Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Für Artikel, Video- oder Audiomaterialien, die im Zusammenhang mit der Thematik der Brights-Bewegung stehen.

Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Vollbreit » Mo 28. Mai 2012, 09:18

mat-in hat geschrieben:Das Grundlegende Problem der Religiösität in der Wissenschaft ist, daß es eben zu unwissenschaftlichen Ergebnissen führt, wenn man sich in einem festen kirchlich/religiösen Dogma bewegt. Muß nicht bedeuten daß der Wissenschaftler als Person nicht religiös sein darf, aber er muß sich - wie bei anderen Dingen auch - dessen bewußt sein und versuchen seine Arbeit nicht davon beeinflussen zu lassen.


Da hast Du natürlich völlig Recht, aber mal im Ernst.
Wer ist in der Lage z.B. ein anspruchsvolles Ingenieursstudium zu absolvieren und dabei nicht zu merken, dass der religiös ist? Warum wird religiösen Menschen hierimplizit jede Abstraktionsfähigkeit abgesprochen, dem man im Grunde schob jedem Teenager zutraut?
Und wie kann man denn seine Arbeit an Hybridantrieben, oder meinetwegen sogar als Evolutionsbiologe überhaupt von seiner religiösen Einstellung beeinflussen lassen?
Wie soll das ganz praktisch gehen?

mati-in hat geschrieben:Wenn man sich da nur innerhalb eines Dogmas bewegt kommt es immer zu Problemen, egal ob der Physiker annimmt im Teilchenbeschleuniger Gottes Schöpfungskraft aufblitzen zu sehen oder der Anthropologe meint alles was nicht seine Kultur ist muß primitiv sein.


Meinst Du im Ernst, bei einer Laborauswertung, einer Kurvendiskussion, einem Gespräch einer Forschergruppe, wird jedes mal der große weltanschauliche Bogen gezogen?
Ist denn die sexuelle Orientierung für den Wissenschaftler wichtig, oder welche Partei er wählt, welchem Fußballclub er die Daumen hält, was seine Eltern von Beruf waren?
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon mat-in » Mo 28. Mai 2012, 13:18

Vollbreit hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Das Grundlegende Problem der Religiösität in der Wissenschaft ist, daß es eben zu unwissenschaftlichen Ergebnissen führt, wenn man sich in einem festen kirchlich/religiösen Dogma bewegt. Muß nicht bedeuten daß der Wissenschaftler als Person nicht religiös sein darf, aber er muß sich - wie bei anderen Dingen auch - dessen bewußt sein und versuchen seine Arbeit nicht davon beeinflussen zu lassen.

Warum wird religiösen Menschen hierimplizit jede Abstraktionsfähigkeit abgesprochen, dem man im Grunde schob jedem Teenager zutraut?
Und wie kann man denn seine Arbeit an Hybridantrieben, oder meinetwegen sogar als Evolutionsbiologe überhaupt von seiner religiösen Einstellung beeinflussen lassen?

Ich spreche hier religiösen Menschen weder das Vermögen, noch den Willen ab, ihre Religiösität nur im Privaten auszuleben. Die "religiösen Probleme" in der Forschung sind jedoch mannigfaltig: Das ist nicht nur mit Grundlagenforschung, Experimentdesign und Experimentinterpretation der Fall (Kann/Darf ich diese oder Jene Frage stellen? Kann ich sie beantworten? Darf ich diese Art Forschung überhaupt betreiben? Warum hat Gott das so gemacht?). Das reicht in der Praxis von Problemen in der Lehre (Zitat: "Ich würde gerne bei ihnen meine Staatsexamensprüfung machen, wollte aber vorher anfragen, ob wir Fragen zur Evolution ausklammern können, aus religiösen Gründen?") bis zu Problemen im Laborablauf (Zitat: "Ich weiß nicht, warum es schief gegangen ist, aber ich gehe heute zum Mittagsgebet statt was zu essen, dann wird das morgen funktionieren."). Letzteres ist mir persönlich beides so untergekommen, in mehr als einem Fall über ersteres kann ich keine fundierten Aussagen treffen, die religiösen Wissenschaftler mit denen ich etwas mehr drüber geredet habe kann ich an einer Hand abzählen. Nicht weil ich wenig mit "so Leuten" rede, sondern weil es einfach so wenige gibt.

Vollbreit hat geschrieben:Ist denn die sexuelle Orientierung für den Wissenschaftler wichtig, oder welche Partei er wählt, welchem Fußballclub er die Daumen hält, was seine Eltern von Beruf waren?
Aber natürlich! Wenn der Wissenschaftler nicht Privat und Beruf trennt, ist das von außerordentlicher Wichtigkeit! Sonst wird nach der "Suche nach den Ursachen der Homosexualität" schnell eine "Suche nach einem 'Heilmittel' für Homosexuelle" wenn man konservativ/rechts/homophob ist oder aus der "Untersuchung zur möglichen Wirkung von Homöopathie" eine "Studie unter Welchen Umständen Homöopathie wirkt", wenn man eso/von der Homöopathieindustrie bezahlt ist. Einstellungen dieser Art ändern Experimentdesign, Umgang mit den Daten, die Erstellung einer Theorie die diese Daten beschreibt... und das ist extrem wichtig zu wissen bzw. zu trennen wenn es "saubere" Wissenschaft sein soll. Ist natürlich nicht immer und nicht 100% machbar, aber man sollte es zu mindest versuchen, wenn es wirklich Wissenschaft sein soll. Sonst kommen wir nicht wissenschaftlich weiter, sondern beweisen uns nur ein ums andere mal das Rauchen nicht schädlich ist uns homosexualität homöopathisch "heilbar"* ist.

*heilbar hier immer in Anführungszeichen, ich sehe das nicht als abnormal, unnatürlich oder behandlungswürdig, aber es muß gesagt werden, das es sogenannte Wissenschaftler gibt die mit dem Ansatz da ran gehen.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Vollbreit » Mo 28. Mai 2012, 14:37

mat-in hat geschrieben:Ich spreche hier religiösen Menschen weder das Vermögen, noch den Willen ab, ihre Religiösität nur im Privaten auszuleben. Die "religiösen Probleme" in der Forschung sind jedoch mannigfaltig:...


Okay, mit der Einhaltung der Gebetszeiten ist es sicher ein logistisches Problem (ich habe so etwas auch schon erlebt), aber was ist denn bspw. nicht möglich im Bereich der Forschung aus religiösen Gründen?
In meiner Welt schließt sich das ohnehin aus, dass, wenn ich z.B. nicht an die Evolution glaube, an die Uni zu gehen und Evolutionsbiologie zu studieren.

mat-in hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Ist denn die sexuelle Orientierung für den Wissenschaftler wichtig, oder welche Partei er wählt, welchem Fußballclub er die Daumen hält, was seine Eltern von Beruf waren?

Aber natürlich! Wenn der Wissenschaftler nicht Privat und Beruf trennt, ist das von außerordentlicher Wichtigkeit! Sonst wird nach der "Suche nach den Ursachen der Homosexualität" schnell eine "Suche nach einem 'Heilmittel' für Homosexuelle" wenn man konservativ/rechts/homophob ist


Ja, aber ehrlich gesagt, ist da in meinen Augen die Messe längst gelesen.
Die Homophobie der Religionen ist ein Problem, was ich anerkenne und auch mit größtem Unbehagen sehe.

mat-in hat geschrieben:oder aus der "Untersuchung zur möglichen Wirkung von Homöopathie" eine "Studie unter Welchen Umständen Homöopathie wirkt", wenn man eso/von der Homöopathieindustrie bezahlt ist.


Hm, meinst Du die Homöopathen haben so wahnsinnig viel Geld?
Homöopathie ist eh ein Thema für sich.

mat-in hat geschrieben:Einstellungen dieser Art ändern Experimentdesign, Umgang mit den Daten, die Erstellung einer Theorie die diese Daten beschreibt... und das ist extrem wichtig zu wissen bzw. zu trennen wenn es "saubere" Wissenschaft sein soll.


Das ist ein noch viel größeres Thema.
Generell stimme ich natürlich zu, aber wenn damit suggeriert werden soll, dass der Versuch Daten zu schönen vor allem aus der Ecke der „Alternativmedizin“ kommt, so würde ich mit großer Vehemenz widersprechen.

mat-in hat geschrieben:Ist natürlich nicht immer und nicht 100% machbar, aber man sollte es zu mindest versuchen, wenn es wirklich Wissenschaft sein soll.


Ja, Kernberg sagt immer, man solle Wissenschaft und Politik trennen, idealerweise versucht man das, praktisch läuft es eben so, wie es läuft. Die optimistische Version ist die, dass man den Selbstreinigungskräften der Wissenschaft vertraut und dass alle paar Jahre mal jemandem der Kragen platzt und er versucht den Stall auszumisten.

mat-in hat geschrieben:Sonst kommen wir nicht wissenschaftlich weiter, sondern beweisen uns nur ein ums andere mal das Rauchen nicht schädlich ist uns homosexualität homöopathisch "heilbar"* ist.

*heilbar hier immer in Anführungszeichen, ich sehe das nicht als abnormal, unnatürlich oder behandlungswürdig, aber es muß gesagt werden, das es sogenannte Wissenschaftler gibt die mit dem Ansatz da ran gehen.


Ja, ich weiß was Du meinst. Meistens ist es (nach meiner Beobachtung) bestimmte Clique dann tatsächlich evangelischer Homöopathen und auch Psychotherapeuten, die „Heilung“ von der Homosexualität versprechen.
Ich sehe das mit großem Unbehagen.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon mat-in » Mo 28. Mai 2012, 16:33

Vollbreit hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Die "religiösen Probleme" in der Forschung sind jedoch mannigfaltig:...

...was ist denn bspw. nicht möglich im Bereich der Forschung aus religiösen Gründen?
In meiner Welt schließt sich das ohnehin aus, dass, wenn ich z.B. nicht an die Evolution glaube, an die Uni zu gehen und Evolutionsbiologie zu studieren.
Es ging nicht um die Einhaltung von Gebetszeiten. Leute machen hier ja auch Raucherpausen oder nehmen sich Zeit für anderen Unsinn (wie hier im Forum schreiben). Es geht um die Grundeinstellung, nicht nachzudenken, warum die Zellkultur nicht funktioniert hat, sondern beten zu gehen und drauf zu vertrauen, daß es dann morgen schon funktionieren wird. Das ist totaler Wahnsinn und führt dazu das so Leute 6 Monate vor sich hin probieren und keiner weiß, was da schief läuft, bis man es in einem Nebensatz erfährt.
Auch wenn ICH da mit dir einer Meinung bin: Entwicklungsbio zu studieren und nicht an Evolution zu glauben scheint sich in deren Köpfen nicht auszuschließen. Und ich meine nicht, es in Frage zu stellen und zu diskutieren... :irre:

Vollbreit hat geschrieben:Die Homophobie der Religionen ist ein Problem, was ich anerkenne und auch mit größtem Unbehagen sehe.
...
Hm, meinst Du die Homöopathen haben so wahnsinnig viel Geld?
mat-in hat geschrieben:Einstellungen dieser Art ändern Experimentdesign, Umgang mit den Daten, die Erstellung einer Theorie die diese Daten beschreibt... und das ist extrem wichtig zu wissen bzw. zu trennen wenn es "saubere" Wissenschaft sein soll.

Generell stimme ich natürlich zu, aber wenn damit suggeriert werden soll, dass der Versuch Daten zu schönen vor allem aus der Ecke der „Alternativmedizin“ kommt, so würde ich mit großer Vehemenz widersprechen.

Wir hätten ohne James Maxwell, schrullig, Sonderling über den man gelacht hat (Spitzname: Dafty = Dussel) und von dem man im Leben nicht gedacht hätte das der Mist den er da schreibt irgend eine Anwendung hat keinen Fernseher, kein Radio, kein Funktelefon, Radar, ... Hätte man ohne seine Gleichungen nicht entwickeln können, auch mit noch so viel Millionen Förderung nicht. Da ist der erste Fehler: Geld reinstecken und von Wissenschaft eine Problemlösung zu was zu erwarten, dessen Grundlagen wir noch gar nicht verstanden haben (Beispiel: Krebs). Natürlich müssen wir auch an Anwendungen forschen, aber das liefert eben wenn wir die Grundlagen nicht kennen keinerlei Ergebnisse.

Ich sehe das als generelles zweites Problem: Wissenschaft nicht um wissen über die Realität zu gewinnen, Schlüsse daraus zu ziehen und dann Anwendungen zu entwickeln, sondern Wissenschaft mit einer Agenda.
Wenn wir nicht verstehen wollen wie es zu homosexualität kommt, sondern mit dem Dogma ran gehen das es eine Krankheit ist, dem Dogma ran gehen das man es Homöopathisch behandeln müssen, weil "das schon wirken wird" und dann anfangen rum zu forschen welche Homöopathischen Substanzen die beste "Wirkung zeigen", am besten im Labor eines Pharmakonzerns mit großem Marktanteil bei Alternativmedizin und publiziert mit übelsten Statistikfehlern und ohne Erklärende Theorie in einer Zeischrift ohne Peer-Review, verlegt von der Pharmalobby.... dann ist das keine Wissenschaft.
Zweites Beispiel: Wenn der größte Biotechkonzern "Studien" publiziert (in keiner reviewed Zeitschrift, sondern einfach so selbst druckt), die Daten so preßt, daß sie zeigen, was sie zeigen sollen und sich dann auch noch weigert die Rohdaten raus zu geben, dann ist auch das keine Wissenschaft, oder zu mindest wissenschaft mit einem ganz argen Dogma / Beeinflussung.

Wo wir diese Dogmen herziehen in denen wir dann Wissenschaft betreiben um unseren Standpunkt zu untermauern, anstatt die Realität zu verstehen ist dann recht egal. Religion ist aber definitiv eine dieser Quellen, Finanzielle Interessen von Herstellern sind eines dieser Interessen und manchmal kommt auch beides zusammen.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Naturalist66 » Mo 28. Mai 2012, 16:54

Vollbreit hat geschrieben:Ich dachte Du hättest Interesse an einer breiteren Diskussion dazu,...


Nein, wenn hier (in einem Forum der Naturalisten!) die "Tatsache Evolution" (womit ich auf einen Buchtitel anspielen wollte: Kutschera) in Zweifel gezogen und ihr der Charakter einer wissenschaftlichen Theorie abgesprochen wird, dann hab ich echt keine Lust zu einer "breiteren Diskussion". Da fehlen offenbar entweder die Grundlagen (als Einstieg etwa http://evolution.berkeley.edu/ ; dort speziell die Unterseite "Misconceptions about evolution") oder aber die Offenheit für wissenschaftliche Erkenntnisse.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Naturalist66 » Mo 28. Mai 2012, 17:08

Vollbreit hat geschrieben:Ist denn die sexuelle Orientierung für den Wissenschaftler wichtig, oder welche Partei er wählt, welchem Fußballclub er die Daumen hält, was seine Eltern von Beruf waren?


Kategorienfehler:
- Die sexuelle Orientierung,
- eine polit. Partei,
- der Fussballclub,
- der Beruf der Eltern
beanspruchen nicht, von "aussen" in die Welt so hineinzuwirken, daß sich physikalische, chemische Effekte ergeben (Stichwort "Wunder"); der von Menschen erträumte Gott aber sehr wohl, zumal der persönliche Gott der Monotheisten. Es grenzt nach meinem Empfinden daher an Schizophrenie, wenn der gläubige Wissenschaftler einerseits die Ergebnisse seiner Laborexperimente rein naturalistisch (also ohne Einwirkung Gottes) interpretiert, andererseits zu Wallfahrtsorten pilgert und dort den unter Einwirkung Gottes geschehenen materiellen Wunder (Fliessen von Blut aus Wunden etc.) gedenkt. Hirnriss nenne ich das.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Lumen » Mo 28. Mai 2012, 18:14

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Eine Theorie in wissenschaftlichen Sinne besteht aus Fakten, die durch sie in eine vernünftige, nachvollziebare Ordnung gebracht werden, und anhand ihrer sich Vorhersagen treffen lassen.


Nein, das ist zu schluderig ausgedrückt.
Eine Theorie besteht nicht aus Fakten, sondern aus (Aussage-)Sätzen.
Das ist auch völlig in Ordnung, da nur diese Sätze Wahrheit beanspruchen können.
Eine Tür, ein Elektron, eine Banane sind nicht wahr.
Etwas als „Tür“, „Elektron“ oder „Banane“ zu bezeichnen kann in gewisser Weise wahr sein, da man sich hier bereits irren kann, im üblichen Sinne beanspruchen aber erst „Behauptungen über …“ Wahrheitsgehalt.

Kannst Du dem so weit zustimmen?


Es gibt Wissenschatstheorie, -geschichte und verschiedene philosophische Betrachtungen, die sich mit Aussagen, Wahrheit und so weiter befassen. In diesem Falle ist das Obskurantismus. Religiöse Menschen haben mit der Evolutionstheorie nicht deshalb ein Problem, weil sie von einem komplizierten philosophischen Problem der Wahrheit gehört haben, sondern weil sie (zumeist) in der Kindheit religiös erzogen wurden und die Implikationen der Evolutionstheorie manchen (aber nicht allen) religiösen Sichtweisen diametral gegenübersteht. Daher finde ich deine Argumentation allgemein relativ unehrlich.

Weiterhin verdächtig erscheint mir deine Verhaltensweise, bei wissenschaftlichen Themen sehr schnell in tiefes Fahrwasser kommen zu wollen, dann aber religiöse Prämissen unkritisch stehen zu lassen. Das verträgt sich nicht. Falls doch, führe doch mal deine Position hierzu aus. Warum soll in einem Thema die Position um die Evolution herum wasserdicht argumentiert sein, aber bronzezeitliche Märchen sind für dich irgendwie unkritisch (so mein Eindruck)? Dazu kommt, dass beim Hinterfragen der Evolutionstheorie (z.b. mittels Philosophie oder Pseudowissenschaft) in so einer Weise natürlich sofort der Alarm angeht, denn das sind die Kennzeichen für Leute wie William Lane Craig und andere Evangelikale, also Scharlatane, die kein Interesse an Wahrheitsfindung haben, sondern nur ihre pro-religiöse Agenda verfolgen wollen.

Friedrich Nietsche hat geschrieben:„Das Wesentliche an der schwarzen Kunst des Obskurantismus ist nicht, dass er die Köpfe verdunkeln will, sondern dass er das Bild der Welt anschwärzen, unsere Vorstellung vom Dasein verdunkeln will. […] Spitzfindige Metaphysiker, welche die Skepsis vorbereiten und durch ihren übermäßigen Scharfsinn zum Misstrauen gegen den Scharfsinn auffordern, sind gute Werkzeuge eines feineren Obskurantismus. […]“
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Naturalist66 » Mo 28. Mai 2012, 19:55

Vollbreit hat geschrieben: ... Die Evolutionstheorie...
Wie sieht es denn mit ihrer Falsifizierbarkeit aus?



Siehe auch hier:
http://www.gkpn.de/Vollmer_Atheismus-Metaphysik.pdf
Darin Kapitel 7; Zitat: "Ja, es gibt falsifizierbare Voraussagen der Evolutionstheorie!" Als Beispiel wird die Häufigkeit der Sichelzellenanämie in Bezug auf Malariaendemiegebiete genannt.

Was wäre denn die Alternative zur ET: Ein vor 7000 Jahre (oder so) stark beschäftigter (der Arme mußte ja auch die vielen Fossilien eingraben :lachtot: ) Designer; oder der bärtige Schöpfergott hinter den Wolken?
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Vollbreit » Di 29. Mai 2012, 14:43

mat-in hat geschrieben: Es geht um die Grundeinstellung, nicht nachzudenken, warum die Zellkultur nicht funktioniert hat, sondern beten zu gehen und drauf zu vertrauen, daß es dann morgen schon funktionieren wird. Das ist totaler Wahnsinn und führt dazu das so Leute 6 Monate vor sich hin probieren und keiner weiß, was da schief läuft, bis man es in einem Nebensatz erfährt.


Kommt mir zwar sonderbar vor, aber wenn Du es schreibst, wird es stimmen.

mat-in hat geschrieben:Auch wenn ICH da mit dir einer Meinung bin: Entwicklungsbio zu studieren und nicht an Evolution zu glauben scheint sich in deren Köpfen nicht auszuschließen. Und ich meine nicht, es in Frage zu stellen und zu diskutieren... :irre:


Ja, finde ich seltsam. Ich kenne Leute die Spitzenforschung betreiben und nebenher kirchlich organisiert sind, ohne dass sich das beißt oder auf ihre Arbeit abfärbt.
Mein Lieblingsfach zu Beginn der Gymnasialzeit was Chemie und mein Chemielehrer erklärte mal eines Tages – ohne das näher auszuführen, ich habe auch keine Ahnung, ob der Hintergrund ein religiöser war – dass er das privat alles für Quatsch hält, was ihn nicht davon abgehalten hat, uns ganz normal Chemie beizubringen.

Insofern, seltsam.

mat-in hat geschrieben:Wir hätten ohne James Maxwell, schrullig, Sonderling über den man gelacht hat (Spitzname: Dafty = Dussel) und von dem man im Leben nicht gedacht hätte das der Mist den er da schreibt irgend eine Anwendung hat keinen Fernseher, kein Radio, kein Funktelefon, Radar, ... Hätte man ohne seine Gleichungen nicht entwickeln können, auch mit noch so viel Millionen Förderung nicht. Da ist der erste Fehler: Geld reinstecken und von Wissenschaft eine Problemlösung zu was zu erwarten, dessen Grundlagen wir noch gar nicht verstanden haben (Beispiel: Krebs). Natürlich müssen wir auch an Anwendungen forschen, aber das liefert eben wenn wir die Grundlagen nicht kennen keinerlei Ergebnisse.


Ja, guter Hinweis. Wie viel schrullige Forscher gab es. Röntgen hatte nicht mal Abitur, an seinem Nobelpreis hingen etliche andere, das ist alles eine sehr geschlossene Clique geworden, aber die Quantensprünge gab es nicht in den letzten 50 Jahren, eher in den 50 oder mehr davor.

mat-in hat geschrieben:Ich sehe das als generelles zweites Problem: Wissenschaft nicht um wissen über die Realität zu gewinnen, Schlüsse daraus zu ziehen und dann Anwendungen zu entwickeln, sondern Wissenschaft mit einer Agenda.


Sehe ich auch so.
Gerade die Homosexualität ist gut untersucht und gilt als nicht pathologisch, man braucht eigentlich nur auf die Forschung zu verweisen.
Aber auch über das Thema hinaus stimme ich Dir zu.
Leider bin ich da ob der Abhängigkeiten völlig desillusioniert. Dabei habe ich gar nicht so sehr die Ideologen auf dem Schirm, mehr die wirtschaftlichen Verflechtungen.

mat-in hat geschrieben:Wo wir diese Dogmen herziehen in denen wir dann Wissenschaft betreiben um unseren Standpunkt zu untermauern, anstatt die Realität zu verstehen ist dann recht egal. Religion ist aber definitiv eine dieser Quellen, Finanzielle Interessen von Herstellern sind eines dieser Interessen und manchmal kommt auch beides zusammen.


Möglich.
Ich finde alles was ID und der Kreationismus zu bieten hat, ziemlich plump.
Das ist nicht Fisch nicht Fleisch. Entweder man steht quer zur Wissenschaft (was schwer genug ist, da die Wissenschaft gut funktioniert) oder nicht, aber irgendwie dagegen zu sein und sie selektiv als Kronzeugen zu berufen, finde ich unüberzeugend.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Vollbreit » Di 29. Mai 2012, 14:45

Lumen hat geschrieben:Es gibt Wissenschatstheorie, -geschichte und verschiedene philosophische Betrachtungen, die sich mit Aussagen, Wahrheit und so weiter befassen. In diesem Falle ist das Obskurantismus.


In welchem?
Woran richtest Du Dich denn aus?
Und woran die Naturwissenschaft?
Meinst Du die haben alle ihrer Popper verinnerlicht?

Lumen hat geschrieben:Religiöse Menschen haben mit der Evolutionstheorie nicht deshalb ein Problem, weil sie von einem komplizierten philosophischen Problem der Wahrheit gehört haben, sondern weil sie (zumeist) in der Kindheit religiös erzogen wurden und die Implikationen der Evolutionstheorie manchen (aber nicht allen) religiösen Sichtweisen diametral gegenübersteht. Daher finde ich deine Argumentation allgemein relativ unehrlich.


Hä?
Daher? Ich habe doch gar nicht mit Religion argumentiert.
Und was hat relgiöse Erziehung oder nicht, mit dem zu tun, was ich geschrieben habe, ich sehe da überhaupt keinen Zusammenhang?

Lumen hat geschrieben:Weiterhin verdächtig erscheint mir deine Verhaltensweise, bei wissenschaftlichen Themen sehr schnell in tiefes Fahrwasser kommen zu wollen, dann aber religiöse Prämissen unkritisch stehen zu lassen. Das verträgt sich nicht. Falls doch, führe doch mal deine Position hierzu aus. Warum soll in einem Thema die Position um die Evolution herum wasserdicht argumentiert sein, aber bronzezeitliche Märchen sind für dich irgendwie unkritisch (so mein Eindruck)?


Du hast den Eindruck, dass ich an einen religiösen Schöpfungsmythos glaube? Nein, tue ich nicht.
Ich hinterfrage die Wissenschaft ebenso wie die Religion, nur sehe ich diese Darstellung von: Hier die gute Wissenschaft, die ohne Glaubenssätze auskommt, dort die Religion so nicht gegeben.

Lumen hat geschrieben: Dazu kommt, dass beim Hinterfragen der Evolutionstheorie (z.b. mittels Philosophie oder Pseudowissenschaft) in so einer Weise natürlich sofort der Alarm angeht, denn das sind die Kennzeichen für Leute wie William Lane Craig und andere Evangelikale, also Scharlatane, die kein Interesse an Wahrheitsfindung haben, sondern nur ihre pro-religiöse Agenda verfolgen wollen.


Du findest also, dass die Hinterfragung der Wissenschaft nicht statthaft ist?
Wie wäre es denn, wenn Du statt Schubladen zu suchen, es mal mit Argumenten versuchst?


Naturalist66 hat geschrieben:Was wäre denn die Alternative zur ET: Ein vor 7000 Jahre (oder so) stark beschäftigter (der Arme mußte ja auch die vielen Fossilien eingraben :lachtot: ) Designer; oder der bärtige Schöpfergott hinter den Wolken?


Schade, ich hatte Dich anfangs für klüger gehalten.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon laie » Di 29. Mai 2012, 15:19

Naturalist66 hat geschrieben:Nein, wenn hier (in einem Forum der Naturalisten!) die "Tatsache Evolution" (womit ich auf einen Buchtitel anspielen wollte: Kutschera) in Zweifel gezogen und ihr der Charakter einer wissenschaftlichen Theorie abgesprochen wird,


Die biologische Evolutionstheorie ist Faktum oderTheorie, je nachdem, wer sie dazu macht:

Engelbert Recktenwald hat geschrieben:"Wissenschaftliche Theorien wie die Evolutionstheorie sind immer wieder überprüf- und widerlegbar, sonst handelt es sich nicht um Wissenschaft, sondern Pseudo-Wissenschaft oder ‘Junk Science'." So schreibt DI Dr. Peter Holubar, Universitätsprofessor am Institut für Angewandte Mikrobiologie der Wiener Universität für Bodenkultur in der "Presse" vom 20. Oktober 2006. Holubar kritisiert damit den Vorwurf von Christoph Kardinal Schönborn in dessen berühmtem Artikel in der "New York Times" vom 7. Juli 2005. Schönborn hatte von "Verteidigern des neo-darwinistischen Dogmas" gesprochen und mit dieser Formulierung die Diskussionsverweigerung jener Verteidiger der Evolution kritisieren wollen, für die die Evolutionstheorie keine Theorie, sondern unhinterfragbare Tatsache ist: "Schon im ersten Satz des Artikels begeht der Kardinal den Fehler vom ‘neodarwinistischen Dogma' zu sprechen." Holubar will zeigen, daß Schönborns Vorwurf ins Leere läuft, weil es in der Wissenschaft keine Dogmen gebe.Der Streit um die Evolution


Das kommt raus, wenn ein Kardinal die Evolutionstheorie als Dogma bezeichnet. Ganz anders dagegen, wenn ein Naturwissenschaftler auftritt. Noch einmal Recktenwald:

Engelbert Recktenwald hat geschrieben:Nun wenden wir unseren Blick nach Deutschland und stellen verwundert fest, daß Prof. Dr. Ulrich Kutschera, Vizepräsident des Verbandes Deutscher Biologen und dort Vorsitzender der von ihm selbst gegründeten AG Evolutionsbiologie, genau das Gegenteil sagt: Er meint, es sei "inakzeptabel, die Evolution als Faktum in Frage zu stellen". Er reagiert damit auf einen Vorschlag von Hessens Kultusministerin Karin Wolff, "fächerübergreifende und -verbindende Fragestellungen aufzuwerfen". Sie hatte Anfang Oktober erklärt, „dass man nicht einfach Schüler in Biologie mit der Evolutionslehre konfrontiert und Schüler im Religionsunterricht mit der Schöpfungslehre der Bibel. Sondern dass man gelegentlich auch schaut, ob es Gegensätze oder Konvergenzen gibt."
Für Kutschera ist die Evolution keine Theorie, sondern eine Tatsache, und Wolff benutze die Sprache der Kreationisten, wenn sie von Evolutions- und Schöpfungstheorie spreche.Der Streit um die Evolution


Vielleicht kann man sich darauf einigen, daß die Evolutionstheorie weithin als wissenschaftliche Theorie akzeptiert ist. Das und nur das ist eine Tatsache. Ob die Evolutionstheorie tatsächlich eine wissenschaftliche Theorie ist, ist eine ganz andere Frage und hängt davon ab, welche Kriterien man an eine wissenschaftliche Theorie legt. Es gibt bis heute keine Axiomatisierung der biologischen Evolutionstheorie, nur mehr oder weniger unterhaltsame Nacherzählungen. Es ist völlig unklar, wo in dieser Theorie die Grenze zwischen den nicht-theoretischen Termen, die bereits vorhanden waren, bevor es die Evolutionstheorie gab, und den sog. theoretischen Termen, mit deren Hilfe die eigentliche empirische Behauptung dieser Theorie formuliert wird, gezogen werden soll, weil das Kriterium, eine solche Grenze ziehen zu können, überhaupt nicht vorliegt.

Ein solches Kriterium müsste die Gestalt eines deterministischen Allsatzes haben; denn nur mit Hilfe eines solchen Gesetzes ist es überhaupt möglich, neue Terme, die in Bezug auf eine bestimmte Theorie theoretisch sind, zu isolieren. (mehr dazu: U. Gähde, 1983: T-Theoretizität und Holismus. Peter Lang). Überflüssig zu erwähnen, daß alle t-theoretischen Terme, die man bisher identifizieren konnte, mathematische Funktionen sind.

Es ist aber auch gar nicht nötig, die Meßlatte so furchtbar hoch anzulegen (und damit nicht nur die Evolutionstheorie, sondern überhaupt alle Geistes- und Geschichtswissenschaften aus dem Kanon der Wissenschaft auszuschließen). Die Evolutionstheorie basiert auf einer einfachen Beobachtung: Manche Lebewesen bekommen weniger fruchtbare Nachkommen als andere und manche bekommen überhaupt keine Nachkommen. Ob ein Lebewesen jemals fortplanzungsfähige Nachkommen gezeugt haben wird, weiss man aber erst, wenn sich diese Nachkommen fortgeplanzt haben werden.

Oder, in den Worten von Wolfgang Winkler:
"Die bestangepaßten Individuen einer Population, die man definiert als solche, die die meisten Nachkommen hinterlassen, werden die meisten Nachkommen hinterlassen"
zitiert nach:
Wolfgang Kuhn. Darwins Evolutionstheorie: eine bleibende Herausforderung

Das ist die Voraussagekraft der Evolutionstheorie.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon laie » Di 29. Mai 2012, 15:39

Lumen hat geschrieben: Dazu kommt, dass beim Hinterfragen der Evolutionstheorie (z.b. mittels Philosophie oder Pseudowissenschaft) in so einer Weise natürlich sofort der Alarm angeht, denn das sind die Kennzeichen für Leute wie William Lane Craig und andere Evangelikale, also Scharlatane, die kein Interesse an Wahrheitsfindung haben, sondern nur ihre pro-religiöse Agenda verfolgen wollen.


Das ist schon geil: Philosophie oder Pseudowissenschaft ... und andere Evangelikale, also Scharlatane, die kein Interesse an der Wahrheitsfindung haben, sondern nur ihre pro-religiöse Agenda verfolgen wollen. Du wohnst noch in der Wagenburg oder? Wahnsinnn, bei Mc Carthy hättest du gegen die gewettert, die "nur ihre pro-kommunistische Agenda verfolgen wollen."
Zuletzt geändert von laie am Di 29. Mai 2012, 15:45, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Nanna » Di 29. Mai 2012, 15:40

Vollbreit hat geschrieben:Schade, ich hatte Dich anfangs für klüger gehalten.

Bitte auch nicht durch die Hintertür...
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Lumen » Di 29. Mai 2012, 16:29

laie hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben: Dazu kommt, dass beim Hinterfragen der Evolutionstheorie (z.b. mittels Philosophie oder Pseudowissenschaft) in so einer Weise natürlich sofort der Alarm angeht, denn das sind die Kennzeichen für Leute wie William Lane Craig und andere Evangelikale, also Scharlatane, die kein Interesse an Wahrheitsfindung haben, sondern nur ihre pro-religiöse Agenda verfolgen wollen.


Das ist schon geil: Philosophie oder Pseudowissenschaft ... und andere Evangelikale, also Scharlatane, die kein Interesse an der Wahrheitsfindung haben, sondern nur ihre pro-religiöse Agenda verfolgen wollen. Du wohnst noch in der Wagenburg oder? Wahnsinnn, bei Mc Carthy hättest du gegen die gewettert, die "nur ihre pro-kommunistische Agenda verfolgen wollen."


Was ist daran Wahnsinn? Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass der Angriff auf die Evolutionstheorie praktisch in allen Fällen aus religiösen, zumeist evangelischen oder evangelikalen Umkreis stattfindet. Die Agenda hat sogar einen Namen. Sie nennt sich Wedge Strategy und verfolgt vor allem in den USA das Ziel, eine angebliche "Kontroverse" um die Evolutionstheorie zu lehren ("Teach the Controversy"). Die Idee besteht darin, noch offene oder strittige Fragen innerhalb der Forschung zu betonen und das ganze als Baustelle zu präsentieren, um dann vor allem im Schulunterrischt die Bahn frei zu haben für "alternative" Erklärungsmodelle (Gott als Designer, Schöpfer). Die ursprüngliche Schlagwort war Kreationismus. Nachdem amerikanische Gerichte diesem als Lehrinhalt eine Absage erteilten, haben die Kreationisten ihre Ideen wissenschaftlich vertarnt und dann versucht es neu als sogenanntes "Intelligent Design" wieder als "Alternative" zur Evolutionstheorie zu präsentieren. Das kam im Kitzmiller vs Dover Case erneut zur Verhandlung, in der festgestellt wurde, dass Intelligent Design doch nur Kreationismus sei. In Deutschland ist Karin Wolff (CDU), die du selbst oben genannt hast, und Dieter Althaus (CDU) genau für ähnliche Bestrebungen bekannt geworden.

Intelligent Design und Kreationismus sind Beispiele für Pseudowissenschaften. Meta-Physik und ähnliche ungezählte philosophische Betrachtungen, die sich mit dem Wesen von Wahrheiten, Fakten, Theorien und so weiter befassen sind in Verbindung mit Evolutionstheorie verständlicherweise ein dubiose Angelegenheit. Warum werden solche Betrachtungen nicht z.B. anhand der Gravitationstheorie vorgenommen? Ich nehme keine inhaltlich umkämpfte Theorie als Musterbeispiel, um anhand derer dann Meta-Frage zu erörtern. Das ist entweder ungeschickt, geplant, oder dämlich.

Dann werd ich mal der Zitat-Hexlerei begegnen:

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Es gibt Wissenschatstheorie, -geschichte und verschiedene philosophische Betrachtungen, die sich mit Aussagen, Wahrheit und so weiter befassen. In diesem Falle ist das Obskurantismus.


In welchem?
Woran richtest Du Dich denn aus?
Und woran die Naturwissenschaft?
Meinst Du die haben alle ihrer Popper verinnerlicht?


Das ist garnicht der Punkt. Sollte man die These, dass Geschichte von Siegern geschrieben wird ausgerechnet anhand des Beispiels "Holocaust" diskutieren? Das wäre, offenkundig, mindestens dämlich.


Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben:Religiöse Menschen haben mit der Evolutionstheorie nicht deshalb ein Problem, weil sie von einem komplizierten philosophischen Problem der Wahrheit gehört haben, sondern weil sie (zumeist) in der Kindheit religiös erzogen wurden und die Implikationen der Evolutionstheorie manchen (aber nicht allen) religiösen Sichtweisen diametral gegenübersteht. Daher finde ich deine Argumentation allgemein relativ unehrlich.


Hä?
Daher? Ich habe doch gar nicht mit Religion argumentiert.
Und was hat relgiöse Erziehung oder nicht, mit dem zu tun, was ich geschrieben habe, ich sehe da überhaupt keinen Zusammenhang?


Guten Morgen. Das "Problem" mit der Evolutionstheorie ist aber in praktisch allen bekannten Fällen ein religiöses.

Vollbreit hat geschrieben:Du hast den Eindruck, dass ich an einen religiösen Schöpfungsmythos glaube? Nein, tue ich nicht.
Ich hinterfrage die Wissenschaft ebenso wie die Religion, nur sehe ich diese Darstellung von: Hier die gute Wissenschaft, die ohne Glaubenssätze auskommt, dort die Religion so nicht gegeben.


Kann ja sein. Dennoch hat das "unschuldige Hinterfragen" manchmal eben einen Beigeschmack. In dieser Kombination verstärkst du den Eindruck sogar, wenn du angebliche Glaubenssätze der Wissenschaften und dort Glaubensätze der Religionen bald unterschiedlos nebeneinanderstellst. Mit Evolutionstheorie im Gepäck ist das ziemlich genau "Teach the Controversy". Du willst mir ja nicht weismachen, dass bronzezeitliche Geschichten auch nur annähernd denselben Wahrheitsgehalt haben, wie wissenschaftliche Theorien. Falls du das denkst, gehört ein bischen mehr dazu, als das einfach so zu behaupten (da ich das aus dem Stand heraus überhaupt nicht ernst nehmen kann).

Vollbreit hat geschrieben:
Lumen hat geschrieben: Dazu kommt, dass beim Hinterfragen der Evolutionstheorie (z.b. mittels Philosophie oder Pseudowissenschaft) in so einer Weise natürlich sofort der Alarm angeht, denn das sind die Kennzeichen für Leute wie William Lane Craig und andere Evangelikale, also Scharlatane, die kein Interesse an Wahrheitsfindung haben, sondern nur ihre pro-religiöse Agenda verfolgen wollen.


Du findest also, dass die Hinterfragung der Wissenschaft nicht statthaft ist?
Wie wäre es denn, wenn Du statt Schubladen zu suchen, es mal mit Argumenten versuchst?


Auch das ist eine religiöse Schiene, die genau auf das Muster ID/Kreationismus zutrifft.

"What can be asserted without evidence can also be dismissed without evidence"
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon laie » Di 29. Mai 2012, 17:26

@Lumen

An dir ist ja wirklich ein Inquisitor verloren gegangen. Dir möchte man im Verhör nicht begegnet sein. :(

Daß das "Problem" mit der Evolutionstheorie [...] in praktisch allen bekannten Fällen ein religiöses sein soll, glaube ich nicht. Die biologische Evolutionstheorie ist zum einen möglicherweise die beste wissenschaftliche Alternative, die zur Zeit zur Verfügung steht, um zu erklären, warum es organische Vielfalt gibt und warum es vor vielen, vielen Jahren Geschöpfe gab, die es heute nicht mehr gibt. Diese Alternative kann sehr wohl zum Objekt wissenschaftstheoretischer und wissenschaftshistorischer Untersuchungen gemacht werden, was spricht dagegen. Könnte man dies nicht, hätte sie ihren Status als Theorie ohnehin sogleich verloren ...

Evolutionstheorie aber ist nicht nur eine Theorie, sondern zum anderen auch ein Paradigma, das seit über 150 Jahren die gesamte Gesellschaft in Atem hält. Es ist das Credo der Laissez-Faire-Bewegung des 19.Jahrhunderts und der FDP unserer Tage, die am liebsten den Sozialstaat abschaffen würde, weil der Markt es ohnehin richtet. Ich meine, es ist ein berechtigtes Anliegen, auf die falsche und ideologisch verbrämte Anwendung der Evolutionstheorie auf gesellschaftliche Zustände hinzuweisen. Ein solcher Hinweis sagt über die Religiosität des Kritikers oder Kritikerin gar nichts aus.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon mat-in » Di 29. Mai 2012, 18:54

Vollbreit hat geschrieben:
mat-in hat geschrieben:Entwicklungsbio zu studieren und nicht an Evolution zu glauben scheint sich in deren Köpfen nicht auszuschließen.

Ja, finde ich seltsam. Ich kenne Leute die Spitzenforschung betreiben und nebenher kirchlich organisiert sind, ohne dass sich das beißt oder auf ihre Arbeit abfärbt. ... Insofern, seltsam.
Ich versuche meine Posts kurz zu halten. Da es aber anscheinend 2x untergegangen ist: "Privat" Religiös zu sein, wenn man es aus der Arbeit raushällt / versucht rauszuhalten ist überhaupt kein Problem und funktioniert bei den allermeisten der wenigen religiösen Wissenschaftlern.

Vollbreit hat geschrieben:Ich finde alles was ID und der Kreationismus zu bieten hat, ziemlich plump.
Entweder man steht quer zur Wissenschaft (was schwer genug ist, da die Wissenschaft gut funktioniert) oder nicht, aber irgendwie dagegen zu sein und sie selektiv als Kronzeugen zu berufen, finde ich unüberzeugend.
Wobei dazu kommt, daß man sich ja sehr wohl auf eine deistischen Standpunkt beziehen kann und sagen kann, daß Gott alles so eingerichtet hat, das die Evolution abläuft. Wäre wohl (siehe kath. Kirche) auch die bessere Wahl angesichts der uninformierten und ignoranten Ideen die man so zu hören bekommt (z.B. das Argument daß "alles auf reinem Zufall beruht", was vor 150 Jahren schon nicht der Theorie entsprach).

Ich hoffe einfach, daß die Leute es schaffen kritisch in Frage zu stellen was sie vorgesetzt bekommen. Eigentlich sollte es "Medienumgang" und "Spektisches Denken" schon als Schulfach gebe. Vielleicht wenigstens mal ein Seminar an der Uni dazu veranstalten?

laie hat geschrieben:... Die biologische Evolutionstheorie ist zum einen möglicherweise die beste wissenschaftliche Alternative, die zur Zeit zur Verfügung steht, um zu erklären, ...
Nein, wenn du das auf "zur Zeit" einschränkst ist es DIE mit großem Abstand beste Theorie. Wir haben nichts besseres im Moment und sie erklärt sehr viel sehr gut. Punkt.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Lumen » Di 29. Mai 2012, 19:32

Ja, die ET ist auch nur eine Theorie. Aber das ist schon bald ein Deepity, wie Dennett es nannte. Die interessante Frage ist doch, warum wird das bei der ET immer vorgeholt? Wenn ich sowas sage wie "Hitler war auch nur ein Mensch" dann wirft das sofort die Frage auf, was mit der offenkundig banal richtigen Behauptung bezweckt werden soll? Die anderen Kommunikationskanäle klingen zu stark nach Verharmlosung und überstrahlen mühelos den faktischen Inhalt, gerade wegen der Banalität der Aussage.

Davon abgesehen ist der Vorgang Evolution eben nicht nur eine Theorie, sondern Fakt. Er findet tatsächlich und ohne Zweifel statt (bzw, nicht weniger als Gegenstände tatsächlich auf den Boden fallen). Die Theorie, die diese Fakten beschreibt, und in Zusammenhang bringt ist die Theorie dazu.

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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon mat-in » Di 29. Mai 2012, 20:33

Ich meine hier Evolutionstheorie wie ich auch Gravitationstheorie sage. Das ist schon so ziemlich die "höchste Würde" die ein wissenschaftliches Erklärungsmodell erreichen kann. Praktisch kann man (muß man in Diskussionen mit Leuten die meinen "ich hab da auch so meine Theorie zu warum die Nachbarin dick ist") das wohl als Fakt besprechen, um der verwechslungsgefahr vorzubeugen, aber Wissenschaftstheoretisch ist es eine verdammt gute Theorie, die uns die Faktenlage gut beschreibe/erklärt/vorhersagt, nicht ein Fakt selbst.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Vollbreit » Di 29. Mai 2012, 21:00

Lumen hat geschrieben:Das ist garnicht der Punkt. Sollte man die These, dass Geschichte von Siegern geschrieben wird ausgerechnet anhand des Beispiels "Holocaust" diskutieren? Das wäre, offenkundig, mindestens dämlich.


Noch mal einfach gefragt: Was unterscheidet Deiner Meinung nach die Naturwissenschaft von Nicht-Wissenschaften. Was genau ist es, dass den „mehr als nur Glauben“ Bonus ausmacht?

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Religiöse Menschen haben mit der Evolutionstheorie nicht deshalb ein Problem, weil sie von einem komplizierten philosophischen Problem der Wahrheit gehört haben, sondern weil sie (zumeist) in der Kindheit religiös erzogen wurden und die Implikationen der Evolutionstheorie manchen (aber nicht allen) religiösen Sichtweisen diametral gegenübersteht. Daher finde ich deine Argumentation allgemein relativ unehrlich.

Guten Morgen. Das "Problem" mit der Evolutionstheorie ist aber in praktisch allen
bekannten Fällen ein religiöses.


Ich dachte mit dem Namen Popper sei erkennbar geworden, dass ich das Thema philosophisch/wissenschaftstheoretisch behandeln wollte.
Wir können uns also Abgrenzungen gegen Religionen schenken.

Lumen hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Du hast den Eindruck, dass ich an einen religiösen Schöpfungsmythos glaube? Nein, tue ich nicht.
Ich hinterfrage die Wissenschaft ebenso wie die Religion, nur sehe ich diese Darstellung von: Hier die gute Wissenschaft, die ohne Glaubenssätze auskommt, dort die Religion so nicht gegeben.


Kann ja sein. Dennoch hat das "unschuldige Hinterfragen" manchmal eben einen Beigeschmack. In dieser Kombination verstärkst du den Eindruck sogar, wenn du angebliche Glaubenssätze der Wissenschaften und dort Glaubensätze der Religionen bald unterschiedlos nebeneinanderstellst.


Was Du ja problemlos entkräften kannst, wenn Du meine obige Frage beantwortest.
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Re: Können gute Wissenschaftler religiös sein?

Beitragvon Naturalist66 » Di 29. Mai 2012, 21:28

laie hat geschrieben:"Die bestangepaßten Individuen einer Population, die man definiert als solche, die die meisten Nachkommen hinterlassen, werden die meisten Nachkommen hinterlassen"


Tja, an dem Zitat sieht man wieder einmal, dass diejenigen, die die ET so gerne zerfleddern wollen, sie gar nicht verstanden haben. Erstens enthält die ET keinen Zirkelschluß, wie Vollmer und andere gezeigt haben. Zweitens ist der erste Teil des Satzes schlicht falsch, und zwar aus folgendem Grund: "Bestangepasst" führt eben bei weitem nicht immer zu den meisten Nachkommen (nebenbei: es kommt auch auf deren Fortpflanzungsfähigkeit und Fitness an). "Bestangepasst" kann in der wirklichen Welt ein erheblicher Nachteil sein; Beispiele:
- Ein schneller Klimawandel kann an die bisherigen Klimaverhältnisse "bestangepasste" Arten in Not bringen, sei es wegen unzureichender Adaptationsfähigkeit der Thermoregulation, oder weil die Primärnahrungsquelle entfällt usw. Primitivere, ggf. wechselwarme Arten überleben.
- Eine Überschwemmung eines Lebensraums kann die "bestangepassten" Arten vernichten; weniger gut angepaßte amphibisch lebende Arten überleben.
- Ein Parasit, der an sein Wirtstier "bestangepasst" ist, stirbt aus, wenn sein Wirt ausstirbt; weniger gut angepasste Arten mit größerer Auswahl an Wirtsarten überleben.

Alles nicht so simpel, gell. Vielleicht fehlt es den Kritikern der ET an Informationen über den wirklichen Gehalt der Theorie. Ich habe jedenfalls keine große Lust, in einem naturalistischen Forum mit Fundamentalkritikern einer Kerntheorie des Naturalismus zu streiten. Dazu ist mir die Zeit zu schade; es gibt Wichtigeres zu tun.
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