"religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

"religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Gandalf » Fr 12. Jul 2013, 06:38

Ich hab grundsästzlich nichts gegen "religiöse Gefühle", wenn sie für sich oder in einem intimen Kreis gelebt werden und man nicht missionieren will

Aber scheinbar ist man dabei die Jahrhunderte der Aufklärung (und den 'Blutzoll', den 'andere für uns im Namen der Ratio gezahlt haben) in "nullkommanix" zu egalisieren, wenn es sich an den Islam anbiedern lässt (oder ist es schon die Angst?). Denn warum ausgerechnet immer wieder der Kniefall vor dieser religiös verbrämten Gewaltverherrlichung eines patriarchalischen Absolutismus? Könnte es auch hier daran liegen, das der Islam 'ideal' zu zentralistischen Ideologien passt und Pluralismus, sowie kritische Rationalität als 'auszumerzende Gefahr' deklariert? Warum wird diese absolutistische Denke nicht schon im Ansatz von den heutigen Studenten (bzw. Rektoren) "bekämpft", indem man die selbstherrlichen Unterdrücker des freien Meinungs- und Gedankengutes konsequent rauswirft?

http://www.taz.de/!119656/

Nachdem sich bereits einige streng religiöse muslimische Studierende beschwert hatten, das „Habibi“-Plakat verletze ihre religiösen Gefühle, schritt Mitte Juni eine Studentin zur Selbsthilfe: Zuerst hängte sie am 17. Juni das Poster, auf dem neben einer Vergewaltigungsszene das Wort „Allah“ in arabischer Kalligrafie montiert war, eigenmächtig ab. Genau eine Woche später ging die Muslimin gegen die „Exit Wounds“-Collage vor. Mit einer Schere schnitt sie einen arabischen Schriftzug aus dem Poster heraus und übergab den Torso der Bibliotheksleitung. Daraufhin wurde die Schau, die eigentlich noch bis Ende Juli laufen sollte, überstürzt abgebrochen. Auch die Internetseite zur Ausstellung wurde umgehend gelöscht.
Benutzeravatar
Gandalf
 
Beiträge: 925
Registriert: Mo 25. Feb 2008, 20:54

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon mat-in » Fr 12. Jul 2013, 07:32

Für mich klingt das nach: Klage wegen merhfacher, vorsätzlicher Sachbeschädigung (oder wie auch immer der Jurist das nennen würde) und einklagen der ggf. ausgefallenen Eintrittseinnahmen der Ausstellung, etc.
Benutzeravatar
mat-in
 
Beiträge: 1953
Registriert: Di 14. Sep 2010, 12:39

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon NeoTron » Fr 12. Jul 2013, 13:52

Womit wir wieder beim "Blasphemie"-Paragraphen wären, dessen ersatzlose Streichung längst fällig wäre. Siehe hier.
NeoTron
 
Beiträge: 84
Registriert: Mo 18. Mär 2013, 10:29

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Nanna » Fr 12. Jul 2013, 19:33

Was für eine feige Reaktion der Universität. In unserer Gesellschaft (und bei dem "unser" schließe ich die betroffene Studentin ganz bewusst und ohne Abstriche mit ein!) muss man es aushalten können, dass andere Menschen anders denken und das auch zum Ausdruck bringen. Man kann ja gegen die Ausstellung protestieren, insbesondere bei einerseitiger Betrachtungsweise, wobei das hier ja in keinster Weise vorgelegen zu haben scheint.

Ein Verhalten wie eine Dreijährige. Manche Leute scheinen schon beleidigt darüber zu sein, dass sie am Morgen aufstehen müssen.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 12. Jul 2013, 22:10

Ich wäre mir nichtmal sicher, ob die Reaktion feige ist. Immerhin gibt es die Anzeige wegen Sachbeschädigung und diese Diskussion über Meinungsfreiheit. Dadurch, dass man die Ausstellung beendet, zeigt man, wie solche Spinner einem die Meinungsäußerung verderben und solche Aktionen auch Gegenmaßnahmen erfordern. In jedem Fall ärgert es das Publikum und zeigt, dass soetwas keine harmlose Sachbeschädigung ist, sondern ein Aufzwingen von geistigem Rückschritt. Man würde vielleicht auch unbeabsichtigterweise durch das zeigen der beschädigten Werke deren Beschädigung als Teil der Ausstellung aufnehmen und dadurch irgendwie legitimieren. Eine schwierige Situation.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Nanna » Fr 12. Jul 2013, 22:46

Inwiefern ist es ein statement für die Redefreiheit, wenn man unberechtigt aufgefordert wird, den Mund zu halten, und dem dann auch noch nachkommt? Für mich gäbe es keine andere folgerichtige Reaktion als eine planmäßige Weiterführung der Ausstellung. Man darf sich doch von so was nicht beirren lassen. Jetzt hat die Täterin ja ihr Ziel erreicht und damit der Uni ihren Wunsch aufgedrückt. Das sollte man aus Prinzip nicht mitmachen, und wenn man die Polizei in der Ausstellung postieren muss.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Darth Nefarius » So 14. Jul 2013, 23:42

Man hält ja nicht den Mund, auch wenn die Ausstellung damit stirbt. Im Artikel wurde schließlich eine Diskussion angekündigt und das Vorgehen der Studentin hat man auch mit einer Anzeige geahndet. Die Ausstellung so wie sie geplant war, ist ja ohnehin durch die Zerstörung einiger Kunstwerke so nicht mehr möglich, abgesehen davon will man unter Umständen ja auch vermeiden, dass wieder andere Kunstwerke Schaden nehmen (weil man eben nicht den Willen hat, auch noch alles permanent mit Polizei zu überwachen und eventuell auch die Polizei besseres zu tun hat). Wenn die Kunstwerke nicht ausreichend geschützt werden können, lässt man die Ausstellung eben bleiben, um nicht irgendwann als Veranstalter in den Ruf zu kommen, dass die Werke dann zerstört werden, wenn sie auch nur ein bisschen zu gesellschaftskritisch sind. Ein anderer Veranstalter hätte ja vielleicht Sicherheitskräfte oder die Polizei engagiert, aber bei einer Uni kommt soetwas anders rüber. Bei den Gesellschaftswissenschaftlern gibt es schlichtweg zu viele Anarchos, die eher auf die Sicherheitskräfte selbst als auf die Bilder losgehen. Und dann hat man weniger als nichts erreicht und auch noch Geld verloren. Das war eine pragmatische Lösung, ohne wirklich vor der Diskussion zu kneifen. Dadurch, dass die Studentin jetzt als islamistische Israel-Hasserin enthüllt ist, hat sie auch nichts gewonnen.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Nanna » Mo 15. Jul 2013, 12:35

Darth Nefarius hat geschrieben:Bei den Gesellschaftswissenschaftlern gibt es schlichtweg zu viele Anarchos, die eher auf die Sicherheitskräfte selbst als auf die Bilder losgehen.

Dein Bild von der Welt ist manchmal schon gute Unterhaltung. XD
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 15. Jul 2013, 12:50

Sorry, aber wenn ich mir die Fachschaft meiner Uni angucke und überall das Geschmiere dieser Typen sehe, und auch die Kandidaten bei der Studentenvertretung (mit Mitgliedschaften bei links, linke, Gewerkschaft, Gewerkschaft, links, links, Grüne, links..... :kopfwand: ) kann ich nur den Kopf schütteln. Ich bin froh, dass meine Noten gut genug waren, um etwas sinnvolles zu studieren und keine Philosophie oder dergleichen. Oder meinst du, dass es Lifestyle ist, wenn man überall diese Anarcho-Schmiererei sieht? Ich kann mich auch erinnern, wie lächerlich sie sich bei der Bloccupy-Bewegung gemacht haben. Auch bei den Bücherverkäufen findet man Marx`gesamtes Lebenswerk fast immer in dreifacher Ausführung.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Nanna » Mo 15. Jul 2013, 13:07

Und die verprügeln dann die Polizisten mit Marx-Büchern, ja? :lachtot:

Wir hatten neulich eine Bombendrohung an der Uni, die sich gegen den Gebäudekomplex richtete, wo u.a. die Politikwissenschaft residiert. Danach hatten wir zwei Tage lang den ganzen Campus voller Polizisten. Die Schmierereien haben wir auch, deshalb hat aber keiner die Polizei angepöbelt oder mit der Gesamtausgabe von Marx beworfen (und behaupte mir jetzt nicht, die hätten alle ach so viel Angst gehabt, den Bombendroher hat außer als Zielscheibe für Impotenzwitze keiner ernst genommen).

Naja, mit einem schlichten Blick ist die Welt wenigstens schön geordnet, nicht wahr? Da unterscheidest du dich dann nicht von denen, die auf einer oberflächlichen Lektüre von Marx aufbauend den "Bullenstaat" anfeinden. Kloppt euch ruhig, solang genug Popcorn für mich da ist. :up:

Zu dem ernsten Teil der Unterhaltung nochmal: Wenn man sich als Uni schon von einer verwirrten Studentin die Butter vom Brot nehmen lässt was die Meinungsfreiheit angeht, dann haben wir offensichtlich seit 1945 nicht so viel gelernt, wie wir uns als Gesellschaft einbilden. Notfalls muss die Polizei oder ein privater Sicherheitsdienst halt so eine Ausstellung beschützen, Sachbeschädigung ist nunmal ein No-Go in der politischen Auseinandersetzung und davon darf man sich nicht einschüchtern lassen.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 15. Jul 2013, 18:58

Nanna hat geschrieben:Und die verprügeln dann die Polizisten mit Marx-Büchern, ja? :lachtot:

Ne, dafür sind Anarchos zu feige, erst recht die Uni-Anarchos. Mich nervt einfach das Gepose; wir beide wissen, dass sie harmlos sind, aber eine ältere Generation wird sie vielleicht als ernstzunehmende Bedrohung sehen. Ich wollte das nur aus deren Standpunkt aufziehen.
Ich kann mich noch an meine Schul-Anarchos erinnern, die auf jede Demo gegen die neue Oberstufe gegangen sind (übrigens wohl diejenigen, die ich heute als Freunde bezeichnen könnte, zumindest hatte man eine gewisse Schnittmenge im Weltbild). Demos sind einfach ineffizient. Die effizienteren Taktiken sind zu radikal für eine Schulreform, also einfach die Sache ertragen oder umziehen. So ist es auch mit den Uni-Reformen.
Aber mal was grundsätzliches: Bei den meisten, die ich in diesem Umfeld kenne, würde ich nie davon ausgehen, dass sie etwas redikaleres machen könnten, als sich angemeldet auf die Straße mit einem Schildchen hinzustellen. Echte Revoluzer sind da anders, die haben mehr Eier! Gerade die deutsche Version der Anarchos ist ziemlich saftlos und (groß-)bürgerlich.
Vollbreit hat geschrieben:Naja, mit einem schlichten Blick ist die Welt wenigstens schön geordnet, nicht wahr? Da unterscheidest du dich dann nicht von denen, die auf einer oberflächlichen Lektüre von Marx aufbauend den "Bullenstaat" anfeinden. Kloppt euch ruhig, solang genug Popcorn für mich da ist. :up:

Nein, ich bin jedesmal angepisst, wenn wegen irgendeiner dieser Demos die Busse nicht fahren. Popcorn habe ich dann nie dabei und ich schlage mich auch nicht aus politischen Motiven, dafür muss es schon etwas persönliches sein.
Vollbreit hat geschrieben:Zu dem ernsten Teil der Unterhaltung nochmal: Wenn man sich als Uni schon von einer verwirrten Studentin die Butter vom Brot nehmen lässt was die Meinungsfreiheit angeht, dann haben wir offensichtlich seit 1945 nicht so viel gelernt, wie wir uns als Gesellschaft einbilden. Notfalls muss die Polizei oder ein privater Sicherheitsdienst halt so eine Ausstellung beschützen, Sachbeschädigung ist nunmal ein No-Go in der politischen Auseinandersetzung und davon darf man sich nicht einschüchtern lassen.

Ich betrachte es nicht als Einschüchtern-Lassen, wenn man sie anzeigt und eine Diskussion laufen lässt. Zudem hat man es auch offensichtlich nicht gescheut, die Öffentlichkeit darüber aufmerksam zu machen und die Vandalin bloßzustellen. Und dann ist da - wie gesagt - noch die Sache mit dem Geld. Es ist doch gar nicht so schlecht, wenn eine Uni endlich mal ein neues Massenspektrometer bekommt, anstatt die Polizei oder einen Sicheheitsdienst für einen Tag zu bezahlen.
Benutzeravatar
Darth Nefarius
 
Beiträge: 2625
Registriert: Di 22. Nov 2011, 16:23

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Nanna » Mo 15. Jul 2013, 20:19

Darth Nefarius hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Und die verprügeln dann die Polizisten mit Marx-Büchern, ja? :lachtot:

Ne, dafür sind Anarchos zu feige, erst recht die Uni-Anarchos. Mich nervt einfach das Gepose; wir beide wissen, dass sie harmlos sind, aber eine ältere Generation wird sie vielleicht als ernstzunehmende Bedrohung sehen. Ich wollte das nur aus deren Standpunkt aufziehen.

Die ältere Generation ist gerade die, die überdurchschnittlich islamophob ist. Wenn du die Polizei aufmarschieren lässt, kriegst du von denen eher noch Beifall. Und vor Linksautonomen haben die 68er jetzt auch keine größere Angst.

Mal davon abgesehen verhandeln wir nicht mit Extremisten. Das ist mit gutem Grund deutsche Staatsräson und ich erwarte als Bürger, dass die staatlichen Institutionen das dann auch hier durchziehen und nicht kuschen vor den peinlichen Provokationsversuchen von Leuten, die geistig nicht über die Pubertät hinausgekommen sind.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich betrachte es nicht als Einschüchtern-Lassen, wenn man sie anzeigt und eine Diskussion laufen lässt. Zudem hat man es auch offensichtlich nicht gescheut, die Öffentlichkeit darüber aufmerksam zu machen und die Vandalin bloßzustellen. Und dann ist da - wie gesagt - noch die Sache mit dem Geld. Es ist doch gar nicht so schlecht, wenn eine Uni endlich mal ein neues Massenspektrometer bekommt, anstatt die Polizei oder einen Sicheheitsdienst für einen Tag zu bezahlen.

Du kannst ein Massenspektrometer nur in einer Gesellschaft produktiv einsetzen, die die Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft respektiert. Also kümmern wir uns erst darum und kaufen dann fancy equipment.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon stine » Di 16. Jul 2013, 07:44

Nanna hat geschrieben:... ich erwarte als Bürger, dass die staatlichen Institutionen das dann auch hier durchziehen und nicht kuschen vor den peinlichen Provokationsversuchen von Leuten, die geistig nicht über die Pubertät hinausgekommen sind.
Tja, Kuschen wird aber leider unsere Zukunft sein!
Ich denke nicht, dass eine globale Bildungswelle mit einem Schlag alle Menschen einsichtig werden lässt. Augenblicklich sind weltweit mehr Menschen vom Islam und anderen Religionen befallen, als vom laizistischen Gedanken. Wenn islamische Studenten ihren ganzen Hass nicht einmal bei einem Auslandsstudium ablegen können, dann ist sowieso nicht gesichert, dass Bildung überhaupt nachhaltig Wirkung zeigen könnte.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Nanna » Di 16. Jul 2013, 11:02

So ein Unsinn, stine.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon stine » Di 16. Jul 2013, 11:15

Ach ja?
Dann erzähl mir mal, warum ausgerechnet bei besagter Studentin die Bildung wirkungslos geblieben ist.

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon NeoTron » Di 16. Jul 2013, 11:48

Nanna hat geschrieben:So ein Unsinn, stine.

stine hat geschrieben:Ach ja?
Dann erzähl mir mal, warum ausgerechnet bei besagter Studentin die Bildung wirkungslos geblieben ist.


Ja, Nanna, erzähl mal. Ich könnte zwar auch darauf antworten, mach ich jetzt aber nicht.
Ich interessiere mich aber auch für deine Antwort darauf, Nanna.
NeoTron
 
Beiträge: 84
Registriert: Mo 18. Mär 2013, 10:29

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Nanna » Di 16. Jul 2013, 11:49

Woher soll ich das wissen? Ich kenne besagte Studentin zum Glück nicht. Was mich stört, ist diese "ja, sind halt Muslime, sind halt voller Hass, Bildung ist da wirkungslos, das machste nix"-Aussage.

Ich kenne die Probleme im Nahen Osten und der nahöstlichen Migranten sehr gut und aus persönlicher Anschauung, wie du weißt. Gerade deshalb halte ich die nicht alle für lernresistente Religionsfanatiker, sondern bin mir sehr bewusst, dass die große Mehrheit sich an Recht und Gesetz in ihren Ländern und in Europa (bei den Migranten) hält und nicht den Gottesstaat mit Kreationismus im Schulunterricht herbeisehnt.
Es sind radikalisierte Splittergruppen und Einzelgänger, die aus einer Mischung von persönlicher Lebensgeschichte, charakterlicher Instabilität, entsprechenden Lebensumständen und schlechter Gesellschaft in sehr einfachen Weltbildern kleben bleiben. Die haben wir aber auch original deutsch, heißen dann halt z.B. Nazis oder Schwarzer Block. Bei denen hilft Bildung in der Tat nur begrenzt, weil das zugrundeliegende Problem ein emotionales ist. Insofern stimme ich dir in dem Punkt zu, dass eine Verbesserung der formalen Bildung allein nicht ausreicht. Das Dritte Reich war auch eines der gebildetsten der Welt, da kann man sehr konkret sehen, dass Bildung im engen Sinne des Erlernens von Fakten und Prozessen nicht vor schlichten Welt- und Feindbildern schützt. Und die Muslimbrüder bestehen zu einem großen Prozentsatz aus Universitätsabsolventen, v.a. der ingenieurswissenschaftlichen Studiengänge.

Allerdings ist die Frage, was man unter Bildung versteht. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass man den Begriff ideengeschichtlich vor seinem humanistischen Hintergrund lesen muss und ihn sozusagen ganzheitlich verstehen muss. Empathie, Toleranz, Moral, das sind für mich inhärente Bestandteile von Bildung, nicht nur das vordergründig gut ökonomisch verwertbare Faktenwissen. Vor dem Hintergrund darf man zumindest mal die Frage in den Raum werfen, ob jemand wie Wernher von Braun eigentlich im emphatischen Sinne gebildet war, auch wenn er naturwissenschaftlich und auch musisch großes Interesse und riesige Kenntnisse hatte. Und wenn wir Bildung so verstünden, dann ja, würde das auch etwas gegen den Hass ausrichten.

Übrigens, weil ich es gerade sehe, da gibt es eine interessante neue Studie: ZON: Deutschland fehlt die Toleranz
Ich zitiere die deshalb, weil wir in Deutschland uns da vielleicht auch erst mal an der eigenen Nase packen sollten, was unsere eigene Fähigkeit zur Akzeptanz des Anderen angeht, anstatt hier den großen Lehrmeister zu geben, was wir uns eigentlich gar nicht so wirklich leisten können (und natürlich zeigt auch die Religion sich mal wieder als wenig vielversprechend, aber das nur am Rande):
Insgesamt kommt die Studie zu dem Schluss, dass ein höherer oder niedrigerer Migrantenanteil keinerlei bemerkenswerten Einfluss auf den Zusammenhalt in einem Land hat. Vielmehr kommt es darauf an, wie bereitwillig eine Gesellschaft die Vielfalt ihrer Mitglieder und Kulturen akzeptiert.

Daran aber hapert es in Deutschland. Bei der Akzeptanz von Vielfalt stehen die Deutschen nur im Mittelfeld. Schlimmer noch: Die Toleranz hat laut den Ergebnissen der Studie im Ländervergleich der vergangenen 25 Jahren abgenommen. Das ist für die Macher der Erhebung das Ergebnis, das die Deutschen am dringendsten korrigieren müssen: "Vielfalt ist der Schlüssel für die Welt von morgen", sagt Liz Mohn, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann-Stiftung. Das Land brauche qualifizierte Zuwanderer, "auch deshalb müssen wir die Akzeptanz und Wertschätzung von Vielfalt fördern, damit Menschen anderer Herkunft, Kultur oder Religion sich bei uns wohlfühlen können."

Überhaupt: Die Vermutung, dass gesellschaftlicher Zusammenhalt vor allem auf einem intakten Gerüst kultureller und moralischer Werte beruht, bestätigen die Ergebnisse der Untersuchung eben nicht. Sie weisen vielmehr in die entgegengesetzte Richtung: Nicht in allen, aber eben doch in signifikant vielen Ländern, in denen Religion im Alltag eine wichtige Rolle spielt, etwa in Rumänien, Griechenland, Polen oder Italien, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt eher gering. In allen sechs Ländern, in denen der Zusammenhalt am stärksten ausgeprägt ist, spielt Religion dagegen im täglichen Leben der Bewohner eine vergleichsweise geringe Rolle.

Und noch eines zeigen die Zahlen des Radars eindeutig: In Ländern, in denen der Zusammenhalt stark ist, bewerten die Menschen ihr eigenes Leben viel positiver als andernorts - woraus die Autoren der Studie den nicht ganz wissenschaftlich formulierten Schluss ziehen: "Zusammenhalt ist Glück."
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon stine » Di 16. Jul 2013, 12:06

Heißt das jetzt, dass WIR toleranter werden müssen, damit sich die Zuwanderer nicht mehr gegen uns wehren müssen?

Da werden nun wieder mal Äpfel und Birnen kunterbunt gemischt, würd ich sagen. Aggressive Zuwanderer werden ausgeblendet und brave Kinderlein schmücken das Titelbild, um uns Deutsche immer daran zu erinnern, dass wir eine Erbsünde mitschleppen.

Zitat: "Insgesamt kommt die Studie zu dem Schluss, dass ein höherer oder niedrigerer Migrantenanteil keinerlei bemerkenswerten Einfluss auf den Zusammenhalt in einem Land hat. Vielmehr kommt es darauf an, wie bereitwillig eine Gesellschaft die Vielfalt ihrer Mitglieder und Kulturen akzeptiert."

Ich würde sagen: "Insgesamt komme ich zu dem Schluss, dass ein höherer oder niedrigerer Migrantenanteil keinerlei bemerkenswerten Einfluss auf den Zusammenhalt in einem Land hat. Vielmehr kommt es darauf an, wie bereitwillig die Migranten die Vielfalt ihres Gastlandes und seiner Kulturen akzeptiert."

LG stine
Benutzeravatar
stine
 
Beiträge: 8022
Registriert: Do 27. Sep 2007, 08:47

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon Nanna » Di 16. Jul 2013, 12:33

Denk halt nicht immer in entweder-oder-Kategorien. Beide Seiten müssen sich aufeinander einstellen, das ist ja das, was Toleranz ausmacht. Das was du gerade tust, nämlich totale Assimilation zu fordern, ist kein bisschen tolerant und im Grunde ein wunderbares Beispiel für das Problem der inneren, pauschalisierenden Verweigerungshaltung gegenüber dem Fremden.

Und aggressive Zuwanderer werden eben nicht ausgeblendet. Bin ich hier im Thread nicht sogar der, der das aggressivste Vorgehen gegen die besagte Studentin befürwortet? Nur: Warum überhaupt aggressive Zuwanderer? Was ist denn der Unterschied zwischen einem aggressiven Deutschen und einem aggressiven Deutschtürken, jetzt mal rein qualitativ? Doch hoffentlich überhaupt keiner! Es ist mir persönlich egal, ob eine Islamistin oder deutsche Nazis in fünfter Generation sich antisemitisch verhalten, beide müssen entsprechend zur Räson gebracht werden.
Benutzeravatar
Nanna
Mitglied des Forenteams
Mitglied des Forenteams
 
Beiträge: 3338
Registriert: Mi 8. Jul 2009, 19:06

Re: "religiöse Gefühle" an naturwissenschaftlichen Unis

Beitragvon provinzler » Di 16. Jul 2013, 13:53

Nanna hat geschrieben: Was ist denn der Unterschied zwischen einem aggressiven Deutschen und einem aggressiven Deutschtürken, jetzt mal rein qualitativ? Doch hoffentlich überhaupt keiner! Es ist mir persönlich egal, ob eine Islamistin oder deutsche Nazis in fünfter Generation sich antisemitisch verhalten, beide müssen entsprechend zur Räson gebracht werden.


Der Unterschied ist IMHO weniger qualitativ als vielmehr quantitativ. Und das liegt in meinen Augen primär an unserer eigenen Einwanderungspolitik. Während wir qualifizierte Leute nicht reinlassen, bzw. systematisch abschrecken und vergraulen darf, wer nix kann bei uns mit der bedingungenslosen Unterstützung einer ausgedehnten Helferindustrie rechnen. Will eine deutsche Firma russische Ingenieure einstellen, scheitert das schon mal gern daran, dass die Ehefrauen nicht mitkommen dürfen, weil sie zwar fließend Englisch, aber kein Deutsch sprechen. Diese Situation kann man denen die kommen, noch nicht mal zum Vorwurf machen. Die hauen daheim ab, weils dort einfach scheiße ist. Würde ich wahrscheinlich auch versuchen. Aber das halte ich für einen gewichtigen Grund warum wir mehr Probleme mit Migranten haben, als etwa ein Land wie Kanada oder Australien, die genau den umgekehrten Weg gehen.
Zuletzt geändert von provinzler am Di 16. Jul 2013, 14:05, insgesamt 1-mal geändert.
provinzler
 
Beiträge: 929
Registriert: Sa 16. Jun 2012, 16:24

Nächste

Zurück zu Gesellschaft & Politik

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste