Respekt, Würde, Ehre

Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Julia » Do 27. Sep 2012, 18:02

Darth Nefarius hat geschrieben:Das Bewusstsein ist in keinem Fachwerk der Biologie als abgeleitetes Merkmal aufgelistet, da es mehr oder weniger ein Konstrukt und nur indirekt erfahrbar ist. Selbst uner Menschen kann man sich nicht sicher sein, ob sie eines haben.

Ja, ich kann mir auch nicht sicher sein, dass die Welt existiert, aber lassen wir das.

Darth Nefarius hat geschrieben:Dein Axiom ist, dass nur der Mensch ein Bewusstsein hat (und dass er eines hat).

Das ist genau was ich nicht sage. Ich zitiere mich mal selbst: "Viele Tiere (wenn auch wahrscheinlich nicht alle) erfüllen das Kriterium."

Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist in der wissenschaftlichen Welt keine Selbstverständlichkeit, dass irgendetwas Bewusstsein hat oder nicht und meist ist diese Frage ohnehin irrelevant.

Ich weiß ja nicht in was für einer "wissenschaftlichen Welt" du lebst. In meiner wird Bewusstsein erforscht, nennt sich dann Neurowissenschaften.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ach, und was sagt mir, dass ein Wesen ein Bewusstsein hat und was nicht? Deine Aussage lässt sich genausogut auch auf den Menschen übertragen.

Naja, im Falle der Menschen gibt es gute Gründe anzunehmen, dass sie (im Allgemeinen) ein Bewusstsein haben. So weiß ich zum Beispiel, dass ich ein Bewusstsein habe und ich weiß dass andere Menschen analoge Strukturen aufweisen wie ich (wenn ich jetzt mal den Solipsismus außen vor lasse).
Was spricht denn im Falle der Qualle dafür? Was genau ist an denen so intelligent?

Darth Nefarius hat geschrieben:Diesen Gottesunsinn lasse ich mal unkommentiert.

Ist auch besser so, sonst würde man ja merken, dass du nicht verstanden hast, was ich gemeint habe.

Darth Nefarius hat geschrieben:Warum muss man eine Grenze ziehen?

Weil man entscheiden muss, wer Teil der moralischen Welt ist und wer wie Gemüse behandelt werden darf.
Das Kriterium ist immer noch Bewusstseinsfähigkeit.

Darth Nefarius hat geschrieben:Nicht jedes Wesen kann an EEGs angeschlossen werden. Siehe Quallen. Und dann hast du immer noch nicht das Bewusstsein, sondern Hirnaktivität nachgewiesen.

Nein, nicht in einem absoluten Sinne. Aber man hat Menschen aufgrund anderer Kriterien in bewusste/unbewusste eingeteilt und konnte die Menschen dann auch anhand der EEGs den Kategorien zuordnen. Auf die Art wird Bewusstsein messbar, wenn man akzeptiert, dass die ursprüngliche Einordnung sinnvoll ist.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Darth Nefarius » Do 27. Sep 2012, 18:56

Julia hat geschrieben:Das ist genau was ich nicht sage. Ich zitiere mich mal selbst: "Viele Tiere (wenn auch wahrscheinlich nicht alle) erfüllen das Kriterium."

Und ich frage nochmal: Welches Kriterium?
Julia hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Es ist in der wissenschaftlichen Welt keine Selbstverständlichkeit, dass irgendetwas Bewusstsein hat oder nicht und meist ist diese Frage ohnehin irrelevant.

Ich weiß ja nicht in was für einer "wissenschaftlichen Welt" du lebst. In meiner wird Bewusstsein erforscht, nennt sich dann Neurowissenschaften.

Und wie soll es sich zeigen? Hirnaktivität bedeutet nicht zwangsläufig Bewusstsein. Wenn du tatsächlich in den Neurowissenschaften bewandert bist, kannst du mir da sicherlich einiges erklären. Mag sein, dass ich da nicht viel Ahnung habe, da ich der Molekularbiologie näher bin. Aber nach meinem Verständnis ist alles nur Signaltransduktion, um es vereinfacht zu formulieren.
Julia hat geschrieben:Naja, im Falle der Menschen gibt es gute Gründe anzunehmen, dass sie (im Allgemeinen) ein Bewusstsein haben.

Ich spiele gern den advocatus diavoli, dir wird klar sein, dass ich nach diesen "guten Gründen" einfach mal frage.
Also: Welche sind das?
Julia hat geschrieben:So weiß ich zum Beispiel, dass ich ein Bewusstsein habe

Wie definierst du es? Die Wahrnehmung des eigenen selbst? Ich definiere es jedenfalls als Wahrnehmung des eigenen selbst, aber dann fragt sich, was Wahrnehmung ist. Wenn wir Pflanzen und Quallen betrachten, dann haben die gewiss auch eine Wahrnehmung, sie interagieren mit der Welt, was für mich bedeutet, dass sie Interaktion mit ihrem "selbst" wahrnehmen und entsprechend darauf reagieren können. Dann mögen sie keine bestimmten elektromagnetischen Wellen durch ein zentrales Nervensystem absondern, aber als angehender Molekularbiologe verstehe ich, dass Signalübertragung auf verschiedensten Wegen stattfinden kann.
Julia hat geschrieben:und ich weiß dass andere Menschen analoge Strukturen aufweisen wie ich (wenn ich jetzt mal den Solipsismus außen vor lasse).
Was spricht denn im Falle der Qualle dafür? Was genau ist an denen so intelligent?

Einige von ihnen können aktiv jagen; man hat Experimente mit verschiedenfarbigen Ringen gemacht und ihr Verhalten analysiert. Einige von ihnen haben offensichtlich soetwas wie ein diffuses Sehen durch periphere, photosensitive Zellen. Wenn ein Wesen mit der Umgebung interagieren kann und auf äußere Signale auf einen selbst reagiert, dann hat es eine gewisse Intelligenz.
Julia hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Warum muss man eine Grenze ziehen?

Weil man entscheiden muss, wer Teil der moralischen Welt ist und wer wie Gemüse behandelt werden darf.

Warum soll es eine moralische Welt geben, wenn sie nach willkürlichen, unbegründeten Maßstäben gesetzt ist und auch nie objektiv sein kann? Was hat Moral für einen Nutzen? Dein Satz drückt das aus, was ich an Moralisten für sehr gefährlich halte. Es geht um grundsätzliche Rechtfertigung für möglicherweise grausames, widerwertiges Verhalten. Moral bietet immer eine gute Grundlage für genau deine Vorgehensweise: Es wird festgestellt, wer als Gemüse behandelt werden darf. Es stellt sich Moralisten gar nicht die Frage, ob sie denn nicht Mitleid oder soetwas empfinden. Wenn sie keine moralischen (also willkürlichen, unbegründeten) Gründe für Kooperation haben, behandeln sie andere wie Gemüse. Ist es nicht so?
Julia hat geschrieben:Das Kriterium ist immer noch Bewusstseinsfähigkeit.

Und wie definierst du es? Wie misst du es? Wieso erhalten nach diesen Maßstäben dann vegetativ funktionierende Menschen vielleicht diese Rechte trotzdem? Ich will niemandem seine von der Gesellschaft zugestandenen Rechte absprechen, ich frage nur. Mich interessiert, wie das begründet wird.
Julia hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Nicht jedes Wesen kann an EEGs angeschlossen werden. Siehe Quallen. Und dann hast du immer noch nicht das Bewusstsein, sondern Hirnaktivität nachgewiesen.

Aber man hat Menschen aufgrund anderer Kriterien in bewusste/unbewusste eingeteilt und konnte die Menschen dann auch anhand der EEGs den Kategorien zuordnen.

Welche Kriterien sind das? Ich hoffe du wirst jetzt nicht wieder tautologisch!
Julia hat geschrieben: Auf die Art wird Bewusstsein messbar, wenn man akzeptiert, dass die ursprüngliche Einordnung sinnvoll ist.

Die Einordnung würde ich gern lesen. Ich scheue mich nicht "ursprüngliche" Konzepte zu hinterfragen. Du auch?
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon stine » Fr 28. Sep 2012, 07:04

Darth Nefarius hat geschrieben:Was hat Moral für einen Nutzen? Dein Satz drückt das aus, was ich an Moralisten für sehr gefährlich halte. Es geht um grundsätzliche Rechtfertigung für möglicherweise grausames, widerwertiges Verhalten. Moral bietet immer eine gute Grundlage für genau deine Vorgehensweise: Es wird festgestellt, wer als Gemüse behandelt werden darf. Es stellt sich Moralisten gar nicht die Frage, ob sie denn nicht Mitleid oder soetwas empfinden. Wenn sie keine moralischen (also willkürlichen, unbegründeten) Gründe für Kooperation haben, behandeln sie andere wie Gemüse. Ist es nicht so?
Hierin gebe ich dir absolut recht.
Moral hat den Nachteil, dass sie ein normierendes Konstrukt ist. Würden wir ohne sie leben, so müssten wir entweder die umgebende Natur als Ganzes wertschätzen und der gesamten Natur ein Leben ohne Übergriffe zugestehen oder wir bräuchten vor nichts Respekt haben und könnten animalisch gesteuert alles aufessen, was uns als schmackhaft erscheint.
Alle Regeln dazwischen sind moralische Grundsätze denkender Geschöpfe.

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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 28. Sep 2012, 10:52

stine hat geschrieben:Moral hat den Nachteil, dass sie ein normierendes Konstrukt ist. Würden wir ohne sie leben, so müssten wir entweder die umgebende Natur als Ganzes wertschätzen und der gesamten Natur ein Leben ohne Übergriffe zugestehen oder wir bräuchten vor nichts Respekt haben und könnten animalisch gesteuert alles aufessen, was uns als schmackhaft erscheint.

Wir müssten gar nichts, das ist ja der Witz an einer Welt ohne Moral. Genaugenommen müssen wir auch jetzt nichts, manche rechtfertigen ihre Grausamkeiten mit einem Müssen, andere ihre Freundlichkeit mit einem Müssen. Die Welt wäre nicht anders als jetzt, Freundlichkeit und Respekt würde nicht hinterfragt werden, da sie keinen Schaden verursachen und eher nützlich ist, vormals religiös motivierte oder begründete Verbrechen hingegen würden ihre Legitimation verlieren. Der Verlust von Moral macht uns nicht zu Tieren. Und ebenso bietet Morallosigkeit auch keine Rechtfertigung für Grausamkeit oder Freundlichkeit. Es würde die Gesellschaft entscheiden, was sie toleriert und was nicht. Damit könnte man ein Gesetzesbuch haben, aber es wäre kein moralisches Regelwerk, sondern nur eine Vorschlägesammlung für Umgänglichkeit, bei der die Zuwiderhandlung allerdings sanktioniert wird.
Nochmal: Wer ein geborener Philanthrop ist, wird auch ohne Kirche Dörfer in Timbuktu bauen, das wird nicht durch mangelnde Kirche behindert. Aber die Vorsicht des Staates und die Berührungsangst gegenüber Verbrechern, die sich vormals kirchlich absicherten, würde wegfallen. Die Verbrechen würden vielleicht kaum abnehmen, aber dafür könnten sie wenigstens besser geahndet werden, wenn kirchliche Unantastbarkeit wegfiele.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Arathas » Fr 28. Sep 2012, 11:35

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Verlust von Moral macht uns nicht zu Tieren.


Ja nun ... wir sind Tiere. Tiere mit der Fähigkeit zur Moral. Aber Tiere nichtsdestotrotz.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon stine » Fr 28. Sep 2012, 11:38

Darth Nefarius hat geschrieben:Der Verlust von Moral macht uns nicht zu Tieren.
Vielleicht. Aber die Moral macht aus dem Tier einen Menschen.
Und jedes Denken über Gut und Böse ist der Moral geschuldet, egal, ob du sie gerade selber erfindest oder die bestehende zuhilfe nimmst.

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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Arathas » Fr 28. Sep 2012, 11:50

stine hat geschrieben:Aber die Moral macht aus dem Tier einen Menschen.


Hieße im Umkehrschluss für dich, dass alle Tiere, bei denen wir moralisches Handeln nachweisen können, in einen "menschlichen" Status gehoben werden bzw. einen Personenstatus erhalten? Es gibt auch jetzt schon Forscher, die Primaten Moral vorwerfen. Nicht ganz zu Unrecht, wie ich finde: Moral muss ja kein neues Konstrukt der Natur sein, und es ist schon logisch nachvollziehbar, dass es auch bei unseren Vorfahren vorhanden war, wenn auch vielleicht in rudimentärerer Form, und sich beim Homo Sapiens nur recht weit entwickelt hat.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon stine » Fr 28. Sep 2012, 13:23

Arathas hat geschrieben:Hieße im Umkehrschluss für dich, dass alle Tiere, bei denen wir moralisches Handeln nachweisen können, in einen "menschlichen" Status gehoben werden bzw. einen Personenstatus erhalten?
Sagen wir mal so: Es verstößt in manchen Ländern heute schon gegen die Moral Affenfleich oder Hundfleisch zu essen. Unsereiner empfindet das fast wie Kanibalismus.
So gesehen...

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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Arathas » Fr 28. Sep 2012, 13:54

So gesehen ... isst man in manchen Ländern sehr gerne Schweinefleisch. Wie intelligent die sind und dass sie ganz wahrscheinlich auch ein Ich-Bewusstsein haben, ändert daran leider nichts. Es ist halt hip, Affen-Essen und Hunde-Essen als Fast-Kannibalismus zu empfinden. Schweine-Essen? Kein Problem ...
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 28. Sep 2012, 14:26

Arathas hat geschrieben:Ja nun ... wir sind Tiere. Tiere mit der Fähigkeit zur Moral. Aber Tiere nichtsdestotrotz.

Wir haben keine Moral, einige von uns unterliegen nur einer illusion.
stine" hat geschrieben:Aber die Moral macht aus dem Tier einen Menschen.
Und jedes Denken über Gut und Böse ist der Moral geschuldet, egal, ob du sie gerade selber erfindest oder die bestehende zuhilfe nimmst.

Unsinn. Gut und Böse sind nur sakrifizierte Bezeichungen für "angenehm" und "unangenehm". Und jedes Tier kann dazwischen unterscheiden. Manche versuchen diesen banalen Empfindungen eine übergeordnete Bedeutung zu geben, indem sie sie moralisieren.
Eure Essensgewohnheiten zeigen, wie austauschbar moralisches Empfinden ist, und damit nichts weiter als ein Selbstbetrug zur Rechtfertigung tierischer Bedürfnisse.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Nanna » Fr 28. Sep 2012, 18:03

Darth Nefarius hat geschrieben:Wir haben keine Moral, einige von uns unterliegen nur einer illusion.

Vielleicht hast auch einfach du keine Moral und unterliegst der Illusion, dass das bei allen anderen auch so wäre. ;-) Wobei ich nichtmal glaube, dass du kein Moralempfinden hast, dafür regst du dich über Ungerechtigkeiten viel zu schnell auf. Dir scheint's nur nicht in den Kopf zu gehen, dass man das als Mensch haben kann, ohne schwach und angreifbar zu sein, also rationalisierst du das über diese Kooperationslogik - klingt für mich jedenfalls so.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon stine » Fr 28. Sep 2012, 18:11

Arathas hat geschrieben:Schweine-Essen? Kein Problem ...
Ja, da kannst du mal sehen, wie sich Kulturen voneinander unterscheiden. Und doch tut man immer so, als wäre die Religion das einzige, was die Menschheit spaltet.

Darth Nefarius hat geschrieben:Gut und Böse sind nur sakrifizierte Bezeichungen für "angenehm" und "unangenehm". Und jedes Tier kann dazwischen unterscheiden.
Nein, das ist nicht weitreichend genug. Angenehm kann für mich sein, wenn ich mir nehme, was mir gefällt, wenn man mir einfach etwas wegnimmt, sieht das schon wieder anders aus. Die Regel ist deshalb: Man nimmt nichts weg, was einem anderen gehört, auch wenn das noch so angenehm für einen selbst wäre. Das sieht ein Hund anders. Regeln über notwendige Verhaltensweisen, die das Zusammenleben friedlicher gestalten, sind also ganz pragmatisch und keinesfalls nur religiöser Art, wurden aber im religiösen Zusammenhang das erste Mal niedergeschrieben.

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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Darth Nefarius » Fr 28. Sep 2012, 19:47

Nanna hat geschrieben:Vielleicht hast auch einfach du keine Moral und unterliegst der Illusion, dass das bei allen anderen auch so wäre. ;-) Wobei ich nichtmal glaube, dass du kein Moralempfinden hast, dafür regst du dich über Ungerechtigkeiten viel zu schnell auf.

Sich aufzuregen ist kein Zeichen von Moral, sondern Ärger. Ich rege mich über den Schaden Gleichgesinnter oder mir Nahestehender auf, oder derjeniger, die bei mir Empathie hervorrufen; ich bin völlig parteiisch, das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.
Nanna hat geschrieben: Dir scheint's nur nicht in den Kopf zu gehen, dass man das als Mensch haben kann, ohne schwach und angreifbar zu sein, also rationalisierst du das über diese Kooperationslogik - klingt für mich jedenfalls so.

Nein, ich sehe meine Empathie durchaus als Schwäche, eine rationale Betrachtung dieses Phänomens schließt diese aber nicht aus. Es ist nur eine Emotionalität, die nichts mit Moral oder Altruismus zu tun hat. Und kooperatives Verhalten betrachte ich auch nicht als Schwäche in erster Linie, sondern als Notwendigkeit in der Wahl der Mittel zum Zweck (dieser ist für mich entscheidend).
stine hat geschrieben:Angenehm kann für mich sein, wenn ich mir nehme, was mir gefällt, wenn man mir einfach etwas wegnimmt, sieht das schon wieder anders aus.

Genau, wenn dir etwas angenehm scheint, wirst du es als "gut" bewerten, denjenigen, der dir etwas wegnimmt als "schlecht". Es gibt da eine weitgehende Kongruenz.
stine hat geschrieben: Die Regel ist deshalb: Man nimmt nichts weg, was einem anderen gehört, auch wenn das noch so angenehm für einen selbst wäre.

Unsinn, die goldene Regel ist primitiv und folgt einer "Auge um Auge"-Logik, nur in einem positiv bewerteten Kontext. Reziprozität ist ein kooperatives Prinzip, dass auch einige soziale Tiere neben dem Menschen kennen. Es resultiert nicht aus einer Moral. Abgesehen davon wird diese und jede andere Regel gebrochen, auch von Angehörigen der Spezies Mensch und noch spezfischer Anhängern der Moralidee.
stine hat geschrieben:Das sieht ein Hund anders.

Nein, das stimmt nicht. Er formuliert sich keine dämliche Regel dafür, handelt als soziales Wesen aber ähnlich. Wenn sich 2 Tiere im Kampf befinden, kann einer durch die Bloßlegung der Kehle seine Unterwerfung signalisieren. Der Gegner beist in den meisten Fällen (viel seltener wohl als der Mensch in analogen Situationen) nicht zu. Hunde oder Wölfe und andere soziale Tiere beherrschen ebenso einen sozialen Frieden wie der Mensch. Es braucht weder eine Religion oder eine Moral, um dieses Verhalten zu ermöglichen. Und diese waren auch nie Garantie dafür.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon AgentProvocateur » Fr 28. Sep 2012, 23:02

Darth Nefarius hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Das sieht ein Hund anders.
Nein, das stimmt nicht. Er formuliert sich keine dämliche Regel dafür, handelt als soziales Wesen aber ähnlich. Wenn sich 2 Tiere im Kampf befinden, kann einer durch die Bloßlegung der Kehle seine Unterwerfung signalisieren. Der Gegner beist in den meisten Fällen (viel seltener wohl als der Mensch in analogen Situationen) nicht zu.

Eine angeblich angeborene Beißhemmung bei Hunden und Wölfen ist eine urban legend, die auf Konrad Lorenz zurückgeht und heute als widerlegt gilt. Siehe dort:

Besonders kurios an der sich bis heute haltenden, völlig falschen Deutung der Ausdrucksbewegungen von Hunden und Wölfen ist, dass Erik Zimen seinen Lehrer Konrad Lorenz davon überzeugen konnte, dass dieser einer Fehldeutung aufgesessen war. Erik Zimen (1988): „Um so mehr erstaunt es mich, wenn ich heute noch bei manch einem unserer Hundeexperten tiefschürfende Erörterungen über Halsdarbietung und Beißhemmung lese, und wie der Sieger seinen Kontrahenten einfach nicht töten kann. Und dies noch oft mit einem moralischen Unterton, wie zweckdienlich die Natur doch sei und wie schrecklich der Mensch…“
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon emporda » Sa 29. Sep 2012, 03:42

Darth Nefarius hat geschrieben:
stine hat geschrieben: Die Regel ist deshalb: Man nimmt nichts weg, was einem anderen gehört, auch wenn das noch so angenehm für einen selbst wäre.

Unsinn, die goldene Regel ist primitiv und folgt einer "Auge um Auge"-Logik, nur in einem positiv bewerteten Kontext. Reziprozität ist ein kooperatives Prinzip, dass auch einige soziale Tiere neben dem Menschen kennen. Es resultiert nicht aus einer Moral. Abgesehen davon wird diese und jede andere Regel gebrochen, auch von Angehörigen der Spezies Mensch und noch spezfischer Anhängern der Moralidee.
Stimmt fast genau

Die frühen Hominiden haben gut 10 Millionen Jahre als nomadisierende Jäger und Sammler gelebt- Was immer brauchbar war, das hat man sich genommen. Ob etwas Gebrauchsspuren von Anderen hatte oder nicht, das spielte keine Rolle. Erst als Neolithiker werden sie sesshaft mit Eigentum, domestizieren Feldfrüchte und Wildtiere, bauen Siedlungen, erfinden Feuer, Rad, Pflug, Keule, Steinmesser, Speer, Pfeil mit Bogen, Schleuder, Keramik, Vorratshaltung, Haustiere und den Hackbau.

Der neu entwickelte Begriff von Eigentum oder Besitz ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit für ein sesshaftes Leben, ohne Respekt und Rücksicht darauf kann ein sesshafter Clan nicht existieren. Das hat mit Moral nichts zu tun. Die Beduinen der arabischen Wüste sind noch Halbnomanden, sie folgen ihren Herden über das Jahr im immer gleichen Kreis auf der Suche nach frischem Futter. Die Beduinen besitzen nichts, was man nicht binnen 3 Stunden auf Kamele verladen und mitnehmen kann - heute ist es der Pick-up. Grundstücke als Besitz sind unbekannt, es gibt allenfalls ein Gewohnheitsrecht auf einen guten Lagerplatz. Sie kennen keinen Grabkult, es gibt keine Friedhöfe. Verehrt wird einzig die Erinnerung an den Toten, der Körper wird achtlos verscharrt ohne jede Markierung. Trotzdem hat jede Untergruppe des Clans seine eigenen Transporttiere, sein Zelt und die notwendigen Gerätschaften. Jeder weiß wem davon was gehört und respektiert es.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon stine » Sa 29. Sep 2012, 08:43

Je kopmplexer eine Gesellschaft aufgestellt ist, umso komplexer die Regeln für ein geordnetes Zusammenleben.
Auch die Nomaden leben mit ihren Moralvorstellungen. Vielleicht sind sie nirgendwo niedergeschrieben, aber sie existieren in den Köpfen und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Ein friedliches Zusammenleben ohne Regeln ist praktisch nicht möglich.
Wenn @Darth mit seinem" Aug um Aug, Zahn um Zahn" Prinzip recht hätte, würde der Stärkere immer gewinnen. Aber genau das verhindert eine moralische Denkweise. Was gegen die "guten Sitten" verstößt, wird in der Tat zwar immer weniger, aber ein paar Dinge gibt es noch.

Der Mensch ist in meinen Augen mehr, als ein triebgesteuertes Tier. Wenn ihr das anders seht, dann bin ich froh, dass wir uns nur über das Netz kennen.

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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 29. Sep 2012, 09:20

AgentProvocateur hat geschrieben:Eine angeblich angeborene Beißhemmung bei Hunden und Wölfen ist eine urban legend, die auf Konrad Lorenz zurückgeht und heute als widerlegt gilt. Siehe dort:

Besonders kurios an der sich bis heute haltenden, völlig falschen Deutung der Ausdrucksbewegungen von Hunden und Wölfen ist, dass Erik Zimen seinen Lehrer Konrad Lorenz davon überzeugen konnte, dass dieser einer Fehldeutung aufgesessen war. Erik Zimen (1988): „Um so mehr erstaunt es mich, wenn ich heute noch bei manch einem unserer Hundeexperten tiefschürfende Erörterungen über Halsdarbietung und Beißhemmung lese, und wie der Sieger seinen Kontrahenten einfach nicht töten kann. Und dies noch oft mit einem moralischen Unterton, wie zweckdienlich die Natur doch sei und wie schrecklich der Mensch…“

Meinetwegen lag ich in dieser unbedeutenden verhaltensbiologischen Frage falsch. Der Punkt ist jedoch immer noch der, dass soziales Verhalten ohne Moral auch bei Tieren fähig ist, aus instinktiven Gründen. Ebenso lässt sich Zimens Deutung ebenso für meine Argumentation anwenden:
Zimen hat geschrieben:„Die Angst der Tiere scheint hier eine ganz besonders wichtige Rolle zu spielen. Sie verhindert in der Regel, dass fest zugebissen wird, denn darauf reagiert der Gegner ebenfalls mit festem Beißen.“
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 29. Sep 2012, 09:31

Zu emporda: Ich sehe nicht den Widerspruch zu meinen Aussagen. Respekt ist durchaus etwas Reales, nicht moralisches, da es eine nach allgemeinem Verständnis subjektive Angelegenheit ist und auch nichts Gegenteiliges beansprucht. Ebenso ist Respekt nichts erzwungenes, imperativ formuliertes.
stine hat geschrieben:Wenn @Darth mit seinem" Aug um Aug, Zahn um Zahn" Prinzip recht hätte, würde der Stärkere immer gewinnen.

Das ist nicht mein Prinzip, ich habe es mit deiner goldenen Regel gleichgesetzt, auf der deine Moralvorstellungen beruhen. Genau das fördert die moralische Denkweise, denn sie beansprucht für sich oft eine Art "Gerechtigkeit". Diese ist aber oft gleichzusetzen mit persönlicher Rache oder Genugtuung. Und dann kommen wir bei der biblischen Denkweise an, der dieses Zitat entstammt.
stine hat geschrieben:Der Mensch ist in meinen Augen mehr, als ein triebgesteuertes Tier. Wenn ihr das anders seht, dann bin ich froh, dass wir uns nur über das Netz kennen.

Die Triebe so negativ zu bewerten bedeutet, dass man seine Natur verleugnet und einem biederen, konservativen System nicht entwachsen ist. Die Triebe sind es, die jedem Lebewesen innewohnen und sie am Leben erhalten, ihr Verhalten bestimmen, dass wir manchesmal faszinierend finden. Wenn wir gegenüber dem Verhalten der Tiere Ehrfurcht empfinden können, warum dann nicht gegenüber dem selben bei uns? Wenn man sich öfter auf seine Bedürfnisse in offener Form und unter rationalen, egoistischen Aspekten besinnen würde, hätten wir wesentlich weniger Missverständnisse und weniger Grund uns zu zerfleischen. Aber niedere Triebe durch Moral zu glorifizieren, die einen Kompromiss in jeder Form aussschließen, das ist barbarisches Verhalten. Und nicht die Besinnung auf das, was man will.
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Nanna » Sa 29. Sep 2012, 09:34

Darth Nefarius hat geschrieben:
stine hat geschrieben: Die Regel ist deshalb: Man nimmt nichts weg, was einem anderen gehört, auch wenn das noch so angenehm für einen selbst wäre.

Unsinn, die goldene Regel ist primitiv und folgt einer "Auge um Auge"-Logik, nur in einem positiv bewerteten Kontext. Reziprozität ist ein kooperatives Prinzip, dass auch einige soziale Tiere neben dem Menschen kennen. Es resultiert nicht aus einer Moral. Abgesehen davon wird diese und jede andere Regel gebrochen, auch von Angehörigen der Spezies Mensch und noch spezfischer Anhängern der Moralidee.

Hat doch keiner gesagt, dass nur unter den Bedingungen von Moral und Goldener Regel Kooperation möglich wäre. Aber moralische Codizes geben Orientierung und dienen der Selbstkontrolle, damit man nicht einfach im Affekt irgendwelchen Impulsen nachgibt, sie verstärken und standardisieren vorhandene Neigungen zu sozial-kooperativem Verhalten.

Übrigens, deine Reziprozitätsideen werden dadurch, dass du deskriptiv feststellst, dass auch Wölfe mal kooperieren, noch lange nicht zu dem normativen Regelwerk, das eine Gesellschaft braucht (auch ein Gesetz, und wenn es nur banalste Sachverhalte regelt, ist bereits normativ). Aber was red ich...
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Re: Respekt, Würde, Ehre

Beitragvon Nanna » Sa 29. Sep 2012, 09:39

Darth Nefarius hat geschrieben:Die Triebe so negativ zu bewerten bedeutet, dass man seine Natur verleugnet und einem biederen, konservativen System nicht entwachsen ist.

Was glaubst du, was ich manchmal als Admin für niedere Triebe verspüre, wenn mir ein Diskussionsteilnehmer mit aggressivem Nichtverstehenwollen auf die Nerven geht. Vielleicht ist es für das Forum aber ganz gut, dass ich so ein Biedermeierclown bin und Prinzipien habe, hm?
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