Pro & Contra: Banken

Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Gandalf » Mo 10. Jun 2013, 20:47

Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:In einer freiheitlichen Gesellschaft heisst es nur: Alle sind vor dem Gesetz gleich! Und daher klingt es bedrohlich wenn es eine undemokratisch angelegte Legislative etwas mittels Gesetzestexten genau ein- (und aus-)grenzen muss, was selbstverständliches (Menschen-)Recht ist, das 'außerhalb/oberhalb der Legislative' steht (wie war das nochmal mit den Menschenrechten gemäß Verfassung der DDR?)

Du argumentierst im Grunde wie ein Befreiungstheologe: Sobald man das Ungerechte zerstört hat, stellt sich automatisch das Gute ein - das ist die Grundannahme, die deiner libertären Utopie zugrunde liegt.


Das ist doch Unsinn. Es gibt keine "libertäre Utopie"!? Libertäre beziehen sich (meistens) auf das "Naturrecht", in dem 'objektive, vernunftgeprägte Maßsstäbe' angelegt werden, die keines "Schrifttums" oder gar einer Ideologie bedürfen. (Genauso könntest Du behaupten "Physik ist eine Ideologie") Entscheidend ist - wie in den exakten Wissenschaften - die (vernunftmäßige) 'Begründung', mittels der dann deduktiv geschlossen (bzw. falsifiziert) wird.

So dürfte für jeden einleuchtend sein, das ein "Mord" dennoch ein Mord bleibt, wenn auch manchmal das "Schrifttum" einen Mord ausdrücklich erlaubt (wie im Krieg, im Koran oder "sonstigem Klassenkampf"). Es ist nur manchmal etwas schwieriger die objektiven Maßstäbe sofort zu erkennen. Aber genausowenig wie es einen Grund gibt ein Krankenhaus deswgen abzuschaffen, weil dort Menschen sterben, gibt es einen Grund an der objektiven Gesetzmäßigkeiten zu zweifeln, nur weil diese nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind.

Ein guter Artikel über "Naturrecht und Liberalismus" von Jörg Guido Hülsmann
http://docs.mises.de/Huelsmann/Huelsmann_Naturrecht.pdf

J.G. Hülsmann:
Der Liberalismus ist keine Rechtfertigung für Leute, die an ihrem durch Schurkereien erworbenen „Besitzstand“ festhalten wollen. Er ist eine revolutionäre Theorie, die die rationale Grundlage für eine freie Gesellschaft bildet.

Im Liberalismus wird die Legislative als 'Kontrollinstanz' der Exekutive verstanden. - Nicht so wie jetzt: Eine Fabrik, in der Gesellschaftsklempnerei betrieben wird
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Gandalf » Mo 10. Jun 2013, 21:12

Nanna hat geschrieben:Die Frage ist letztlich, wie viel Risiko du bereit wärst, für eine (von Vorschriften) freiere Gesellschaft auf dich zu nehmen und, noch wichtiger, auch anderen zuzumuten.


Matthias Horx hat das mal treffend formuliert: "Die Angst vor dem (freien) Markt - ist die Angst vor dem Leben"
Nanna hat geschrieben:Und was du den Eltern des schwerverletzten Kindes sagst, das von einem alkoholisierten, unversicherten, unangeschnallten Fahrer in einer Baustelle zusammengefahren wurde - und leider nicht das Geld hat, Schadensersatz für die Gesundheitskosten zu zahlen, die du auch du selbst nicht aufbringen kannst.


Da fallen mir gleich ein paar (Gegen-)Fragen dazu ein:

- was macht ein Kind in einer Baustelle?
- warum haben die Eltern ihr Kind nicht versichert?
- würde die Versicherung (oder ein anderer) auch zahlen, wenn das Kind vom Blitz getroffen wurde?
- was macht Dich so sicher, das eine Versicherung wieder das herstellen kann, was angerichtet wurde?
- sind Behinderte, Menschen, die einen Unfall/ ein sonstiges Lebensrisiko 'erlitten haben' - schlechtere Menschen?
- ...
und noch eine/zwei Ecke weiter gedacht:
- Was ist mit den Näherinnen in Bangladesch, die deswegen verhungern, weil Du kein Geld mehr für ein zusätzliches T-Shirt übrig hast, da Du es für eine 'Zwnagsversicherung' ausgeben musstest, die allenfalls nur halbwegs in der Lage ist, dein persönliches Lebensrisiko zu minimieren?
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Nanna » Mo 10. Jun 2013, 21:29

Gandalf hat geschrieben:Es gibt keine "libertäre Utopie"!? Libertäre beziehen sich (meistens) auf das "Naturrecht", in dem 'objektive, vernunftgeprägte Maßsstäbe' angelegt werden, die keines "Schrifttums" oder gar einer Ideologie bedürfen.

Warum sprichst und argumentierst du dann noch?

Gandalf hat geschrieben:So dürfte für jeden einleuchtend sein, das ein "Mord" dennoch ein Mord bleibt, wenn auch manchmal das "Schrifttum" einen Mord ausdrücklich erlaubt (wie im Krieg, im Koran oder "sonstigem Klassenkampf"). Es ist nur manchmal etwas schwieriger die objektiven Maßstäbe sofort zu erkennen.

Ein Mord ist, was die Diskursgemeinschaft einen Mord nennt. Dem Universum (der "Natur") ist vollkommen gleichgültig, welche Begriffe wir uns ausdenken.

Gandalf hat geschrieben:Aber genausowenig wie es einen Grund gibt ein Krankenhaus deswgen abzuschaffen, weil dort Menschen sterben, gibt es einen Grund an der objektiven Gesetzmäßigkeiten zu zweifeln, nur weil diese nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind.

Aber dank der libertären Propheten wissen wir ja, wo es lang geht. Naja, naturalistischer Fehlschluss, das übliche halt...

Gandalf hat geschrieben:Ein guter Artikel über "Naturrecht und Liberalismus" von Jörg Guido Hülsmann
http://docs.mises.de/Huelsmann/Huelsmann_Naturrecht.pdf

Leicht angreifbarer Text, voll von "das wird doch niemand anzweifeln"- und "wo kämen wir auch hin"-Phrasen. Wenn man mal auch nur ein wenig Diskursanalyse betrieben hat, wird man eher schmunzeln müssen über diese naive Selbstüberzeugtheit.

Gandalf hat geschrieben:J.G. Hülsmann:
Der Liberalismus ist keine Rechtfertigung für Leute, die an ihrem durch Schurkereien erworbenen „Besitzstand“ festhalten wollen. Er ist eine revolutionäre Theorie, die die rationale Grundlage für eine freie Gesellschaft bildet.

Es ist schon recht schräg, wie du zwei Sätze, nachdem du vehement jeden Ideologieverdacht weit von dir gewiesen hast, diesen im einwandfreien Ideologensprech verfassten Satz als Krönung deiner Argumentation bringst. Aber danke für die Steilvorlage. Erinnert mich an jemanden, der mit hochrotem Kopf schreit "Ich bin nicht wütend!" ;-)

Gandalf hat geschrieben:Im Liberalismus wird die Legislative als 'Kontrollinstanz' der Exekutive verstanden. - Nicht so wie jetzt: Eine Fabrik, in der Gesellschaftsklempnerei betrieben wird

Ahja. Wozu argumentieren, wenn Empörung ausreicht.

Schon interessant, wie du Anderen vorwirfst, dass sie ihre Meinung der Gesellschaft aufdrücken wollen - das ist ja so gar nicht das, was du gern tun würdest.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Nanna » Mo 10. Jun 2013, 22:02

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Die Frage ist letztlich, wie viel Risiko du bereit wärst, für eine (von Vorschriften) freiere Gesellschaft auf dich zu nehmen und, noch wichtiger, auch anderen zuzumuten.

Matthias Horx hat das mal treffend formuliert: "Die Angst vor dem (freien) Markt - ist die Angst vor dem Leben"

Erinnert mich an diesen somalischen Rebellenkommandeur, der in Blackhawk Down zu Michael Durant sagt "You Americans live long, dull, uninteresting lives." Aber komischerweise wandern die Leute nicht nach Somalia ein und aus den USA aus.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Und was du den Eltern des schwerverletzten Kindes sagst, das von einem alkoholisierten, unversicherten, unangeschnallten Fahrer in einer Baustelle zusammengefahren wurde - und leider nicht das Geld hat, Schadensersatz für die Gesundheitskosten zu zahlen, die du auch du selbst nicht aufbringen kannst.


Da fallen mir gleich ein paar (Gegen-)Fragen dazu ein:

- was macht ein Kind in einer Baustelle?

Soll vorkommen, oder, dass Kinder an Orten rumlaufen, an denen sie nichts verloren haben?

Gandalf hat geschrieben:- warum haben die Eltern ihr Kind nicht versichert?

Vielleichst ist die Krankenversicherung der Ansicht, dass sie nicht zuständig ist für die Begleichung von Schäden, die von Dritten verursacht wurden? Gut, das Nötigste wird schon irgendwie gemacht werden, man kann ja nicht seine Kunden sterben lassen, sitzt das Kind halt den Rest des Lebens im Rollstuhl.

Gandalf hat geschrieben:- würde die Versicherung (oder ein anderer) auch zahlen, wenn das Kind vom Blitz getroffen wurde?

Würde man annehmen bei höherer Gewalt.

Gandalf hat geschrieben:- was macht Dich so sicher, das eine Versicherung wieder das herstellen kann, was angerichtet wurde?

Es ist mein Beispiel? Außerdem soll nicht die Versicherung zahlen, sondern der Verursacher, nach dem, tadaa, Verursacherprinzip. Sag nicht, dass du das Wort nicht kennst... Ist halt blöd, wenn der sein Geld schon vorher versoffen hat und bei dem nichts mehr zu holen ist.

Gandalf hat geschrieben:- sind Behinderte, Menschen, die einen Unfall/ ein sonstiges Lebensrisiko 'erlitten haben' - schlechtere Menschen?

Ne, ist nur ungünstig für den selbstverantwortlichen Lebensunterhalt, wenn einem plötzlich die Beine fehlen. Vor allem, wenn man, sagen wir mal, Tänzer ist.

Aber eigentlich sollte ich die Frage an dich zurück geben, denn was die Natur mit lebensunfitten Lebewesen auf der Basis objektiver Gesetzmäßigkeiten macht, lässt sich beim Raubtier und Aasfresser deines Vertrauens erfragen. Behindert zu sein und zu überleben ist in der Natur nicht unbedingt vorgesehen, wenn man den Dingen ihren "natürlichen" Lauf lässt. Man kann natürlich vorsorgen und Sicherungsmaßnahmen vornehmen, u.a. alkoholisierte Irre mit harten Sanktionen davon abhalten, Unschuldige mit der Stoßstange zu vermöbeln, aber wäre ja Gottesläs..., Verzeihung, Freiheitslästerung. Einfach den Alkoholgenießern die eigenen spießigen Vorstellungen von sicherem Straßenverkehr aufzudrängen, wie selbstgerecht und egoistisch ist das denn?

Und der Straßenverkehr ist ja hier nur ein möglichst anschauliches Beispiel für die Notwendigkeit, dass im zwischenmenschlichen Leben Regeln existieren. Je komplexer das Zusammenleben, desto komplexer die Regelwerke - klingt nach einem ziemlich natürlichen Zusammenhang.

Gandalf hat geschrieben:- Was ist mit den Näherinnen in Bangladesch, die deswegen verhungern, weil Du kein Geld mehr für ein zusätzliches T-Shirt übrig hast, da Du es für eine 'Zwnagsversicherung' ausgeben musstest, die allenfalls nur halbwegs in der Lage ist, dein persönliches Lebensrisiko zu minimieren?

'Tschuldigung, mir ist grad der Sarkasmus ausgegangen.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Gandalf » Di 11. Jun 2013, 20:51

Nanna hat geschrieben:Warum sprichst und argumentierst du dann noch?

Weil ich nach rationalen Begründugnen suche.
Nanna hat geschrieben:Ein Mord ist, was die Diskursgemeinschaft einen Mord nennt. Dem Universum (der "Natur") ist vollkommen gleichgültig, welche Begriffe wir uns ausdenken.

Das mag für die (kollektivistischen) "Diskursgemeinschaften" gelten, die ich genannt habe, nicht aber für denjenigen, der ermordet wird und der was dagegen hat.
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Aber genausowenig wie es einen Grund gibt ein Krankenhaus deswgen abzuschaffen, weil dort Menschen sterben, gibt es einen Grund an der objektiven Gesetzmäßigkeiten zu zweifeln, nur weil diese nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind.

Aber dank der libertären Propheten wissen wir ja, wo es lang geht. Naja, naturalistischer Fehlschluss, das übliche halt...

Kannst Du auch begründen, worin der Fehlschluss in obiger Aussage bestehen soll? Es geht hier um objektive Gesetzmäßigkeiten, die weder als gut noch als böse definiert sind. Worin besteht die Wertung?
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Ein guter Artikel über "Naturrecht und Liberalismus" von Jörg Guido Hülsmann
http://docs.mises.de/Huelsmann/Huelsmann_Naturrecht.pdf

Leicht angreifbarer Text, voll von "das wird doch niemand anzweifeln"- und "wo kämen wir auch hin"-Phrasen. Wenn man mal auch nur ein wenig Diskursanalyse betrieben hat, wird man eher schmunzeln müssen über diese naive Selbstüberzeugtheit.

Du siehst also ein das hier kein unangreifbarer "Gott" oder "Ideologe" spricht, sondern jemand, der Begründung gibt, die man hinterfragen kann und soll?

Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:J.G. Hülsmann:
Der Liberalismus ist keine Rechtfertigung für Leute, die an ihrem durch Schurkereien erworbenen „Besitzstand“ festhalten wollen. Er ist eine revolutionäre Theorie, die die rationale Grundlage für eine freie Gesellschaft bildet.

Es ist schon recht schräg, wie du zwei Sätze, nachdem du vehement jeden Ideologieverdacht weit von dir gewiesen hast, diesen im einwandfreien Ideologensprech verfassten Satz als Krönung deiner Argumentation bringst. Aber danke für die Steilvorlage. Erinnert mich an jemanden, der mit hochrotem Kopf schreit "Ich bin nicht wütend!" ;-)


Ist Dir der Unterschied zwischen einer (rationalen) 'Theorie' und induktiv gewonnen Wertvorstellungen udn Weltanschauungen (Ideologien) geläufig?
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Im Liberalismus wird die Legislative als 'Kontrollinstanz' der Exekutive verstanden. - Nicht so wie jetzt: Eine Fabrik, in der Gesellschaftsklempnerei betrieben wird

Ahja. Wozu argumentieren, wenn Empörung ausreicht.

Nein, das war eine Begründung, warum es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Rolle von staatlichen Instanzen gibt. Kontrollinstanzen, die den Herrschenden abgerungen wurden und ständig in Gefahr sind, von Herrschaftssüchtigen für ihre eigenen Zwecke vereinnahmt zu werden. Da in der Historie ein hoher Blutzoll von den Freiheitsfreunden gezahlt wurde, ist eine hohe Sensibilität gegenüber Herrschaftsansprüchen von "Gutmenschen" gerechtfertigt. Dazu gehört es Mißstände auch manchmal 'wort-gewaltig' beim Namen zu nennen, da dies das einzige (friedliche) Mittel ist, das Freiheitsfreunden bleibt, wenn Vernunft die Oberhand behalten soll.

Nanna hat geschrieben:Schon interessant, wie du Anderen vorwirfst, dass sie ihre Meinung der Gesellschaft aufdrücken wollen - das ist ja so gar nicht das, was du gern tun würdest.

Welche Mittel soll ich denn haben, Dir oder jemand anderem hier irgendwas aufzudrücken?

Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben: "Die Angst vor dem (freien) Markt - ist die Angst vor dem Leben"



Erinnert mich an diesen somalischen Rebellenkommandeur, der in Blackhawk Down zu Michael Durant sagt "You Americans live long, dull, uninteresting lives." Aber komischerweise wandern die Leute nicht nach Somalia ein und aus den USA aus.

Und was hat Somalia - ein "Musterbeispiel" für maföse Fanlienclans und Beziehungswirtschaft - mit einer freien Marktwirtschaft zu tun, in der die individuelle Leistung im Rahmen einer Verfahrensgerechtigkeit zählt?

Ich finde es überhaupt nicht "komisch", das die Leute aus Somalia auswandern - hin zu einer (noch) frei(er)en Marktwirtschaft, in der sie sich einbringen dürfen. Ähnliche Wanderbewegungen dürften uns hier aus Rumänien und Bulgarien unmittelbar bevorstehen. Die ersten sind schon hier. Und die ich kenne sind "hungrig" für sich selbst zu arbeiten und zu leben. (und sie werden jeden Mindestlohn unterbieten um dieses Ziel zu erreichen) Wie gedenkt ihr Planwirtschaftler ihnen ihren Erfolgsstreben und Lebenshunger zu vermiesen? Mehr Gesetze - höhere Steueren? Kriminalisieren?

Nanna hat geschrieben:Soll vorkommen, oder, dass Kinder an Orten rumlaufen, an denen sie nichts verloren haben?

Eben - sie betrachten das Leben noch als eine Herausforderung und machen sich wenig Gedanken über (ver)planbare (Lebens-)Risiken.
Vielleichst ist die Krankenversicherung der Ansicht, dass sie nicht zuständig ist für die Begleichung von Schäden, die von Dritten verursacht wurden? Gut, das Nötigste wird schon irgendwie gemacht werden, man kann ja nicht seine Kunden sterben lassen, sitzt das Kind halt den Rest des Lebens im Rollstuhl.

In vielen anderen Ländern nicht mal das. - Was änderst Du hier durch diese Feststellung?


Nanna hat geschrieben:Und der Straßenverkehr ist ja hier nur ein möglichst anschauliches Beispiel für die Notwendigkeit, dass im zwischenmenschlichen Leben Regeln existieren. Je komplexer das Zusammenleben, desto komplexer die Regelwerke - klingt nach einem ziemlich natürlichen Zusammenhang.


typsich induktivistischer Fehlschluss: Je mehr Schilder und Regeln, um so sicherer das Autofahren...

..aber gottseidank, gibt es manchmal immer wieder Leute, die einfach mehr Freiheit wagen: http://detektor.fm/politik/verkehrszeic ... s-gemacht/
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Nanna » Di 11. Jun 2013, 23:17

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Warum sprichst und argumentierst du dann noch?

Weil ich nach rationalen Begründugnen suche.

Auch Rationalität findet nur innerhalb diskursorischer Grenzen statt. Einer Argumentation muss nicht gleich in eine festgefügte Ideologie eingebunden sein, aber im mindesten eine implizite Vorstellung davon "wie die Welt ist" setzt es voraus, also Prämissen, von denen aus geschlossen wird. Egal ob du jetzt deduktiv oder induktiv arbeitest, du kannst nicht urteilen ohne bereits Vorurteile (im wertneutralen Sinne) zu haben. Konzentrierst du dich auf eine Sache, schließt du eine andere aus, gehst du von einer Theorie aus, kannst du nicht gleichzeitig eine andere berücksichtigen.

Ich weiß, dass du ein großer Popper-Fan bist und Popper ist ja auch bekannt dafür, zu glauben, er hätte die eine wahre wissenschaftliche Methodik entwickelt, einen Gedanken, den du hier weiterführst, indem du (fälschlicherweise) annimmst, du könntest außerhalb der von der Diskursgemeinschaft vorgeprägten Begriffe operieren. Ich will jetzt hier nicht den ganzen Positivismusstreit wiederkäuen, aber die Quintessenz, dass auch kritisch-rationale Begründungen sich nicht außerhalb der Gesellschaft und ihrer Perspektiven bewegen, will ich hier nochmal betonen.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Ein Mord ist, was die Diskursgemeinschaft einen Mord nennt. Dem Universum (der "Natur") ist vollkommen gleichgültig, welche Begriffe wir uns ausdenken.

Das mag für die (kollektivistischen) "Diskursgemeinschaften" gelten, die ich genannt habe, nicht aber für denjenigen, der ermordet wird und der was dagegen hat.

Der, der ermordet wird, ist schlichtweg tot. Und der, der etwas dagegen hat, kann sich nicht außerhalb eines Diskurses zu Wort melden, nicht jedenfalls, wenn er Wert darauf legt, verstanden zu werden. Der Bergiff "Mord" und seine Definition erlangen erst Bedeutung innerhalb des diskursorischen Kontextes. Außerhalb dessen ist das, was wir "Mord" nennen, einfach ein unbewerteter, nicht interpretierter, nicht benannter, nicht einmal als solcher erkannter physikalischer Vorgang.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Aber genausowenig wie es einen Grund gibt ein Krankenhaus deswgen abzuschaffen, weil dort Menschen sterben, gibt es einen Grund an der objektiven Gesetzmäßigkeiten zu zweifeln, nur weil diese nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind.

Aber dank der libertären Propheten wissen wir ja, wo es lang geht. Naja, naturalistischer Fehlschluss, das übliche halt...

Kannst Du auch begründen, worin der Fehlschluss in obiger Aussage bestehen soll? Es geht hier um objektive Gesetzmäßigkeiten, die weder als gut noch als böse definiert sind. Worin besteht die Wertung?

Niemand bezweifelt, dass es objektive Gesetzmäßigkeiten gibt, aber die Frage, ob ein Krankenhaus geöffnet oder geschlossen bleiben soll, ist eine normative. Wenn man das Krankenhaus schließt, werden Menschen an Krankheiten sterben, wenn man es geöffnet lässt, vermutlich erheblich weniger. Und wenn man jemanden erschießt, dann ist die Gesetzmäßigkeit, dass durch das Eindringen eines beschleunigten Metallkörpers in den Körper dieser so manipuliert wird, dass er seine Fähigkeit, die eigene Entropie zu verringern, verliert (d.h. in unseren Begriffen "stirbt"). Das Erkennen solcher Gesetzmäßigkeiten ist wichtig, aber es sagt uns nicht, wie und ob es gut ist, zu leben.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Ein guter Artikel über "Naturrecht und Liberalismus" von Jörg Guido Hülsmann
http://docs.mises.de/Huelsmann/Huelsmann_Naturrecht.pdf

Leicht angreifbarer Text, voll von "das wird doch niemand anzweifeln"- und "wo kämen wir auch hin"-Phrasen. Wenn man mal auch nur ein wenig Diskursanalyse betrieben hat, wird man eher schmunzeln müssen über diese naive Selbstüberzeugtheit.

Du siehst also ein das hier kein unangreifbarer "Gott" oder "Ideologe" spricht, sondern jemand, der Begründung gibt, die man hinterfragen kann und soll?

Ja, das sehe ich, aber ich habe schon überzeugendere Texte gelesen, die man trotzdem hinterfragen konnte. Und mit überzeugender meine ich die Begründungsstruktur, nicht die rhetorische Gewandheit. Denn rhetorisch auf den Putz hauen kann Hülsmann ja offenbar durchaus.

Gandalf hat geschrieben:Ist Dir der Unterschied zwischen einer (rationalen) 'Theorie' und induktiv gewonnen Wertvorstellungen udn Weltanschauungen (Ideologien) geläufig?

Mir scheint, dass du damit deinen Versuch meinst, dein gesellschaftliches Idealbild mit dem kritischen Rationalismus zu kreuzen. Anscheinend willst du moralische Überlegungen durch die Mangel des Falsifikationismus pressen, in der Hoffnung, zu einer objektiven Moral zu gelangen. Und dabei machst du einen zirkulären Purzelbaum: Um prüfen zu können, was richtig ist, muss man alles dem Falsifikationismus unterwerfen, und, weil ja sonst der Falsifikationismus eingeschränkt wird, für maximale Freiheit sorgen, so dass möglichst viele Modelle ausprobiert werden können. Falsifikationismus gelingt nur unter den Bedingungen maximaler Freiheit und nur maximale Freiheit kann zur Verbesserung durch Falsifikationismus sorgen. Aber wenn es tatsächlich nur eine wahre, rationale Theorie der Gesellschaft gäbe, die sich durch den Falsifikationismus ja früher oder später durchsetzen müsste, wäre es ja mit der Freiheit irgendwie kurioserweise nicht mehr weit her.

Gandalf hat geschrieben:Nein, das war eine Begründung, warum es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Rolle von staatlichen Instanzen gibt. Kontrollinstanzen, die den Herrschenden abgerungen wurden und ständig in Gefahr sind, von Herrschaftssüchtigen für ihre eigenen Zwecke vereinnahmt zu werden. Da in der Historie ein hoher Blutzoll von den Freiheitsfreunden gezahlt wurde, ist eine hohe Sensibilität gegenüber Herrschaftsansprüchen von "Gutmenschen" gerechtfertigt.
Dazu gehört es Mißstände auch manchmal 'wort-gewaltig' beim Namen zu nennen, da dies das einzige (friedliche) Mittel ist, das Freiheitsfreunden bleibt, wenn Vernunft die Oberhand behalten soll.

Ich würde dir niemals unterstellen, Gewalt anwenden auch nur im Ansatz in Betracht zu ziehen, deine Prinzipientreue nehme ich dir ab. Die Frage ist nur, ob du den Staat wirklich brennen sehen wollen würdest.

Kurzer Exkurs dazu, angelehnt an den Artikel "Unzivile Gesellschaften" von Helmut Dubiel (hab ich hier vor einem Jahr oder so schonmal zitiert):
Ich sehe eine starke Zivilgesellschaft ebenfalls als elementares Gegengewicht zum Staatsapparat. Und mehr noch, je besser diese Zivilgesellschaft funktioniert, desto mehr kann und sollte sich der Staat auch zurückziehen. Allerdings kann sich paradoxerweise eine starke Zivilgesellschaft häufig erst im Windschatten eines starken Staates (aber nicht jedes beliebigen starken Staates) entwickeln, weil der die Sicherheit für Leib und Leben garantiert.
Staatliche Gewalt muss umso härter auftreten, je unziviler eine Gesellschaft ist. In unzivilen Gesellschaften, beispielsweise Nachkriegsgesellschaften nach Bürgerkriegen, muss überhaupt erst mal wieder ein Gewaltmonopol errichtet werden, das zur organisierten Konfliktlösung gebraucht wird. Ist ein Rechtszustand wiederhergestellt und eine gemeinsame Rechtsordnung gefunden, kommt es zur überhaupt erstmals wieder Versachlichung der Konflikte. Es gibt festgelegte und ritualisierte Formen der Streitschlichtung, Fremdzwang muss in Selbstbeherrschung transformiert werden,existenzielle „Feinde“ werden zu strategischen „Gegnern“, ein Krieg der Worte statt ein Krieg der Waffen setzt ein.
Erst in modernen, kulturell und ökonomisch hochgradig differenzierten Gesellschaften kann aber ein wahrhaft ziviler Zustand einsetzen, in dem die Rolle des Staates von der eines Richters sich zurückziehen kann auf die eines Mediators. Eine lange Erfahrung von Sicherheit sorgt durch Vertrauen für die Fähigkeit der Bürger, „bürgerschaftlich“ zu handeln. Die höchste Stufe ist die demokratische Öffentlichkeit, wo die Konfliktführung in Form immanenter Kritik stattfindet. Es herrscht ein permanenter Diskurs über die gemeinsamen normativen Grundlagen und methodisches Vorgehen (also exakt das, was wir hier den halben Tag machen). Der „Dritte“ (der Richter, Herrscher, die Vaterfigur) ist vollständig internalisiert, die Streitparteien können sich selbst einigen → die Interessen und Motive anderer werden von vornherein reflektiert und berücksichtigt.

Ich führe das deshalb mal aus, weil ich gern mal klargestellt haben möchte, dass ich kein Fan eines bevormundenden Staates bin. Aber ich halte ihn als institutionellen Rahmen für den Großgruppendiskurs notwendig, und der ständige Diskurs ist notwendig, damit die Gesellschaft ihren friedlichen Zustand bewahren kann.
Hier würde übrigens auch meine Kritik an manchen Libertären ansetzen, die der Meinung sind, die Ermöglichung des Bildens von Parallelgesellschaften und das private Aufrüsten zur Selbstverteidigung würden Sicherheit und Frieden herbeiführen. Das wäre genau die diskurs- und dialogvermeidende Regression, die in Zustände des gegenseitigen Unverständnis und Bedrohungsgefühls führen würde.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Schon interessant, wie du Anderen vorwirfst, dass sie ihre Meinung der Gesellschaft aufdrücken wollen - das ist ja so gar nicht das, was du gern tun würdest.

Welche Mittel soll ich denn haben, Dir oder jemand anderem hier irgendwas aufzudrücken?

Deinen Alarmismus könnte man manchmal schon als Drohung verstehen.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben: "Die Angst vor dem (freien) Markt - ist die Angst vor dem Leben"

Erinnert mich an diesen somalischen Rebellenkommandeur, der in Blackhawk Down zu Michael Durant sagt "You Americans live long, dull, uninteresting lives." Aber komischerweise wandern die Leute nicht nach Somalia ein und aus den USA aus.

Und was hat Somalia - ein "Musterbeispiel" für maföse Fanlienclans und Beziehungswirtschaft - mit einer freien Marktwirtschaft zu tun, in der die individuelle Leistung im Rahmen einer Verfahrensgerechtigkeit zählt?

Die Leute gehen da hin, wo Sicherheit herrscht. Der freie Markt, der gewisse Vorteile mit sich bringt, bringt den Nachteil von Beschleunigung, Anpassungsdruck und Selektion mit sich. Wer individuelle Leistung nicht in dem Rahmen erbringen kann, in dem sie nötig wäre, um den Anschluss zu halten, fällt ins Nichts. Alles was ich sagen will, ist, dass nicht jeder auf der Suche nach dem Thrill ist, den ein Leben in der freien Marktwirtschaft mit sich bringen würde, auch wenn das den unabhängigkeitsfreudigen, unternehmerischen Libertarismusanhängern vielleicht seltsam erscheinen mag.

Gandalf hat geschrieben:Ich finde es überhaupt nicht "komisch", das die Leute aus Somalia auswandern - hin zu einer (noch) frei(er)en Marktwirtschaft, in der sie sich einbringen dürfen. Ähnliche Wanderbewegungen dürften uns hier aus Rumänien und Bulgarien unmittelbar bevorstehen. Die ersten sind schon hier. Und die ich kenne sind "hungrig" für sich selbst zu arbeiten und zu leben. (und sie werden jeden Mindestlohn unterbieten um dieses Ziel zu erreichen) Wie gedenkt ihr Planwirtschaftler ihnen ihren Erfolgsstreben und Lebenshunger zu vermiesen? Mehr Gesetze - höhere Steueren? Kriminalisieren?

Ich bin ja für den Fall aller Migrationsschranken und die EU-weite Erlaubnis für jeden EU-Bürger, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (allerdings natürlich verbunden mit den üblichen Pflichtabgaben). Ich bin auch kein übermäßiger Fan des Mindestlohns. Insofern, nein, ich befürworte keinen vorgesetzten gesetzlichen Interventionismus an dieser Stelle.

Gandalf hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:Soll vorkommen, oder, dass Kinder an Orten rumlaufen, an denen sie nichts verloren haben?

Eben - sie betrachten das Leben noch als eine Herausforderung und machen sich wenig Gedanken über (ver)planbare (Lebens-)Risiken.

Ja, und das ist das, was sie dann umbringt in Baustellen. Freie Marktwirtschaft mit vollem Körpereinsatz. ;-)

Gandalf hat geschrieben:
Vielleichst ist die Krankenversicherung der Ansicht, dass sie nicht zuständig ist für die Begleichung von Schäden, die von Dritten verursacht wurden? Gut, das Nötigste wird schon irgendwie gemacht werden, man kann ja nicht seine Kunden sterben lassen, sitzt das Kind halt den Rest des Lebens im Rollstuhl.

In vielen anderen Ländern nicht mal das. - Was änderst Du hier durch diese Feststellung?

Ich impliziere, dass es a) staatliche Abschreckungsmaßnahmen geben muss, die vermeidbare Unfälle auch vermeiden und b) ein Solidarsystem auch dann für Schäden aufkommen muss, wenn die Gemeinschaft nicht Verursacher war.

Gandalf hat geschrieben:typsich induktivistischer Fehlschluss: Je mehr Schilder und Regeln, um so sicherer das Autofahren...

Schonmal in Afrika Auto gefahren?

Gandalf hat geschrieben:..aber gottseidank, gibt es manchmal immer wieder Leute, die einfach mehr Freiheit wagen: http://detektor.fm/politik/verkehrszeic ... s-gemacht/

Das ist eine tolle und beobachtungswürdige Sache, aber eben nicht grenzenlos extrapolationsfähig:
Wikipedia:Shared Space hat geschrieben:Verkehrsplaner diskutieren darüber hinaus den Einsatz in der Stadt. Ein Beispiel ist die umgestaltete Kensington High Street in London. Obwohl Bordsteine, Ampeln und Straßenmarkierungen belassen wurden, sind wesentliche Merkmale des Shared Space erkennbar. So gibt es keine Verkehrszeichen, keine Absperrungen, mehr Platz für den Fußverkehr und provozierte Unsicherheit durch Fahrradstellplätze auf dem Mittelstreifen. Zwei Jahre nach Fertigstellung waren die Unfallzahlen um 44 Prozent geringer, daher streben auch andere Städte ähnliche Lösungen an. Die Kensington High Street in London zeigt jedoch auch, dass mit größerem Verkehrsaufkommen gewisse Regeln unabdingbar sind.

Und mehr habe ich hier nie gesagt: Komplexität muss durch Regeln beherrschbar gemacht werden.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Gandalf » Mi 12. Jun 2013, 19:50

Nanna hat geschrieben:Und mehr habe ich hier nie gesagt: Komplexität muss durch Regeln beherrschbar gemacht werden.


Und siehst Du genau da liegt dann unser Problem miteinander: 'wer' (welche wohl "übergeordnete Instanz") sorgt dafür das es "MUSS"? Was (welche wertende Instanz) setzt Du hier voraus, die Regeln durchsetzt?

Kritische Rationalisten richten sich selbstverständlich ebenfalls nach Regeln - aber nicht weil das jemand anordnet - sondern weil es 'vernünftig' ist! Da wir aber nicht alles bis Adam und Eva hinab ständig vernunftmäßig durchdenken können, gehen wir davon aus, das die Regeln, die sich 'kontextbezogen' in der Praxis bewährt haben, - auch die vernünftigsten sind und akzeptieren diese. Anordungen die nicht vernunftmäßig begründet werden können, sind erst mal abzulehnen, da eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, das sie mehr Schaden (unbeherrschbaren Korrekturbedarf) anrichten als beherrschbare Lösungen: Praxeologie statt Ideologie. Die größten kulturellen Leistungen (Schulen, Ärzte, usw.) der Menscheit sind nicht das Ergebnis eines intellektuellen Entwurfes Entwurfes, sondern die (Er-)Folge von praktischen Erfordernissen.

Um das am Beispiel festzumachen:
Es ist sinnvoll (weil progressiv) VerkehrsRegeln zu akzeptieren, die aus der Interaktion 'aller Teilnehmer' am Verkehr entstanden sind und diese nach praktischen Vorkommnissen sukzessive zu verfeinern. (was nicht heisst zu "vermehren"). Für Fahranfänger ist das "nachfolgende Schrifttum" über diese Regeln gewiss von Vorteil. Nicht weil es angeordnet werden muss, sondern weil es effizient ist, d.h. unnötigen Schaden verhindern hilft.
Was NICHT sinnvoll ist (weil es regressiv wirkt)
Ein "Externer" Bahnliebhaber stellt Regeln für den Sraßenverkehr auf, weil er die Leute zum "Bahnfahren" umerziehen will und baut z.B. "Buckel", "Verbote" und Umleitungen in die Straßen ein, weil er meint das die Komplexität im Verkehr "(in seinem Sinne) beherrschbar gemacht werden muss". Seltsamerweise passiert dann mit der Zeit bei solchen "künstlichen Regulierungen" folgendes: Die Menschen hören auf unsinnige Regeln zu hinterfragen und fangen an zu 'rationalisieren': Der Buckel ist sinnvoll weil er Unfälle in Folge hoher Geschwindigkeit vermeidet. ..Das Verbot schützt mich und meine Kinder... usw. - und wer diese kollektive Übereinkunft, hinterfragt, gilt dann mal gleich als "asozial", ohne das ihm das begründet wird.

Das Problem "unsinnige, aus Ideologie geborene Regeln" können sich u.U. zwar lange halten. Es müssen aber immer mehr Ressourcen eingesetzt werden, um die Fehlentscheidungen auszugleichen (Autos gehen auf Buckelpisten eher kaputt. Es platzen Geschäftstermine - Es passieren Unfälle mit Fußgängern, die unachtsamer werden, weil sie sich auf schriftliche "Verbote" verlassen und nicht mehr aufpassen,- usw.)

Nanna hat geschrieben:Der, der ermordet wird, ist schlichtweg tot. Und der, der etwas dagegen hat, kann sich nicht außerhalb eines Diskurses zu Wort melden, nicht jedenfalls, wenn er Wert darauf legt, verstanden zu werden. Der Bergiff "Mord" und seine Definition erlangen erst Bedeutung innerhalb des diskursorischen Kontextes. Außerhalb dessen ist das, was wir "Mord" nennen, einfach ein unbewerteter, nicht interpretierter, nicht benannter, nicht einmal als solcher erkannter physikalischer Vorgang.

Und dieser "zu benenende physikalsiche Vorgang" muss 'zwischen den Beteiligten' (es müssen ja nicht alle tot sein) im Rahmen eines Diskurses fesgelegt worden sein - und nicht von einem Beobachter der vorbeikam und beschloss, dass das "Mord heissen MUSS"!?

Nanna hat geschrieben:Mir scheint, dass du damit deinen Versuch meinst, dein gesellschaftliches Idealbild mit dem kritischen Rationalismus zu kreuzen. Anscheinend willst du moralische Überlegungen durch die Mangel des Falsifikationismus pressen, in der Hoffnung, zu einer objektiven Moral zu gelangen. Und dabei machst du einen zirkulären Purzelbaum: Um prüfen zu können, was richtig ist, muss man alles dem Falsifikationismus unterwerfen, und, weil ja sonst der Falsifikationismus eingeschränkt wird, für maximale Freiheit sorgen, so dass möglichst viele Modelle ausprobiert werden können. Falsifikationismus gelingt nur unter den Bedingungen maximaler Freiheit und nur maximale Freiheit kann zur Verbesserung durch Falsifikationismus sorgen. Aber wenn es tatsächlich nur eine wahre, rationale Theorie der Gesellschaft gäbe, die sich durch den Falsifikationismus ja früher oder später durchsetzen müsste, wäre es ja mit der Freiheit irgendwie kurioserweise nicht mehr weit her.


..hmmm - ich denke Du kommst hier schon sehr nahe zu dem was mich umtreibt. (Die Wertung dessen Deinerseits mal außen vor gelassen). Nur der letzte Satz läuft in's Leere, da Du eigentlich wissen solltest, das ich hier 'konsequent' eine individuelle Freiheit von einer Größenanordnung annehme, die in einer gültigen Interpretation der Quantenphysik begründet ist ...

Nanna hat geschrieben:Hier würde übrigens auch meine Kritik an manchen Libertären ansetzen, die der Meinung sind, die Ermöglichung des Bildens von Parallelgesellschaften und das private Aufrüsten zur Selbstverteidiigung würden Sicherheit und Frieden herbeiführen.

Ich denke hier hast Du was falsch verstanden. Es geht nicht um das ideell gezielte herbeiführen von Frieden und Sicherheit, - sondern darum, um sich vor Gewalt zu schützen. Das Risiko für einen Angreifer/Ausbeuter wird einfach nur unkalkulierbar(er), wenn man bereit und in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Es geht um den 'Lerneffekt' für den Angreifer, - .. das man mit friedlichen Mitteln, gutem Willen und Tauschbereitschaft weiterkommt, als mit Raub. Fruchtet der Lenreffekt - ist Frieden und (Rechts-)Sicherheit selbstverständich und verschwindet wohl aus dem "Schrifttum" (...gut, hier bin ich dann doch wohl ein Idealist)


Nanna hat geschrieben:Erst in modernen, kulturell und ökonomisch hochgradig differenzierten Gesellschaften kann aber ein wahrhaft ziviler Zustand einsetzen, in dem die Rolle des Staates von der eines Richters sich zurückziehen kann auf die eines Mediators. Eine lange Erfahrung von Sicherheit sorgt durch Vertrauen für die Fähigkeit der Bürger, „bürgerschaftlich“ zu handeln. Die höchste Stufe ist die demokratische Öffentlichkeit, wo die Konfliktführung in Form immanenter Kritik stattfindet. Es herrscht ein permanenter Diskurs über die gemeinsamen normativen Grundlagen und methodisches Vorgehen (also exakt das, was wir hier den halben Tag machen). Der „Dritte“ (der Richter, Herrscher, die Vaterfigur) ist vollständig internalisiert, die Streitparteien können sich selbst einigen → die Interessen und Motive anderer werden von vornherein reflektiert und berücksichtigt


Mit dem von Dir zitierten, kann ich vollkommen übereinstimmen. Nur sehe ich halt gerade, dass diese "Möglichkeit der progressiven Gesellschaftsentwicklung" derzeit völlig umgekehrt wird - und das macht mir Angst. Schu Dir doch mal die Punkte in Deinem Zitat an und vergleiche diese mit dem was gegenwärtig abläuft. (und was imho nicht auf (m)einer einseitigen Wahrnehmung beruht, sondern worüber sich immer mehr Belege finden lassen)
- Der Staat wird immer stärker als "(vollum-)sorgender Vater" wahrgenommen (und inszeniert sich v.a. Dingen so) anstatt als "Mediator" für selbstverantwortliche Bürger
- der Staat bricht am laufenden Band Gesetze und sorgt so für zunehmende Unsicherheit
- Konflike werden nicht mehr angesprochen sondern die Ansprache von Konfliktpotential im Rahmen einer "pc" verhindert (das geht bis hin zu Verfälschung von Verbrechensstatistiken)
- Diskurs ist nicht mehr vorgesehen sondern "gefährdet die Wirtschaft",- Europa" - oder Menschenleben .. oder..oder..
- normative Grundlagen werden nicht durch das Parlament überwacht, sondern für vorgeblich höhere Interessen (Europa, Euro, etc) ausgehölt
- es herrscht unglaublicher Druck auf die Richter normative Grundlagen zu Gunsten Herrschaftsinteressen des Finanzkapitals (aktuell vor BVerfG) auszuhölen. Die 4. Macht (die Medien) schweigen, bzw., hetzen mit - dagegen.)
- Es gibt keine Nachrichten mehr in den Medien, die reflektiert und diskutiert werden können, sondern vorgefertigte Wertungen, die jeder zu vertreten hat, will er nicht von der falschen Seite angesprochen werden
..

Nanna hat geschrieben:Deinen Alarmismus könnte man manchmal schon als Drohung verstehen.

Es steht imho viel auf dem Spiel. Und wenn man Kinder in die Welt gesetzt hat ist nicht alles Spaß, was man auf sie zukommen sieht. Ich will mar das nicht eines Tages vorhalten lassen, das ich es hätte wissen müssen, als es noch möglich war, Menschen zum nachdenken zu bewegen.

Nanna hat geschrieben:b) ein Solidarsystem auch dann für Schäden aufkommen muss, wenn die Gemeinschaft nicht Verursacher war.


Wenn sich die Gemeinschaft dazu entschließt - warum nicht? Solidarität entfaltet ihre Kraft jedoch nur, wenn sie auf Freiwilligkeit beruht. Ich hege nur den Verdacht, das sich bestimmte Akteure lieber eines Zwanges bedienen, um eine Sozialindustrie aufzubauen, von der sie profitieren können. - Anstatt den 'undankbaren Weg' zu gehen, für Freiwiligkeit zu werben, - weil es vernünftig ist und man die besseren Argumente hat. Es werden selten Denkmale für diejenigen gesetzt, die Rahmenbedinungen schaffen, worin sich Menschen selbst helfen können.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Zappa » Mi 12. Jun 2013, 20:00

Nanna hat geschrieben: Allerdings kann sich paradoxerweise eine starke Zivilgesellschaft häufig erst im Windschatten eines starken Staates (aber nicht jedes beliebigen starken Staates) entwickeln, weil der die Sicherheit für Leib und Leben garantiert.

Weitergehende aber in die selbe Richtung weisende Thesen stellen sogar Okönomen auf: In einem starken Staat funktionieren Institutionen, vor allem Versicherugen und das Rechtswesen, besser und damit können Menschen wesentlich effektiver wirtschaften und sich die wirtschaftliche Unabhängigkeit als einen wesentliche Grundpfeiler einer starken Zivilgesellschaft besser erarbeiten. Sie können z.B. höhere Risiken gehen, mit wildfremden oder sogar unbekannten Menschen über große Distanzen und längere Zeiträume wirtschaftliche Beziehungen eingehen (da das Rechtssystem funktioniert), die Korruption ist geringer, Vorsorge für sich und die eigenen Kinder kann geschaffen werden etc. pp. Insgesamt steigt durch einen starken Staat also das Vertrauen als wesentliche Triebfeder modernen Wirtschaftens.

Radikal-libertäre Gesellschaften (wie bereits mehrfach, erwähne ich auch hier explizit: als theoretisches Konstrukt! da bislang nicht beobachtet) wären eher individualistisch - allenfalls tribalistisch - und lokal organisiert, würden Insitutionen wie Gerichte, Versicherungen etc. eher ablehnen, wären deshalb korrupt, unterversichert, agrarisch organisiert, eher auf kurzsichtige Interaktionen ausgerichtet, wiesen eine starke Tendenz zur egoistischen Desintegration auf und wären damit wirtschaftlich hoffnungslos unterlegen.

Das habe ich aus P. Dasgupta: Die Weltwirtschaft. Reclam, 2009 - fand die Idee ganz anregend sowie stimmig.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon webe » Di 25. Jun 2013, 09:28

Kann man Deutschland als ein starken Staat ansehen, in dessen Windschatten sich eine radikalliberitäre Gesellschaftsform entwickeln könnte?
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Beitragvon Nanna » Di 25. Jun 2013, 10:08

Kann man, glaube ich, relativ einfach abhaken: Nein, keine Chance. Ever.
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Beitragvon provinzler » Di 25. Jun 2013, 16:03

Nanna hat geschrieben:Kann man, glaube ich, relativ einfach abhaken: Nein, keine Chance. Ever.

Unterschreibe ich so. Die Deutschen haben den Sozialismus erfunden, auf die Spitze getrieben, zweimal ausprobiert und sind mit dem Aufbau des dritten sozialistischen Regimes gut unterwegs.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon stine » Di 25. Jun 2013, 17:05

Ja. Und weil sie augenblicklich wohl gerade im Geld schwimmen, werden sie viele, viele Zuckerl neu erfinden und um sie auch bei künftigem Niedrigwasser zu erhalten, werden sie alle möglichen Steuern erhöhen oder neue Steuern erfinden müssen.

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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon webe » Di 25. Jun 2013, 23:08

Deutschland hat den Sozialismus nicht erfunden, den Formen dieser Ausrichtung gab es schon bei Naturvölkern früher. Allerdings haben Marx-Engels-Che nicht jenen Ost-Sozialismus gewollt, der sich da aufgebaut hatte, sondern eher den mit Demokratie verbundenen.

Für China hatte er im Hinblick auf Indien aber durchaus seine Vorteile für dieses Land gehabt, allerdings gehört er nun endlich in Richtung Demokratie weiterentwickelt, das gilt auch für Kuba.

Eine Demokratie kann auch ohne Parteien geführt werden, zumal diese in Deutschland unter Fraktionszwang stehen und somit die Parlamentarier in ihrer Freiheit einzwängen und Kleinparteien gegenüber Grossparteien in den Parlamenten benachteiligen, wenn sie keine Fraktionsstärke erreichen. Somit wird der Wähler in seinem Wahlverhalten, wenn es eine kleine Partei betrifft, gegenüber einem Wähler einer Grosspartei, benachteiligt.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon provinzler » Mi 26. Jun 2013, 04:32

webe hat geschrieben:Deutschland hat den Sozialismus nicht erfunden, den Formen dieser Ausrichtung gab es schon bei Naturvölkern früher. Allerdings haben Marx-Engels-Che nicht jenen Ost-Sozialismus gewollt, der sich da aufgebaut hatte, sondern eher den mit Demokratie verbundenen.

Sozialismus wie wir ihn kennen ist die Erfindung von Marx und Engels und die waren beide Deutsche. Und das Ammenmärchen die realexistierenden sozialistischen Reiche ob nun von der braun oder der rotsozialistischen Färbung, seien nicht sozialistisch gewesen, langweilt auch. Marx und Engels befürworteten ausdrücklich massive Gewaltanwendung und waren so die intellektuellen Wegplanierer für Schicklgruber, Stalin und Mao Tse Tung.

webe hat geschrieben:Für China hatte er im Hinblick auf Indien aber durchaus seine Vorteile für dieses Land gehabt, allerdings gehört er nun endlich in Richtung Demokratie weiterentwickelt, das gilt auch für Kuba.

In China hat allein Maos "Großer Sprung" 45 Millionen Menschenleben gekostet (insgesamt noch weit mehr) und erst die schrittweise Einführung marktwirtschaftlicher Prinzipien hat China nun im Verlauf von 30 Jahren wirtschaftlich ungefähr dahin gebracht wo z.B. Deutschland schon vor 100 Jahren stand, wenn man die kleine Oberschicht mal außen vor lässt.
Indien hinkt hinterher, weil man erst später (und zögerlicher) begonnen hat, Markt zuzulassen. Und den Kubanern, die keine Verwandten in reicheren Ländern haben, gehts richtig dreckig. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer verdient dort umgerechnet etwa 14€. Aber nicht pro Stunde, sondern pro Monat.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon webe » Mi 26. Jun 2013, 09:13

Jede politische Richtung hat ihre sinnlosen Opfer zubeklagen, siehe USA als Demokratie.
Darunter fällt auch E. Snowden, der eigentlich den Nobelpreis und den Alternativ-Nobelpreis verdient hätte, was man den Banken und Schwerreichen wohl nicht nachsagen kann!
Eine funktionierende Gesellschaft kann nicht auf ausreichende Sozialleistungen verzichten und ist deswegen keine soziallistische Machtform; zumal unser Ursprung als Primate nur mit Sozialverständnis so erfolgreich war bis zur jetziger Tierform. Nur heutzutage vergisst man jene wertvolle Eigenschaft, eben das soziale Miteinander, wegen der eigennützigen Bereicherung.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon provinzler » Mi 26. Jun 2013, 12:02

webe hat geschrieben: was man den Banken und Schwerreichen wohl nicht nachsagen kann!

Und warum scherst du da jetzt alle pauschal über einen Kamm? Was haben ein Bill Gates oder ein Warren Buffett genau verbrochen, außer dass sie halt mehr Kohle haben, als sie je ausgeben können? Eigentlich versuchen doch eigentlich beide mit ihrem Geld allerlei Gutes zu bewirken, wozu die werten Schutzgelderpr...äh Regierungen vor lauter Krieg spielen, Ponzischemata betreiben, Banken bailouten, Legionen von verbeamteten Berufsparasiten mästen, und Wähler bestechen nicht kommen.

webe hat geschrieben:Eine funktionierende Gesellschaft kann nicht auf ausreichende Sozialleistungen verzichten und ist deswegen keine soziallistische Machtform; zumal unser Ursprung als Primate nur mit Sozialverständnis so erfolgreich war bis zur jetziger Tierform. Nur heutzutage vergisst man jene wertvolle Eigenschaft, eben das soziale Miteinander, wegen der eigennützigen Bereicherung.


Du vermischst hier zweierlei, nämlich erstens staatliche Sozialleistungen und zweitens soziales Miteinander, das sind zwei gänzlich verschiedene Paar Schuh. Als in meiner Heimat kürzlich das Hochwasser wütete, schrieb ein besonders "sozialer Mitmensch" einen vorwurfsvollen Leserbrief an die örtliche Zeitung, warum die Stadt nichts unternehme, um älteren Leuten zu helfen, Trinkwasservorrat zu beschaffen (er nannte seine 80-jährige Nachbarin als Beispiel). Hätte er in der Zeit, wo er diesen Leserbrief verfasste, für seine Nachbarin ein paar Kästen WAsser besorgt, und ihr drei Treppen hoch in die Wohnung getragen, wäre der alten DAme weit besser geholfen worden. Müsste die Stadt für solche Extremsituationen genug Beschäftigte vorhalten, müsste man den Etat verdreifachen. Sozialleistungen sind der größte Feind sozialen Miteinanders, denn es enthebt den einzelnen gefühlt aus der Verantwortung seinen Nächsten gegenüber.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon stine » Mi 26. Jun 2013, 13:43

webe hat geschrieben:Jede politische Richtung hat ihre sinnlosen Opfer zubeklagen, siehe USA als Demokratie.
:mg: Interssant zu beobachten: Immer wenn die Argumente für den eigenen Standpunkt ausgehen, wird die Sicht auf Andere gelenkt, die angeblich auch nicht besser waren.

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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Nanna » Mi 26. Jun 2013, 17:52

provinzler hat geschrieben:Sozialleistungen sind der größte Feind sozialen Miteinanders, denn es enthebt den einzelnen gefühlt aus der Verantwortung seinen Nächsten gegenüber.

Und gleichzeitig kann Nachbarschaftshilfe in einer diversifizierten Gesellschaft nicht alles leisten. Ich verstehe zwar das Problem, das du mit dem Leserbrief beispielhaft verdeutlichst, aber davon kann man halt nicht so einfach auf's große Ganze abstrahieren. Es braucht beides, Sozialleistungen und Nachbarschaftshilfe.

provinzler hat geschrieben:Sozialismus wie wir ihn kennen ist die Erfindung von Marx und Engels und die waren beide Deutsche. Und das Ammenmärchen die realexistierenden sozialistischen Reiche ob nun von der braun oder der rotsozialistischen Färbung, seien nicht sozialistisch gewesen, langweilt auch. Marx und Engels befürworteten ausdrücklich massive Gewaltanwendung und waren so die intellektuellen Wegplanierer für Schicklgruber, Stalin und Mao Tse Tung.

Na, jetzt aber vorsichtig, wenn du zwei Beiträge später Anderen vorwirfst, alle über einen Kamm zu scheren. Es ist unredlich, das Elend durch kapitalistische Ausbeutung als Folge eines "nicht echten freien Markts" zu bezeichnen, und dann andererseits den Sozialisten das Recht abzusprechen, für die vermurkste Durchführung ihrer eigenen Utopie nicht dasselbe zu beanspruchen. Wenn es nicht der freie Markt ist, der Textilarbeiter in Bangladesh wie die Fliegen sterben lässt, dann war es auch nicht der Sozialismus, der die 45 Millionen Chinesen umgebracht hat - Gleichheit der Waffen muss schon gelten.

Der real existierende Sozialismus weicht in ganz zentralen Punkten vom theoretischen Marxismus ab. Marx und Engels haben beispielsweise kein spezifisches sozialistisches System geschweige denn eine Wirtschaftsordnung erdacht, der Fokus ihrer Arbeit lag immer auf der Kritik der herrschenden Umstände. Sachen, die man heute stark mit dem Marximus assoziiert, wie die Arbeitswerttheorie, stammen nicht oder zumindest nur teilweise von Marx und Engels. Was die Gewaltanwendung angeht, so gibt es in der Tat Stellen, wo Marx das ganz offen schreibt, aber im Kontext einer geschichtlichen Notwendigkeit, da Marx ein teleologisches Weltbild hatte und davon ausging, dass es so oder so so kommen müsse. Es war nichts, was er begrüßt hat. Darüberhinaus schrieb er das im 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund massiver Migrationsbewegungen in die Städte, wo die Menschen in Zuständen hausten, die wir heute als Slums bezeichnen würden. Im Gegensatz zu heutigen SPD-Wählern hatten die Arbeiter des 19. Jahrhunderts außer ihrem Leben wirklich wenig zu verlieren. Was Lenin und Stalin später aus der Theorie gemacht haben, hätte Marx nicht gefallen und wahrscheinlich sogar als eine neue Form von Kapitalismus angesehen, denn bei dem stand der Kommunismus als anarchistische Utopie ohne Staat am Ende einer vergleichsweise kurzen, gewaltsamen Übergangsphase, während der die Herrschenden gestürzt würden. Ich fühle mich da, abgesehen von der Gewaltanwendung, vom Ziel her immer stark an die Libertären erinnert, die sich ja auch eine herrschafts- und staatenfreie Welt erträumen.

Kommunismus im ursprünglichen, marxisitischen Sinne ist im Prinzip in Vielem sehr nah an dem dran, was du als "soziales Miteinander" bezeichnest.

Das nur als kleine Exkursion, ich halte ja sowohl die Utopie des völlig freien Marktes als auch die Utopie des Kommunismus für träumerischen Krampf. Beide Fraktionen sehen sich in gewissen Anfangserfolgen bestätigt und glauben dann, die Welt dadurch heilen zu können, ihr jeweiliges Rezept auf die Spitze zu treiben.
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon Zappa » Mi 26. Jun 2013, 17:53

provinzler hat geschrieben:Sozialismus wie wir ihn kennen ist die Erfindung von Marx und Engels und die waren beide Deutsche.

Oh, interessant. Da müssen die Geschichtsbücher und unsere Gesellschaftstheorie aber neu geschrieben werden :)

Außerdem ist deine Gleichsetzung von Sozialismus = Kollektivismus/Totalitarismus auch putzig, wenn dann im nächsten Post folgender Vorwurf kommt:

provinzler hat geschrieben: Und warum scherst du da jetzt alle pauschal über einen Kamm?

Nur nicht differenzieren, man könnte ja "Angriffspunkte" für eine inhaltliche Annäherung bieten, gell :mg:
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Re: Pro & Contra: Banken

Beitragvon webe » Mi 26. Jun 2013, 23:08

Stine:
Es ist keine Alenkung sondern ein Fakt, die Schnüffelei von Demokratien als ein unzumutbare Tätigkeit anzubrangern. Natürlich wird Fr Merkel nicht Interesse daran hegen, solche einer Demokratie unwürdiger Verhaltensweise anzubrangen. England hat auf Anfrage vom B-Innenminister den Komentar abgegeben, dass im Lande seiner Königin nicht offen über ihre Geheimdienste geplaudert wird und somit unserem Politiker eine Abfuhr erteilt.

In Richtung Banker hat eine Abhörung ergeben, dass die irischen Geldhäuser bewusst wohl bei ihren Angaben in Richtung Eurohilfe sich wissentlich schön-und daher unrichtig-redeten, eben unzutreffende Tatbestände angaben: Bewusste Irreführung!
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