stine hat geschrieben: Hier kommt schnell das Gefühl auf, dass Man(n) die Herausforderung braucht und sich abreagieren muss.
Wer die Grundausbildung bei der Bundeswehr mitmacht, wird schnell feststellen, dass die körperliche Anstrengung in der Realwelt, bis an die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit, ganz anders ins Gewicht fallen, als die relaxte Schiesswelt im Internet es je können wird. Wer die Herausforderung braucht, sollte zur Polizei oder zur Bundeswehr gehen und sich zum Terrorbekämpfer in einer Spezialgruppe ausbilden lassen.
Ja, ab und an braucht Mann (und auch Frau) mal die Möglichkeit sich abzureagieren. Manche von uns tun das, indem sie auf dem Bildschirm rumballern (wobei ich da das Gefühl habe, das es am allerwenigsten Hilft und sinn macht), andere gehen dafür in den Sportverein und lassen sich im Judo richtig durchwalgen. Ich denke jedoch nicht das all diese Menschen ein Aggressionsproblem haben. Jeder hatte schon mal das Gefühl "mensch, den chef (den Freund, den nachbarn) könnt ich erwürgen, der macht mich irre!". Auch wenn man das mal in der Formulierung denkt setzen das... ich weiß nicht wie die mordstatistiken sind... vielleicht 200 Menschen von 80 Millionen in die tat um. Ich denke nicht, das wut an sich ein zu behandelndes wäre, das wir loswerden müssen. Ohne wären wir ziemlich Antriebslos. Viel gefährliche finde ich persönlich da die Leute, die sich Jahre lang in sich rein ärgern ohne es raus zu lassen. Das mag nicht ausreichend sein um irgend wann amok zu laufen (manchmal stirbt man auch einfach an einem magengeschwür) aber ich denke es ist eine gute Vorrausetzung dafür.
Der zweite Teil deiner Aussage ist für mich noch kritischer. Weder die Bundeswehr (ob sie jetzt in Aghanistan Leute zum töten ausbildet oder zu hause das eigene Land verteidigt) noch die Polizei brauchen ausrastende Rambos, die du gerne da hin abschieben würdest. (Man verzeihe den Vergleich, Rambo ist eigentlich ein unglaublich gesellschaftskritischer Film und spricht Bände über Kriegserlebnisse und Veteranenbehandlung, aber der vergleich hat sich nun mal eingebürgert). Natürlich wird bei den Streitkräften der ein oder andere Spinner sein (ein par kenne ich auch persönlich), der seine Waffe streichelt und bereit ist alle sund jeden zu töten, aber diese Leute sind kontrollierte Menschen, sonst würde eine Armee nicht funktionieren, sondern sich gegenseitig abstechen und über dem Lagerfeuer rösten.
Ich denke wir haben sehr wenige Menschen mit extremen Problemen die dazu in den für so einen Amoklauf relevanten fällen schwer zu erkennen da sehr verschlossen sind. Die gehören aber nicht zum Bund, sondern in Behandlung!
stine hat geschrieben:Je mehr Krieg und Gewalt in der Realwelt zurückgedrängt werden, umso mehr sind Gewalt verherrlichende Spiele und Filme gefragt. Den Wehrdienst verweigern und Kriegsspiele spielen! In meinen Augen ist das nicht normal.
"Ganze Männer" hinter dem Bildschirm sind imgrunde unmündige Kinder mit der latenten Gefahr, irgendwann virtuelles Verhalten auf die Realität zu übertragen.
Gut, dann muß ich mich da als Wehrdienstverweigernder Kriegs- und Schießspiele Spieler mal dazu äußern...
Ich bin kein Freund davon, Argumente einfach mit einem "hast du beweise das Gewaltspiele so überhand gewinnen?" zu entkräften, daher hier gleich mal Gegenbeispiele: Gewaltspiele und Strategiespiele gab es schon immer und die stecken tief in uns drin. Wohl gemerkt in den seltensten Fällen als Vorbereitung oder kompensation für reale Gewalt, sondern meist als strategische oder koordinatorische herausforderung. Schon vor 200 Jahren schoben Preußen Zinnfiguren über den Tisch und spielten Krieg (
http://www.spiegel.de/netzwelt/spielzeu ... 45,00.html ) und Spiele wie Schach oder Hnefa-tafl (
http://de.wikipedia.org/wiki/Hnefatafl ) sind ur-alt. Schach ist ein Spiel in dem es darum geht, eine feindliche Armee auf dem Schlachtfeld zu besiegen und den König zu töten oder zur Aufgabe zu bewegen, bei Hnefa-tafl kreist man sogar mit zahlenmäßig überlegenen, mobilen Truppen eine kleine Gruppe verteidiger ein die ihren König schützen und mit ihm entkommen müssen. Wenn das mal nicht gewaltverherrlichend ist? Trainieren tausende deutsche in Schachvereinen und Schul-AGs den Regizid? Ziehen wir uns da eine Armee enthemmter, gut geschulter, Terroristen heran, die üben mit einer Horde Krieger einen Politiker und seine Bodyguards in die enge zu treiben und zu töten??? Und die Spiele waren für ihre Zeit an den grenzen des bildlich darstelbaren. Geschnitzte Springerfiguren mit Pferdemähne, Spielsteine mit Schwertern in der Hand, etc. Spiele die das heute equivalent von Shootern sind (reflex basierte Spiele) sind meines wissens viel schlechter überliefert und dokumentiert. Da müßte man einen historiker fragen, ob man im Mittelalter als Kind mit dem Stock in der Hand im wald Drachen erschlagen hat, für die als fantasievoller Ersatz ein Baum herhalten mußte.
Damit kommen wir auch irgend wie zum Thema zurück, denn die aller, aller, allermeisten Spieler von solchen Spielen können realität und spielwelt sehr gut trennen und ich bin mir sicher, das bei normalen Menschen solche Spiele auch keine Probleme auslösen. Ein suchtproblem mit Sicherheit, wenn es eine Realität ist, die auch von anderen echten Menschen Bevölkert wird und die man sich dann als Ersatz denken kann, aber mit sicherheit kein Realitätsverlust und Aggressionsproblem.
Ich spiele seit der Grundschule Computer (so seit 25 Jahren etwa), darunter nicht zu letzt auch plattform jump-and-run Spiele wie Turricane, wo man auf alles was sich bewegt aus Prinzip schießen sollte. Spiele wie Return to Castle Wolfenstein, das wegen seiner Naziverherrlichung auf dem Index landete (was totaler Blödsinn ist, man spielt einen Amerikaner hinter feindlichen linien und muß alles töten was Naziabzeichen trägt). Darunter Spiele in denen Armeen aus abgefahrenen Fantasy und SciFi welten krieg führen bis alle Häuser abgebrannt sind (Warcraft, Starcraft) und auch der letzte Arbeiter vernichtet wurde. Und nich zu letzt Schooter wie das berüchtigte (kleine mädchen killen lernen) Counterstrike, das unter den "ballerspielen" noch am wenigsten sinnloses geballer sondern vor allem Teamplay und Strategie erfordert. Deswegen ist es wohl auch als liga-organisierter, weltweiter Sport so beliebt.
Oben drauf Spiele ich Fantasy und Science fiction Rollenspiele. LARP (
http://de.wikipedia.org/wiki/Live_Action_Role_Playing ) ist nicht so mein Ding, nicht weil es keinen Spaß macht, sondern weil mir zu viele Leute rumlaufen die keine ahnung haben wie man mit einer Waffe umgeht und die auch noch mit Schaumstoffwaffen eine Gefahr für sich und andere sind. Aber Pen&Paper Rollenspiele? (
http://de.wikipedia.org/wiki/Pen-%26-Paper-Rollenspiel ) Die habe ich mal in unterschiedlichen Spielerunden und unterschiedlichen Welten mit unterschiedlichen leuten im Wochen und Montasturnus gespielt, manchmal haben wir in der Großen Pause in der Schule, wenn andere kurz Fußballspielen waren sogar unsere Geschichte weiter gespielt. Ich habe heute weniger Zeit, vermisse es aber sehr.
Ich habe mir von meiner Mutter und meiner Oma (beide arg katholisch) immer wieder anhören müssen das sie das nciht o.k. finden mit den "fantasiespielen", da würde man doch werte und den bezug zum realen verlieren. Mein Vater (agnostiker) hat auch gemeckert, aber wohl eher weil er sich Gedanken gemacht hat, das ich zu viel zeit verliere und deswegen nichts aus mir wird. Trotz "in der Schulpause spielen statt hausaufgaben abschreiben" hatte ich in allen Abschlußprüfungen bisher (Abitur, Vordiplom, Diplom) immer eine 1 vor dem Komma. Ich habe es geschafft mich aus meiner katholischen Erziehung zu befreien und selbst zu denken was für mich Sinn macht und der richtige Weg ist. Ich habe eine Freundin, ich habe ein soziales Umfeld außerhalb dieser Spiele und einen großen, realen Freundeskreis von Spielern. Mit denen wäre ich nicht weniger befreundet würde ich nicht mehr spielen, wir kommen aus beruflichen Gründen ohne hin kaum dazu im Moment...
Ich kenne eine ganze hand voll hoch begabter leute (IQ > 130 und keine inseltalente die sonst keinen ganzen Satz reden), die auf die ein oder andere Weise ab und an die Realität vergessen möchten. Einige nehmen Drogen, andere Spielen Fantasyspiele und haben seit jahren nicht mehr die 20 Uhr Nachrichten eingeschaltet, weil es sie runterzieht,zu sehen was in der Welt wirklich los ist und das sie nichts tun können. Fantasyspiele sind ein hobby für extrem kreative, meist sehr gesellige Leute denen "40 jahre lang jeden Samstag abend Skat spielen" einfach zu langweilig wäre. Ich spiele alle diese Spiele seit übr 25 jahren und bin trotz Kampfspotausbildung ein extrem friedlicher Mensch, seit der 7 Klasse keinen Konflikt mehr mit Gewalt gelößt.
Leute die zur Waffe greifen und Amok laufen haben wenn man sich ihre Geschichte oberflächlich anschaut (mehr daten habe ich nicht und auch keine Zeit dafür) meist das profil eines stillen menschen, der irgend wo im realen Leben schießen gelernt hat und dann unter massiven Problemen zusammengebrochen ist: Jahreslanges mobbing durch mitschüler, eine versaute existenz, der verlust eines menschen der ihnen wichtig ist und das Gefühl, wenn jetzt alles kaputt ist, wenigstens noch Rache zu nehmen, bevor man selbst abtritt. Leider ist so etwas wohl schwer zu erkennen und vorherzusagen, und bevor man an grundlegenden problemen wie dem mobbing an schulen arbeitet, schiebt man es lieber auf "fantasyspiele und egoshooter"...
Menschen die Zorn und Haß aufstauen ohne ein Ventil und dann zur Waffe greifen, tun das weder weil sie diesen Haß aus den Spielen bekommen, noch weil die Spiele sie dazu verleiten oder gar weil sie denken das Spiel geht im realen Leben weiter. Ich würde wetten das die meisten von den deutschen Amokläufern irgend wann mal Karl May gelesen haben. Soll man doch den verbieten, mit seinen wilden Schießereien!
P.S.: entschuldigt den ewig langen Beitrag, ich lese selbst ungern so lange beiträge, aber das mußte mal raus. Falls es zu wenig zum Thema paßt velleicht oberhalb stine splitten und in ein neues Thema verschieben?
EDIT:
Um den beitrag noch länger zu machen:
Klaus hat geschrieben:stine du kannst doch gar nicht die Grundausbildung in der BuWe einschätzen, genauso wenig wie einen Egoshooter. Viel schlimmer ist doch, dass ehemalige Zivis heute für den Krieg im Irak schreien, Afghanistan gut finden.
Das sehe auch ich (trotz Kriegspielen und Fantasyromanen) so! Ich war bei anti-kriges demos am Frankfurter Flughafen, habe versucht mit amerikanern zu diskutieren (im nachhinein:

) usw. und bin kein Freund des Krieges den die Nato (und auch wir) gerade führen. Ist für mich der total falsche Weg. Wer bomben auf leute wirft, macht sie sicher nciht firedlich. Aber das ist noch mal ein Thema für sich.