Was sind die westlichen Werte?

Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Vollbreit » Fr 21. Dez 2012, 12:09

Gandalf hat geschrieben:Bist Du Sicher, dass Du mich hier verstanden hast? Ich rede davon, dass man nicht fühlen kann, ohne zu denken!?


Kommt drauf an, wie man das definiert.
Wenn man mit fühlen empfinden meint, stimmt das nicht, meint man damit wahrnehmen, dass man etwas wahrnimmt, ist es richtig.

Gandalf hat geschrieben:..? Wie wärs z.B mit Jesus, der "für meine Sünden gestorben" sein soll? Oder Allah, dem wir schuldig sind, Ungläubige zu bekehren und belehren? - oder das "Mitleid" mit denjenigen, die sich selbst betrauern, wenn sie von uns Opfer fordern, allein auf Grund der Tatsache, das wir existieren und sie die nicht-Existenz präferieren und lehren?


Das ist Mythos, keine Mystik.

Gandalf hat geschrieben:Das ist das, was Du für jemand anderen Du Dich verpflichtet "fühlst" und das für Dich keinen Nutzen bringt. Der unaufgeklärte Altruismus. Gut ist dann das, - was nicht gut für Dich ist.


Das ist die Negativfolie des Biologismus und ebenso langweilig.

Gandalf hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wie bright etwas ist, ist für mein Leben eine so bedeutungslose Frage wie die, wie katholisch etwas ist.


Sag ich doch: Mystiker lehren den ganzen Tag lang, das es keinen Unterschied macht, ob man den Verstand einsetzen will - oder 'glaubt'.


Na dann.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon fopa » Fr 21. Dez 2012, 15:48

Gandalf hat geschrieben:Ich rede davon, dass man nicht fühlen kann, ohne zu denken!?
Ich möchte mal behaupten, dass man nicht denken kann ohne zu fühlen!
Selbst Mathematiker fühlen, wenn sie sich mit mathematischen Problemen beschäftigen und insbesondere wenn sie sie lösen oder nicht lösen. Ohne Gefühle wie Freude oder Enttäuschung wären wir völlig antriebslos und könnten infolgedessen auch nicht denken, weil wir es als Kinder nie gelernt hätten.

Leider wird häufig rationales Denken und Nicht-Gläubigsein mit Gefühlslosigkeit gleichgesetzt. Warum eigentlich? Weil Mr. Spock als logisch Denkender Halbvulkanier seine Gefühle unterdrückt hat, damit sie seine Logik nicht beeinflussen? Oder liegt es daran, dass diejenigen, die Gefühlen eine mystische Herkunft nachsagen, es nicht für möglich halten, dass man Gefühle auch dann noch empfindet, wenn man sie erklären kann? Ein Musikliebhaber kann sich doch auch dann noch an Musik erfreuen, wenn er weiß, wie sie zustande kommt.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon stine » Fr 21. Dez 2012, 16:11

fopa hat geschrieben:Ein Musikliebhaber kann sich doch auch dann noch an Musik erfreuen, wenn er weiß, wie sie zustande kommt.
Das Beispiel ist gar nicht so blöd. Es gibt in der Tat Profis, die Musik nicht mehr genießen können, wenn sie sich auf das Spiel konzentrieren und Fehler heraushören, die ein Nichtkundiger gar nicht wahrnimmt.
Gerade Musik kann sehr rational werden.

LG stine
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Vollbreit » Fr 21. Dez 2012, 16:16

fopa meinte wohl eher das Gegenteil, aber in der Tat glaube ich, dass beides geht.
Kinderlieder und Schlager (auch die der klassischen Musik) erschließen sich so, zu anderer Musik muss man einen Zugang bekommen, der einem nicht geschenkt wird.
Wenn man auf der anderen Seite diesen Zugang hat, kann ich auch nicht sehen, warum man Musik (und anderes) nicht noch tiefer und intensiver genießen können sollte.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon fopa » Fr 21. Dez 2012, 16:28

Nun dreh mir das nicht im Munde herum, stine. :rollsmilie2:
Ich meinte doch, dass Musik auch dann eine Faszination ausüben kann, wenn man weiß, dass ein Komponist sie geschrieben hat und Musiker sie unter Leitung eines Dirigenten spielen. Ob nun fehlerfrei oder nicht.
Musik ist nicht unbedingt weniger schön, wenn man sie rational erklären kann. Durch Rationalität und unter Zuhilfenahme des eigenen Bewusstseins kann es einem höchstens besser gelingen, sich das Empfinden von Schönheit abzutrainieren, wenn man es darauf absieht. Aber das bleibt jedem selbst überlassen und ist keinesfalls eine zwingende Konsequenz.

@Vollbreit: Ist es wirklich ein qualitativ anderer Zugang oder ist die Musik nicht einfach komplexer und dadurch das Empfinden intensiver? Mit komplex meine ich nicht musikalisch verschnörkelt, sondern raffiniert - wie auch immer man das ausdrücken möchte. Die Akkordfolge, Melodie etc. von Kinderliedern und Schlagern ist ja oft recht einfach und vorhersehbar. Bekommt schwieriger zu erschließende Musik deswegen etwas Unerklärbares, oder können wir die Mechanismen bloß noch nicht erklären? Wäre sie weniger schön, wenn wir sie erklären könnten? Wie gesagt, ich glaube, das hängt so oder so an der Einstellung jedes Einzelnen.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Vollbreit » Fr 21. Dez 2012, 17:26

fopa hat geschrieben:Ist es wirklich ein qualitativ anderer Zugang oder ist die Musik nicht einfach komplexer und dadurch das Empfinden intensiver?


Man muss sich ja, wie sagt man so schön, drauf einlassen können.

fopa hat geschrieben:Mit komplex meine ich nicht musikalisch verschnörkelt, sondern raffiniert - wie auch immer man das ausdrücken möchte. Die Akkordfolge, Melodie etc. von Kinderliedern und Schlagern ist ja oft recht einfach und vorhersehbar.


Ja, wie Cola oder Gummibärchen. Süß, bunt und gefällig.

fopa hat geschrieben:Bekommt schwieriger zu erschließende Musik deswegen etwas Unerklärbares, oder können wir die Mechanismen bloß noch nicht erklären? Wäre sie weniger schön, wenn wir sie erklären könnten? Wie gesagt, ich glaube, das hängt so oder so an der Einstellung jedes Einzelnen.


Ich bin nicht wild darauf, dass alles unerklärbar oder mysteriös sein muss.
Was heißt das schon? Es kann fürchterlich mitleiderregend sein, wenn sich jemand durch durch ein Musikstück quält, was er technisch nicht beherrscht. Das kann man angeben, 500 Stunden Tonleitern oder was auch immer. Der eigene Stil, die eigene Interpretation kommt eben danach erst zum Vorschein. Kann man das erklären?

Du bist doch Radsportler. Manchmal steigst Du auf Dein Rad, hast das Gefühl voller Kraft und Energie zu sein, fährst die ersten Meter und denkst nur: „Scheiße.“ Irgendwie quälst Du Dich dann durch Strecke und gut ist. An anderen Tagen fühlst Du Dich hundeelend, steigst auf Dein Rad und hast gute Beine, ohne zu wissen warum. Klar spielen die Basics eine wesentliche Rolle, die gefahrenen Kilometer, wie Du trainiert hast usw. aber das ist eben nicht alles. Und danach kommt eben auch dort der Stil zum Vorschein. Auch das kann man vielleicht erklären, bringt aber ohnehin nicht so viel, weil jeder sein Ding finden muss.

Man hat ja auch mal versucht die Algorithmen von Hits zu finden, kürzlich noch. Man hat einfach alle Hits der letzten Jahrzehnte analystiert, auf Ähnlichkeiten abgeklopft und die Musrter verglichen. Demnach hätten einige Hits welche sein müssen,die keine waren, andere hätten keine sein dürfen, die welche waren.

Es gibt auch gute Computerprogramme die in Stile von ... komponieren können.
Ein Laie hört keinen Unterschied zwischen einen echten Mozart und einem Computermozart, die Profimusiker, die man befragte, sagten, das Ding sei gut, aber irgendwas würde fehlen, sie hörten es alle, konnten es aber nicht benennen.

Meines Erachtens eine Frage der fehlenden Praxis, die sich ihre Bahn eben noch nicht und kulturelle, begriffliche Formen gegraben hat.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon fopa » Sa 22. Dez 2012, 07:58

Alles richtig, sehe ich auch so. Ich möchte aber noch mal auf den Unterschied hinweisen zwischen
  • Etwas für erklärbar halten, und
  • etwas erklären können.
Ich kann es mir tatsächlich oft nicht erklären, warum ich an dem einen Tag richtig gut drauf bin und am anderen Tag keinen Antrieb habe. Aber man kann systematisch Zusammenhänge aufdecken: das Bier am Vorabend, zu wenig Schlaf, zu wenig gegessen etc., oder auf der anderen Seite: die Trainingsreize und Regenerationsphasen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt, das "Richtige" gegessen, usw.
Es ist also (m.A.n.) in jedem Fall erklärbar, auch wenn man nicht gleich eine Erklärung parat hat.

So sehe ich es auch bei Gefühlen. Sie können scheinbar aus dem Nichts kommen und uns überwältigen. Aber bloß weil wir sie im einzelnen nicht verstehen, sind sie nicht göttlich oder mystisch. Für mich stellt diese Einstellung keine Einschränkung in der Empfindungsfähigkeit von Gefühlen und deren Faszination dar. Das meine ich zumindest. :)
Zuletzt geändert von Nanna am Sa 22. Dez 2012, 14:26, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: [list]-Tag repariert. Nicht den [list=]-Tag benutzen, der funktioniert nicht!
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Vollbreit » Sa 22. Dez 2012, 09:21

Ich denke auch, dass wir da einer Meinung sind, ich will das hier nicht überstrapazieren, da der Thread sich um die westlichen Werte dreht. Diese Diskussion um prinzipiell erklärbar, aber nicht praktisch erklärbar, ist m.E. eine um des Kaisers Bart, so eine Wohlfühldiskussion. Immerhin ist das Teil der westlichen Tradition der letzten 200 Jahre. Man möchte glauben, alles sei kontrollierbar und erklärbar und letztlich auf ein Bündel physikalischer Gesetze zu reduzieren, die ganz am Anfang alle Weichen stellen.

Es ist ein gutes Gefühl weitgehend die Kontrolle zu haben oder mindestens Erklärungen finden zu können, Freud hat das als Rationalisierungen enttarnt, aber man kann seiner eigenen Psyche eben auch nicht entgehen und wozu auch?

Diese Machbarkeitsvorstellungen sind glaube ich Teil des westlichen Selbstbewusstseins und schon lange wird ein Riss beschrieben, zwischen den immer weiter zunehmenden technischen Möglichkeiten und der nicht parallel gehenden Zufriedenheit der Menschen.

Eine Diagnose könnte sein, dass technische Möglichkeiten zum Surrogat werden, wo es tendenziell Zwischenmenschliches benötigen würde. Aber hier soll es ja erst mal um Herkunft der Werte gehen, bzw. was sie überhaupt ausmacht.

Off topic:
Ein Wort noch zu den Gefühlen. Ich sehe Gefühle nicht als göttlich oder mystisch an, sondern als ein Wechselspiel eigener Neurotransmitter mit den Menschen (z.B. deren Stimmungen) und Situationen (z.B. Wetter) meiner Umgebung, auch dem kulturellen Input (z.B. die aktuellen Nachrichten). Darüber hinaus sehe ich auch Mystik nicht als mystisch an, im Sinne von unerklärbar, sondern Mystik ist eine Erfahrung, die man machen oder nicht machen kann.
Man kann Alpe D'Huez unter den Bedingungen der Tour hochfahren und ich denke, dass das auch qualitativ etwas anderes ist, als wenn man sagt, wenn ich mit dem Hollandrad zu meinen Eltern fahre, geht es die letzten 50 Meter auch 5% bergauf, also weiß ich im Grunde auch, wie es ist Alpe D'Huez bei der Tour zu fahren.
Gerade beim Sport, finde ich, kann man erkennen, dass Sport machen und Sport machen und Sport machen und Sport machen wirklich ganz unterschiedliche Kategorien sind, auch wenn man sagen kann, dass man eben immer nur mit eigener Muskelkraft, auf einem Rad sitzend, eine Steigung überwindet.
Man kann Yoga machen und dabei was für den Rücken tun, oder Yoga machen um Yoga zu machen, man kann ein wenig Entspannungstraining machen und Meditieren. Wenn wir von Mystikern reden, dann reden wir im Grunde von den Toursiegern und nicht davon, dass man auch mal erlebt hat, dass die rechte Hand warm werden kann, wenn man dran denkt.
Mystik ist im Grunde die „Innenansicht“ bestimmter Erfahrungen, deren Außenansicht ja längst objektiviert wurde, man hat ja schon dutzendenweise Buddhistenmönche in die MRT Röhre geschoben, nur ist die Darstellung der diversen Hirnfunktionen natürlich auch nichts was weiter hilft, wenn man nicht weiß, wie sich das anfühlt oder warum man das machen sollte.
Die Innenansicht jeder Erfahrung ist prinzipiell beschreibbar, natürlich auch einer mystischen Erfahrung, das Problem ist m.E. nicht mal, dass es an Begriffen mangeln würde, sondern, dass es an der Breite der Erfahrungen fehlt. Wenn man sagt, ich habe gerade Tomatensuppe gegessen und die anderen am Tisch sind der Auffassung, das sei keine Tomatensuppe gewesen, ist sofort ein Korrektiv da, wenn man sagt, man habe eine Satori-Erfahrung gehabt, sagen nicht alle anderen, das sein kein Satori gewesen.
Ich glaube sogar das die vielbeschworene Unsagbarkeit der mystischen Erfahrungen eine Ente ist, ich sehe keinen Grund, warum man nicht drüber reden können sollte. Es ist zwar paradox, wenn ich von meiner Erfahrung der Ichlosigkeit berichten möchte, aber ich denke über begriffliche Annäherungen kann man dem so nahe kommen, dass jemand anderes sagen kann: „Ah ja, kenn ich auch“, oder sagen kann: „Komisch, war bei mir ganz anders.“ Also auch hier bewegt man sich in einem intersubjektiven, prinzipiell korrigierbaren Raum.
Ob und inwieweit mystische Erfahrungen nun etwas Transzendentes oder Göttliches oder Übernatürliches sind, ist mir im Grunde völlig egal, weil es der Erfahrung weder es gibt noch nimmt, sie so zu titulieren. Ich wüsste auch nicht, wie das zu bestimmen wäre, weil man es m.E. prinzipiell nicht bestätigen oder widerlegen kann und diese „Es gibt mit an Sicherheiut grenzender Wahrscheinlichkeit...“-Aussagen finde ich in den Kontext eher peinlich und infantil, aber jeder wie er will.
Das wollte ich mal grundsätzlich loswerden, damit ich mal aus erster Hand darstellen kann, was ich dazu denke.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon fopa » Sa 22. Dez 2012, 11:03

Ich sehe unser "Off-Topic"-Thema der Gefühle bzw. der Transzendenz in direktem Zusammenhang zum Thema des Threads, denn die Einstellung, dass es für all das im Prinzip eine weltliche Erklärung gibt, ist schließlich auch eine in der "westlichen" Naturwissenschaft verbreitete Ansicht (Stichwort Aufklärung).

Vollbreit hat geschrieben:Ob und inwieweit mystische Erfahrungen nun etwas Transzendentes oder Göttliches oder Übernatürliches sind, ist mir im Grunde völlig egal, weil es der Erfahrung weder es gibt noch nimmt, sie so zu titulieren. Ich wüsste auch nicht, wie das zu bestimmen wäre, weil man es m.E. prinzipiell nicht bestätigen oder widerlegen kann und diese „Es gibt mit an Sicherheiut grenzender Wahrscheinlichkeit...“-Aussagen finde ich in den Kontext eher peinlich und infantil, aber jeder wie er will.
Was das angeht, halte ich es auch eher mit dem Kritischen Rationalismus. Nur weil sehr, sehr viel darauf hindeutet, dass "mystische" Erfahrungen im Grunde rein physischer Natur sind, ist es nicht bewiesen und kann auch nicht bewiesen werden.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Lumen » Sa 22. Dez 2012, 11:22

@Vollbreit, #Mystik, #Emotion. Schau dir mal den Thread Derren Brown an, und dort insbesondere Fear & Faith. Teil 1 (Fear) zeigt den Placeboeffekt, Teil 2 (Faith) zeigt Mystik und spirituelle Erfahrung. Oberthema: Suggestion.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Vollbreit » Sa 22. Dez 2012, 12:42

@ fopa:

Mir geht es auch nicht um die Beweisbarkeit, weil ich nicht sehe, was jenseits einer Diagnose über eine psychotische Episode bei subjektiven Erlebnissen bewiesen werden muss.
Wenn mir der Wein gestern Abend schmeckte, aber der Film nicht gefiel, kann man drüber reden, subjektive Erfahrungen systematisch abzugleichen und sich darauf zu verständigen, finde ich ungeheuer spannend.

Es ist bspw. lehrreich, bei etwas, was nur jeder selbst erleben kann, einen Abgleich, eine gemeinsame Sprache zu finden. Wenn einem Wein nicht schmeckt ist es gut sagen zu können, warum er einem nicht geschmeckt hat. Überhaupt beschreiben zu können, wie Wein schmeckt, vom ersten Geruch bis zum Abgang, was man zuerst schmeckt, wo man es schmeckt und so weiter.
Natürlich kann man das auch mit jeder sonstigen Erfahrung machen, wie genau sehe ich die Welt, oder wie es eigentlich ist, Rad zu fahren.
Mich hat mal ein sehr guter Billardspieler überrascht, als er mich fragte, ob ich eigentlich, immer den Objektball anvisiere oder die weiße Kugel. Für mich war bis dahin selbstverständlich, dass jeder (weil ich es tue) den Objektball anvisiert, er sagte, er würde die weiße Kugel anschauen...Huch.


Und ja, das ist etwas, was ich als westlich ansehen würde, einen Hang zur Objektivierung und eine aus meiner Sicht kontraaufklärerische Tendenz zur Entwertung des Subjekts und der subjektiven Einstellungen und Eindrücke. Die Aufklärung die Kant im Auge hatte, ist eine, die das eigenständig denkende Subjekt in den Mittelpunkt stellt, gegen diejenigen, die dem Subjekt das Denken und die Verantwortung abnehmen wollen, inzwischen ist es Mode geworden, auf zwischengeschaltete Institutionen zu verzichten und die Entwertung seiner selbst gleich im Alleingang zu besorgen. Aber das fällt schon eher in Rubrik der Kritik an der neuen Entwicklung westlicher Werte, insofern ist das etwas früh.

Was die Werte der Aufklärung angeht, super Sache, das würde ich als einen der Bausteine der westlichen Werte ansehen.


@ Lumen:

Kannst Du mir sagen, warum ich mir den anschauen soll?
Was meinst Du, sagt mir Derren Brown, von dem Du denkst, dass ich es nicht weiß oder nicht verstanden habe, so in zwei Sätzen?
Das Ding ist lang und ich habe durchaus schon reichlich vom Placeboeffekt gehört und was Suggestion ist, weiß ich auch, kannst Du mir glauben.
Was ist da drin, dass Du es mir so dringend empfiehlst?

Wäre doch irgendwie auch schöner, als der Umweg über Stellvertreter, oder?
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Lumen » Sa 22. Dez 2012, 20:25

In Teil 2 nimmt er sich eine atheistische Zellbiologin vor, läd sie in eine Kirche ein, und zieht alle Register der Suggestion. Dann lässt er sie einen Moment allein und sie ...
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Vollbreit » Sa 22. Dez 2012, 20:37

Okay, überzeugt, ich guck's.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Vollbreit » So 23. Dez 2012, 00:58

@ Lumen:

Hab die Antwort mal in so einen älteren Thread von Dir gehauen, der ohnehin etwas zerfasert war:
viewtopic.php?f=13&t=3653&p=93838#p93838
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon mat-in » So 23. Dez 2012, 10:39

Ich werf mal in die Runde, das es sich um aufklärerische und humanistische Werte handelt, was im allgemeinen unter "westlichen" Werten verstanden wird.

wikipedia hat geschrieben:Der Begriff westliche Welt, der Westen oder westliche Hochkultur (auch Okzident genannt) kann je nach Kontext verschiedene Bedeutungen haben. Während er ursprünglich die westeuropäische Kultur definierte, wird er heute meistens auf gemeinsame Werte der Nationen in Europa und Nordamerika bezogen, die Bürger- und Menschenrechte garantieren, nach westlichen Werten wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit, Individualismus, Toleranz leben und die Demokratie praktizieren.

Universelle Menschenrechte (also auch die Gleichheit aller Menschen, und zwar Bedingungslos), Individualismus (Rede- und Gewissensfreiheit, Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Demokratie... fast alles Werte die aus der Aufklärung hervor gingen. das 17. und 18. Jahrhundert war von der Idee geprägt das Denken und Vernunft zur Wahrheit führt, was mit etablierten Matchsystemen, Vorurteilen, usw. hart ins Gericht ging. Eine abkehr von göttlichen und weltlichen Diktaturen hin zur Demokratie, Liberalismus und Konzepten wie Bürgerrechten und Menschenrechten. Natürlich sind einige dieser Rechte auch vorher schon mal erwähnt, von den alten Griechen über diverse Päpste, aber letzten Endes in einem "westlichen" Sinne durchgesetzt haben sie sich erst zur Zeit der Aufklärung.

Jetzt könne man noch "kapitalismus" und "leistungsgesellschaft" als westliche Werte dazu nehmen, denn wir stützen dieses Wirtschaftsystem jetzt ja schon eine ganze Weile, egal in welche Krise es stolpert und es ist noch ein Faktor den Nordamerika und Europa gemeinsam haben.
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Re: Was sind die westlichen Werte?

Beitragvon Gandalf » So 23. Dez 2012, 12:27

mat-in hat geschrieben:
Jetzt könne man noch "kapitalismus" und "leistungsgesellschaft" als westliche Werte dazu nehmen, denn wir stützen dieses Wirtschaftsystem jetzt ja schon eine ganze Weile, egal in welche Krise es stolpert und es ist noch ein Faktor den Nordamerika und Europa gemeinsam haben.


Irrtum, mein Lieber. Kapitalismus gehört zum Liberalismus wie die zweite Seite einer Münze. Nur mit dem freiwilligen Angebot an einer Arbeitsteilung teilzunehmen, ist es möglich von anderen etwas zu bekommen, ohne das man sie mit physischer oder psychischer Gewalt dazu zwingt, betrügt oder beraubt. So wie es in den Jahrtausenden vor den liberalen Revolutionen üblich war. Die ("kommunistischen") Chinesen haben das begriffen - wir hier in Europa vergessen das zusehends. Nicht zufällig lehrt die libertäre, kapitalistsche österreichische Schule der Nationalökonomie auch Praxeologie anstatt Ideologie.

Alle anderen Systeme, die nicht auf dieser Basis beruhen, sind nur im begrenzten Maße kapitalistisch. Selbst in der DDR wurden zuletzt nur noch von den ganz wenigen privaten Dienstleistern Überschüsse erwirtschaftet, die dann die Bevölkerung mit dem Nötigsten versorgten. Die "Großkonzerne" und ihre "fortschrittlichen Produkte", waren nur mittels Krediten aus dem "Westen" überlebensfähig. Daher auch die Verbindung von Finanzkapital und den (Geld)Sozialisten, die gegenwärtig weiter ausgebaut wird. So ist die aktuelle Krise nicht eine Krise des Kapitalismus,- der "immer noch" Wohlstand produziert, - sondern eine Krise des sich expolsionsartig ausbreitenden Interventionismus und des (sozialistisch geprägten) Etatismus, der sich im völlig un-kapitalistischen Geldsystem ("fiat money") widerspiegelt. Staatlicher Interventionismus unter der Vorspiegelung eines angeblichen "Marktversagens", in die Märkte ist durch und durch reaktionär und antiliberal und dient offenbar nur dazu, antidemokratische Herrschaftsformen abzusichern und auszudehnen. Diesmal werden uns keine "westlichen Hilfskredite", die auf werthaltiges Geld fussten, das Kapitalsiten erzeugten, retten können. Zu befürchten ist allerdings: Man wird es wieder mal den Kapitalisten in die Schuhe schieben, die kein werthaltiges Geld erzeugen (unter diesen zunehmend antiliberalen, von Ideologen geprägten Umständen - kein werthaltiges Geld erzeugen können) Wo das endet wissen wir: Holocaust und Holodomor

Das soziale an der Marktwirtschaft ist die Marktwirtschaft (Ludwig Erhard)
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