Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leisten?

Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » Do 13. Sep 2012, 01:15

Nanna hat geschrieben:Was Chile angeht: Zum einen ist der Erfolg des Kapitalstocksystems der Renten, über das wir neulich geredet haben, meines Wissens in anderen Ländern nicht reproduzierbar gewesen. Vielleicht hat Chile zufällig ein historisches Fenster getroffen, in dem das System funktioniert, aber dann ist das System anscheinend weniger universal anwendbar, als du gerne hättest. Auch gibt es meines Wissens Streit unter Ökonomen, was in Chile durch welche wirtschaftspolitischen Weichenstellungen verursacht wurde.

In einer Hinsicht gebe ich dir Recht. Chile hat in mehrerlei Hinsicht einen günstigen Zeitpunkt erwischt. Erstens waren Anfang der 80er die wichtigsten AKtienmärkte der Welt wahnwitzig niedrig bewertet. Zweitens war es der Beginn einer Phase rekordhoher Realrenditen im Anleihebereich am langen Ende (als die Inflation runter ging). Drittens stand das Land selbst durch diverse Reformen am Beginn eines gewaltigen Booms. Viertens konnte man im Exportbereich (Kupfer) zunehmend von der steigenden Nachfrage durch den Fall des eisernen Vorhangs profitieren.
Der wesentliche Unterschied im System ist aber ein ganz andrer. Es verbreitert die Basis. Das Problem, das unser deutsches System hat ist die Unerbittlichkeit der Demographie. Noch haben wir ziemlich wenige Alte und viele im Erwerbsleben und trotzdem weisen die System schon riesige Löcher auf. Das Problem wirkt nämlich an zwei Enden. Zum einen leidet die Wirtschaftsleistung pro Kopf (weil der Anteil der Erwerbstätigen sinkt) und gleichzeitig steigt der Anteil der zu versorgenden, d.h. es muss ein immer höherer Anteil der Wirtschaftsleistung in die Finanzierung des Konsums der Alten gesteckt werden und steht nicht mehr für Investitionen zur Verfügung.
Und aus der Falle (die in D aufgrund der demografischen Struktur fataler ist als sonstwo) kommt D auch nicht mehr raus, weil man es vor 30 Jahren verpennt hat, das System umzustellen. Man hätte die Exportüberschüsse der letzten 30 Jahre ummünzen müssen in Firmenbeteiligungen in Ländern mit positiver Demografie und stabilen Verhältnissen (z.B. USA), um dann wenn wir vergreisen, von den Dividenden von dort unseren KOnsum zu bestreiten. Das wurde allerdings nicht nur unterlassen, sondern sogar die privat initiierten Ansätze noch systematisch per Anreizsetzung durch die Steuerpolitik aktiv hintertrieben.

Nanna hat geschrieben:Ganz generell finde ich den Vorwurf an das Gleichheitsideal, dass es zu Gewaltexzessen führen würde, irreführend (weil die rechtliche Gleichheit der Menschenrechtserklärung z.B. nichts mit der Gleichheit als rassischer und ideologischer Homogenität der Nazis zu tun hat) und dann ist ja gerade Chile ein Land, in dem die Durchsetzung des Kapitalismus unter Pinochet selbst auch mit Gewaltexzessen und Grausamkeit verbunden war.

Ich zielte grad eigentlich weniger auf Hitler, sondern auf die beiden Brüder jenseits des eisernen Vorhangs ab, die MEnschen im Namen der Gleichheit buchstäblich zu Millionen verhungern ließen. Was nun die Geschichte Chiles angeht, so ist sie mir von Chilenen, die die ZEit erlebt haben etwas anders erzählt worden, als das gängigerweise so bei uns passiert. Ähnlich ging es mir auch schon einige Zeit davor mit Afghanistan und dem Irak. Und zwar jeweils von Menschen, bei denen ich wenig Anlass habe zu glauben, dass sie mich anlügen und deren poltische Gesinnung sicherlich alles andre als extrem ist. Letztlich ist aber der Versuch Menschen (abseits ihrer gesetzlichen Rechte) "gleich" machen zu wollen, im Zweifelsfall m.E. eher abzulehnen, weil der Schritt zur Entwertung des Individuums zugunsten des Kollektivs ("Du bist nichts,...") nicht weit ist.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon stine » Do 13. Sep 2012, 06:51

provinzler hat geschrieben:Wie ich bereits andeutete auch der Libertarismus ist in sich keine homogene Erscheinung. Gleichheit (abgesehen von derjenigen vor dem Gesetz) ist allerdings kein Ideal, dass es wirklich anzustreben gilt, denn seine Durchsetzung führt letztlich (das lehrt die Geschichte) immer am Ende zu Gewaltexzessen. Anders sieht es hingegen mit der Solidarität. Nun gibt es aber Stimmen (und ich bin durchaus geneigt mich diesen anzuschließen), die Solidarität als etwas sehen was aus eigenem Antrieb und aus hehren MOtiven heraus geschieht, und nicht durch Anwendung von Zwang. Es ist ein Unterschied ob ein Wohltäter seine eigenen Mittel einsetzt, oder solche, die er fremden Menschen gewaltsam abgenommen hat. Wenn ein Bill Gates seine Milliarden zur Verfügung stellt um damit Krankenhäuser in Afrika zu bauen, ist das eine großherzige Tat. Wenn ein Politiker andrer LEute Geld verteilt, geht er hingegen kein eigenes Risiko ein. Das ist der Unterschied. Deshalb wird Gates auch dafür Sorge tragen, dass von seiner Kohle nix verschwendet wird, während dem Poltiker das herzlich egal ist. Hauptsache der Dienstwagen kann weiter finanziert werden.
Wenn du ein kapitalistisches Musterländle sehen willst, dann schau dir die Entwicklung Chiles über die letzten 30 Jahre an, nachdem es der Sozialist Allende fast geschafft hatte, die Bevölkerung im Namen seiner Ideologie auszuhungern...
:2thumbs:
Kurz und bündig - allgemeinverständlich formuliert - und vollste Zustimmung meinerseits!

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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon stine » Do 13. Sep 2012, 07:58

Nanna hat geschrieben:... weil wir eben nicht einfach nur nebeneinander existierende Individuen sind, sondern soziale Superstrukturen formen, die als Gebilde plötzlich Dinge tun, die so kein Einzelner entschieden hat
...aufgrund einer sich immer mehr ausweitenden Überbevölkerung und daraus resultierender Zwangskameradschaft.

Ich nenne das mal das Großstadtphänomen: Es gibt nach wie vor, die geographischen und psychologischen Grenzen der Zusammenrottung. Der Mensch ist in seinem Wollen nur bedingt ein soziales Wesen. Er ist an seinem Clan interessiert, alles was darüber hinaus geht braucht übergeordnete Regeln, die dann aber oft nicht mehr mit seinem Eigeninteresse koform sind.
Der Möglichkeit der Kommunikation und dem daraus resultierendem Bildungsfortschritt haben wir es zu verdanken, dass Menschen zwar hirngesteuert an sozialen Strukturen optimierend arbeiten können, das Empfinden des Einzelnen damit aber nicht zwangsläufig nachziehen und sogar überfordern. Je nach Bildungsstand, kann ein soziales Muss anerkannt oder als aufgesetztes Diktat völlig ignoriert oder sogar bekämpft werden.

Wäre der Mensch aus sich heraus ein durch und durch soziales Wesen, gäbe es keinerlei Verbrechen und kriegerische Auseinandersetzungen. Jeder würde auf den anderen länderübergreifend achten und sich im Notfall für ihn einsetzen.

Zurück zum Wohlfahrtsstaat: Die Hetze auf Großverdiener ist zwar verständlich, macht aber nur bedingt Sinn, denn auch ihr Beitrag ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Knackpunkt ist doch, dass die große Umverteilung nur dann funktioniert, wenn alle zahlen, auch die, die sich mit viel Fleiß selber gerade mal so über Wasser halten. Politische Sozial- und Fiskalpolitik wird deswegen immer eine Gratwanderung zwischen Geben und Nehmen sein müssen, um sozialverträglich zu bleiben. Wenn sich Fleiß nicht mehr "lohnt", werden immer weniger für immer mehr arbeiten müssen und dann bricht der ganze Wohlfahrtsstaat sowieso zusammen.

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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Do 13. Sep 2012, 17:42

Nanna hat geschrieben:Um das klarzustellen: Mir gefallen am Libertarismus zum einen der Gedanke, dass man Freiheit ernst nimmt (wird dort allerdings zum Fetisch erhoben und übertrieben bzw. andere Güter, auch ideelle wie z.B. die Gleichheit oder Solidarität, werden verleugnet oder gar für schädlich erklärt) und zum anderen, dass der Aufruf zur Eigenverantwortung so stark ist. Zum Allheilmittel taugt beides nicht, weshalb ich ja interessiert daran gewesen wäre, einen pragmatischen Vorschlag zur Lösung z.B. der Arbeitsmarktprobleme zu hören, der einen libertären Einschlag hat, aber nicht gleich fordert, das ganze Wirtschaftssystem umzubauen (denn mit der Einführung des reinen Marxismus kriege ich, zumindest theoretisch, das Arbeitsmarktproblem genauso gelöst).


Ich sehe das im Prinzip ähnlich, wobei bei der Diskussion über "Liberalismus", "Libertarismus" oder "Neoliberalismus" einiges durcheinander geht, da die Begrifflichkeiten schlecht definiert sind. Ich denke auch @Gandalf weiß nicht ganz so genau wie er vorgibt, worüber er redet. Jedenfalls sind seine eingangs aufgestellten Thesen* nicht mit der Österreichischen Schule vereinbar (die ich auch eher als Ordoliberalismus ansehe (auch nicht 100% korrekt), wobei ich micht vorwiegend mit Röpke und Hayek und nur wenig mit Mises beschäftigt habe). Diese Autoren geben ja im Gegensatz zu den Marktradikalen unumwunden zu, dass es einen staatlichen Rahmen geben muss und soll. Zum Thema Arbeitslosigkeit mal ein Zitat von Hayek:

Es gibt schließlich das äußerst wichtige Problem der Bekämpfung der Konjunkturschwankungen und der periodischen Massenarbeitslosigkeit, die mit ihnen einhergeht. ... Gewiß wird zu seiner Lösung viel Planung im guten Sinn notwendig sein.
FA Hayek, Der Weg zur Knechtschaft. Hervorhebung durch mich.

Röpke sagt zu diesen Krisen explizit:
Es ist zuzugeben, daß das Gleichgewicht der kapitalintensiven Marktwirtschaft ... labil ist. ... Alles deutet darauf hin, daß ihre Hauptursachen ... in Unvollkommenheit des Geld- und Kreditsystems und der Kapitalverteilung liegen.
Die Gesellschasftskrisis der Gegenwart, 190ff

Natürlich argumentieren diese Autoren gegen zuviel staatlichen Einfluss und sehen in den Krisen eher ein notwendiges Übel, aber niemand von Ihnen behauptet, dass der Markt ein sich selbst regulierendes System sei. Eingriffe durch "den Staat" werden zwar kritisch gesehen und teilweise brilliant kritisiert (s. Misese Kritik an der Bürokratie), aber der plumpe Glauben an die allein selig machende Wirkung des Marktes wird von ihnen natürlich nicht vertreten. Dazu sind sie viel zu tief im Thema.

Diese Autoren fordern deshalb explizit und mehrfach dazu auf, dem Markt einen gesellschaftlichen und gesetzlichen Rahmen zu geben, im innerhalb dieses Rahmens aber soweit als möglich in Ruhe zu lassen. Nun kann man über Art und Umfang des Rahmens zwar trefflich streiten, aber die Idee der Markt würde alles letztendlich regeln, da er sich selbst reguliert, ist explizit nicht Bestandteil der Lehre der Österreichischen Schule und ihres Umfeldes (wozu Röpke gehört). Damit kann ich mich vollkommen anfreunden. Der Teufel steckt natürlich im Detail, aber mit diesen Menschen hätte man darüber diskutieren können, ab wann der Staat eingreifen darf um Massenarbeitslosigkeit und Umweltverschmutzung zu verhindern.

Mit gewissen anderern, angeblichen Vertretern dieser Theorie ja nun leider nicht.

* Ich finde es im Übrigen erfrischend und eigentlich sehr interessant, dass er sich mit solchen Thesen hier offensiv zur Diskussion aufstellt. Leider kann man meiner Wahrnehmung nach nicht wirklich ernsthaft mit ihm darüber reden, was für beide Seiten schade ist. Aber da @Gandalf ja auch explizit darum bat, werde ich dann den direkten Dialog mit ihm auch einstellen.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon webe » Do 13. Sep 2012, 18:53

stine:

Gerechtigkeit ist keine Hetze auf Grossverdiener, aber dennoch ist es gerechtfertigt, personelles Milliardenvermögen abzulehnen.
Unser Rentensystem hat und würde auch heute noch toll funktionieren. Man sollte sich mal die Freiheit nehmen und nachverfolgen, für was die gesetzlichen Rentenversicherungen zeckentfremdet wurden, hier würde auch die private Versorgung zum Rohrkrepierer.

Wenn jeder Berufstätige- ob selbständig, angestellt, beamtet- in diesen Rententopf einbezahlen müsste, darunter auch Vermögen wie Vermietungen, Erbschaftsvermögen unsw., wäre die Rente allemal weiterhin auf Jahre hinaus gesichert.
Aber vor lauter akademischen Purzelbäume sieht man die Bodenstruktur nicht mehr!

Solidarität ist letztendlch der Dünger führ eine blühende Staatspolitik, in der alle Schichten ihr Auskommen und Gerechtigkeit haben. :applaus:
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » Do 13. Sep 2012, 19:26

webe hat geschrieben:stine:

Gerechtigkeit ist keine Hetze auf Grossverdiener, aber dennoch ist es gerechtfertigt, personelles Milliardenvermögen abzulehnen.
Unser Rentensystem hat und würde auch heute noch toll funktionieren. Man sollte sich mal die Freiheit nehmen und nachverfolgen, für was die gesetzlichen Rentenversicherungen zeckentfremdet wurden, hier würde auch die private Versorgung zum Rohrkrepierer.

Och immer das Entleeren der Rentenkassen. Nochmal zum Mitschreiben. In einem Umlagesystem gibt es keinen Topf aus dem sich jemand bedienen kann. Was links reingeht, geht rechts postwendend wieder raus. Und es wird links immer weniger reinkommen (weniger Einzahler) und rechts pro Nase weniger übrigbleiben (mehr Bezieher) und die EInzahler werden immer höhere Anteile ihrer Einkommen abführen müssen. Und selbst wenn du jegliches Vermögen in Deutschland enteignest (inkl. Immbolienbesitz) kannst du damit die Löcher allenfalls für ein paar Jahre stopfen. DAs ist ein mathematisches und kein ideologisches Problem.

webe hat geschrieben:Wenn jeder Berufstätige- ob selbständig, angestellt, beamtet- in diesen Rententopf einbezahlen müsste, darunter auch Vermögen wie Vermietungen, Erbschaftsvermögen unsw., wäre die Rente allemal weiterhin auf Jahre hinaus gesichert.

Bis aus diesen neuen Einzahlungen, bei deren Rentenantritt auch wieder Ansprüche erwachsen. Ist bei Ponzischemata immer so. Solange es gelingt immer mehr Einzahler zu generieren klappts. Bernie Madoff sitzt im Knast, unsere Politiker laufen frei rum. Der Unterschied: Madoff hat niemanden zum Einzahlen genötigt...
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Gandalf » Do 13. Sep 2012, 20:11

Zappa hat geschrieben: Diese Autoren geben ja im Gegensatz zu den Marktradikalen unumwunden zu, dass es einen staatlichen Rahmen geben muss und soll. Zum Thema Arbeitslosigkeit mal ein Zitat von Hayek:

Es gibt schließlich das äußerst wichtige Problem der Bekämpfung der Konjunkturschwankungen und der periodischen Massenarbeitslosigkeit, die mit ihnen einhergeht. ... Gewiß wird zu seiner Lösung viel Planung im guten Sinn notwendig sein.
FA Hayek, Der Weg zur Knechtschaft. Hervorhebung durch mich.

Röpke sagt zu diesen Krisen explizit:
Es ist zuzugeben, daß das Gleichgewicht der kapitalintensiven Marktwirtschaft ... labil ist. ... Alles deutet darauf hin, daß ihre Hauptursachen ... in Unvollkommenheit des Geld- und Kreditsystems und der Kapitalverteilung liegen.
Die Gesellschasftskrisis der Gegenwart, 190ff


..es wird immer dreister. Hier das vollständige Zitat von Hayek

Der Satz der 'unmittelbar' Deinem Zitat folgt und ausdrücklich darauf hinweist, das überhaupt nicht der 'staatliche Rahmenplan' gemeint sein kann, den Du hier wieder hinein zu interpretieren versuchst, bzw. in einer Konstruktion vorausgesetzt hast.

".........Indessen erfordert es nicht jene besondere Art von Planung, die nach Ansicht ihrer Verteidiger den Markt ersetzen soll. Viele Nationalökonomen hoffen tatsächlich, das die letzte Lösung auf dem Gebiet der Währungspolitik gefunden werden kann, und zwar durch Maßnahmen, die selbst mit dem Liberalismus des 19. Jahrhunderts zu vereinbaren wären.... (und weiter)... Jedenfalls führen die dringend notwendigen Bestrebungen, sich gegen die Wirtschaftsschwankungen zu schützen, nicht zu der Art von Planung, die unsere Freiehit so sehr bedroht"


Und natürlich erkennst Du auch nicht, was Röpke kritisierte als er über das reale staatliche (Betrugs- bzw.) Zwangsgeldsystem seiner (und unserer) Zeit sprach, in dem er lebte und Hayek über das freebanking und goldgedeckte Systeme des 19. Jh, die erfolgreiche Lösungsansätze aufzeigen könnten.

Aber nein, keine Angst, nicht weiter, - es ist mir einfach nur noch zu blöd, zumal Du auch unfähig scheinst, erkennen zu können, das wenn man gegen etwas ist, nicht 'automatisch für' das ist, was Du aus rein subjektiven Gründen für das Gegenteil halten möchtest. :lookwrong:
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Gandalf » Do 13. Sep 2012, 20:32

Nanna hat geschrieben:Ganz generell finde ich den Vorwurf an das Gleichheitsideal, dass es zu Gewaltexzessen führen würde, irreführend (weil die rechtliche Gleichheit der Menschenrechtserklärung z.B. nichts mit der Gleichheit als rassischer und ideologischer Homogenität der Nazis zu tun hat) und dann ist ja gerade Chile ein Land, in dem die Durchsetzung des Kapitalismus unter Pinochet selbst auch mit Gewaltexzessen und Grausamkeit verbunden war.


Du hast vlt. den (zu) dezenten Hinweis von Provinzler übersehen, der möglicherweise 'grundlegend' für weitere Überlegungen ist (auch in den Zusammenhang mit den "faktischen Korrelationen", die Zappa hier reingeworfen hat)

Zitat "Provinzler": Gleichheit (abgesehen von derjenigen vor dem Gesetz) ist allerdings kein Ideal, dass es wirklich anzustreben gilt, denn seine Durchsetzung führt letztlich (das lehrt die Geschichte) immer am Ende zu Gewaltexzessen


Es geht (nach Hayek) um die 'Entscheidung' zwischen 'Regelgerechtigkeit' und 'Ergebnisgerechtigkeit' (= die sogen. "soziale Gerechtigkeit"). Da die Menschen jedoch unterschiedlich sind (stellt diese These etwa auch jemand in Frage?), ist Letztere jedoch nur zu erreichen, wenn man manche Menschen bevorzugt und andere dafür benachteiligt.

WER entscheidet aber nun, wer, wann und wie "gleich ist? Der Papst? Der Staatsratsvorsitzende? Der Führer? -Also all jene 'Gottspieler', die die Libertären regelmäßig so ätzend kritisieren?

Im dümmsten Fall bekommt der Benachteiligte "immer zu wenig" zugeteilt und der "Bestrafte immer zuviel" abgezogen, weil ja auch der "Adminsitrator" sich seinen Teil (leistungslos im Namen der Verteilungsgerechtigkeit) abzweigen möchte und die beiden Streithähne "noch dümmer" aussehen lässt, in einem System, das nur 'Benachteiligte' und 'Bestrafte' (und Selbstgerechte) produziert.

'Regelgerechtigkeit' stellt hingegen unmittelbar die Verbindung zwischen Handlung und Haftung wieder her und eröffnet Möglichkeiten zur freiwilligen Kooperation, die nicht nur materiell eine "win/win" Situation darstellt, sondern auch eine (menschliche) Solidarität ermöglicht, die nicht auf (angeordnete) Zwangsmaßnahmen beruht, die nur zur Selbstbefriedigung der gottspielenden Gutmenschen dient.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon webe » Do 13. Sep 2012, 21:21

Warum ist jene gutbegüterte Person bestraft, wenn sie solidarisch Abgaben von dem Vermögen für die Gesellschaft, dem Staat, ableistet?
Muss nicht auch der Durchschnittsverdiener im Verhältnis zum Reichen mehr an den Staat, der auch die Oberschicht als Glied hat, von seinem Vermögen, Einkommen abgeben?
Das finanzierte Netz fängt auch gescheiterte Oberschichtler auf! :2thumbs:
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Nanna » Do 13. Sep 2012, 21:47

Gandalf hat geschrieben:Im dümmsten Fall bekommt der Benachteiligte "immer zu wenig" zugeteilt und der "Bestrafte immer zuviel" abgezogen, weil ja auch der "Adminsitrator" sich seinen Teil (leistungslos im Namen der Verteilungsgerechtigkeit) abzweigen möchte und die beiden Streithähne "noch dümmer" aussehen lässt, in einem System, das nur 'Benachteiligte' und 'Bestrafte' (und Selbstgerechte) produziert.

Das Problem ist nicht, dass der Administrator keine Leistung erbringt, sondern dass du die Leistung, die er erbringt, für überflüssig hältst. Das liegt daran, dass es für dich keine anderen Gründe gibt, irgendwo Leistung zu bringen, als den, dass vorher jemand angekündigt hat, dafür zu bezahlen. Gesamtgesellschaftlich kann es aber sinnvoll sein, zwangsfinanzierte Zwangssysteme zu haben (auch das Justizsystem gehört dazu, deine Gerichtsgebühren musst du zahlen, ob du willst oder nicht), die die Stabilität des gesamten Systems garantieren. Da werden wir aber auch nicht auf einen grünen Zweig kommen, weil du Herrschaft als destabilisierend siehst und ich als notwendige (nicht hinreichende) Bedingung für Stabilität.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon stine » Fr 14. Sep 2012, 06:30

Nanna hat geschrieben:...zwangsfinanzierte Zwangssysteme...
Natürlich muss Ordnung sein. Die Frage darf aber auch erlaubt sein, wieviel braucht man von was?
Da gibt es Beispiele genug, wie mehr Lehrer an die Front, weniger ins Kultusministerium.
Die Beispiele Italien und Griechenland zeigen ja nun gerade, in welche finanziellen Nöte ein Beamtenstaat geraten kann und wie sehr dann trotzdem ein Volk ausblutet, weil lieber alle in der "gehobenen" Beamtenlaufbahn in ihre Sessel :fart: .

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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon webe » Fr 14. Sep 2012, 09:40

Der demokratische Staat ist eine Dienstleistung für alle Schichten, somit zieht jeder unabhängig von seine rgesellschaftlichen Stellung seinen Nutzen daheraus.
Deswegen hat jeder Bürger die Pflicht diesen Staat mit entsprechenden Abgaben funktionstüchtig zuhalten.
Der kritische Punkt ist aber, dass momentan untere Schichten dem Staat mehr finanzielle Leistungen von ihrem Einkommen, Vermögen geben müssen, während gehobene, also überdurchschnittlich Vermögende weniger Abgaben im Verhältnis zu ihrem reichen Vermögen abgeben müssen.

Erschwert wird das Ganze der Abgabengerechtigkeit, dass hier laufend an Wirtschaftsphilosien erinnert wird, die sich gut für blumreiche Meinungsaustausche eignen, aber bisher keine einzige Wirtschaftskrise verhindert hat.
Nüchternheit und Ehrlichkeit würde die Politik und somit die Wirtschaft weniger stressen, eher erfolgreicher machen! :lachtot:

Sport und Politk-siehe Fussball und Wirtschaft- sind Bereiche, wo es die unzählige Fachwissenweise gibt. die die wenigen wirklich kompitenten Fachgrössen abbremsen.
Hier ist das Religionsgebaren nüchterner, was in Richtung Sport und Politik fehlt: Siehe Ausbeute vom Sport und die Wirtschaftskrisen. Mikrig! :kopfwand:
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon stine » Fr 14. Sep 2012, 10:22

webe hat geschrieben:Der kritische Punkt ist aber, dass momentan untere Schichten dem Staat mehr finanzielle Leistungen von ihrem Einkommen, Vermögen geben müssen, während gehobene, also überdurchschnittlich Vermögende weniger Abgaben im Verhältnis zu ihrem reichen Vermögen abgeben müssen.

Untere Schichten müssen nichts, bis wenig abgeben, wenn überhaupt, dann müssen sie nur auf Leistungen des Staates verzichten. Am meisten blecht der Mittelstand per Lohnabzug ohne sich wehren zu können.
Die Frage ist, wo beginnt Reichtum?
Ab wann ist jemand "reich", wie ist das @webe?

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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » Fr 14. Sep 2012, 10:26

webe hat geschrieben:Der kritische Punkt ist aber, dass momentan untere Schichten dem Staat mehr finanzielle Leistungen von ihrem Einkommen, Vermögen geben müssen, während gehobene, also überdurchschnittlich Vermögende weniger Abgaben im Verhältnis zu ihrem reichen Vermögen abgeben müssen.


Hättest du bitte die Güte, diese Behauptung mit Fakten zu unterlegen?
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Lumen » Fr 14. Sep 2012, 10:52

"Untere Schichten" ist etwas fragwürdig. Vielleicht ist die kalte Progression gemeint. In der Tat gibt es direkt über den Freibeträgen einen Nachteil, weil von da ab jede weitere Einkommensteigerung besteuert wird...

Durch den progressiven Einkommensteuertarif wird für jeden über dem Grundfreibetrag verdienten Euro ein höherer Einkommenssteuersatz (Grenzsteuersatz) fällig – das Realeinkommen sinkt.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Nanna » Fr 14. Sep 2012, 13:00

stine hat geschrieben:
Nanna hat geschrieben:...zwangsfinanzierte Zwangssysteme...
Natürlich muss Ordnung sein. Die Frage darf aber auch erlaubt sein, wieviel braucht man von was?

Die Frage ist ja nicht nur erlaubt, sondern völlig notwendig. Nur ging die Antwort primär an Gandalf, der von Abwägungen eher wenig zu halten scheint und kompromisslos die reine Lehre des libertären Anarchismus vertritt. Da lässt sich eine pragmatische Diskussion schwer führen.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Fr 14. Sep 2012, 18:23

Nanna hat geschrieben:Die Frage ist ja nicht nur erlaubt, sondern völlig notwendig. Nur ging die Antwort primär an Gandalf, der von Abwägungen eher wenig zu halten scheint und kompromisslos die reine Lehre des libertären Anarchismus vertritt. Da lässt sich eine pragmatische Diskussion schwer führen.


Wobei ich denke, dass dies auch ein Theorieproblem ist. Der Kern des Libertarismus hat ja ein Marktmodell, dass ohne Einfluss von außen angeblich perfekt funktioniert. Theoretisch funktioniert dieser Markt also wunderbar (man musste hier und da zwar theoretisch nachjustieren, u.a. beim Menschenbild), nur offenbar in der Praxis nicht. Es gab und gibt keinen real existierenden Markt, der nach diesen Konzepten wirklich funktioniert (und ich meine funktionieren kann).

Libertäre, die sich nicht der Faktenlage verschließen, sehen dann durchaus ein, dass der Markt einen gewissen Rahmen benötigt, also hier und da reguliert werden muss. Nur gibt ihre Theorie Ihnen von innen heraus keine Möglichkeit zu bestimmen wo und wann das sinnvoll sein könnte, denn alles beruht ja prinzipiell auf dem angeblich sich selbst regulierenden Markt. Es ist also auch ein theoretisches Dilemma und ich weiß nicht, ob man das aus dem Libertarismus heraus lösen kann. Es gibt da ja u.a. ganz putzige Strömungen, wie den Paläolibertarismus, der Anarchokapitalisten wie unseren @Gandalf mit straff Konservativen, die von naturgegebenen Autoritäten wie Gott und Familie überzeugt sind, "vereinen". Der Libertarismus hat meiner Meinung nach ein ordentliches theoretisches Problem, Dinge wie Gesellschaft und Staat zu verstehen und zu beschreiben. Da werden ja teilweise Thesen vertreten, dass die Erhebung von Steuern prinzipiell unmoralisch und Diebstahl sei etc. pp. Man sieht diese Koexistenz von Anarchismus und Konservatismus z.B. auch sehr gut in der Tea-Party Bewegung.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Nanna » Sa 15. Sep 2012, 09:54

Ja, der Libertarismus scheint mir eine äußerst geringe Toleranz für veränderte Randbedingungen zu haben. Es ist im Prinzip ja das Problem jeder Utopie, dass kaum zählbar viele Voraussetzungen auf allen möglichen Gebieten erfüllt sein müssen, damit das Ding auch nur theoretisch funktioniert. Meistens hakt es schon am Menschenbild, das viel zu einheitlich gedacht ist. Der Utopist geht meist davon aus, dass nur bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen, meist in der Struktur der Ökonomie und Politik, dann würden so ziemlich alle Menschen auf einmal erkennen, was die "Wahrheit" ist und warum nach ihr zu handeln wäre. Da unterscheiden sich die radikalen Libertären übrigens meines Erachtens wenig von den Kommunisten oder religiösen Fundamentalisten. Bei den einen ist halt der freie Markt das Allheilmittel, bei den anderen die Vergemeinschaftung der Produktionsmittel oder die weltweite Hinwendung aller Menschen zum Islam, Christentum usw.

Solche Utopien gehen letztlich aber immer von sehr statischen Zuständen aus. Wenn sich dann die Randbedingungen ändern, was sie in einem dynamischen Universum ständig tun, kann unter solchen utopischen Zuständen nicht nachreguliert werden. Wenn man mehrgleisig fährt, kann man den Einfluss von Staat, Markt, Weltanschauungen etc. in einem gewissen Rahmen anpassen, teilweise durch gezieltes Umsteuern der Regierung, teilweise durch gesellschaftlichen Diskurs bzw. viele Einzelentscheidungen. Dafür darf man aber nicht von vornherein kategorisch ausschließen, dass eine Gesellschaft z.B. in einer Krisensituation einen Teil ihrer Freiheit aufgibt, um sich zu schützen (etwa durch den Zwangseinzug der jungen Leute zum Militärdienst, die Enteignung von Oligarchen o.ä.). Der Libertarismus tut hier zwar immer so, als wäre er ein unheimlich dynamisches Konzept, aber das halte ich für eine Fehleinschätzung. Der Libertarismus arbeitet nur in einem bestimmten Teil dynamisch, nämlich dem Wirtschaftlichen und auch da nur unter der Annahme, dass alle Menschen sich zu bestimmten Grundsätzen konform verhalten, also z.B. arme, unausgebildete Menschen bereit sind, für einen Hungerlohn zu arbeiten, anstatt kriminell zu werden (wozu noch kommt, dass Kriminalität mehr als nur wirtschaftliche Ursachen hat, also wahrscheinlich auch unter den perfekten libertären Umständen weiter vorhanden wäre; zum einen, weil es nach wie vor ein Geschäftsmodell wäre, zum anderen, weil es soziale und psychische Gründe gibt, kriminell zu werden). In anderen Bezügen ist er schon von der theoretischen Anlage her ziemlich starr und unbeweglich. Da werden Einwände wie die Notwendigkeit von Staatlichkeit dann nur mit dem "Argument" abgeschmettert, dass der Staat ja unter den Bedingungen des Libertarismus nicht notwendig wäre. Klar, utopische Konstellationen, wo der Wolf sich zum Lamm legt und alles gut ist, kann ich in der Theorie auch konstruieren. Taugt als Gutenachtgeschichte für Ökonomenkinder, aber ist als Konzept für die Realität halt einfach ein bisschen zu unterkomplex.
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon provinzler » Sa 15. Sep 2012, 10:22

Nanna hat geschrieben: Klar, utopische Konstellationen, wo der Wolf sich zum Lamm legt und alles gut ist, kann ich in der Theorie auch konstruieren. Taugt als Gutenachtgeschichte für Ökonomenkinder, aber ist als Konzept für die Realität halt einfach ein bisschen zu unterkomplex.


Soweit ich weiß, waren weder Ludwig von Mises noch sein Schüler Friedrich August von Hayek Anarchisten. Bei Ludwig Erhard kommt noch die Anti-Kartellpolitik dazu, ansonsten das gleiche in schwarz (auch wenn er erst ein die Union eingetreten ist, als er Kanzler werden sollte). Allerdings kann ich mir nicht verkneifen, dass für Länder meistens wirtschafltich in der Tat auch für breite Massen auf mittlere Sicht (10-20 Jahre) nicht zum Schaden gereicht, wenn die Schüler des Liberalismus/Libertarismus irgendwo mal zufällig (meist im Zuge von Umwälzungen) an die Macht gespült wurden...(Erhard, Chicago-Boys, Thatcher...)
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Re: Wie lange können wir uns noch den Wohlfahrtsstaat leiste

Beitragvon Zappa » Sa 15. Sep 2012, 11:27

provinzler hat geschrieben:Soweit ich weiß, waren weder Ludwig von Mises noch sein Schüler Friedrich August von Hayek Anarchisten.


Das ist schon korrekt, aber die nahmen auch immer an, dass außerhalb der Sphäre des Marktes eine konservative und werteorientierte Gesellschaft die Dinge irgendwie auch im Rahmen hielt. Warum und wie diese Gesellschaft funktioniert und wie genau die Abgrenzung vom Markt und der Gesellschaft definiert werden soll, hat sie kaum Interessiert. Ich wüsste auch nicht, wer je von ihnen ernsthaft thematisiert hätte, was passiert, wenn die Werte der (externen) Gesellschaft mit "dem Markt" in Konflikt geraten. Das Problem wurde ausgeblendet. Auch Röpke, der dieses Schnittstellenproblematik sieht, ja sogar unter ihr leidet, findet da kaum klare Antworten.

Als Libertärer habe ich meiner Meinung nach nur zwei Möglichkeiten (weil die Theorie ja auf den Markt fixiert ist): Ich denke, dass die Gesetze des Marktes ("unregulierter Eigennutz ist am besten") auch das gesellschaftliche Zusammenleben determinieren (Anarchokapitalismus) oder denke mir die Sphäre außerhalb des Marktes als von außermarktlichen "Werten" bestimmt (Paläolibertarismus). Diese Werte können gerne auch stockkonservativ sein und bis hin zur bibeltreuen Auslegung gehen. Deswegen diese merkwürdige Allianz.

@Nanna: Ich denke es ist nicht so sehr das Problem der Statik, sondern das mangelnde Verständnis dafür, dass Theorien prinzipiell reduktionistisch sind und immer hinter der Realität zurück fallen. Die Realität an eine Theorie anpassen zu wollen ist in meinen Augen eine sehr begrenzte, um nicht zu sagen tumbe, Weltanschauung. Darüber hinaus ist sie natürlich auch noch gefährlich.

Man kann nur versuchen mit Theorien die Welt möglich gut zu erklären und da wo man sich einigermaßen sicher ist, dass die Theorie auch diesbezüglich nützlich sein könnte, vorsichtig Handlungsanleitungen aus ihr abzuleiten. Selbstverständlich wäre die Folge eines solchen Theorieverständnis weniger Statik, da die Theorie sich ständig an die äußeren Bedingungen anpassen müsste. In den Naturwissenschaften ist dies längst Gang und Gäbe, in den Sozialwissenschaften nocht nicht so ganz.
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