewissermaßen präventiv einfach vom Tisch zu wischen (etwa mit dem Vermerk, sie hätten keinen Erklärungswert) - er wird sich zunächst immer undogmatisch auf die vorgebrachten Argumente einlassen. Den Ausschlag gibt aber vielleicht seine Einsicht in die Bedeutung der Religionsfreiheit für die modernen Demokratien: Sie ist der Kern der politischen Säkularisierung und hochwichtig für den inneren Frieden. Demokratie kann es sich nicht leisten atheistisch zu sein, denn dann wäre sie totalitär...

Ich fand es aber tatsächlich auch immer erstaunlich, dass er in Die offene Gesellschaft und ihre Feinde so vollständig über das Thema hinwegging. Viele religiöse Gemeinschaften sind ja quasi Prototypen von geschlossenen Gesellschaften in Poppers Sinn, selbst wenn sie nur Parallelwelten sind und es selten zu echten Theokratien bringen. Auch der Historizismus, Poppers eigentlicher Aufhänger für das Buch, wurde geradezu von den Religionen erfunden. Und die schlimmsten Feinde der offenen Gesellschaft finden wir, zumindest heute, im Lager der Religion. Ich mag deshalb Poppers schonendem Agnostizismus persönlich auch nicht mehr folgen (und bin nun neuerdings hier im Forum unterwegs), meiner Ansicht nach ist es Zeit für Band 3!
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Beitragvon Tapuak » Mo 13. Aug 2007, 19:38

Popper selbst war wohl Agnostiker (sinngemäß: "Was wissen wir denn über diese Dinge? So gut wie nichts."). Es stimmt, dass er in seinen Texten gelegentlich religiöse Ausdrücke benutzt hat ("...wie eine Handlung Gottes..."), aber das waren wohl eher ziemlich misslungene Metaphern und kein Ausdruck einer religiösen Geisteshaltung. Vor allem sind solche Metaphern recht unpassend, wenn er eine Seite darauf schreibt, dass er "nicht an den Glauben [als Geisteshaltung] glaubt".

Ich meine mich zu erinnern, von ihm gelesen zu haben, dass er sich für Religion auch einfach nicht sonderlich interessierte, zumindest überhaupt nicht für Theologie. Eigentlich ist das auch eine sehr gesunde Einstellung, denn letztendlich raubt die intellektuelle Auseinandersetzung damit viel Zeit und hat doch relativ wenig Nutzen.
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