Ist Demokratie möglich?

Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon webe » Sa 28. Jul 2012, 12:48

http://www.welt.de/regionales/duesseldo ... ratie.html

Hier die Fakten über meinen Vorbericht über Welt-Onlinie.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 28. Jul 2012, 16:13

xander1 hat geschrieben:Hier ein Video zur Weisheit der Masse.
Man kann sich denken, was das zur direkten Demokratie beisteuert.
http://www.youtube.com/watch?v=AJNfETDL ... ure=g-feat

Schwarmintelligenz ist nicht das gleiche wie Anarchie, im Gegenteil. Das aufgeführte Beispiel der Ameise funktioniert völlig totalitär. Auch ein gleichgeschaltetes Volk funktioniert nach Schwarmintelligenz, ist sie deswegen eine Anarchie oder Demokratie? Nein.
Ein grausames Gegenbeispiel für deinen Ansatz wäre doch die Loveparede zuletzt. Wie ist das nochmal ausgegegangen??
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon xander1 » Sa 28. Jul 2012, 17:22

Darth Nefarius hat geschrieben:Schwarmintelligenz ist nicht das gleiche wie Anarchie, im Gegenteil.

Anarchie hat doch mit dem Thema nix zu tun. Wie kommst du darauf? Hast du in letzter Zeit mal nach Anarchie im Internet gegoogelt oder wieso?
Darth Nefarius hat geschrieben:Das aufgeführte Beispiel der Ameise funktioniert völlig totalitär. Auch ein gleichgeschaltetes Volk funktioniert nach Schwarmintelligenz, ist sie deswegen eine Anarchie oder Demokratie? Nein.

Ist es gelb oder blau? Nein ist die Antwort, nee ja ist die Antwort. auf eine Entweder-Oder frage macht ein ja oder ein nein sehr viel Sinn.
Darth Nefarius hat geschrieben:Ein grausames Gegenbeispiel für deinen Ansatz wäre doch die Loveparede zuletzt. Wie ist das nochmal ausgegegangen??

Diese Information hast du nur aus dem Video geklaut. Das ist kein Gegenbeispiel, sondern wurde mitbetrachtet in der Grundaussage über Schwarmintelligenz, denn in dem Video wird beschrieben, dass das gleiche was zur Schwarmintelligenz führt zu solchen Katastrophen führt wie bei der Loveparade.

Schwarmintelligenz findet sich übringes nicht nur in einer direkten, sondern auch in einer parlamentarischen Demokratie.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Darth Nefarius » Sa 28. Jul 2012, 19:49

xander1 hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben:Schwarmintelligenz ist nicht das gleiche wie Anarchie, im Gegenteil.

Anarchie hat doch mit dem Thema nix zu tun. Wie kommst du darauf? Hast du in letzter Zeit mal nach Anarchie im Internet gegoogelt oder wieso?

Du warst wohl nicht die ganze Zeit an der Diskussion beteiligt. Wenn du dir Mühe gibst, wirst du vielleicht merken, dass diejenigen, die hier mehr Demokratie fordern, Anarchie wollen. Sie betrachten Gesetze als Entmündigung und Menschen, die nicht ihrer Meinung sind, als Faschisten. Diskussionen mit Vollbreit und Dissidenkt waren diesbezüglich sehr aufschlussreich. Ein blinder mit krückstock muss sehen, was die beiden gefordert haben.
xander1 hat geschrieben:
Darth Nefarius hat geschrieben: Das aufgeführte Beispiel der Ameise funktioniert völlig totalitär. Auch ein gleichgeschaltetes Volk funktioniert nach Schwarmintelligenz, ist sie deswegen eine Anarchie oder Demokratie? Nein.

Ist es gelb oder blau? Nein ist die Antwort, nee ja ist die Antwort. auf eine Entweder-Oder frage macht ein ja oder ein nein sehr viel Sinn.

Gut, ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Ich habe von dir angenommen, dass du deine Forderung auch kosmetisch durch das Wort "Demokratie" verschleierst. Deswegen habe ich nicht nach "entweder Demokratie oder Anarchie" gefragt, sondern gefragt, ob überhaupt eines von beiden infrage kommt. Und die Antwort war nein. Das war eigentlich naheliegend, weil ich geschrieben habe:"extrem totalitär".
xander1 hat geschrieben:Diese Information hast du nur aus dem Video geklaut. Das ist kein Gegenbeispiel, sondern wurde mitbetrachtet in der Grundaussage über Schwarmintelligenz, denn in dem Video wird beschrieben, dass das gleiche was zur Schwarmintelligenz führt zu solchen Katastrophen führt wie bei der Loveparade.

Schwarmintelligenz findet sich übringes nicht nur in einer direkten, sondern auch in einer parlamentarischen Demokratie.

ich habe mir das Video etwa 5 sec angeguckt, weil ich mir "Welt der Wunder" nicht 10 min antue. Ich habe nichts aus dem Video geklaut, und abgesehen davon. Wieso darf ich das nicht als Gegenargument verwenden? Wieso wirfst du es mir vor, dass ich Schwarmintelligenz kritisch betrachte und als gefährlich? Bei parlamentarischer Demokratie wird der Schwarm kontrolliert, gelenkt. Die Hierarchie ist entscheidend, einzelne Personen. Merkel bewegt sich zwischen den Parteien und spricht nur mit wenigen Personen, aber dadurch kann sie diese Parteien fast ganz für ihre Sache gewinnen. Der Begriff in diesem Zusammenhang ist überflüssig, außer du betrachtest Rudelverhalten und Opportunismus als wichtige Eigenschaft von Intelligenz. Denn nichts anderes ist das Ergebnis von parlamentarischer Demokratie.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon webe » Sa 28. Jul 2012, 20:37

Die Schweizer Eidgenossen betreiben in zwei Kantonen direkte Demokratie, sie ist eine der einfachsten und ältesten Formen und wird als Landsgemeinde bezeichnet. Hier hat das Parlament jeweils nur eine beratende Funktion.
Durch die heutige Technik, Internet und Stadthallenbau anstatt Gotteshäuser, könnte man das Schweizer-Modell durchaus auf unseren Staat übertragen, wenn auch in etwas verändeter Form.

Die Kantone, die jene direkte Demokratie beispielhaft pflegen, heissen Glarus und Appenzell Innerrhoden
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon webe » Sa 28. Jul 2012, 21:01

Demokratie würde ohne Parteien und mit einer Begrenzung aller Amtszeiten nicht über 2 Wahlperioden hinaus, direkter.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Nanna » So 29. Jul 2012, 00:31

webe hat geschrieben:Die Schweizer Eidgenossen betreiben in zwei Kantonen direkte Demokratie, sie ist eine der einfachsten und ältesten Formen und wird als Landsgemeinde bezeichnet.

Es gibt neben dem Schweizer auch das Attische Modell der Demokratie, die zwei Formen direkter Demokratie darstellen, die tatsächlich mal irgendwo praktiziert werden/wurden (im Gegensatz z.B. zur Räterepublik, dem basisdemokratischen Klassiker). Beide sind direkter und beide haben bestimmte Stärken, aber eben auch Schwächen.

Kurzer Exkurs zu einem der wesentlichen Unterschiede des Schweizer Modells zum deutschen:
Die Schweizer Demokratie ist eine Konsensdemokratie. Konsensdemokratien haben den Vorteil minderheitenfreundlich zu sein, wohingegen Konfliktdemokratien (die die USA, Frankreich oder Deutschland) eine Neigung zur Tyrrannei der Mehrheit entwickeln können, weshalb man üblicherweise starken Minderheitenschutz in die Verfassung einbaut. Der große Nachteil von Konsensmodellen ist, dass das inhärente Harmoniestreben in ein Homogenitätsstreben umschlagen kann und wer sich die Schweiz ansieht, wird feststellen, dass Fremdenfeindlichkeit durchaus ein Problem dort ist (was aber auch mit anderen Faktoren zu tun hat). Der Minderheitenschutz ist eines der großen Herausforderungen für Demokratien, und sowohl Konsens- wie auch Konfliktmodelle haben ihre eigenen Schwächen, diesen zu garantieren. Konfliktdemokratien unterdrücken die Minderheiten eher, wohingegen Konsensdemokratien eher dazu neigen, die Minderheiten zu assimilieren.

Ein paar wenige andere Faktoren der Demokratie (in ungeordneter Reihenfolge) sind...
  • der Grad der Repräsentativität und die Art und Weise ihrer Abbildung, also die Zahl der Regierungsebenen
  • die Größe föderaler Einheiten, die Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips (also die Frage, welche Kompetenzen sich auf welcher Ebene bündeln)
  • die Stärke des Zentrismus
  • die Größe und Einheitlichkeit der Wahlkreise
  • die Zahl der Abgeordneten
  • Hürdenregelungen
  • die Regelungen zur innerparteilichen Demokratie (das ist Deutschland übrigens vorbildlich, Ein-Mann-Parteien wie die Freakshow von Geert Wilders sind bei uns rechtlich ausgeschlossen)
  • die Art des Wahlsystems (Mehrheits- vs. Verhältniswahlrecht; man sagt als Faustregel, dass das Mehrheitswahlrecht Stabilität und klare Mehrheiten garantiert, wohingegen das Verhältniswahlrecht die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse besser abbildet, was sich in der Empirie aber nicht immer als zutreffend herausstellt)
  • die Organisation der Regierung und die Frage, wer sie bestimmt und kontrolliert
  • der Grad der Gewaltenteilung
  • die Unabhängigkeit der Institutionen, insbesondere der Justiz (die Wahl von Richtern und Sherriffs in Texas ist z.B. zwar urdemokratisch, korrumpiert aber deren Unabhängigkeit und ist eine Ursache der starken Schieflage des dortigen Rechtssystems mit Korruption, Rassismus und populistischen Urteilen)
  • die Zugangsvorausetzungen zum politischen System (in den USA wegen der horrenden Wahlkampfkosten für einfache Bürger z.B. kaum noch machbar)
  • die Länge und Begrenzung der Amtsperioden
  • die Parteienfinanzierung und sonstige Organisation der politischen Bildung
  • die Präzision, Umfassenheit und Klugheit des Verfassungstextes
  • das Wahlrecht und die Art und Weise der Durchführung der Wahl (die Wählerregistrierung in den USA ist z.B. ein Negativbeispiel für den faktischen Ausschluss ungebildeter Schichten und von Analphabeten)
  • die mögliche und tatsächliche Unabhängigkeit und Vielfalt der Berichterstattung
  • der Grad der Trennung von Verwaltung und Interessengruppen
...naja, und so weiter halt. Ich schreibe das eigentlich in erster Linie deshalb, um alljenen, die sich "einfache" Lösungen für die wahrgenommenen Missstände der deutschen oder insgesamt der westlichen Demokratie(n) aussprechen, ein bisschen vorzuführen, dass es verdammt viele Stellschrauben gibt, an denen man in einem demokratischen System drehen kann und dass sich, wenn man eine dreht, meist alle anderen mitdrehen, ohne dass man im Voraus so genau sagen kann, in welche Richtung und in welcher Intensität. Man sollte deshalb wirklich ganz extrem vorsichtig mit Behauptungen wie "Ich hab' die Lösung, wir machen einfach direkte Demokratie mit mündigen Bürgern, dann haben wir die ganzen ekligen Konflikte und faulen Kompromisse nicht mehr". In den meisten derartigen Plädoyers steckt ohnehin eine wertlose Tautologie: Mündige Bürger bedingen eine direkte Demokratie und eine direkte Demokratie bedingt mündige Bürger. Und faule Kompromisse und hässliches Schachern, Polemisieren und Herumgeschreie gibt's übrigens in jeder Herrschaftsform, da sollte man keine Erlösungsfantasien entwickeln.

Worüber ich gerne mal reden würde, wäre ein kombiniertes System: Mehr Entscheidungen mit Bürgerbeteiligungen vor Ort, dafür reine Repräsentation auf den höheren Ebenen. Die harte Nuss wäre, wie man die Repräsentativorgane auf den höheren trotzdem für die Bürger zugänglich hält.
Weiterhin denke ich, dass direktdemokratische Systeme eine ebenso starke Verfahrensregelung brauchen, wie repräsentative. Die Gefahr des Plebiszits ist ja vor allem seine Unberechenbarkeit, die zu einem völlig erratischen Verhalten des Systems führen kann, was Bürger, Unternehmer, Investoren, andere Staaten allesamt verunsichert. Die Herausforderung der direkten Demokratie ist da z.B. die Frage, wie Verhandlungen unterschiedlicher Interessensgruppen aussehen können (die ja überall sonst, sei es in der Wirtschaft oder der Politik vom Stadtrat bis zum UN-Sicherheitsrat üblicherweise von qualifizierten, erfahrenen Repräsentanten (!) geführt werden), wenn es keinen Sprecher oder eine vertretende Organisation wie eine Partei gibt. Fraglich ist auch, wie man vermeidet, das sich neue de-facto-Eliten bilden, die durch ihre bessere Kenntnis des direktdemokratischen Verfahren oder die Beherrschung spezifischer Diskursregeln Vorteile gegenüber anderen Bürgern haben. Das fände ich nämlich noch viel problematischer als ein gewähltes Parlament, wo die Beziehung zwischen Repräsentant und Repräsentierten wenigstens transparent und offensichtlich ist. Da laufen Basisdemokratien Gefahr, in eine Verantwortungsdiffusion zu verfallen, auch ein Thema, um das die Anbeter der Schwarmintelligenz sich für meinen Geschmack zu sehr herumdrücken. Klassische Politiker kann man feuern und durch bessere ersetzen, fällt die basisdemokratische Mehrheit eine dumme Entscheidung, will's am Ende keiner gewesen sein und es wird verdrängt und rationalisiert, da wette ich drauf. Ich bin da aber gerne bereit, über entsprechende Sicherungssysteme zu reden, nur was ich mir von den Basisdemokratiebefürwortern wünschen würde, wäre ein deutlich gerüttelt Maß mehr Problembewusstsein und Realismus, was die realen Folgen einer Basisdemokratie wären und wie man mit ihnen umgeht, und ein bisschen weniger von dem arg hoffnungsvollen Hoheliedgesang auf den mündigen Bürger, der's schon richten wird. In keiner Gesellschaftsutopie der letzten 200 Jahre haben die Bürger sich so verhalten, wie die Theoretiker dieser Gesellschaftsmodelle es vorhergesagt haben, daraus sollten wir lernen und nicht zu vollmundige Prognosen für nie getestete Herrschaftsmodelle abgeben.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Vollbreit » So 29. Jul 2012, 07:56

Ich sehe das wie Du, Nanna, insofern ist dem von meiner Seite kaum etwas hinzuzufügen.
Die letzte Vision wäre auch in meiner Phantasie, ein subsidiärer Weltstaat mit einer demokratisch-zentralistischen Regelung in Fragen, die alle betrifft (Ressourcen, militärische Konflikte, Umweltfragen) und immer mehr regionaler Ausdifferenzierung mit immer stärkerer direkter Demokratie und Entscheidungskompetenz an betreffender kommunaler Stelle (mit der Möglichkeit die Einflusssphären dynamisch zu regeln, d.h. mehr Entscheidungskompetenz zu zentralisieren doer zu dezentralisieren, je nach Wunsch und Bedürfnis).

Was die Schwarmintelligenz angeht, so teile ich die Skepsis. Nicht immer geht es um einfache Dinge, wie die Zahl von Bällen zu schätzen und ob Schwarmintelligenz bei komplexeren Fragen überlegen ist, bei denen es nicht um reinen Wissensabruf geht (so was wie den Publikumsjoker), das würde mich wundern.
Schwarmintelligenz lebt gerade davon davon, dass jedes Individuum nach aller simpelsten Regeln funktioniert, das halte ich für keine beeindruckende Zukunftsvision.
Darüber hinaus gibt es neben der Schwarmintelligenz auch die Massenregression, die den immer gleichen Effekt hat, auf eine moralische Urteilsstufe von gut/böse, dafür/dagegen abzurutschen.
All das ist gut untersucht.

Als Möglichkeit kann ich mir auch vorstellen, dass es in der Welt Zentren gibt, in denen geforscht, angebaut, sich erholt und sonst etwas wird, mit der Möglichkeit sich vergleichsweise frei zu orientieren.
Dem wird allerdings vermutlich die Sesshaftigkeit und kulturellen Verwurzelung der meisten Menschen im Wege stehen.
Und es wird wohl immer eine Gegentendenz zu allzu totalitären Bewegungen geben. Ob es nach dem Euro noch den Versuch geben wird, eine Weltwährung einzuführen, eine Weltsprache usw., da bin ich eher skeptisch ich glaube, es ist auch nicht wünschenswert.
Das spräche gegen den Weltstaat, andererseits hat eine erweiterte oder gestärkte UNO den Nachteil des politischen Missbrauchs, oder bei zu vielen Vetorechten, der Entscheidungsunfähigkeit.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon webe » So 29. Jul 2012, 09:42

Das Attische Model hatte aber gewisse Einschränkungen nach meiner Erinnerung: Hier kam es auch auf das Einkommen an, somit war man im Gegensatz zu dem Schweizer System, bei der Ämterbesetzung von seinem erwirtschafteten Reichtum abhängig, ebenso in der Rangordnung bei den Streitkräften.

Frauen, Sklaven, Halb- od. Unfreie waren bei der Athener Demokratie ausgeschlossen, aber trotzalledem war es ein Schritt zur Demokratie, was in jener Zeit eine positive Leistung war. Aber dies konnte nur wegen der damaligen Wirtschaftskrise stattfinden.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Darth Nefarius » So 29. Jul 2012, 09:49

webe hat geschrieben:Die Schweizer Eidgenossen betreiben in zwei Kantonen direkte Demokratie, sie ist eine der einfachsten und ältesten Formen und wird als Landsgemeinde bezeichnet. Hier hat das Parlament jeweils nur eine beratende Funktion.
Durch die heutige Technik, Internet und Stadthallenbau anstatt Gotteshäuser, könnte man das Schweizer-Modell durchaus auf unseren Staat übertragen, wenn auch in etwas verändeter Form.

Das ist kein Modell für uns, auch nicht mit dem Internet. Diese Kantone dürfen eine gewisse Größe nicht überschreiten, die Menschen werden sich gut kennen und dadruch auch einen gesittetes Verhalten an den Tag legen. Im Internet ist dank Anonymität so ein Umgangston nicht möglich, seriöse Meinungen sind nicht von unseriösen zu unterscheiden, doppelte, dreifache oder sonstwelche Abstimmungen wären programmiert. Wenn wir nicht unsere Anonymität aufgeben wollen, können wir mit dem Internet keine Demokratie aufbauen.
Zu Nanna:
Ja, das meiste klingt ganz gut und richtig. Allerdings könnte ich nicht feststellen, worin sich deine Beschreibung von dem status quo unterscheiden soll. Wir haben den Föderalismus, ein nur indirekt wählbares Kanzleramt und andere. Ich kann allerdings nicht erkennen, was am Föderalismus so gut sein soll, in den wenigen Kompetenzen, die an kleinere Einheiten abgegeben wurden, gibt es völliges Chaos (Bildungspolitik). Dann gibt es immer wieder Regionen, die aufmucken und sich in bestimmten Fragen quer stellen und des Wahlkampfs wegen erklären, dass sie die besten sind und dies und das nicht mit sich machen lassen (Bayern). Dann kann es zu weiteren Problemen bei zu viel Autonomie führen, wie gerade bei Sizilien zu betrachten. Muss ich fortfahren? Föderalismus macht nur die Idealisten glücklich, bringt aber mehr Probleme als Nutzen mit sich.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Gandalf » So 29. Jul 2012, 10:40

stine hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Ich habe klipp und klar gesagt, dass die persönliche Freiheit dort aufhört, wo die Freiheit des anderen Individuums beginnt!
Das Problem ist, dass viele nicht erkennen, wo sie die persönliche Freiheit des anderen verletzen, @Gandalf.

..und warum erkennen sie es nicht? Haben die Anderen kein Recht mehr auf unverletzlichkeit ihrer Rechte?

Wo ist überhaupt das Problem? Wenn die Freiheitsrechte anderer verletzt werden, haben die anderen 'in einer freiheitlichen Gesellschaft' das Recht sich zu beschweren oder ein Recht darauf, dass das aufzuhören hat. Bist Du ebenfalls der Meinung, das die Freiheitsrechte in unserer Gesellschaft nicht mehr hoch geachtet werden?

stine hat geschrieben: Ohne feste und vor allem gesetzliche Regeln klappt das nicht mehr, weil die freiwillige persönliche Einschränkung für viele Wohlstandsgeburten keine Prämisse mehr ist.


ja gut, Regeln haben sich aus Ritualen des zivilen Umgangs miteinander entwickelt und das Recht und die Gesetze aus dem Anspruch auf Gerechtigkeit zwischen den Beteiligten. Jeweils letzteres ist die Ursache und nicht die Wirkung. Ersteres (also Regeln und Gesetze) dienen zur Vereinfachung von Vorgängen der Abwicklung und Bekanntmachung, worüber man sich in der freiheitlichen Gesellschaft (derzeit) einig ist. Das ist äußerst sinnvoll. Sinnvoll auch deshalb, weil Gesetze von den Beteiligten in einer freiheitlichen Gesellschaft immer wieder in Frage gestellt werden können, inwieweit sie noch zur Abbildung von Gerechtigkeit(en) taugen.

Was hat das mit "freiwilliger persönlicher Einschränkung von Wohlstandsgeburten" zu tun? Bist Du etwa "Darth" auf den Leim gegangen, der Anarchismus (- der nitnichten eine "Abwesenheit von Regeln, Recht und Gesetzen" bedeutet -) mit Anomie gleichsetzt, um seine ideologische Brühe auf andere auskippen zu können?
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Gandalf » So 29. Jul 2012, 12:18

Darth Nefarius hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Unreif und reine Pöbelei ist Deine (eine weitere) unverschämte Unterstellung, das ich den "Zustand einer bewaffneten Anarchie herbeirufen will". Versucht Du jetzt den Beleidigten zu spielen?

Es mangelt dir an der Fähigkeit zur Reflexion, ich bin gewiss nicht beleidigt, aber wütend über deine dreiste Unterstellung.


Verdreh nicht die Tatsachen! Deine beleidigenden Unterstellungen sind hier auf Dauer festgehalten:

Darth Nefarius hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Aha - woher warn "wir" den vorher? Geht es nicht in Deine Schädel, das es andere Menschen geben könnte, die eben nicht dort hin wollen, wo Du schon mal warst und auch nicht dort wo Du hinwillst?

[b]Du willst also den Zustand der bewaffneten Anarchie herbeirufen? Man hat mich, nachdem ich von deinem Unsinn erzählt habe, auf den Psychopaten Nestor Machno verwiesen, kennst du zufällig eines seiner Werke?
Doch, ich kann mir gut vorstellen, dass ein Psychopat das Chaos aus idealistischen Gründen herbeisehnen könnte, wie es schon in Russland öfters geschehen ist ... und nicht die Ochlokratie wie du.



Darth Nefarius hat geschrieben:Es kommt dir nicht in den Sinn, deine Texte und Behauptungen zu hinterfragen und zu überlegen, warum ich entsprechend reagiere. Wenn ich Anarchie ablehne, bin ich noch lange kein Faschist. Deine Leichtfertigkeit bei so einer Unterstellung verharmlost das Konzept und die Taten der Faschisten.


Da Faschismus weniger eine Ideologie ist sondern eine Methode, kann man diesen an eben dieser erkennen. Man ist daher kein Faschist "weil man Anarchie ablehnt", sondern, weil man faschistische Methoden anwendet, andere zu diskredietieren, indem man sie mittels propgandistischen Lügen "als gefährlich" für die Allgemeinheit hinstellt und damit auszugrenzen vesucht, - wie z.B. hier:
Darth Nefarius hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Immer das gleiche Spiel: Wir sind unglücklich, weil wir nicht so leben können, wie wir wollen – die Feinde der Freiheit sind unglücklich, weil andere nicht so leben, wie sie, die Freiheitsfeinde, es wollen.


Bei deinem Willen nach Willkür und Chaos betrachtest du offensichtlich auch alle, die Sicherheit und Stabilität wünschen als Feinde, eine sehr aggressive Philosophie, die zurecht unterdrückt wird.


Wo habe ich "MEINEN WILLEN NACH WILLKÜR UND CHAOS" - Ausdruck verliehen? Wen Du das nicht belegen kannst, werde ich auch weiterhin Deine faschistoide Methodik, die mittels Lüge und Unterstellung abweichende Meinungungen als "gefährlich und unterdrückenswert" um der "Sicherheit willen" einzustufen versucht, - auch als solche bezeichnen.

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich denke, du bist einem Faschisten näher, weil du hinter jeder dir negativ erscheinenden Charaktereigenschaft einen Feind witterst (egal, ob du ihn deswegen Faschisten oder Totalitaristen nennst), aufgrund einer abweichenden Denkweise.


Nun Lügen und Unterstellungen sind gewiss ausdruck einer negativen Chraktereigenschaft. Aber im Gegensatz zu Letzter lassen sich erstere belegen und nicht wegdiskutieren.

Darth Nefarius hat geschrieben:Mich, keinen Faschisten. Ich werde meine Intention wohl besser verstehen als du. Ich stehe ja nicht alleine dar, wenn ich meine, dass Anarchie Chaos und Gewalt bedeutet, deswegen lehnen nicht nur Regierungen, sondern breite Teile der Bevölkerung die Anarchie ab.


Nein, breite Teile der Bevölkerung lehnen Anarchie deshalb ab, weil z.B. staatliche Stellen aus "naheliegenden Gründen" dagegen sind (es geht ja um die Abschaffung von unnützen staatlichen Stellen und Einrichtungen) und v.a. Faschistoide mit selbstdefiniertem (und v.a. selbst-gerechten) Herrschaftsanspruch Anarchie mit Gewalt und Chaos wider der Begriffsbestimmung und dem Selbstverständnis von Anarchisten gleichsetzen, um sich als "Ordnungsmacht, die für Recht und Gesetz sorgt" präsentieren zu können.

http://de.wikipedia.org/wiki/Anarchismus
Anarchismus (abgeleitet von altgriech. ἀναρχία anarchia ‚Herrschaftslosigkeit‘; Derivation aus α privativum und ἀρχή arche ‚Herrschaft‘) ist eine politische Ideenlehre und Philosophie, die Herrschaft von Menschen über Menschen und jede Art von Hierarchie als Form der Unterdrückung von individueller und kollektiver Freiheit ablehnt. Dem wird eine anarchistische Gesellschaft als freiwilliger Zusammenschluss von selbstbestimmten Individuen und Kollektiven entgegengestellt. Anarchie in diesem Verständnis bedeutet die Aufhebung hierarchischer Strukturen – bis hin zur Auflösung staatlicher Organisiertheit der menschlichen Gesellschaft.

Im Mittelpunkt stehen Freiheit, Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Selbstverwirklichung der Individuen und Kollektive Selbstverwaltung. Der Anarchismus wird in einem sozialrevolutionären Sinn von seinen Vertretern als Synthese zwischen individueller Freiheit wie im Liberalismus und sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft wie im Sozialismus verstanden.

Menschen, die nach diesen Prinzipien leben oder eine herrschaftsfreie Gesellschaft anstreben, werden als Anarchisten bezeichnet. Bisweilen wird das Adjektiv libertär (deutsch: freiheitlich) als
Synonym für „anarchistisch“ benutzt.


(BTW: Auch wenn ich dieses zitiere, könnte ein "klarer Denker" immer noch nicht den Schluss ziehen, das ich mich selbst damit identifiziere)



Darth Nefarius hat geschrieben:Und da machst du schon einen Denkfehler: Ein rechtliches Verbot bedeutet gar nichts, wenn es die Möglichkeit gibt. Der Kinoamokläufer hatte schließlich auch nur das Recht, sich und sein Eigentum zu schützen, er hat es aber überschritten. Die meisten Amokläufe geschehen in den USA dank ihrer starken Waffenlobby und den schwachen Gesetzen. Ist dir eigentlich bekannt, was die Waffenlobby auf den Amoklauf geantwortet hat? Ich fasse es mal zusammen: "Wenn jeder im Kino eine Waffe hätte tragen dürfen, wären weniger Menschen gestorben.",- das ist pervers.
Um es also zusammenzufassen: Wenn du durch ein naives Gesetz die Möglichkeit lockerst, Waffen zu tragen, dann wird sich die Wahrscheinlichkeit, dass diese generell (und nicht nur zur Wahrung deren Rechte) öfter benutzt werden. Verstehst du das? Rechte sind nur Bezeichnungen für Möglichkeiten, die nicht unter Strafe stehen. Sie sind oft willkürlich. Sicherheit und Stabilität werden liberale Waffenrechte gewiss nicht bedeuten, auch nicht Freiheit, die anderen nicht schaden kann und wird.


und wie bitte wüde ein strenges Waffenrecht verhindern, das sich ein Irrer 'zwecks Selbstinszenierung' mittels Cessna in ein Kino stürzt, oder das Trinkwasser mit "E605" vergiftet, was in jedem Baumarkt leicht zu erwerben ist? Verbietet man dann Cessnas oder die landwirtschaftliche Schädlingsbekämpfung? (und das wird zwangsläufig diskutiert werden müssen, wenn Waffen verboten sind. Denn deshalb gibt es ja schließlich nicht wenigr Irre)

Deine naiven Vorstellungen können nicht darüber hingtäsuchen, dass das Grundproblem nicht die Waffen selbst sind (obwohl ich durchaus dafür bin zwischen Angriffswwaffen und Jagdwaffen sowie Waffen zur Selbstverteidigung unterscheide), sondern die Gewaltbereitschaft (und die Verherrlichung dieser) in der Gesellschaft und woran es liegt, das es so ist.


Darth Nefarius hat geschrieben:Wo ist da der Zusammenhang? Wenn es leichter ist, an Waffen ranzukommen, wird die Hemmschwelle für verbrechen definitiv gesenkt, auch wenn es nur ein Affekt ist. Es besteht sehr wohl ein Zusammenhang zwischen strengem Waffenrecht und mehr Sicherheit. Du sprichst mit der Schweiz einen Sonderfall an. Selbst wenn deine Behauptung stimmt, dann ist noch die Bevölkerungsdichte ein wichtiger Faktor. Wenn du einen besseren Vergleich anstellen willst, kannst du die USA und Europa vergleichen, und was stellst du fest??


Es liegt nicht in an den Waffen, wie die Scheiz "beweist", sondern an irren Einzeltätern, sowie möglicherweise an einer Gesellschaft, die spektakuläre Inszenierungen liebt.


Darth Nefarius hat geschrieben:Und die logische Konsequenz aus deiner Haltung ist, dass dich mehr Leute damit nerven werden und du so viel Mann sein kannst wie du willst, manche werden nicht durch Höflichkeit aufhören zu rauchen. Damit hast du ein wesentlich schwierigeres Leben. Dann ist da noch das Problem der Kinder, sie sind vielleicht nicht "manns genug", um einen erwachsenen Raucher anzusprechen, dass es sie stört, auch nicht bei ihren Eltern. Ein Raucher stinkt oft auch, wenn er nicht raucht, das hilft mir also auch nicht weiter. Das Rauchen schädigt nunmal auch Passivraucher. Deswegen ist ein rauchverbot legitim. Und auch als Rauchverbotsbefürworter bin ich kein Faschist, du machst dich irgendwann lächerlich, wenn du so weitermachst.


Wo ist der Widerspruch dazu, das ich 'punktuell' ein Rauchverbot für sinnvoll halte? Ist Dier aber klar, das Du durch ein totals Rauchverbot evtl. potenzielle Parkinsonkranke schädigst? http://www.netdoktor.de/News/Parkinson- ... 32859.html
Wer gibt Dir das Recht dazu?



Darth Nefarius hat geschrieben:Es gibt keine Moral, weder bei Anarchisten noch bei Faschisten oder allen liberalen Zwischenformen. Sie ist eine Illusion. Gesetze, Verbote zu fordern ist nicht faschistoid, sondern allgemein anerkannt. Die meisten (im Gegensatz zu dir) verstehen, dass der Mensch nicht entmündigt wird, sondern dass er oft nie mündig war oder ist. Viele besitzen einfach nicht die Fähigkeit zur Rigenverantwortung, deswegen gibt es Mandate (denn dafür sind die meisten gerade noch mündig genug: Zu erkennen, wer Verantwortung tragen kann und will). Freiheit ist oft willkürlich definiert, ich persönlich kann nicht erkennen, wann ich frei sein soll, es gibt immer Determinanten. Die Illusion von Freiheit ist gefährlich, der Glaube, dass gewisse Taten weder Ursache noch Wirkung haben und damit ohne schädliche Konsequenz sind.
Auch das ist nicht faschismus, sondern Logik.


Unlogisch und unwahr sind lediglich wieder Deine Behauptungen. Da Libertäre wissen, das Ursache und Wirkung zusammengehören, wissen sie auch, da Freiheit und Verantwortung zwei Seiten einer Münze sind. Nur verlangen Libertäre eben nicht sich aus Angst anderen aus versehen etwas antun zu können, sich entmündigen, sich einsprerren und umzubringen (lassen), wie es die Faschisten mit Personengruppen zu tun pflegen, die nicht ihren eigenen Wertvorstellungen entsprechen.

Denn das ...

Bei deinem Willen nach Willkür und Chaos betrachtest du offensichtlich auch alle, die Sicherheit und Stabilität wünschen als Feinde, eine sehr aggressive Philosophie, die zurecht unterdrückt wird.

hat ja bei Faschisten System. So (sinngemäß) ähnlich hatten wir das ja schon mal:

"Das internationale Finanzjudentum bedroht mit seinen Machenschaften Sicherheit und Gesundheit des deutschen Volkes und daher ist das Judentum als Feind zu betrachten, das zurecht unterdrückt wird"
Darth Nefarius hat geschrieben:
stine hat geschrieben:Das Problem ist, dass viele nicht erkennen, wo sie die persönliche Freiheit des anderen verletzen, @Gandalf. Ohne feste und vor allem gesetzliche Regeln klappt das nicht mehr, weil die freiwillige persönliche Einschränkung für viele Wohlstandsgeburten keine Prämisse mehr ist.


Völlig richtig. Ich habe das nochmal reingebracht, um es hervorzuheben.


Klar und Du bist jetzt derjenige, der für persönlichen Einschränkungen der vielen Wohlstandsgeburten sorgt, damit diese keine Schaden anrichten - richtig?
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Nanna » So 29. Jul 2012, 14:45

Darth Nefarius hat geschrieben:Ich kann allerdings nicht erkennen, was am Föderalismus so gut sein soll, in den wenigen Kompetenzen, die an kleinere Einheiten abgegeben wurden, gibt es völliges Chaos (Bildungspolitik).

Wenn du eine straffe, einheitliche Organisation anstrebst, ist der Föderalismus erstmal ungeeignet, dann läuft es immer auf zentralstaatliche Modelle mit einer stark hierarchisierten Verwaltung hinaus. Der ganz große Vorteil eines föderalen Systems ist die Machtfragmentierung, die Machtmissbrauch unwahrscheinlicher macht oder zumindest regional beschränkt. Wenn in Bayern geputscht würde, wäre das, von den vielen Verflechtungen abgesehen, für die Funktionsfähigkeit von Nordrhein-Westfalens Regierungsapparat erstmal ohne direkte interne Auswirkungen und umgekehrt.

Dann hat Föderalismus schon auch wirtschaftliche Vorteile, indem die Regionen sich gezielter an ihre jeweiligen Umstände anpassen können und indem nicht die Gefahr besteht, dass Beamte aus der fernen Hauptstadt ohne intime Ortskenntnis Vorschriften machen, die den Möglichkeiten der Region und Interessen der dortigen Bürger zuwiderlaufen. Gerade in Deutschland hat der Föderalismus auch zu einem ausgedehnten Kulturwesen geführt, statt der Konzentration aller wichtigen Museen, Theater und sonstigen Kultureinrichtungen in der Hauptstadt, was ich persönlich für sehr wichtig für die generelle zivilisierte Verfasstheit eines Landes halte. Die Nähe der Bürger zu den politischen Institutionen, die bei kleineren Einheiten nunmal leichter zu gewährleisten ist, ist natürlich ebenfalls vorteilhaft.

Die Nachteile des Föderalismus sind mir schon bewusst. Die Deutschen loben z.B. in Umfragen den Föderalismus gerne, sagen aber im selben (!) Fragebogen auch mehrheitlich, dass sie einheitliche Regelungen bevorzugen. Klar, wenn man alle hundert Kilometer andere Regeln vorfindet, von Alltagsfragen wie dem Rauchen bis hin zum Schulsystem, wird ein Umzug mit immer höheren Hürden behaftet (da ist die Einheitlichkeit von Regelungen sogar mal freiheitsfördernd, weil sie die Mobilität vereinfacht). Und Unternehmen möchten nicht für jede Region, in der sie aktiv sind, eine ganze Rechtsabteilung beschäftigen müssen, die ihnen die lokalen Besonderheiten erklärt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Allerdings könnte ich nicht feststellen, worin sich deine Beschreibung von dem status quo unterscheiden soll.

Wir haben auf der lokalen Ebene nicht so wahnsinnig viel Basisdemokratie. Es wird auch in den Kommunen ein Gemeinderat gewählt und der macht dann erst mal, sicher bürgernäher als der Bundestag, aber trotzdem relativ unbehelligt. Da könnte man über noch weitergehende basisdemokratische Experimente nachdenken, wobei ich ja auch schon die Erfahrungen diverser Kommunen mit Bürgerhaushalten geschildert habe, die mit zunehmender Komplexität, jeder neuen Wiederholung und ohne aufwändiges, mobilisierendes Marketing immer weniger Bürger anlockt, was dann dazu führen kann, dass einige gut organisierte Minderheiten ihre Vorstellungen durchdrücken (z.B. appelliert der Sportverein an alle Mitglieder per Rundmail oder Anschreiben, dass sie so oder so abstimmen sollen, jede Menge Trottel tun's und dann muss die kleine Dorfbücherei mit starken Kürzungen leben, weil der Sportverein irre Fördergelder rausgeschlagen hat). Deshalb spreche ich auch erstmal nur von einem Konzept, über das ich gerne reden würde. Aber wenn es Chancen für die Basisdemokratie gibt, dann in erster Linie auf kommunaler und maximal regionaler Ebene, auf nationaler oder supranationaler Ebene nur als gelegentliches Plebiszit bei sehr weitreichenden Entscheidungen.

Vollbreit hat geschrieben:Die letzte Vision wäre auch in meiner Phantasie, ein subsidiärer Weltstaat mit einer demokratisch-zentralistischen Regelung in Fragen, die alle betrifft (Ressourcen, militärische Konflikte, Umweltfragen) und immer mehr regionaler Ausdifferenzierung mit immer stärkerer direkter Demokratie und Entscheidungskompetenz an betreffender kommunaler Stelle (mit der Möglichkeit die Einflusssphären dynamisch zu regeln, d.h. mehr Entscheidungskompetenz zu zentralisieren doer zu dezentralisieren, je nach Wunsch und Bedürfnis).

Das kommt dem sehr nache, was ich mir auch vorstelle und ich erwarte, dass es eine Tendenz in diese Richtung geben wird, auch wenn der Integrationsprozess ein Jahrhundert oder länger dauern kann. Aber auf Dauer wird es ja auf dem Planeten eher mehr als weniger Vernetzung, Mobilität und mit mächtigerer Technik auch mehr globale Probleme geben, von daher werden die Vorläuferorganisationen einer Weltregierung wie die UNO, Weltbank, Internationaler Strafgerichtshof etc. sicherlich in den nächsten Jahrzehnten zumindest Bestrebungen in Richtung Reform und Integration erleben. Es kann aber gut sein, dass da auch erst die Krise vor der Tür stehen muss, damit sich was bewegt, das ist bei der europäischen Integration ja nicht anders gewesen und da hat nichtmal der Zweite Weltkrieg für die von Churchill vorgeschlagenen Vereinigten Staaten von Europa gereicht.
Und ja, da ein sinnvolles System zu etablieren wird schwierig, zumal auch hier die Gesetzmäßigkeiten der Pfadabhängigkeit gelten. Das sieht man an der EU sehr schön, wo sich ein riesiger, gut gemeinter Institutionenwald entwickelt hat, der sich längst durch eine straffe Zentralstruktur mit klar geregelten Hierarchieebenen und direkterer demokratischer Legitimation ersetzt gehört. Das aber würde eine verfassungsgebende Versammlung für Europa erfordern und positive Plebiszite in allen EU-Staaten und da die Bürger derzeit lieber die recht unausweichliche Globalisierung verdrängen und die EU, so scheint mir, eher loshaben möchten (bzw. EU wär ja toll, wenn nur all die anderen Länder nicht wären) als sich Einfluss im größeren Ganzen zu sichern, sehe ich da derzeit nicht viel Anlass zum Optimismus. Aber gut, die deutsche Einigung hat auch fast ein Jahrhundert gebraucht und da war's kulturell im Prinzip noch deutlich einfacher.

Vollbreit hat geschrieben:Als Möglichkeit kann ich mir auch vorstellen, dass es in der Welt Zentren gibt, in denen geforscht, angebaut, sich erholt und sonst etwas wird, mit der Möglichkeit sich vergleichsweise frei zu orientieren.
Dem wird allerdings vermutlich die Sesshaftigkeit und kulturellen Verwurzelung der meisten Menschen im Wege stehen.

Ich denke eher, dass es wie in jeder guten Großstadt heutzutage ein starkes Durcheinander von alldiesen Dingen geben wird, dass also schon gewisse Segragationen bestehen werden, diese aber nicht über territoriale, sondern soziale Grenzen getrennt sein werden. Bei Raumkonzepten denkt man ja gerne nur an Territorien, aber es gibt ja auch andere Möglichkeiten Räume zu denken, z.B. als virtuelle oder eben sozial definierte Räume (was Räume eh immer sind).

Vollbreit hat geschrieben:Und es wird wohl immer eine Gegentendenz zu allzu totalitären Bewegungen geben. Ob es nach dem Euro noch den Versuch geben wird, eine Weltwährung einzuführen, eine Weltsprache usw., da bin ich eher skeptisch ich glaube, es ist auch nicht wünschenswert.
Das spräche gegen den Weltstaat, andererseits hat eine erweiterte oder gestärkte UNO den Nachteil des politischen Missbrauchs, oder bei zu vielen Vetorechten, der Entscheidungsunfähigkeit.

Ich glaube, wir müssen aufpassen, das Konzept des Nationalstaats nicht unreflektiert auf den ganzen Planeten zu übertragen. Die Weltregierung wird wohl, wenn sie kommt, nicht wie die deutsche Bundesregierung funktionieren. Währungen (da bin ich sogar mal bei Gandalf, Vielfalt kann eine Chance sein), Sprachen, kulturelle Eigenheiten, auch Einzelstaaten mit nochmal Substaaten können, denke ich, problemlos bestehen bleiben und auch ihre unterschiedlichen Repräsentationsformen erstmal beibehalten, solange sie demokratischen Basisstandards genügen. Die Weltregierung wäre wohl eher eine Art Weltrat, die über die globalen Fragen entscheidet, ohne aber nun festzulegen, wie irgendetwas auf den tieferen Ebenen genau umgesetzt wird. Ich denke eher, dass es so laufen wird, wie heute z.B. schon bei der UNO, nämlich dass globale Standards vorgegeben werden (z.B. in der UNO bei den Menschenrechten) und dann deren Einhaltung überwacht wird, wobei den Einzeleinheiten relativ freigestellt wird, wie sie den Job erledigen. Direkte Kontrolle hätte die Weltregierung wahrscheinlich nur über den zusammengeführten Rest der Armeen, die als zahlenmäßig stark reduzierte Truppe wohl eher für lokale peace-keeping-Missionen, Aufstandsbekämpfung und bei Katastropheneinsätzen eingesetzt würde, wohingegen die Staaten maximal noch paramilitärische Polizeikräfte unterhalten würden. Ansonsten sehe ich in einer Weltregierung wirklich nur den Taktgeber, der die Minimalstandards formuliert, allen auf die Finger klopft, die diese nicht erfüllen und bei Konflikten, wie heute schon, erstmal Verhandlungsteams entsendet, die versuchen, mit den lokalen Eliten und der Bevölkerung eine Einigung zu erzielen.

Gandalf hat geschrieben:Wo ist überhaupt das Problem? Wenn die Freiheitsrechte anderer verletzt werden, haben die anderen 'in einer freiheitlichen Gesellschaft' das Recht sich zu beschweren oder ein Recht darauf, dass das aufzuhören hat.

Kurze Frage: Du setzt die "freiheitliche Gesellschaft" axiomatisch voraus - und definierst Konflikte damit meines Erachtens einfach nur weg, ohne tatsächliche Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Aber was, wenn manche eben nicht freiheitlich sind und ihnen das Recht der anderen sonstwo vorbeigeht? Prügeleien oder Schießereien wegen Zigarettenkonsum in der U-Bahn will ja vermutlich keiner, aber was, wenn andere einfach nicht zuhören (was sie die ganze Zeit tun, auch weil Achtsamkeit manchmal verdammt anstrengend sein kann und soziale Kompetenzen erfordert, die einfach, aus mehr biologischen als Gesinnungsgründen, nicht jeder hat)? Zu welcher Instanz kann ich dann gehen, um mein Recht durchzusetzen?
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Vollbreit » So 29. Jul 2012, 15:14

Nanna hat geschrieben:Ich denke eher, dass es so laufen wird, wie heute z.B. schon bei der UNO, nämlich dass globale Standards vorgegeben werden (z.B. in der UNO bei den Menschenrechten) und dann deren Einhaltung überwacht wird, wobei den Einzeleinheiten relativ freigestellt wird, wie sie den Job erledigen. Direkte Kontrolle hätte die Weltregierung wahrscheinlich nur über den zusammengeführten Rest der Armeen, die als zahlenmäßig stark reduzierte Truppe wohl eher für lokale peace-keeping-Missionen, Aufstandsbekämpfung und bei Katastropheneinsätzen eingesetzt würde, wohingegen die Staaten maximal noch paramilitärische Polizeikräfte unterhalten würden. Ansonsten sehe ich in einer Weltregierung wirklich nur den Taktgeber, der die Minimalstandards formuliert, allen auf die Finger klopft, die diese nicht erfüllen und bei Konflikten, wie heute schon, erstmal Verhandlungsteams entsendet, die versuchen, mit den lokalen Eliten und der Bevölkerung eine Einigung zu erzielen.


Kennst Du das hier von Habermas?
http://www.perlentaucher.de/buch/juerge ... esten.html
Wenn ich mich richtig erinnere, kommt das Deiner Vision sehr nahe.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Darth Nefarius » So 29. Jul 2012, 15:49

Gandalf hat geschrieben:
stine hat geschrieben:
Gandalf hat geschrieben:Ich habe klipp und klar gesagt, dass die persönliche Freiheit dort aufhört, wo die Freiheit des anderen Individuums beginnt!
Das Problem ist, dass viele nicht erkennen, wo sie die persönliche Freiheit des anderen verletzen, @Gandalf.

..und warum erkennen sie es nicht? Haben die Anderen kein Recht mehr auf unverletzlichkeit ihrer Rechte?

Du drehst dich im Kreis. Ein Recht bedeutet nicht, dass sie dadurch eine entsprechende Eigenschaft erhalten. stine sagt ganz klar, dass nicht jeder erkennt, wann die Rechte des anderen anfangen und die eigenen aufhören. Du antwortest unsinnig: "Warum sollen sie die nicht erkennen, die haben doch ein Recht". Verstehst du das Problem nicht?
Gandalf hat geschrieben:Wo ist überhaupt das Problem? Wenn die Freiheitsrechte anderer verletzt werden, haben die anderen 'in einer freiheitlichen Gesellschaft' das Recht sich zu beschweren oder ein Recht darauf, dass das aufzuhören hat. Bist Du ebenfalls der Meinung, das die Freiheitsrechte in unserer Gesellschaft nicht mehr hoch geachtet werden?

Sobald sie sich beschweren, muss interpretiert werden, was der Fall ist. Gerichte sind nicht allwissend, sondern auch nur Interpretatoren. Es gibt Grauzonen, die nicht so eindeutig sind, wie du es darstellen willst.
Gandalf hat geschrieben:ja gut, Regeln haben sich aus Ritualen des zivilen Umgangs miteinander entwickelt und das Recht und die Gesetze aus dem Anspruch auf Gerechtigkeit zwischen den Beteiligten. Jeweils letzteres ist die Ursache und nicht die Wirkung. Ersteres (also Regeln und Gesetze) dienen zur Vereinfachung von Vorgängen der Abwicklung und Bekanntmachung, worüber man sich in der freiheitlichen Gesellschaft (derzeit) einig ist. Das ist äußerst sinnvoll. Sinnvoll auch deshalb, weil Gesetze von den Beteiligten in einer freiheitlichen Gesellschaft immer wieder in Frage gestellt werden können, inwieweit sie noch zur Abbildung von Gerechtigkeit(en) taugen.

Was hat das mit "freiwilliger persönlicher Einschränkung von Wohlstandsgeburten" zu tun?

Ganz einfach: Man unterwirft sich den Gesetzen, schränkt seine Handlungsfreiheit zugunsten eigener Sicherheit und der anderer ein. Gesetze sind eine solche Einschränkung, weil Einzelpersonen oft nicht in der Lage sind, spezifische Situationen einzuschätzen, sind Gesetze ein "Handlungskatalog", den man durchgehen kann, um Probleme zu vermeiden oder zu minimieren. Dazu sind Gesetze erforderlich. Diese sind aber keineswegs in Stein gemeißelt, weswegen es kompetenter Organe bedarf, die aus wenigen Leuten besteht und nicht einer labilen Masse an Durchschnitt.
Gandalf hat geschrieben:Verdreh nicht die Tatsachen! Deine beleidigenden Unterstellungen sind hier auf Dauer festgehalten:

Dito.
Ich verdrehe gar nichts, du bist offensichtlich blind für deine Dreisigkeiten und Beleidigungen.
Hier ist ein Ausschnitt deines Katalogs:
Gandalf hat geschrieben:Unreif und reine Pöbelei ist Deine (eine weitere) unverschämte Unterstellung, das ich den "Zustand einer bewaffneten Anarchie herbeirufen will". Versucht Du jetzt den Beleidigten zu spielen?

Gandalf hat geschrieben:Wen Du das nicht belegen kannst, werde ich auch weiterhin Deine faschistoide Methodik, die mittels Lüge und Unterstellung abweichende Meinungungen als "gefährlich und unterdrückenswert" um der "Sicherheit willen" einzustufen versucht, - auch als solche bezeichnen.

Also, wenn ich dich so offenkundig und unbegründet beleidige, warum meldest du meine Beiträge nicht?? Entweder hast du es schon getan, und man hat dir geantwortet, dass es keinen Anlass zur Reaktion gibt, und/oder, dass dein eigener Umgangston skeptisch betrachtet wird und meine Reaktionen nicht unverständlich sind. Oder (die unwahrscheinlichste Situation) du bist dir selber dieser Dinge bewusst und deine Anmerkung ist eine leere Drohung, die allerdings bei mir nicht funktioniert.
Und wenn ich dich erinnern darf:
Gandalf hat geschrieben:Was Faschistoide hingegen wollen: Gesetze, Verbote, Entrechtung, Entmündigung.

Die DEMOKRATEN wollen Gesetze.Verbote, du willst kein Faschist sein und forderst demnach keine Gesetze, Verbote. Diese Worte sind wesentlich radikaler formuliert als deine jetzigen. Aus Gesetzeslosigkeit folgt Chaos, Anarchie.
Gandalf hat geschrieben:Da Faschismus weniger eine Ideologie ist sondern eine Methode, kann man diesen an eben dieser erkennen. Man ist daher kein Faschist "weil man Anarchie ablehnt", sondern, weil man faschistische Methoden anwendet, andere zu diskredietieren, indem man sie mittels propgandistischen Lügen "als gefährlich" für die Allgemeinheit hinstellt und damit auszugrenzen vesucht

Abgesehen davon, dass deine Interpretation von Faschismus denkwürdig ist, treffen diese Dinge nur in Teilen auf mich zu: Ja, ich halte deine Ideologie für gefährlich, alles andere ergibt sich daraus. Natürlich antworte ich auch aus meiner Sicht bedenkliche Kommentare, wieso bin ich dann bitte Faschist?? Wenn ich mal netterweise davon ausgehe, dass du glaubst, was du sagst, wirst du auch nicht lügen, sondern einfach nur Unsinn glauben und aus diesem daraus resultierenden Konflikt letzteres (was du mir vorwirfst) auch mit mir versuchen (indem du mich z.Bsp. als Faschist bezeichnest). Ich diskreditiere dich nicht, das kannst du auch sehr gut selbst. Um deine Denkfehler aufzuzeigen, muss ich nicht lügen, ich frage dich einige Dinge, auf die du natürlich nicht antworten willst, weil ehrliche Antworten dir schaden würden, gelogene sofort entdeckt werden würden.
Gandalf hat geschrieben:Wo habe ich "MEINEN WILLEN NACH WILLKÜR UND CHAOS" - Ausdruck verliehen?

Was du forderst entspringt zwar einer naiven Vorstellung des Menschen, die Harmonie, Gerechtigkeit und Stabilität ohne Hierarchie fordert. Aber in der Praxis gab es schon Versuche dieser Dinge, die sehr blutig ausgegangen sind, Chaos und Willkür bedeutet haben. Ich habe dir den Namen Nestor Machno genannt, bekannter sollten dir die Wirren der französischen - und Oktoberrevolution sein. Ihre Anführer dachten so wie du, haben deswegen ohne mit der Wimper zu zucken Todesurteile unterschrieben und damit Chaos verschuldet. Du magst es nicht direkt wollen, aber deine Forderungen fürhen unweigerlich zu bekannten Ergebnissen. Entweder bist du einfach ungebildet und kennst die Feldversuche nicht, oder es ist dir schlichtweg egal, dass dies passieren könnte. Ich habe zu deinen Gunsten angenommen, dass du wenigstens das Mittelstufenwissen aus der Schule hast, um zu erkennen, wie solche Ansätze ausgegangen sind. Demnach müsste dir das Ergebnis egal sein und du würdes indirekt Chaos verlangen.
Gandalf hat geschrieben:Nun Lügen und Unterstellungen sind gewiss ausdruck einer negativen Chraktereigenschaft. Aber im Gegensatz zu Letzter lassen sich erstere belegen und nicht wegdiskutieren.

Wenn du meine Unterstellungen als Lügen entlarven willst, warum tust du es nicht? Du fragst danach, wann du was gefordert hast und lieferst mir damit eine Steilvorlage. Ich fasse mal zusammen: Du bekundest deine Affinität zu dem Waffenrecht, ich will dann wissen, worin der Zusammenhang zu deiner "Basisdemokratie" sein soll. Ich interpretiere da einen Durchsetzungswillen des eigenen vermeindlichen Rechts rein. Ich behaupte, dass soetwas zu Chaos und Anarchie führen würde. Du kommst mit der Schweiz, ich mir den USA und ihrer Kriminalitätsrate. Dann schweigst du, überlegst, dass du mich mal als Faschisten bezeichnest und Gesetze als dementsprechend faschistoid (ich habe die stelle hier zitiert), weil sie den einzelnen einschränken, wo er doch so mündig ist und das nicht braucht. Ich und andere haben behauptet, dass der einzelne nicht mündig genug ist, eine gewisse Masse ohnehin nicht.
Es endete jedesmal damit, dass du etwas fragst und ich brav antworte. Meine Antworten bezeichnest du als Lügen und kannst aber nicht widerlegen, dass diese Behauptungen (die ich mit Beispielen aus der Geschichte und der Gegenwart untermauert habe) korrekt sind. Dann bezeichnest du mich wieder als Faschisten.
Ich wiederhole die Stellen, die dir offensichtlich entfallen sind, du bezeichnest die wider als Lügen. Wieso verkaufst du die Leute für so dumm?
Gandalf hat geschrieben:Nein, breite Teile der Bevölkerung lehnen Anarchie deshalb ab, weil z.B. staatliche Stellen aus "naheliegenden Gründen" dagegen sind (es geht ja um die Abschaffung von unnützen staatlichen Stellen und Einrichtungen) und v.a. Faschistoide mit selbstdefiniertem (und v.a. selbst-gerechten) Herrschaftsanspruch Anarchie mit Gewalt und Chaos wider der Begriffsbestimmung und dem Selbstverständnis von Anarchisten gleichsetzen, um sich als "Ordnungsmacht, die für Recht und Gesetz sorgt" präsentieren zu können.

Ach, also betrachtest du dich doch als Anarchisten?? Du hast ja selbst nie direkt Anarchie mit Worten gefordert, ich habe sie als anarchistischen Mist interpretiert und du hast mich als Lügner bezeichnet. ich würde sagen, mit dieser Antwort hast du dich und deine Affinität zum Anarchismus selbst entlarvt. Die Begriffsdefinition und die Ideologie vom Anarchismus mag nicht gewalttätig und chaotisch sein, aber sie führt zwangsläufig zu dieser. DESHALB wird Anarchismus abgelehnt. Und dann nochwas: Wieso sollte der von dir als so mündig betrachtete Bürger nicht der eigenen Meinung folgen, sondern einer Elite? Du widersprichst dir selber, wenn du mir offensichtlich zustimmst, dass die Mehrheit Anarchismus ablehnt, während du ihr die Eigenständigkeit dieser Entscheidung absprichst, du ihr aber die Fähigkeit zu mündigen Entscheidungen zusprichst.
Dann hast du nach der Wiki-Definiton von Anarchismus geschrieben (die ich nicht noch mitzitieren wollte):
Gandalf hat geschrieben:(BTW: Auch wenn ich dieses zitiere, könnte ein "klarer Denker" immer noch nicht den Schluss ziehen, das ich mich selbst damit identifiziere)

Tust du das etwa nicht? Ich frage dich konkret, weil es mir so scheint, dass du das gleiche forderst, das gleiche vorraussetzt. Wenn du nicht für Anarchie bist, inwiefern unterscheidest du dich von einem Anarchisten??
Noch etwas, das du immer mit dir herumträgst und deutlich macht, was deine Ideologie ist:
Gandalf hat geschrieben:Der Staat ist die grosse Fiktion, nach der sich jedermann bemüht, auf Kosten jedermanns zu leben. (Frederic Bastiat)

Gandalf hat geschrieben:und wie bitte wüde ein strenges Waffenrecht verhindern, das sich ein Irrer 'zwecks Selbstinszenierung' mittels Cessna in ein Kino stürzt, oder das Trinkwasser mit "E605" vergiftet, was in jedem Baumarkt leicht zu erwerben ist?

Es würde ihm erschwehren mit einer Cessna seine Inszenierung durchzuführen, was wohl weniger Menschenleben gekostet hätte und eine geringere Selbstinszenierung bedeutet hätte. Waffengewalt ist viel auffälliger als Giftanwendung. Gift wird gezielt und unauffällig verwendet, Waffen können ungerichtet und auffällig verwendet werden. Deswegen haben alle Amokläufer mindestens ein Luftgewehrund oder eine Halbautomatikwaffe bei sich gehabt und nicht E605. Es dient der Selbstinszenierung. Ohne auffällige Waffe keine Selbstinszenierung.
Gandalf hat geschrieben:Deine naiven Vorstellungen können nicht darüber hingtäsuchen, dass das Grundproblem nicht die Waffen selbst sind (obwohl ich durchaus dafür bin zwischen Angriffswwaffen und Jagdwaffen sowie Waffen zur Selbstverteidigung unterscheide), sondern die Gewaltbereitschaft (und die Verherrlichung dieser) in der Gesellschaft und woran es liegt, das es so ist.

Gewaltbereitschaft kann nur zur Gewalt mit Waffen führen. Und warum sollte man bitte zwischen Waffen zur Selbstverteidigung und anderen unterscheiden, wenn beide lethal sind? Mit diesem Hinweis hast du dich wieder entlarvt.
Gandalf hat geschrieben:Es liegt nicht in an den Waffen, wie die Scheiz "beweist", sondern an irren Einzeltätern, sowie möglicherweise an einer Gesellschaft, die spektakuläre Inszenierungen liebt.

Natürlich liegt es nicht nur an den Waffen, aber Selbstinszenierungen sind nicht das Problem "der Amerikaner", sondern einzelner Menschen, von denen wir gewiss genausviele haben wie die Amis. Der Unterschied zu ihnen ist allerdings, dass diesen Menschen hier die Inszenierung erschwehrt wurde und sie sich eher selbst erledigen, als ihre alten Schulkameraden, Arbeitskollegen oder Kinobesucher.
Gandalf hat geschrieben:Wo ist der Widerspruch dazu, das ich 'punktuell' ein Rauchverbot für sinnvoll halte?

Wo hast du bitte das "punktuelle Rauchverbot" gefordert?? Deine Darstellungen, dass man als Nichtraucher doch einfach die Menschen anquatschen oder abhauen könne, haben auf anderes hingewiesen.
Gandalf hat geschrieben:Da Libertäre wissen, das Ursache und Wirkung zusammengehören, wissen sie auch, da Freiheit und Verantwortung zwei Seiten einer Münze sind.

Da besteht keinkausaler Zusammenhang. Freiheit resultiert nicht aus Verantwortung oder umgekehrt. Das wissen "die Libertären" wohl nicht, nehmen es naiv an und beschwören damit das Chaos.
Wieso meinst du denn, werden Sträflinge eingesperrt? Wieso wehren sie sich oft? Wenn Freiheit mit Verantwortung zusammenhinge, würde 1. es keine Straftaten geben, 2. sollte es doch zu Straftaten kommen, immer eine Selbstanzeige und freiwillige Absage der Freiheit geben. Tatsächlich ist das nicht der Fall, wenn du ein Loch ins nächste Gefängnis sprengst, werden nicht nur diejenigen fliehen und "Freiheit" erlangen, die unschuldig verurteilt wurden, sondern auch die, die einfach ihre Freiheit verantwortungslos ausleben wollen. Es besteht kein kausaler Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung, deswegen muss es gesetze geben, die die freiheit entziehen, wenn nicht verantwortungsbewusst gehandelt wird.
Gandalf hat geschrieben:Nur verlangen Libertäre eben nicht sich aus Angst anderen aus versehen etwas antun zu können, sich entmündigen, sich einsprerren und umzubringen (lassen), wie es die Faschisten mit Personengruppen zu tun pflegen, die nicht ihren eigenen Wertvorstellungen entsprechen.

Natürlich würden sie nicht verlangen, sich selbst einsperren zu lassen. Das tun die wenigsten. Wo ist da das Argument?
Gandalf hat geschrieben:Denn das ...

Bei deinem Willen nach Willkür und Chaos betrachtest du offensichtlich auch alle, die Sicherheit und Stabilität wünschen als Feinde, eine sehr aggressive Philosophie, die zurecht unterdrückt wird.

hat ja bei Faschisten System. So (sinngemäß) ähnlich hatten wir das ja schon mal:

"Das internationale Finanzjudentum bedroht mit seinen Machenschaften Sicherheit und Gesundheit des deutschen Volkes und daher ist das Judentum als Feind zu betrachten, das zurecht unterdrückt wird"

Nenn mir mal die Quelle und ich will wissen, ob der Wortlaut nicht von dir angepasst wurde. Abgesehen davon fordere ich nicht die Vernichtung von andersdenkenden, sondern die Kontrolle dieses Gedankenguts, dieser PHILOSOPHIE. Und nicht der Menschen. Das soll bedeuten, das schädliches Verhalten geahndet wird, mit Geldstrafen, Therapien, ggf. Freiheitsentzug, nicht mit Tod und Grausamkeit. Du bist wirklich das Letzte, wenn du in meinen Worten den gleichen Inhalt rauslesen willst, wie aus den letzten. Ich frage dich ganz konkret und bei deiner Ungeschicktheit wird die Antwort eindeutig sein, ob du mich als Faschisten oder eine Art Hilter bezeichnest?
Gandalf hat geschrieben:Klar und Du bist jetzt derjenige, der für persönlichen Einschränkungen der vielen Wohlstandsgeburten sorgt, damit diese keine Schaden anrichten - richtig?

Nein, aber ich finde es nicht schlecht, wenn selbiges getan wird.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Darth Nefarius » So 29. Jul 2012, 16:07

Nanna hat geschrieben:Wenn du eine straffe, einheitliche Organisation anstrebst, ist der Föderalismus erstmal ungeeignet, dann läuft es immer auf zentralstaatliche Modelle mit einer stark hierarchisierten Verwaltung hinaus. Der ganz große Vorteil eines föderalen Systems ist die Machtfragmentierung, die Machtmissbrauch unwahrscheinlicher macht oder zumindest regional beschränkt. Wenn in Bayern geputscht würde, wäre das, von den vielen Verflechtungen abgesehen, für die Funktionsfähigkeit von Nordrhein-Westfalens Regierungsapparat erstmal ohne direkte interne Auswirkungen und umgekehrt.

Dieses Konzept ist aber nur bei großen Ländern tauglich, nicht für europäische. Ab einem Land, das klein genug ist, bringt das nichts und schadet nur. Europa ist ein gutes Beispiel für die Übertreigung des Föderalismus. Klar, die einzelnen Länder sollen gerne ihre Souveränität behalten, aber nicht wichtige Entscheidungen von Bayern, Sizilien oder Kreta abhängig machen. Wenn korrupte Kleinstregionen nicht nur der Politik eines ganzen Landes, sondern einer Union schaden, ist der Föderalismus fehl am Platz.
Nanna hat geschrieben:Dann hat Föderalismus schon auch wirtschaftliche Vorteile, indem die Regionen sich gezielter an ihre jeweiligen Umstände anpassen können und indem nicht die Gefahr besteht, dass Beamte aus der fernen Hauptstadt ohne intime Ortskenntnis Vorschriften machen, die den Möglichkeiten der Region und Interessen der dortigen Bürger zuwiderlaufen.

Mit anderen Worten: Höhere Beamte können daruch nicht deren Korruptheit aufdecken, weil sie das lokale System nicht kennen. Du preist den Vorteil des Föderalismus mit bestehendem Föderalismus. Wenn nicht jede Region machen dürfte, was sie will, wären diese Regionen im System einheitlicher und auch besser zu verwalten, zu kontrollieren. Den wirtschaftlichen Vorteil sehe ich nicht, die Anpassung ist hier gleichzusetzen mit Undurchschaubarkeit und Unvergleichbarkeit von einzelnen Abschlüssen und Leistungsfähigkeiten.
Nanna hat geschrieben:Gerade in Deutschland hat der Föderalismus auch zu einem ausgedehnten Kulturwesen geführt, statt der Konzentration aller wichtigen Museen, Theater und sonstigen Kultureinrichtungen in der Hauptstadt, was ich persönlich für sehr wichtig für die generelle zivilisierte Verfasstheit eines Landes halte. Die Nähe der Bürger zu den politischen Institutionen, die bei kleineren Einheiten nunmal leichter zu gewährleisten ist, ist natürlich ebenfalls vorteilhaft.

In Frankreich gibt es mindestens eine genausogroße Vielfalt, ohne so viel Föderalismusgeplänckel. Wenn man Kultur sehen will, kann man nach Paris, wenn man Urlaub machen will, an die Cote´d Azur, wenn man eine Gourmetreise macht, in die... eigentlich überall hin.
Nanna hat geschrieben:Wir haben auf der lokalen Ebene nicht so wahnsinnig viel Basisdemokratie. Es wird auch in den Kommunen ein Gemeinderat gewählt und der macht dann erst mal, sicher bürgernäher als der Bundestag, aber trotzdem relativ unbehelligt.

Wie weit willst du es bitte mit Basisdemokratie treiben? Ist dir ein Gemeinderat schon zu viel? Ich halte ihn auch für überflüssig, allerdings aus dem gegenteiligen Grund.
Nanna hat geschrieben:Da könnte man über noch weitergehende basisdemokratische Experimente nachdenken, wobei ich ja auch schon die Erfahrungen diverser Kommunen mit Bürgerhaushalten geschildert habe, die mit zunehmender Komplexität, jeder neuen Wiederholung und ohne aufwändiges, mobilisierendes Marketing immer weniger Bürger anlockt, was dann dazu führen kann, dass einige gut organisierte Minderheiten ihre Vorstellungen durchdrücken (z.B. appelliert der Sportverein an alle Mitglieder per Rundmail oder Anschreiben, dass sie so oder so abstimmen sollen, jede Menge Trottel tun's und dann muss die kleine Dorfbücherei mit starken Kürzungen leben, weil der Sportverein irre Fördergelder rausgeschlagen hat). Deshalb spreche ich auch erstmal nur von einem Konzept, über das ich gerne reden würde. Aber wenn es Chancen für die Basisdemokratie gibt, dann in erster Linie auf kommunaler und maximal regionaler Ebene, auf nationaler oder supranationaler Ebene nur als gelegentliches Plebiszit bei sehr weitreichenden Entscheidungen.

Das ist eine halbwegs erwachsene Haltung, wenn ich auch immer noch nicht erkenne, worin der generelle Vorteil von Basisdemokratie sein soll. Du hast selbst die Ergebnisse geschildert. Eine Basisdemokratie ist nicht möglich, solange es Menschen mit unterschiedlichem Engagement und unterschiedlicher Courage gibt.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Nanna » Mo 30. Jul 2012, 04:45

Darth Nefarius hat geschrieben:Dieses Konzept ist aber nur bei großen Ländern tauglich, nicht für europäische. [...] Wenn korrupte Kleinstregionen nicht nur der Politik eines ganzen Landes, sondern einer Union schaden, ist der Föderalismus fehl am Platz.

Die EU leidet an eklatanten Strukturdefiziten, aber der Föderalismus als solcher ist nicht das Problem. Föderalismus ist ja nicht gleich Föderalismus, man muss sich schon die konkrete Umsetzung des Prinzips ansehen. Wenn es unangebracht viele Vetomöglichkeiten für Kleinstmitglieder gibt, ist das System natürlich blockiert, deshalb spreche ich ja bei von getrennten Ebenen mit klaren Zuständigkeiten, wo tiefergestelltere Ebenen nicht so einfach in die Kompetenzen der höheren Ebenen hineinpfuschen können, aber eben auch nicht so einfach umgekehrt.

Darth Nefarius hat geschrieben:Du preist den Vorteil des Föderalismus mit bestehendem Föderalismus. Wenn nicht jede Region machen dürfte, was sie will, wären diese Regionen im System einheitlicher und auch besser zu verwalten, zu kontrollieren. Den wirtschaftlichen Vorteil sehe ich nicht, die Anpassung ist hier gleichzusetzen mit Undurchschaubarkeit und Unvergleichbarkeit von einzelnen Abschlüssen und Leistungsfähigkeiten.

Ich arbeite selber als Hiwi an der Uni und kenne daher gewisse bürokratische Abläufe aus eigener Erfahrung. In den letzten Jahren gab es eine Tendenz zur Zentralisierung und Vereinheitlichung von Verwaltungsabläufen bei uns an der Uni, die zwar Vorteile hat (z.B. genauere Kassenkontrolle, was Korruption und Veruntreuung entgegenwirkt), aber eben auch Nachteile (die Lohnkosten für den Verwaltungsaufwand übersteigen den Nutzen manchmal und schnelle, pragmatische Entscheidungen auf dem kurzen Dienstweg bleiben im System stecken, was ansehnliche Opportunitätskosten verursachen kann). Je flexibler sich eine Einheit an ihre speziellen Bedingungen anpassen kann, desto erfolgreicher besteht sie im Wettbewerb. Kontrolle ist nicht alles, es kommt auf das rechte Maß an, also quasi darauf, wo der Grenznutzen liegt. Man kann auch übervereinheitlichen und überstrukturieren, dann sind Behörden unnötig viel mit Selbstverwaltung und -kontrolle beschäftigt, das bringt nicht zwingend den erwünschten Effizienzgewinn.
Um etwa die Vergleichbarkeit von Abschlüssen zu gewährleisten, könnte man einheitliche Bundesabschlüsse einführen, wobei nur das Bestehen zählen würde. Die Länder wären in der Gestaltung der Bildungspolitik weiterhin relativ frei. Ähnlich gibt es ja bei Sprachen den europäischen Referenzrahmen, der die Fülle privater und staatlicher Sprachzertifikate vergleichbar macht. Es gibt da wirklich genug Zwischenmöglichkeiten, die man wählen kann, denke ich, um die kombinierten Vorteile der verschiedenen Systeme zu erreichen.

Darth Nefarius hat geschrieben:In Frankreich gibt es mindestens eine genausogroße Vielfalt, ohne so viel Föderalismusgeplänckel. Wenn man Kultur sehen will, kann man nach Paris, wenn man Urlaub machen will, an die Cote´d Azur, wenn man eine Gourmetreise macht, in die... eigentlich überall hin.

Ja, eben, man geht an spezialisierte, national relativ einmalige Orte dafür, anstatt hochklassige Versorgung in der Breite zu bekommen, was in Deutschland der Fall ist.

Darth Nefarius hat geschrieben:Das ist eine halbwegs erwachsene Haltung, wenn ich auch immer noch nicht erkenne, worin der generelle Vorteil von Basisdemokratie sein soll. Du hast selbst die Ergebnisse geschildert. Eine Basisdemokratie ist nicht möglich, solange es Menschen mit unterschiedlichem Engagement und unterschiedlicher Courage gibt.

Ich bin auch skeptisch, ob da wirklich viel rauszuholen ist. In den meisten Fällen sind die basisdemokratischen Experimente entweder Rohrkrepierer (egal ob Bürgerhaushalte oder Liquid Feedback) oder es sind Umgestaltungen, die letztlich keine besseren Ergebnisse als parlamentarische Systeme bringen (die Schweiz z.B. macht ganz offensichtlich keine klügere Politik als andere Staaten) und ähnlich kompliziert funktionieren (müssen) wie Repräsentativdemokratien. Was allerdings eine Chance sein könnte, ist, dass die Bürger sich dem politischen System verbundener fühlen und daher eher Entscheidungen mittragen, auch unangenehme. Da könnte eine Chance der Basisdemokratie liegen und die könnte man zumindest auf der kommunalen und regionalen Ebene anzuzapfen versuchen. Hätte es beispielsweise schon in den 1990ern eine Abstimmung über Stuttgart 21 gegeben, hätte man sich den Zirkus um 2010 herum sparen können.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 30. Jul 2012, 12:41

Nanna hat geschrieben:Die EU leidet an eklatanten Strukturdefiziten, aber der Föderalismus als solcher ist nicht das Problem.

Er ist nicht DAS Problem, aber er ist EIN Problem. Eine Fortsetzung der Kleinstaaterei auf geringerer Ebene.
Nanna hat geschrieben: Föderalismus ist ja nicht gleich Föderalismus, man muss sich schon die konkrete Umsetzung des Prinzips ansehen. Wenn es unangebracht viele Vetomöglichkeiten für Kleinstmitglieder gibt, ist das System natürlich blockiert, deshalb spreche ich ja bei von getrennten Ebenen mit klaren Zuständigkeiten, wo tiefergestelltere Ebenen nicht so einfach in die Kompetenzen der höheren Ebenen hineinpfuschen können, aber eben auch nicht so einfach umgekehrt.

Also gefällt dir der deutsche Föderalismus auch nicht? Was du da beschreibst, scheint mir genau auf unser System zutreffend zu sein. Was wäre denn dein Paradebeispiel, wie Föderalismus funktionieren sollte? Mir ist kein gutes bekannt.
Nanna hat geschrieben: In den letzten Jahren gab es eine Tendenz zur Zentralisierung und Vereinheitlichung von Verwaltungsabläufen bei uns an der Uni, die zwar Vorteile hat (z.B. genauere Kassenkontrolle, was Korruption und Veruntreuung entgegenwirkt), aber eben auch Nachteile (die Lohnkosten für den Verwaltungsaufwand übersteigen den Nutzen manchmal und schnelle, pragmatische Entscheidungen auf dem kurzen Dienstweg bleiben im System stecken, was ansehnliche Opportunitätskosten verursachen kann).

An meiner Uni sehe ich diese Entwicklung leider nicht, die einzelnen Fakultäten sind unterschiedlichst bewertet im deutschen Vergleich, obwohl die Finanzen bei kaum einer Uni insgesamt besser sind. Die Nachteile, die du aufzählst, erlebe ich bei gerade nicht zentralisierter Uni.
Nanna hat geschrieben:Je flexibler sich eine Einheit an ihre speziellen Bedingungen anpassen kann, desto erfolgreicher besteht sie im Wettbewerb. Kontrolle ist nicht alles, es kommt auf das rechte Maß an, also quasi darauf, wo der Grenznutzen liegt.

Es bleibt das Problem der Vergleichbarkeit. Ein Nutzen ist nicht erkennbar, wenn jeder einen unterschiedlichen Maßstab festlegt und sich gerade dadurch dem Wettbewert entzieht.
Nanna hat geschrieben:Man kann auch übervereinheitlichen und überstrukturieren, dann sind Behörden unnötig viel mit Selbstverwaltung und -kontrolle beschäftigt, das bringt nicht zwingend den erwünschten Effizienzgewinn.

Das ist ein Eigenproblem jeder Bürokratie, dieser Effekt steht nicht im Zusammenhang mit Zentralisierungen. Gerade durch diese wird die Bürokratie deutlich effizienter und schlanker gestaltet.
Nanna hat geschrieben:Um etwa die Vergleichbarkeit von Abschlüssen zu gewährleisten, könnte man einheitliche Bundesabschlüsse einführen, wobei nur das Bestehen zählen würde.

Damit nimmst du jeden Druck aus dem System, die Abschlüsse würden degenerieren, wie jetzt schon sichtbar. Gerade der konkretere Vergleich in Noten würde noch was bedeuten. Ich persönlich sehe das Problem darin, dass jeder Politiker den Stein der Weisen meint neu erfinden zu müssen, anstatt sich einem erfolgreicheren System anzupassen. Eine Pflicht zur Systemanpassung nach dem erfolgreichsten Bundeslang wäre ein guter Weg. Dadurch wäre der Föderalismus allerdings überflüssig (was er ohnehin ist).
Nanna hat geschrieben: Die Länder wären in der Gestaltung der Bildungspolitik weiterhin relativ frei. Ähnlich gibt es ja bei Sprachen den europäischen Referenzrahmen, der die Fülle privater und staatlicher Sprachzertifikate vergleichbar macht. Es gibt da wirklich genug Zwischenmöglichkeiten, die man wählen kann, denke ich, um die kombinierten Vorteile der verschiedenen Systeme zu erreichen.

Ich erkenne nicht wirklich den Vorteil oder die Sicherstellung der Vergleichbarkeit. Mir reicht diese Art Vergleichbarkeit nicht, sie ist auf akademischer Ebene unzureichend.
Nanna hat geschrieben:Ja, eben, man geht an spezialisierte, national relativ einmalige Orte dafür, anstatt hochklassige Versorgung in der Breite zu bekommen, was in Deutschland der Fall ist.

Und was ist bitte bekannter? Der Louvre oder das Pergamonmuseum? Gerade diese einmaligen Orte erhalten internationale Aufmerksamkeit, nicht die regionalen Hinterweltsausstellungen. Wenn man die Bestände der Pinakotheken und Glyptotheken mit dem Pergamonmuseum zusammenlegen würde, wäre eine Vergleichbarkeit mit der Ermitage oder dem Louvre gegeben. DAS ist hochklassig.
Nanna hat geschrieben:Ich bin auch skeptisch, ob da wirklich viel rauszuholen ist. In den meisten Fällen sind die basisdemokratischen Experimente entweder Rohrkrepierer (egal ob Bürgerhaushalte oder Liquid Feedback) oder es sind Umgestaltungen, die letztlich keine besseren Ergebnisse als parlamentarische Systeme bringen (die Schweiz z.B. macht ganz offensichtlich keine klügere Politik als andere Staaten) und ähnlich kompliziert funktionieren (müssen) wie Repräsentativdemokratien. Was allerdings eine Chance sein könnte, ist, dass die Bürger sich dem politischen System verbundener fühlen und daher eher Entscheidungen mittragen, auch unangenehme.

Das ist eine trügerische Hoffnung. Auch die Politiker in Griechenlang sind gewählt worden, kaum geht es an die Kasse, schon will sie niemand haben. Die breite Masse hat kein Gefühl für Verantwortung, deswegen überträgt sie sie.
Nanna hat geschrieben:Da könnte eine Chance der Basisdemokratie liegen und die könnte man zumindest auf der kommunalen und regionalen Ebene anzuzapfen versuchen. Hätte es beispielsweise schon in den 1990ern eine Abstimmung über Stuttgart 21 gegeben, hätte man sich den Zirkus um 2010 herum sparen können.

Gewiss nicht. Die 2010er hätten gesagt, dass WIR das nicht beschlossen hätten, sondern unsere Eltern, oder sowas. Oder dass wir unsere Meinung geändert haben.
Eine Volksabstimmung hätte ein Verfallsdatum von - ich schätze mal - 6 Monaten, bis sich ein bedeutender Teil es anders überlegt und Paris Hilton wieder das interessante Thema in den Medien ist, oder die neueste Plagiatsaffäre.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Dissidenkt » Mi 1. Aug 2012, 18:13

Nanna hat geschrieben:
Ein paar wenige andere Faktoren der Demokratie (in ungeordneter Reihenfolge) sind...
  • der Grad der Repräsentativität und die Art und Weise ihrer Abbildung, also die Zahl der Regierungsebenen
  • die Größe föderaler Einheiten, die Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips (also die Frage, welche Kompetenzen sich auf welcher Ebene bündeln)
  • die Stärke des Zentrismus
  • die Größe und Einheitlichkeit der Wahlkreise
  • die Zahl der Abgeordneten
  • Hürdenregelungen
  • die Regelungen zur innerparteilichen Demokratie (das ist Deutschland übrigens vorbildlich, Ein-Mann-Parteien wie die Freakshow von Geert Wilders sind bei uns rechtlich ausgeschlossen)
  • die Art des Wahlsystems (Mehrheits- vs. Verhältniswahlrecht; man sagt als Faustregel, dass das Mehrheitswahlrecht Stabilität und klare Mehrheiten garantiert, wohingegen das Verhältniswahlrecht die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse besser abbildet, was sich in der Empirie aber nicht immer als zutreffend herausstellt)
  • die Organisation der Regierung und die Frage, wer sie bestimmt und kontrolliert
  • der Grad der Gewaltenteilung
  • die Unabhängigkeit der Institutionen, insbesondere der Justiz (die Wahl von Richtern und Sherriffs in Texas ist z.B. zwar urdemokratisch, korrumpiert aber deren Unabhängigkeit und ist eine Ursache der starken Schieflage des dortigen Rechtssystems mit Korruption, Rassismus und populistischen Urteilen)
  • die Zugangsvorausetzungen zum politischen System (in den USA wegen der horrenden Wahlkampfkosten für einfache Bürger z.B. kaum noch machbar)
  • die Länge und Begrenzung der Amtsperioden
  • die Parteienfinanzierung und sonstige Organisation der politischen Bildung
  • die Präzision, Umfassenheit und Klugheit des Verfassungstextes
  • das Wahlrecht und die Art und Weise der Durchführung der Wahl (die Wählerregistrierung in den USA ist z.B. ein Negativbeispiel für den faktischen Ausschluss ungebildeter Schichten und von Analphabeten)
  • die mögliche und tatsächliche Unabhängigkeit und Vielfalt der Berichterstattung
  • der Grad der Trennung von Verwaltung und Interessengruppen
...naja, und so weiter halt. Ich schreibe das eigentlich in erster Linie deshalb, um alljenen, die sich "einfache" Lösungen für die wahrgenommenen Missstände der deutschen oder insgesamt der westlichen Demokratie(n) aussprechen, ein bisschen vorzuführen, dass es verdammt viele Stellschrauben gibt, an denen man in einem demokratischen System drehen kann und dass sich, wenn man eine dreht, meist alle anderen mitdrehen, ohne dass man im Voraus so genau sagen kann, in welche Richtung und in welcher Intensität.



Du solltest die Bedeutung der Stellschrauben nicht überbewerten. Aber wenn alle in Richtung maximal möglicher Freiheit und Mitbestimmung gestellt sind, hättest du zweifellos das stabilste und gerechteste aller Systeme.


Mir schwebt schon länger ein Konzept vor, wie man der Welt tatsächlich auf recht einfache Weise zu einen Schub Richtung Freiheit verhelfen könnte. Es ist so simpel, wie überzeugend und du hast gerade unwissentlich einen Teil davon aufgelistet.

Also:
Was die Welt bräuchte, wäre eine Webseite, die nach möglichst objektiven Kriterien, die Freiheits- und Demokratiegrade aller Nation gegenüberstellt.

Dazu müsste man zunächst eine Liste der Freiheiten und der Mitbestimmungsmöglichkeiten aufstellen:
Wer bestimmt die Regierung? Volk, Parteien, Wahlmänner, Oligarchen, Militär, etc...
Kann die Regierung abgesetzt werden? Wenn ja, wie und von wem?
Können Bürger an der Legislative partizipieren?
Können Bürger die Regierung kontrollieren? In welchem Ausmaß?
Können Bürger die Exekutive und Judikative kontrollieren?
Können sich Bürger frei äussern?
Werden Informationen zensiert?
Werden Minderheiten geschützt?
etc...

Man müsste das natürlich auf die wichtigsten Indizes komprimieren und wie gesagt möglichst objektive Kriterien festlegen, nach denen der Grad der jeweiligen Freiheit oder Möglichkeit der Mitbestimmung bewertet wird.

Ideal wäre ein Punktesystem, dass von minimaler bis maximaler Freiheit und Mitbestimmung unterscheidet und in einer Grafik als Weltkarte farblich visualisiert werden könnte.

So eine Webseite, mit der man direkte Vergleiche zweier oder mehrerer Staaten visualisieren könnte, würde einen beachtlichen Druck auf die jeweiligen Regierenden auslösen und den oftmals durch staatliche Propaganda sedierten Völkern vor Augen führen, wie es um ihr Land steht und wo sie ansetzen sollten, wenn sie sich Freiheiten erkämpfen wollen. Von dem lehrreichen Diskurs, der sich an einem solchen Projekt entzünden würde, ganz zu schweigen.
Auf die Beine stellen könnten so etwas Politikstudenten oder Professoren in ihren Seminaren. Für die jeweiligen Länder müssten sich jeweils eine handvoll Kenner finden, die sich um den Datenbestand kümmern.
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Re: Ist Demokratie möglich?

Beitragvon Nanna » Mi 1. Aug 2012, 19:45

Dissidenkt hat geschrieben:Du solltest die Bedeutung der Stellschrauben nicht überbewerten.

Äh... ich glaube, das Problem ist gerade nicht mein Überbewerten, sondern dein Bagatellisieren. Du hast dich da in eine bestimmte Idee oder Vorstellung von der Welt verliebt, die dir gerade ein bisschen vernagelt, wie kompliziert die Themen sind, über die du da redest.

Diese Stellschrauben sind keine elektronischen Regler auf einem Mischpult oder in einer technischen Anlage, wo man per Schaltplan relativ schnell sehen kann, welche Regler Auswirkungen auf welche anderen haben. Die Stellschrauben, von denen ich rede, sind eigentlich nur Modellbildungen, die reduktionistisch gewisse Sachverhalte und soziale Konstruktionen widerspiegeln. "Gewaltenteilung" z.B. ist natürlich nur ein soziales Konstrukt, weshalb es von dem sozialen und kulturellen System abhängt, wie der Begriff verstanden und ausgelegt wird und wie die Menschen auf bestimmte Formen instutitioneller Gewaltenteilung reagieren. Oder es gibt gesetzliche Garantien, die aber uneindeutig sind (das sind Gesetze im Prinzip immer!) oder in der Alltagswirklichkeit unterlaufen werden, weshalb eine Gesetzesänderung u.U. reale Auswirkungen hat, die gar nicht beabsichtigt waren (passiert die ganze Zeit, deshalb ist es ja so verdammt schwierig, die "richtige" Politik zu machen. Das ist in sozialen Beziehungen nichts anderes, dauernd werden soziale Signale missverstanden, Regelungen uminterpretiert oder frühere Bekenntnisse bagatellisiert, und zwar völlig egal, unter welchen Herrschaftsbedingungen die Betroffenen gerade leben).

Die Stellschrauben sind also keine richtigen Stellschrauben, aber natürlich regeln sie etwas, nur ist eben häufig nicht ganz klar, was eigentlich genau. Es ist offenbar nicht egal, wie die Schrauben stehen, aber es gibt auch niemanden auf der Welt, der bisher ein kontextbefreites Konzept dafür vorlegen müsste, wie die Regler idealerweise stehen müssten (das ideale politische System, der Heilige Gral der Politikwissenschaft, den die Politikwissenschaftler mehrheitlich zugunsten der Erkenntnis aufgegeben haben, dass von gewissen universalen Rahmenstandards abgesehen jede historische Situation ihre eigenes konkretes "ideales" politisches System hat bzw. noch genauer, verschiedene Idealisierungen in verschiedenen Epochen unterschiedlich starken Zuspruch erfahren und, bei konkreter Umsetzung, auch unterschiedliche Ergebnisse zu Tage fördern - von objektivem "besser" oder "schlechter" kann man selten sprechen, ein brauchbarer Vergleich zweiter Systeme in unterschiedlichen Kontexten ist unter ein paar Professoren und ein paar tausend Seiten normalerweise kaum zu machen).

Wovon du dich, glaube ich, dringend lösen solltest, ist diese essenzialistische Auffassung von sozial konstruierten Begriffen wie "Freiheit" und von einer essenzialistischen, naturgesetzlichen Auffassung dessen, was ein politisches System ist. Ein politisches System ist kein Computer mit deterministischem Schaltsystem. Wir stellen alle Regler hoch, bauen eine Stickstoffkühlung ein und dann läuft der Laden - das geht mit einem Rechner, aber nicht mit politischen Systemen.

Dissidenkt hat geschrieben:Aber wenn alle in Richtung maximal möglicher Freiheit und Mitbestimmung gestellt sind, hättest du zweifellos das stabilste und gerechteste aller Systeme.

Mal Hand auf's Herz und ohne Bagatellisierungs- oder Ablenkungsstrategien: Ist dir klar, dass dieser Satz eine reine Behauptung ohne logische Herleitung, ohne Begründung und ohne Belege ist? Der Satz bringt diese Diskussion kein bisschen voran, wenn du nicht deine Prämissen und Gedankengänge offenlegst. Und das "zweifellos" soll hier ohnehin nur weitere kritische Einwände abwürgen, so als würdest du hier Offensichtlichkeiten wiedergeben.

Dissidenkt hat geschrieben:Was die Welt bräuchte, wäre eine Webseite, die nach möglichst objektiven Kriterien, die Freiheits- und Demokratiegrade aller Nation gegenüberstellt.

Im Ernst? Nach Wochen und Monaten des Nachdenkens, die du da offensichtlich reingesteckt hast, ist DAS deine Lösung? Eine Liste zusammenzuschreiben mit Informationen, die von Einführungsbüchern in die Politikwissenschaft und dem Fischer Weltalmanch bis hin zu zehntausenden von Blogs, von der UN bis zum CIA World Factbook, von der Wikipedia bis zur International Crisis Group, Amnesty International, Transparency International, Freedom House, dem Human Development Index undsoweiterundsofort über jeden verdammten Computer der Welt zu erreichen sind? Bist du auch der Meinung, dass es keine Unfälle mehr geben wird, wenn wir eine Website aufmachen, auf der wir alle Testergebnisse sämtlicher Autozeitschriften veröffentlichen? :lookwrong:

Dissidenkt hat geschrieben:Dazu müsste man zunächst eine Liste der Freiheiten und der Mitbestimmungsmöglichkeiten aufstellen:
Wer bestimmt die Regierung? Volk, Parteien, Wahlmänner, Oligarchen, Militär, etc...
Kann die Regierung abgesetzt werden? Wenn ja, wie und von wem?
Können Bürger an der Legislative partizipieren?
Können Bürger die Regierung kontrollieren? In welchem Ausmaß?
Können Bürger die Exekutive und Judikative kontrollieren?
Können sich Bürger frei äussern?
Werden Informationen zensiert?
Werden Minderheiten geschützt?
etc...

Es gibt kilometerweise sozialwissenschaftliche Fachliteratur darüber, wie man sowas überhaupt nur MESSEN soll und zehn Politikwissenschaftler werden dir mindestens zwölf Konzepte vorschlagen. Wir reden hier nicht darüber, die Wassertemperatur in einem Badeort zu messen, aber auf derartige Trivialitäten scheint sich die Fragestellung in deinem Kopf bislang zu beschränken.
Es gibt dutzende Indizes und Langzeitstudien (z.B. eben den Human Development Index, den GINI-Koeffizienten, oder die Einteilungen von Freedom House) - die Idee, solche Sachen zu messen ist nicht neu! Das Problem, dass man "Mitbestimmungsmöglichkeiten" nicht so einfach vergleichen kann wie die Anzahl von Gummibärchen in zwei Tüten ist dummerweise genau so alt. All die Indizes, die ich aufgelistet habe, haben in der Forschung immer wieder berechtigte Breitseiten fundamentaler Kritik einstecken müssen und alle sind immer nur unvollkommene Lösungsvorschläge für ein Messproblem (daraus folgt für die realpolitische Situation eh erstmal noch gar nichts). Wir haben also riesige Mengen von Information, die jetzt schon frei zugänglich ist, das dumme ist nur, dass es auch für Politikwissenschaftler schwer entscheidbar ist, wie weit die Erklärungskraft dieser Messungen und Beschreibungen reicht.

Was du hier also gerade versuchst, ist auf der einen Seite schrecklich trivial (es wird seit Jahrzehnten getan) und auf der anderen ein nichtmal ansatzweise gelöstes Problem (d.h. zweifelsohne, und in diesem Fall wirklich zweifelsohne, dass die Erklärungskraft und damit die Anwendbarkeit dieser Vergleichsmethoden beschränkt ist und dass sie schon gleich gar keine präzisen Prognosen erlauben!).

Dissidenkt hat geschrieben:Man müsste das natürlich auf die wichtigsten Indizes komprimieren und wie gesagt möglichst objektive Kriterien festlegen, nach denen der Grad der jeweiligen Freiheit oder Möglichkeit der Mitbestimmung bewertet wird.

Ich wiederhole es nochmal, für den Fall, dass jemand nicht ganz mitgekommen ist: "Wir" Politikwissenschaftler sitzen seit Jahrzehnten an diesem Problem. Wir werden auch in Jahrzehnten noch an diesem Problem sitzen. Wir rufen dich an, wenn wir fertig sind oder hinterlassen zumindest eine Notiz auf deinem verwitterten Grabstein. Bis dahin: Such dir was Originelleres!

Dissidenkt hat geschrieben:Ideal wäre ein Punktesystem, dass von minimaler bis maximaler Freiheit und Mitbestimmung unterscheidet und in einer Grafik als Weltkarte farblich visualisiert werden könnte.

Du machst den trivialen siebzigsten Schritt vor dem ersten. Wie man das in hübsche bunte Bildchen für den grafikhungrigen Laien packt, ist doch erstmal sowas von unbedeutend, das kann ein angelernter Praktikant am Ende des Projekts erledigen. Die entscheidenden, gar nicht trivialen Fragen sind die, mit denen die sozialwissenschaftliche Forschung seit ihrer Entstehung kämpft: Wie erhebt man objektive sozialwissenschaftliche Daten? Wie quantifiziert und ordnet man Daten, die keine natürliche, sondern nur eine sozial konstruierte Hierarchie besitzen? Tut man es überhaupt? Wie quantifiziert man beispielsweise "Freiheit" (die Anhänger der qualitativen sozialwissenschaftlichen Forschung würden, natürlich etwas elaborierter, sagen: Gar nicht, alles Lug, Trug und Teufelszeug!)? Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, allein meine Einführungsbücher in die empirischen Methoden der Sozialwissenschaften gehen da kapitelweise drauf ein und sind sich einzig darin einig, dass die Forscher sich nicht einig sind.

Dissidenkt hat geschrieben:So eine Webseite, mit der man direkte Vergleiche zweier oder mehrerer Staaten visualisieren könnte, würde einen beachtlichen Druck auf die jeweiligen Regierenden auslösen und den oftmals durch staatliche Propaganda sedierten Völkern vor Augen führen, wie es um ihr Land steht und wo sie ansetzen sollten, wenn sie sich Freiheiten erkämpfen wollen.

Nein, würde es nicht. Es wäre eine weitere von tausenden solcher Websites, wie NGOs und Blogger sie seit Jahren betreiben. Glaubst du ernsthaft, den peruanischen Ziegenhirten, den Favelabewohner von Kalkutta, den mittelständischen Arzt in Moskau oder das Upper-Class-Kind in London interessieren sich dafür, was der nächste selbsternannte Weltverbesserer über den Vergleich der politischen Systeme von China und Kanada zu sagen hat? Hältst du die Leute für derart naiv, dass sie in China, Sudan oder Iran nicht selber wissen, dass ihre Regierung nicht gerade das Gelbe vom Ei ist? Glaubst du, der überzeugte Anhänger Putins, Chavez' oder die Mao-Verehrer in China werden umdenken, nur weil du ihnen eine bunte Weltkarte vor die Nase hältst (die viele von ihnen nie zu sehen bekommen, nicht nur aus Zensur, sondern auch aus Desinteresse)? Und glaubst du, dass deine Definition von Freiheit mit der eines Tibeters übereinstimmt, der vielleicht von China frei sein will, ansonsten aber die absolute Herrschaft des Dalai Lama befürwortet? Kannst ihm ja sagen, dass er "zweifelsohne" falsch liegt, dann dreht er sich halt um, wundert sich über den aufgeregten Westler und geht in sein Kloster meditieren.

Dissidenkt hat geschrieben:Von dem lehrreichen Diskurs, der sich an einem solchen Projekt entzünden würde, ganz zu schweigen.

So wie du das aufziehst, scheint es eher ein belehrungsreicher Diskurs zu werden.

Dissidenkt hat geschrieben:Auf die Beine stellen könnten so etwas Politikstudenten oder Professoren in ihren Seminaren. Für die jeweiligen Länder müssten sich jeweils eine handvoll Kenner finden, die sich um den Datenbestand kümmern.

Darf ich dir als jemand, der sowohl Politikwissenschaftsstudent als auch Student einer area study und damit Kenner für eine bestimmte Ländergruppe ist, ganz unsensibel ans Herz legen, uns mit solchen unoriginellen Ideen und unausgereiften Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu verschonen? Und uns zuzutrauen, dass wir nicht deinen zweifelsohne wenig qualifizierten, weil sehr offensichtlich ahnungslosen Rat brauchen, sondern selber eine ganz gute Vorstellung von dem haben, was wir tun und tun können? Warum erklärst du Leuten, in deren Fachgebiet du dich offensichtlich noch nicht einmal oberflächlich eingelesen hast, derart von oben herab, was sie zu tun haben, damit die Welt besser wird? Hältst du dich für derart begabt, dass du den Schritt, wo man sich erstmal mühsam Kompetenzen und Problembewusstsein erarbeitet, locker flockig auslassen kannst, weil du es qua deiner naturgegebenen Erkenntnisfähigkeit ja eh nicht nötig hast?

Ach ja, noch was: Ich werde diese Diskussion nicht weiterführen, wenn du die Probleme, die ich versucht habe, im Ansatz zu skizzieren, wieder gedankenlos wegbatagatellisierst. Das würde bedeuten, dass du die Problematik nicht verstehst, und da ich nicht weiß, wie ich es anders erklären soll, wäre das eine fruchtlose Diskussion.
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