Wie wird man Systemgewinner?

Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon xander1 » Mo 10. Jun 2013, 17:05

Es gibt da das politische System, z.B. unser pluralistisches, mehr oder weniger demokratisches, und bla und so weiter System.

Verlierer wären da drin z.B. Bettler (obwohl mit der richtigen Strategie viel rausholbar sein könnte. egal erstmal ...)

Gewinner des Systems sind dann wohl auch erfolgreiche Selbstständige und welche die ich mal als Luxussklaven bezeichne: Angestellte mit hohem Gehalt.

Aber erfolgreich im System kann man auch sein, wenn man Dinge tut, die nicht im Sinn der Mehrheit sind, wozu kriminelle Aktivitäten gehören und auch das Ausnutzen von Grauzonen.

Der Hauptschüler Kim Schmitz z.B. ist einfach in ein Land gegangen, in dem etwas erlaubt ist was hier nicht erlaubt ist, hat ein weltweites Geschäft aufgebaut. Auf den Gedanken muss man erstmal kommen. Gezielt Grauzonen ansteuern - zu begreifen, dass sich das lohnen könnte.

Unsere Medien zeigen uns tagtäglich, dass sich kriminelles Handeln nicht lohnt. Ich bezweifle dass das stimmt. Der Konzern Intel hat wegen kriminellen Methoden and AMD 1. Mrd. gezahlt und das ist eigentlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Für Großunternehmen lohnen sich einige kriminelle Methoden, weil die Strafen das überhaupt nicht genügend bekämpfen.

Mit unseren Denkgefängnissen gehen wir brav und denkfaul und risikoscheu unseren Weg. Machen Schule Ausbildung Beruf (studieren ist auch quasi ne Ausbildung) (denkfaul, weil andere Wege uns nicht erschließen).

Dann schauen wir solche Menschen an: Sektengurus, den Playboychef, Dieter Bohlen, Kim Dotcom / Schmitz, usw. und denken, dass .... (ok, jeder denkt was anderes)

Also ich will nicht dazu aufrufen auf beliebige Art kriminell zu werden, aber ich will sagen, dass wir klein gehalten werden und dass wir irgendwie aus dem selbst errichteten Gefängnis ausbrechen könnten, wir dazu aber Cleverness brauchen, die nicht zu verwechseln mit Intelligenz ist.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Gandalf » Mo 10. Jun 2013, 20:54

xander1 hat geschrieben:
Gewinner des Systems sind dann wohl auch erfolgreiche Selbstständige und welche die ich mal als Luxussklaven bezeichne: Angestellte mit hohem Gehalt.
.


Ich würde eher sagen: Gewinner sind die, die sich selbst ein Rechtssytem geschaffen haben, das Ausbeutung autoristiert und eine Moral, die dies auch noch glorifiziert.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon xander1 » Mo 10. Jun 2013, 21:18

Mir ist dazu noch eingefallen, dass im System gewinnen, ja nicht unbedingt heißen muss, möglichst viel Geld zu bekommen. Das wäre einseitig.

Wenn man als alleinstehende Mutter, die sich in Deutschland eingeheiratet hat, geschieden ist, 3 Kinder hat, Alg2 bekommt und sich trotzdem ein vielfaches davon leisten kann wie hart studierende Studenten, nicht arbeiten muss, wenn man Unterhaltszahlungen bekommt, Kindergeld kassiert, dann ist man vielleicht auch Gewinner des Systems. Ich kenne da so einen Fall von einer die aus meiner Sicht reich ist, die niemals so viel Geld bekommen würde, wenn sie arbeiten müsste. Und der aktuelle Freund hat sich zur Tarnung ne andere Wohnung gemietet.

Warum zahlen wir nicht gleich direkt Alg2 an arbeitslose Polen?
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Nanna » Mo 10. Jun 2013, 21:35

xander1 hat geschrieben:Also ich will nicht dazu aufrufen auf beliebige Art kriminell zu werden, aber ich will sagen, dass wir klein gehalten werden und dass wir irgendwie aus dem selbst errichteten Gefängnis ausbrechen könnten, wir dazu aber Cleverness brauchen, die nicht zu verwechseln mit Intelligenz ist.

Da Größe strikt relational ist, muss es Kleine geben, wenn es Große geben soll. Das ist unabhängig von der Regierungs- oder Gesellschaftsform, sondern einfach eine mathematische Gewissheit. Ansonsten hast du natürlich recht: Wer aus der Masse herausstechen will, braucht eine originelle Strategie. Woher die kommt, ist erstmal egal.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon stine » Di 11. Jun 2013, 07:08

Derzeit sind die Gewinner des Systems die, die weder säen noch ernten und trotzdem genährt werden.

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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Vollbreit » Di 11. Jun 2013, 10:08

xander1 hat geschrieben:Also ich will nicht dazu aufrufen auf beliebige Art kriminell zu werden, aber ich will sagen, dass wir klein gehalten werden und dass wir irgendwie aus dem selbst errichteten Gefängnis ausbrechen könnten, wir dazu aber Cleverness brauchen, die nicht zu verwechseln mit Intelligenz ist.


Ja, so ein ruppige Bauernschläue kann durchaus helfen, aber es ist halt eine Frage, was man vom Leben erwartet.

Dass es bewusste Ausnutzung von Sozialsystemen gibt, ist ein Faktum, aber wie sehr einen das auf die Palme bringt eine andere Frage, die durchaus fruchtbar im Sinne der Selbsterkennntnis sein kann.

Es fällt mir schwer die echten Sozialschmarotzer, die es gibt, zu beneiden. Aber nicht jeder der arm ist, ist Sozialschmarotzer, eher im Gegenteil.
Und aus der Perspektive der „Wirtschaftsflüchtlinge“, auf die so gerne projiziert wird, ich kann die Leute gut verstehen. Woher sollten ihre moralischen Skrupel denn bitte kommen? Jeder der für einen besseren Job ins Ausland geht, ist doch auch ein Einwanderer aus wirtschaftlichen Gründen. Vielleicht wollen diese Menschen sogar arbeiten, wir hatten nur bisher ein total beschissen verkrampftes Verhältnis zu Einwanderern, mit dem wir sie einerseits in Watte packten, unterforderten und dennoch ausgrenzten.
Warum sperrt man sie in Asylbarracken ein, oft irgendwelche Metallcontainer und verweigert ihnen die Möglichkeit zur Arbeit? Warum muss man Menschen, die gut eingearbeitet sind nach drei Monaten (oder so) wieder entlassen? Warum bildet man hier junge Akademiker aus und lässt sie dann ziehen, weil man ihnen das Leben schwer macht? Ist doch ganz viel selbstverschuldeter Irrsinn.
Ich bin wahrlich kein Freund der Einwanderung in Sozialsysteme, aber wenn man da nicht will, sollte man 68 Jahre nach Ende der Nazizeit sich auch mal trauen zu sagen, was man denn will. Klare Regeln, an die man sich halten kann, die, so sie akzeptiert werden, denjenigen auch als vollwertiges Mitglied unserer Gesellschschaft ausweisen. Den klammheimlichen Ariernachweis zu fordern, weil Mustafa, auch wenn er mehr verdient und besser Deutsch spricht als Justin, doch noch immer diesen dunklen Teint hat, da muss sich dann jeder selbst fragen, wieviel kleiner Nazi er noch sein möchte.

Ich kann auch zugekokste Banker mit mehr oder weniger starken antisozialen Tendenzen ehrlich gesagt nicht beneiden, mich macht auch deren Lebensstil nicht an. Ist aber auch Geschmacksfrage.
Ich glaube, dass man auch ohne in Moralismus abzugleiten begründen kann, dass man mit einem radikalen Egoismus an bestimmte Grenzen gerät. Wahr ist aber auch, dass es Menschen gibt, die mit dem, was es jenseits von Triumph über andere und ausbeutendem Verhalten noch auf der Speisekarte gäbe, nichts anfangen können.
Sie sind einerseits Gefangene ihrer eigenen psychischen Struktur, andererseits kann es objektiv sein, dass anderen unter ihnen leiden. Da es sehr schwer und ein Akt langer Therapie wäre, denjenigen, die so gestrickt sind, die anderen Welten zu zeigen, die ihnen selbst nicht zugänglich sind, ist ein anderer Ansatz denjenigen, die diese (scheinbar) so Erfolgreichen beneiden, aufzufordern mal empathisch in die Haut eines solchen, zur Empathie oft wenig begabten Menschen zu schlüpfen.
Man muss natürlich aufpassen, dass man nicht aus weiterem Neid eine Klischeewelt konzipiert, in der die Schönen immer dumm sind und die Wohlhabenden immer antisozial und so weiter, einfach weil das alles in allem auch nur ein eher ärmliches Weltbild gibt.

Es kann durchaus sein, dass andere mit ganz anderen Lebensansätzen und Erwartungen durchaus so glücklich oder gar glücklicher sind (oder wirken) als man selbst. Der Klassiker dieser Phantasie ist der dumpfe Prolet, der mit Arbeit und der Flache Bier am Abend zufrieden ist und am Wochenende die Gattin beglückt. Tenor: Ach wie schön die Welt doch ist, wenn man nicht gezwungen ist, zu viel über sie nachzudenken, wie es mir, dem armen, aber klugen Menschen leider widerfährt.
Auch hier ist die Kur zu überlegen, ob man wirklich der arme Prolet mit jeder Faser des eigenen Seins sein möchte.
Erfolg oder Glück kann nur jeder für sich selbst definieren, der Neid ist ein guter Indikator für das, was man (heimlich) begehrt. Kann man sich das eingestehen, kann man es ja umso besser ins eigene Leben integrieren, darum ist es gut, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und dumm, sich hier selbst zu belügen.

Aber, wie auch Nanna schon sagt: Ne gute Idee, also so eine Art ökologische Nische der Gesellschaft zu finden, kann ein echter Glückstreffer sein, das stimmt schon.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon stine » Di 11. Jun 2013, 11:53

Vollbreit hat geschrieben:Es fällt mir schwer die echten Sozialschmarotzer, die es gibt, zu beneiden. Aber nicht jeder der arm ist, ist Sozialschmarotzer, eher im Gegenteil.
Darum geht es doch gar nicht. Egal wer und aus welchem Grund er unsere Sozialsysteme in Anspruch nimmt, ist ein Gewinner an einem sozialverträglichen System. In einem System, das nur auf Leistung und Zugewinn aufbaut, wäre er ein Verlierer.
Ich würde in unserem System (@Nannas Lieblingswort :wink: ) niemanden, der mit 60 Arbeitsstunden die Woche ackert und sich täglich dem Stress seiner Verantwortung stellt, als Gewinner bezeichnen wollen, auch wenn er für seine Arbeit Geld bekommt. Er ist in unserem System nur der Hamster, der das Rad am Laufen hält.

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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Vollbreit » Di 11. Jun 2013, 12:27

Kommt drauf an, wie gerne man arbeitet.
Manche machen ihre Berufung zum Beruf, sind wirklich manische Arbeiter im besten Sinne.
Manche halten wirklich nur den Laden am laufen, sind Söldner, manchmal fast schon Sklaven, die unter nahezu unmenschlichen Bedingungen arbeiten.
Gerade in der Fleischindustrie in Deutschland herrschen üble Bedingungen, in Teilen des Pflegesystems ebenfalls, auch als Möbelpacker, Wachmann, Friseurin, beim Paketdienst, in der Putz- oder Packkolonne kann es einem richtig schlecht gehen.
Sehr viele haben im Betrieb innerlich gekündigt und machen nur noch Dienst nach Vorschrift, aber das ist ein anderes Thema, was wir auch schon hatten.


Ich finde auch, dass man die Balance zwischen dem, was man haben und leisten möchte selber finden kann.
Der Vorteil bei uns ist, dass jeder ein Dach über dem Kopf hat und niemand verhungern und erfrieren muss, sogar zum Arzt kann man gehen und bekommt Geld.
Für einige Afrikaner ist das bereits die inkarnierte Version des Paradieses, zumal in Afrika noch „Kleinigkeiten“ wie AIDS und andere Seuchen, Korruption in höchstem Ausmaß, Bürgerkriege dazukommen. Wer kann die Leute denn ernsthaft nicht verstehen?

Dass es dennoch zu einer Entsolidarisierung kommt, hat viel mit einer eigenen Angst vor dem sozialen Abstieg zu tun.
http://www.psyheu.de/5440/die-mittelschicht/
Es ist ja oft die Mittelschicht, die hier ätzt. Es waren bestimmt auch nicht die Prolls, die ihren Sarrazin gelesen haben...
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon provinzler » Di 11. Jun 2013, 16:26

Vollbreit hat geschrieben:Kommt drauf an, wie gerne man arbeitet.
Manche machen ihre Berufung zum Beruf, sind wirklich manische Arbeiter im besten Sinne.
Manche halten wirklich nur den Laden am laufen, sind Söldner, manchmal fast schon Sklaven, die unter nahezu unmenschlichen Bedingungen arbeiten.

Es gibt auch unter den höher qualifizierten und besserverdienenden Leute, die bereit sind sich maximal selbst auszubeuten, wenn sie auf das Einkommen angewiesen sind (weil beispielsweise die Hypothek abgetragen werden muss), obwohl sie quasi unkündbar sind (wg. Alter, Betriebszugehörigkeit und einer Qualifikation, die ein reibungsloses Wechseln der Abteilung ermöglicht), wenn man sie bei der Ehre kitzelt und unterschwellig Versagen unterstellt.
Das Problem ist nur, dass ein Programmierer oder Ingenieur nicht linear mehr Arbeit wegbringt, wenn er mehr Stunden im Büro zubringt. Aber gesundheitlich ist sowas auf die Dauer ruinös.

Vollbreit hat geschrieben:Dass es dennoch zu einer Entsolidarisierung kommt, hat viel mit einer eigenen Angst vor dem sozialen Abstieg zu tun.

Dazu sollte man vielleicht mal grundsätzlich klären, was man unter Solidarität versteht. Für meine impliziert es in jedem Fall Freiwilligkeit und zweitens kann es nicht bedeuten, dass der Hilfeempfänger buchstäblich den Arsch nachgetragen kriegt.

Vollbreit hat geschrieben:Es ist ja oft die Mittelschicht, die hier ätzt. Es waren bestimmt auch nicht die Prolls, die ihren Sarrazin gelesen haben...

Völlig richtig. Und diejenigen, die am vernehmlichsten gegen Sarrazin ätzten waren diejenigen, die seine Bücher nicht selbst und nicht im Kontext gelesen hatten (erkannte man in vielen Äußerungen), und in vielen Fällen eine abgesicherte Stelle beim Staat und seinen Wurmfortsätzen (z.B. ARD) hatten.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Zappa » Di 11. Jun 2013, 20:38

provinzler hat geschrieben: Dazu sollte man vielleicht mal grundsätzlich klären, was man unter Solidarität versteht. Für meine impliziert es in jedem Fall Freiwilligkeit und zweitens kann es nicht bedeuten, dass der Hilfeempfänger buchstäblich den Arsch nachgetragen kriegt.

Solidarität hat für mich vor allem etwas mit Gerechtigkeit innerhalb einer sozialen Gruppe zu tun und mit dem Wunsch diese herbeizuführen. Gerechtigkeit aber steht mit Freiheit im Konflikt, insofern impliziert der Begriff Solidarität nicht Freiheit, sondern steht im Spannungsverhältnis dazu. Man muss halt eine vernünftige Balance finden.

Aber vielleicht meinst Du das auch?
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Vollbreit » Di 11. Jun 2013, 20:40

provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dass es dennoch zu einer Entsolidarisierung kommt, hat viel mit einer eigenen Angst vor dem sozialen Abstieg zu tun.

Dazu sollte man vielleicht mal grundsätzlich klären, was man unter Solidarität versteht. Für meine impliziert es in jedem Fall Freiwilligkeit und zweitens kann es nicht bedeuten, dass der Hilfeempfänger buchstäblich den Arsch nachgetragen kriegt.
Da bin ich ganz bei Dir. Meine Grundeinstellung ist immer Eigenverantwortung und Hilfe kann für mich, außer in kurzfristigen Notfällen, immer nur heißen, Hilfe zur Selbsthilfe. Ich halte das auch nicht für gemein oder unsolidarisch, sondern ich habe mir den psychoanalystischen Spruch zu Herzen genommen (ich verstehe ihn auch, ich glaube ihn nicht nur), dass Mitleid immer auch eine Art von Entwertung ist.
„Ach der Arme, das Leben hat ihm so übel mitgespielt“, heißt immer auch: „Naja, der schafft's nie.“

Trotz allem kann und muss man dennoch feststellen, dass es einige gibt, die wirklich nicht können und da sehe ich es nicht als Widerspruch an, wenn diese Menschen auch Leben und zwar in Achtung und Würde leben sollen. Und ich bin wirklich stolz auf unser Sozialsystem, was vermutlich eines der besten der Welt ist.
Über weitere Details, bei den ich auch was zu moppern habe (zum Beispiel haben wir ein entsetzliche Fehlerkultur, einmal was in den Sand gesetzt, ist man im Grunde als Unternehmer tot, wenn man Geld will), können wir gerne reden, aber das sind meine Eckpfeiler, der Dritte wäre ein angemessenes Recht auf Privatsphäre, da bin ich momentan nicht sonderlich amused.

Hier meinte ich jedoch eine psychische Entsolidarisierung. Reflexhaft sucht man bei denen, die unverschuldet auf einmal in Harzt 4 rutschen, spezialisierter Ingenieur, 52, Firma Pleite... schade, noch nach einem eigenem Fehlverhalten und leider ist das immer seltener zu finden. Diese Angst, dass es auch mich treffen könnte, große Firmen werden auf einmal übernommen, dann kommen die Entlassungen, nirgends ist man wirklich sicher, führt nicht zu dem „alle in einem Boot“ Gefühl, sondern erst mal zur Entsolidarisierung.
provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Es ist ja oft die Mittelschicht, die hier ätzt. Es waren bestimmt auch nicht die Prolls, die ihren Sarrazin gelesen haben...
Völlig richtig. Und diejenigen, die am vernehmlichsten gegen Sarrazin ätzten waren diejenigen, die seine Bücher nicht selbst und nicht im Kontext gelesen hatten (erkannte man in vielen Äußerungen), und in vielen Fällen eine abgesicherte Stelle beim Staat und seinen Wurmfortsätzen (z.B. ARD) hatten.
Ja, die Reaktion auf Sarrazin war stellenweise kurios. Seine Kernthesen gibt es übrigens auch noch mal in intelligenter Version, von Gunnar Heinsohn. Lies mal „Söhne und Weltmacht“ von ihm, gibt es inzwischen als TB, ist dünn, aber maximal gehaltvoll.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon stine » Mi 12. Jun 2013, 08:30

Vollbreit hat geschrieben:Lies mal „Söhne und Weltmacht“
Interessanter Link zum Thema.
Die größten Verlierer aller Systeme sind vermutlich auch die Jugendlichen.
Weltweit sind die Perspektiven für die Zukunft derzeit relativ dünn. Man könnte fast sagen, wir haben das Maximale erreicht und alles andere sind nur noch Machtkämpfe der Größten untereinander. Das tägliche Leben zu arrangieren scheint langweilig geworden zu sein, weil für das Notwendigste gesorgt ist. In den reichen Ländern sorgen die Eltern zu lange für die Kinder und den ärmeren Ländern können sie gar nichts tun, als sie ziehen lassen und sie sich selbst zu übergeben. Beides ist schlecht.
Wo ist denn eigentlich die Perspektive für die nächste Generation? Die Söhne können sich so lange verweigern, bis sie Verantwortung übernehmen müssen und bis es so weit ist, fällt ihnen allerlei Blödsinn ein. Kinder wachsen heute entweder zu behütet oder sozial vernachlässigt auf. Sie werden gedrillt oder vergessen. Mich wundert nicht, dass sie religiösen Hetzern auf den Leim gehen oder politischen Ideologien verfallen, denn viele erfahren damit den ersten Zuspruch in ihrem Leben. Fühlen sich gebraucht und anerkannt.
Wenn wir es nicht schaffen, die Jugend zu begeistern und Perspektiven aufzuzeigen, dann haben wir es als Gesellschaft sowieso versemmelt.

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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Vollbreit » Mi 12. Jun 2013, 09:03

stine hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Lies mal „Söhne und Weltmacht“
Interessanter Link zum Thema.
Die größten Verlierer aller Systeme sind vermutlich auch die Jugendlichen.
Klar, die größten Gewinner aber auch. Liegt in der Natur der Nachkommen.

stine hat geschrieben:Weltweit sind die Perspektiven für die Zukunft derzeit relativ dünn.
Was ja heiß umstritten ist. Der Vorteil bei Heinsohn ist, dass der einige stabile Faktoren ins Spiel bringt.

stine hat geschrieben:Man könnte fast sagen, wir haben das Maximale erreicht und alles andere sind nur noch Machtkämpfe der Größten untereinander. Das tägliche Leben zu arrangieren scheint langweilig geworden zu sein, weil für das Notwendigste gesorgt ist.
Das kommt drauf an, welche Ecke der Welt Du betrachten möchtest. Die chronische Langeweile und ihre Betäubungsversuche betrifft sicher eher die westliche Welt.

stine hat geschrieben:In den reichen Ländern sorgen die Eltern zu lange für die Kinder und den ärmeren Ländern können sie gar nichts tun, als sie ziehen lassen und sie sich selbst zu übergeben. Beides ist schlecht.
Optimal gab es aber noch nie.

stine hat geschrieben:Wo ist denn eigentlich die Perspektive für die nächste Generation?
Bei uns? Freie Auswahl an Arbeitsplätzen, gute Vernetzung, Ablenkung, Spiele, man hungert und friert nicht, es gibt Strom, Wasser, Seife, ärztliche GRundversorgung... es gibt schlechtere Zeiten.

stine hat geschrieben:Die Söhne können sich so lange verweigern, bis sie Verantwortung übernehmen müssen und bis es so weit ist, fällt ihnen allerlei Blödsinn ein.
Das war nie anders.

stine hat geschrieben:Kinder wachsen heute entweder zu behütet oder sozial vernachlässigt auf.
Das war auch nie anders.

stine hat geschrieben:Sie werden gedrillt oder vergessen. Mich wundert nicht, dass sie religiösen Hetzern auf den Leim gehen oder politischen Ideologien verfallen, denn viele erfahren damit den ersten Zuspruch in ihrem Leben. Fühlen sich gebraucht und anerkannt.
Du beschwörst da immer eine Zeit, in der das mal besser war, aber so pauschal kann man das einfach nicht sagen.

Es gibt ein schönes ethisches Gedankenexperiment: Stell Dir vor, Du kannst zum irgendeinem Zeitpunkt der Weltgeschichte, an irgendeinem Ort/Land wiedergeboren werden, müsstest aber dort auch ausharren, also wirklich leben. Beides, Zeit und Ort, darfst Du frei wählen. Nicht wählen darfst Du Dein Geschlecht und Deinen sozialen Status. Du könntest also drauf spekulieren Pharao im alten Ägypten zu werden, aber wenn Du die Zeit und der Ort wählst, dann könntest Du auch als einer der Bauarbeiter enden. Ich denke, die Bedingungen sind klar.
Und nun überleg mal was Du wählen würdest, wenn Du diese Suppe auslöffeln müsstest.

stine hat geschrieben:Wenn wir es nicht schaffen, die Jugend zu begeistern und Perspektiven aufzuzeigen, dann haben wir es als Gesellschaft sowieso versemmelt.

Warum sollten wir die Jugend begeistern? Und wie, wenn wir es selbst nicht sind? Schreibst Du doch selbst alle Nase lang. Was willst Du denn mitteilen?
Kinners, sieht echt beschissen aus, aber macht das Beste draus, irgendwie...?
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon provinzler » Mi 12. Jun 2013, 09:25

Zappa hat geschrieben:
provinzler hat geschrieben: Dazu sollte man vielleicht mal grundsätzlich klären, was man unter Solidarität versteht. Für meine impliziert es in jedem Fall Freiwilligkeit und zweitens kann es nicht bedeuten, dass der Hilfeempfänger buchstäblich den Arsch nachgetragen kriegt.

Solidarität hat für mich vor allem etwas mit Gerechtigkeit innerhalb einer sozialen Gruppe zu tun und mit dem Wunsch diese herbeizuführen. Gerechtigkeit aber steht mit Freiheit im Konflikt, insofern impliziert der Begriff Solidarität nicht Freiheit, sondern steht im Spannungsverhältnis dazu. Man muss halt eine vernünftige Balance finden.

Aber vielleicht meinst Du das auch?


Das hängt wohl vom jeweiligen Gerechtigkeitssinn ab. Mein persönlicher (übrigens relativ stark ausgeprägter) Gerechtigkeitssinn steht mit Freiheit nicht in einem Spannungsverhältnis, weil er nicht beinhaltet, dass irgendjemand oder eine Gruppe sich anmaßen darf, Güter "gerechter" zu verteilen, weil er bzw. die Gruppe der Meinung ist, der Status quo wäre irgendwie ungerecht.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon provinzler » Mi 12. Jun 2013, 09:39

Vollbreit hat geschrieben:Trotz allem kann und muss man dennoch feststellen, dass es einige gibt, die wirklich nicht können und da sehe ich es nicht als Widerspruch an, wenn diese Menschen auch Leben und zwar in Achtung und Würde leben sollen. Und ich bin wirklich stolz auf unser Sozialsystem, was vermutlich eines der besten der Welt ist.

Nur hab ich so meine Zweifel, ob man für Achtung und Würde iPhone und Megaglotze braucht.

Vollbreit hat geschrieben:Über weitere Details, bei den ich auch was zu moppern habe (zum Beispiel haben wir ein entsetzliche Fehlerkultur, einmal was in den Sand gesetzt, ist man im Grunde als Unternehmer tot, wenn man Geld will), können wir gerne reden, aber das sind meine Eckpfeiler, der Dritte wäre ein angemessenes Recht auf Privatsphäre, da bin ich momentan nicht sonderlich amused.

Das unterschreibe ich. Donald Trump wäre bei uns längst nur noch ein kleiner Angestellter, der irgenwo gefrustet Dienst nach Vorschrift schiebt.

Vollbreit hat geschrieben:Hier meinte ich jedoch eine psychische Entsolidarisierung. Reflexhaft sucht man bei denen, die unverschuldet auf einmal in Harzt 4 rutschen, spezialisierter Ingenieur, 52, Firma Pleite... schade, noch nach einem eigenem Fehlverhalten und leider ist das immer seltener zu finden.

Ich mag den Begriff "Schuld" in dem Zusammenhang nicht, "Verantwortung" gefällt mir besser. Verantwortlich ist prinzipiell erstmal jeder für sich selber, und auch eine Firmenpleite kommt nicht aus heiterem Himmel. Ein Problem in solchen Konstellationen ist of das "nicht-sehen-wollen" und das Klammern an diesen einen Job, verbunden mit selbst"verschuldeten" (buchstäblich Schulden, und das fast immer für Konsumzwecke) Klötzen am Bein. Unnötige Konsumschulden sind in meinen Augen der Hauptgrund der Abstiegspanik vieler Mittfünfziger. Besonders die Hausbesitzer, die mit den Erträgen ihrer Kapitallebensversicherung ihre endfällige Hypothek tilgen wollten, und jetzt merken, dass sie von der Politik(!), die zwischendurch einfach mal die Spielregeln geändert hat, um sich günstiger verschulden zu können. Und diese Leute stehen nun vor fünfstelligen Refinanzierungslücken.

Vollbreit hat geschrieben:Ja, die Reaktion auf Sarrazin war stellenweise kurios. Seine Kernthesen gibt es übrigens auch noch mal in intelligenter Version, von Gunnar Heinsohn. Lies mal „Söhne und Weltmacht“ von ihm, gibt es inzwischen als TB, ist dünn, aber maximal gehaltvoll.

Das hab ich schon vor 2 Jahren oder so gelesen, fands auch ziemlich gut.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon stine » Mi 12. Jun 2013, 10:12

Vollbreit hat geschrieben:Optimal gab es aber noch nie.
Das war nie anders.
Das war auch nie anders.
Du beschwörst da immer eine Zeit, in der das mal besser war, aber so pauschal kann man das einfach nicht sagen.

Ich hab mal so ein bisschen deine Kommentare auf meinen Post zusammengefasst. :wink:
Es hat sich zweifellos etwas verändert und deswegen war ohne Frage auch früher (geschätzte 30 bis 40 Jahre) alles ein wenig anders. Es gab Perspektiven und das für viele Menschen, gerade bei uns. Natürlich impliziert das nicht, dass "das Leben an sich" einfacher gewesen wäre, aber es gab gefühlsmäßig eine Zukunft. Die einzige Panik hatten die Menschen damals vor dem Waldsterben, das ist im Vergleich zu den allgegenwärtigen Horrormeldungen heute schon geradezu ein Grund zum Feiern.

Und weil die Jugend von Gestern die Klugscheißer von heute sind, kann man sagen, sie hatten eine Zukunft, mit der sie heute trefflich zurecht kommen. Allerdings werden die gehobenen Ansprüche jetzt übertragen und der Kampf ums Überleben wird genau darum wieder härter, vielleicht nur auf nur einer anderen Ebene.

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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Vollbreit » Mi 12. Jun 2013, 10:54

provinzler hat geschrieben:Nur hab ich so meine Zweifel, ob man für Achtung und Würde iPhone und Megaglotze braucht.

Ich auch, aber es bringt doch nichts nun immer wieder darauf herumzuhacken.
Der Punkt ist, dass es nicht nur um Essen und Wohnung gehen kann, sondern auch um die Möglichkeit der Teilnahme am kulturellen Leben. Ob und wie man das dann nutzt, steht auf einem anderen Blatt, es gibt auch „Bessergestellte“ denen nichts anderes einfällt, als täglich zum Friseur zu gehen und statt Dosenbier wird dann eben Rotwein gesoffen.

provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Über weitere Details, bei den ich auch was zu moppern habe (zum Beispiel haben wir ein entsetzliche Fehlerkultur, einmal was in den Sand gesetzt, ist man im Grunde als Unternehmer tot, wenn man Geld will), können wir gerne reden, aber das sind meine Eckpfeiler, der Dritte wäre ein angemessenes Recht auf Privatsphäre, da bin ich momentan nicht sonderlich amused.
Das unterschreibe ich. Donald Trump wäre bei uns längst nur noch ein kleiner Angestellter, der irgenwo gefrustet Dienst nach Vorschrift schiebt.
Ja, das kann man angehen und versuchen zu ändern, ist aber vielleicht auch eine Frage der Tradition. Dieses Anglodenken von Freiheit und eigenem Weg, gibt einem irgendwo mehr Chancen, geht es einem aber wirklich schlecht, kann man sehen, wo man bleibt.

provinzler hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Hier meinte ich jedoch eine psychische Entsolidarisierung. Reflexhaft sucht man bei denen, die unverschuldet auf einmal in Harzt 4 rutschen, spezialisierter Ingenieur, 52, Firma Pleite... schade, noch nach einem eigenem Fehlverhalten und leider ist das immer seltener zu finden.
Ich mag den Begriff "Schuld" in dem Zusammenhang nicht, "Verantwortung" gefällt mir besser.
Mir generell auch, aber bei der Entsolidarisierung wird eben aus Verantwortung Schuld gemacht. Man hat es ja auch nicht zu verantworten, wenn die Post massiv Stellen kürzt. Es ist ja ein eigenes Thema wie Unternehmen bisweilen versuchen Mitarbeiter loszuwerden, das ist mitunter unterste Kategorie.

provinzler hat geschrieben:Verantwortlich ist prinzipiell erstmal jeder für sich selber, und auch eine Firmenpleite kommt nicht aus heiterem Himmel. Ein Problem in solchen Konstellationen ist of das "nicht-sehen-wollen" und das Klammern an diesen einen Job, verbunden mit selbst"verschuldeten" (buchstäblich Schulden, und das fast immer für Konsumzwecke) Klötzen am Bein.
Bedingt. Kommt drauf an, an welcher Position Du bist und was für den Erhalt der Firma alles getan werden muss. Ist ein umfangreiches Thema. Ich habe an nichtverantwortlicher Stelle in einem Betrieb gearbeitet, wo jeder Verbesserungsvorschlag (nicht nur von mir) kaltlächelnd ignoriert wurde, da ist dann nicht viel zu machen, so frustriert man seine Mitarbeiter systematisch. Schade, da ich mich eigentlich mit dem Laden stark identifizieren konnte. Anderswo bin ich mir bewusst, dass ich nur Söldner bin, geht mir dann im Grunde kalt am Arsch vorbei wie es dem Laden geht und denen, wie es mir geht. Ist halt der Klassiker von Nehmen und Geben. In leitender Position sieht das schon wieder anders aus.

Ansonsten gibt es auch das andere Extrem von Leuten, aus dem linken Spektrum, die geradezu wild werden, wenn man „Eigenverantwortung“ sagt, weil bei ihnen für alles von A bis Z „die Gesellschaft“ verantwortlich ist, der Rest sind dann die Gene. Krank und fett wird man nicht, weil man sich falsch ernährt und zu wenig bewegt, sondern weil man Opfer in der einen oder anderen Art und Weise ist, aber Opfer ist man irgendwie immer und fühlt sich auch eigenartig gut damit. Der Begriff „Freiheit“ (der jetzt allerdings von der neuen Rechten auch übermäßig strapaziert wird) ist im Grunde die Kehrseite der Verantwortung und für so manchen Linken ganz offenbar ein angstauslösender Begriff. „Oh Hilfe, ich muss was tun.“ Ich kann, ich darf …? Fehlanzeige. Nur gibt es halt die extremen Enden auf beiden Seiten, was man ja im Grunde nicht weiter ausführen muss, dass sich die Extreme mitunter berühren, inklusive.

provinzler hat geschrieben:Unnötige Konsumschulden sind in meinen Augen der Hauptgrund der Abstiegspanik vieler Mittfünfziger. Besonders die Hausbesitzer, die mit den Erträgen ihrer Kapitallebensversicherung ihre endfällige Hypothek tilgen wollten, und jetzt merken, dass sie von der Politik(!), die zwischendurch einfach mal die Spielregeln geändert hat, um sich günstiger verschulden zu können. Und diese Leute stehen nun vor fünfstelligen Refinanzierungslücken.
Ja, die Schuldenkultur ist sicher ein Übel, nur was uns fehlt ist da oft auch das innere Regulativ.
Es ist eigentlich zigfach nachgewiesen, durch Philosophen, große Dichter, Mystiker, Psychologen, Hirnforscher, religiöse Denker, hier sind sich wirklich mal so gut wie alle einig, dass ein wesentlicher Teil des Glücksempfindens der Fähigkeit zur Selbstbeherrschung oder -regulation zukommt.
Nur sind uns leider die Begründungen dafür ausgegangen. Früher hat man es für den lieben Gott gemacht, dann kam man auf die Idee, dass man alles, was im Namen Gottes geschieht, auch anders legitimieren kann, was m.E. stimmt, nur kurioserweise vergessen die Leute es zum Teil dann auch umzusetzen oder es wird ins andere Extrem übertrieben und man fühlt sich gut, weil man sich schlecht fühlt, auch wenn ich schon mal verlinkt habe:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft ... 33009.html
Das routinierte Abwinken im „kenne wir alles“-Gestus scheint ein wenig zu wenig zu sein. Dem Wissen um die Möglichkeiten zur Selbstregulation fehlt dann oft der Anlass es auch zu tun.
Dass die Lösung die goldene Mitte ist, wir jeder unterschreiben, nur wo diese Mitte dann verläuft ist nicht so ganz sicher.
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon Vollbreit » Mi 12. Jun 2013, 11:04

stine hat geschrieben:Es hat sich zweifellos etwas verändert und deswegen war ohne Frage auch früher (geschätzte 30 bis 40 Jahre) alles ein wenig anders. Es gab Perspektiven und das für viele Menschen, gerade bei uns. Natürlich impliziert das nicht, dass "das Leben an sich" einfacher gewesen wäre, aber es gab gefühlsmäßig eine Zukunft.


Gut, das wollte ich ja hören und stimme Dir umfänglich zu.
Keine Ahnung, ob das einfach die wachsende Transparenz ist (vermutlich war manches früher auch nicht besser, aber man wusste es wenigstens nicht), oder tatsächliche Desillusionierung, ich glaube beides.
Meine durchaus auch düstere Vision habe ich schon mal dargestellt, ich verlinke es einfach mal:
viewtopic.php?f=3&t=4090&p=85812&hilit=+tipler+wertesph%C3%A4re#p85812
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon provinzler » Mi 12. Jun 2013, 11:27

Vollbreit hat geschrieben:Der Punkt ist, dass es nicht nur um Essen und Wohnung gehen kann, sondern auch um die Möglichkeit der Teilnahme am kulturellen Leben. Ob und wie man das dann nutzt, steht auf einem anderen Blatt, es gibt auch „Bessergestellte“ denen nichts anderes einfällt, als täglich zum Friseur zu gehen und statt Dosenbier wird dann eben Rotwein gesoffen.

Was uns abgeht, ist so ein bisschen die "Dorfbrunnen"-Kultur. In Südeuropa kommen die Leute abends auf irgendwelchen zentral gelegenen Plätzen zusammen. Man hält sich da einfach so auf, unterhält sich, logischerweise die Jugend in einer andren Ecke als die älteren Herrschaften, aber das alles kostet nix. Aber man hilft diesen Leuten nicht, wenn man sie mit noch mehr Geld zuschüttet.






Vollbreit hat geschrieben:
Bedingt. Kommt drauf an, an welcher Position Du bist und was für den Erhalt der Firma alles getan werden muss. Ist ein umfangreiches Thema. Ich habe an nichtverantwortlicher Stelle in einem Betrieb gearbeitet, wo jeder Verbesserungsvorschlag (nicht nur von mir) kaltlächelnd ignoriert wurde, da ist dann nicht viel zu machen, so frustriert man seine Mitarbeiter systematisch.

Schon, aber wenn du merkst, dass dein Betrieb den Bach runterschwimmt, ist es sinnvoller sich frühzeitig nach Optionen umzusehen, statt auf das Wunder, das eh nicht kommt zu hoffen. Nur schränken sich viele mit Schulden halt die Optionen ein, weil eine berufliche nicht möglich ist, wenn sie dort 2,50 € im Monat weniger verdienen. Das betrifft vor allem und gerade so Leute wie den von dir genannten Ingenieur. Der könnte in einer andren Branche auch arbeiten, die Grundlagen hat er ja. Nur würde er halt am Anfang weniger verdienen als bisher. Und deswegen zieht ers meistens vor aufs Wunder zu warten.

Vollbreit hat geschrieben:]Ja, die Schuldenkultur ist sicher ein Übel, nur was uns fehlt ist da oft auch das innere Regulativ.

Wenn du mich fragst ist diese Kultur gewollt, denn dadurch schafft man genau den Hamsterradeffekt, der Steuereinnahmen und Unternehmensgewinne sprudeln lässt. Gibt auch hier Profiteure, so ist es nicht. Aber gerade das Thema Schulden bzw. Anspruchsniveau ist ein Punkt der in der Verantwortung der betreffenden Leute liegt. Und mit Verlaub ich kenne viele Leute, die eigentlich über ihre Verhältnisse leben, und bei denen die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit immer größer wird. Das wird bei vielen noch ein bößes Erwachen geben. Allerdings scheint meine Generation die gleichen Fehler zu wiederholen, nur in etwas andrer Ausgestaltung. Aber für meine Begriffe sind sowas Dinge, für die das Individuum selber die Verantwortung trägt...
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Re: Wie wird man Systemgewinner?

Beitragvon stine » Mi 12. Jun 2013, 12:51

@provinzler: Der Witz ist, dass die These vom Wirtschaftswachstum gestern noch richtig war und alles was unsere Großeltern und später unsere Eltern anpackten (ich nehme an wir sind die selbe Generation :wink: ), sich noch gerechnet hat. Heute sitzen sie in ihren abbezahlten Häusern, kehren die Gehsteige und regen sich darüber auf, wenn die Werkstatt für den Mercedes schon wieder mal teurer geworden ist. Sie genießen ihre (Früh)Rente, weil sie dafür ja auch eingezahlt haben. Ich habe schon öfter versucht zu erklären, dass wir ein Generationenprinzip haben und ihre Rente das Geld ist, das die Menschen heute erwirtschaften, weil ihre Einzahlungen bereits von den Rentnern davor verbraucht wurden. Das ist aber verlorene Liebesmüh, denn der Standpunkt, man hätte sich alles erarbeitet und das ging doch früher auch und man müsse nur fleißig sein, der ist felsenfest in den Gehirnen verankert.
Da heißt es eher noch: IHR habt das doch heute gut, WIR hatten damals doch gar nichts und mussten uns alles erarbeiten. Nur vergessen sie dabei, dass sie noch was erarbeiten konnten, weil die Schraube noch nicht am Anschlag war. Eine Steigerung der Wirtschaftsleistung war eben noch gut möglich. Vielleicht ist das heute auch noch der Fall, aber eher sehe ich den Ballon am Platzen.

LG stine
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