Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Nanna » Mo 9. Jan 2012, 18:27

Naja, das hängt davon ab, wie viele "Hoffnungsträger" die Bundespolitik der CDU in den nächsten Jahren verschleißt und wie sehr man auf einen Populisten wie ihn vielleicht mal wieder angewiesen ist. In ein paar Jahren könnte es durchaus sein, dass Guttenberg für bestimmte Wählerklientelen wieder wählbar wird bzw. immer noch ist. Nicht wenige CDU-Anhänger sind nach wie vor fest davon überzeugt, dass das Abschreiben a) gar nicht so schlimm war und b) der Rücktritt durch eine Hetzkampagne der Medien erzwungen war.
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Darth Nefarius » Mo 9. Jan 2012, 18:35

In der Not frisst der Teufel fliegen, dass bedeutet nicht, dass er auch gewählt wird. Wenn er bestimmte Sphären der Macht (damit meine ich tatsächliche Macht, nicht die des Bundespräsidenten) erreichen will, muss er sich auch direkt oder indirekt Wahlen stellen, da hat er gegen einen gestandenen und unbelasteten Politiker keine Chance (egal ob aus der CDU oder der SPD). Natürlich kann er irgendein Abgeordneter werden, aber bestimmt kein Minister mehr, dadurch würde sich Merkel unglaubwürdig machen (offiziell aber muss sie ihn aber unterstützen, die CSU darf nicht verärgert werden).
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Lumen » Mo 9. Jan 2012, 21:56

Ich finde es ist eine recht abartige Entwicklung, neuerdings die Schwächen und Fehler von Politikern als Stärken verkaufen zu wollen. Ich falle wirklich vom Glauben ab, wenn diese Scharlatane mit diesem Mist durchkommen. So dumm können selbst CDU Wähler doch nicht sein. Schein und Sein gehen doch dermaßen auseinander, allerdings passt Bigotterie und Heuchlerei auch wieder zum gut-bürgerlichen Ton.
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Darth Nefarius » Di 10. Jan 2012, 11:54

In diesem Zusammenhang wird aber oft vergessen, welche Leichen Politiker älterer Generationen im Keller hatten. Von Kreditaffären, Dokumentenfälschung (und sei es bei dem Alter der Frau), juristischen Falschaussagen, Nazivergangenheiten, Stasivergangenheiten ist alles auch bei anderen vorhanden. Insofern ist das keine Entwicklung, sondern die normale Dosis Korruption. Uns fällt Wulff nur auf, weil wir zu diesem einen Zeitpunkt nicht Nachrichten aus Fukushima, dem nahen Osten oder der Börse hatten (und weil wir ihn auf dem Kieker hatten, weil wir ihn nicht gewählt hätten und er uns von Vornerein nicht sympathisch war :pueh: :student: ).
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Celtic » Mi 11. Jan 2012, 20:27

Ich glaube eher, die anderen haben das "11.Gebot" besser befolgt: Du sollst Dich nicht erwischen lassen.
Aber der Einfaltspinsel mußte ja unbedingt Beweismaterial auf dem Anrufbeantworter des berüchtigten Boulevardblatts hinterlassen. Schon für diese Dummheit gehört er eigentlich unehrenhaft aus dem Dienst entlassen und ihm seine weiteren Bezüge und Vergünstigungen aberkannt. :tomate:
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon stine » Do 12. Jan 2012, 08:29

Lumen hat geschrieben:Schein und Sein gehen doch dermaßen auseinander, allerdings passt Bigotterie und Heuchlerei auch wieder zum gut-bürgerlichen Ton.
Celtic hat geschrieben:Ich glaube eher, die anderen haben das "11.Gebot" besser befolgt: Du sollst Dich nicht erwischen lassen.
Das denke ich auch.
Es gibt doch niemanden, der perfekt in irgendeine Rolle passt. Das geht quer durch alle Parteien und Organisationen. Natürlich sind alle, die irgendwo an der Spitze stehen immer ganz besonders im Augenmerk der Presse. Welche Auflage ginge denn in die Höhe, wenn man über irgendeinen Hinterbänkler berichtete?
Alle, die hier ablästern, sollten sich mal überlegen, wann sie das letzte Mal bei ihrer Steuererklärung geschummelt haben und wie oft sie schon zu einer "Notlüge" greifen mussten, um gut dazustehen. Ich möchte weder Wullf noch Guttenberg verteidigen, aber das Veröffentlichen von Fehlverhalten, sollte sich dann auch auf dieses Fehlverhalten beschränken. Jemanden solange in die Enge zu treiben, bis er zermürbt aufgibt, ist kein guter Stil. Die Macht der Presse in unserem Land ist inzwischen eine politische geworden, die durchaus ernst zu nehmen ist. Bloße Aufdeckung sieht anders aus.

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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Celtic » Do 12. Jan 2012, 10:14

Ein Bundespräsident darf von mir aus gerne Ecken und Kanten haben. Und er muß nicht unbedingt eine strahlend weiße Weste haben. Das zu fordern wäre in der Tat überzogen... weil die von uns vermutlich auch keiner hat.

Allerdings frage ich mich, ob jemand, der sich einen Doktortitel erschlichen hat bzw. Vergünstigungen im Amt angenommen, die Pressefreiheit mit Füßen tritt und mehrfach Halb- und Unwahrheiten verbreitet hat, glaubwürdig unser Land nach außen vertreten kann. Vor allem dann, wenn er hinterher nicht die Spur von Einsicht in sein Fehlverhalten zeigt und in der Öffentlichkeit auf die Tränendrüse drückt.

Ist so jemand ein guter Repräsentant für Deutschland?

Für mich gibt es darauf nur eine Antwort: Ein klares NEIN.
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Teh Asphyx » Do 12. Jan 2012, 10:37

stine hat geschrieben:Alle, die hier ablästern, sollten sich mal überlegen, wann sie das letzte Mal bei ihrer Steuererklärung geschummelt haben und wie oft sie schon zu einer "Notlüge" greifen mussten, um gut dazustehen.


Der Vergleich hinkt. Als Normalbürger habe ich keine Wahl, ich muss auch Steuern zahlen, wenn ich mit den Steuern nicht einverstanden bin, dann kann ich mich nicht einfach verweigern, weil das blöderweise gewaltsame Konsequenzen hat (ob zu recht oder nicht ist hier mal irrelevant, also werde ich darüber hier auch keine Diskussion anfangen, dass es so ist, ist jedenfalls Fakt). Also bleibt es einem da nur zu schummeln und zu hoffen, dass es nicht auffliegt.

Ein Politiker, erst recht ein Bundespräsident repräsentiert hingegen in gewisser Weise das System, das er mit dem Schummeln versucht zu umgehen und das ist eine ganz andere Qualität von Verlogenheit.
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon stine » Do 12. Jan 2012, 12:26

Auch ein Bundespräsident war mal ein "normaler" Staatsbürger. Hätte er gewusst, dass man ihn einmal nach oben loben würde, damit er weg ist von der Piste, dann hätte er vielleicht schon eher angefangen, seine Leichen im Keller zu vergraben.

Celtic hat geschrieben:Allerdings frage ich mich, ob jemand, der sich einen Doktortitel erschlichen hat bzw. Vergünstigungen im Amt angenommen, die Pressefreiheit mit Füßen tritt und mehrfach Halb- und Unwahrheiten verbreitet hat, glaubwürdig unser Land nach außen vertreten kann. Vor allem dann, wenn er hinterher nicht die Spur von Einsicht in sein Fehlverhalten zeigt und in der Öffentlichkeit auf die Tränendrüse drückt.
Na der Beschriebene ist ja jetzt weg.

Es ist nicht die Aufklärung und das an den Pranger stellen von Personen des öffentlichen Lebens, das mich stört. Es ist die Nachhaltigkeit. Es ist die Tatsache, das jemand so lange an den Pranger gestellt wird, bis die Auflage zurückgeht, weil sich das Volk sattgefressen hat. Glaubt hier jemand im Ernst, dass es eine Zeitung nachhaltig interessiert, was ein Wullf oder ein Guttenberg macht, wenn er nicht für gute Presse sorgen würde?

Den Papparazzi werden horrende Summen bezahlt, wenn das Bild, das sie liefern nur halbwegs kompromittierend für die abgelichtetet Person ist. An der Geilheit des Volkes, Köpfe rollen zu sehen, hat sich seit dem Mittelalter nichts geändert. Nichts erfreut so sehr, als wenn wir dem, dem es besser zu gehen scheint als uns selber, eins auswischen können.
Und solange diese Mentalität herrscht wird die Presse nicht ruhen, öffentliche Personen solange an den Pranger zu stellen, wie die Auflage stimmig ist.

Ich bin auch der Meinung, dass nicht immer sofort zurückgetreten werden muss, sobald eine unangehme Sache ans Tageslicht kommt. Ein Rücktritt wegen Vergehen innerhalb des Amtes das Amt betreffend ist unablässig, wenn aber Kellerleichen das Amt gefährden, dann wird es bald niemanden mehr geben, der überhaupt für so ehrenwerte Ämter eingesetzt werden kann.

Ich kenne seit der Öffnung nach Osten viele "Studierte" mit wohlkingenden Abschlüssen, aber im Detail nach dem Wissen und Können befragt, sind sie nicht besser, als viele Hilfsarbeiter hier. Warum fragt die Presse bei Herrn Noname nicht nach, was hinter dem wohlklingendem Abschluss aus Ungarn oder der Ukraine wirklich steckt?

LG stine
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Lumen » Do 12. Jan 2012, 18:40

  • Erstens. Der Bundespräsident war vorher Ministerpräsident des Landes Niedersachsen und hat bei "Freunden" auch in deren Abwesenheit in Feriendomizilen Urlaub gemacht. Hierbei gab es auch Fälle, wo der Verdacht einer Vorteilsnahme gerechtfertig ist.
  • Zweitens. Wurde Wulff vom niedersächsichen Landtag zu seinen Connections zu Herrn Geerkens befragt. „Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben.“ Tatsächlich erhielt Wulff aber seinen Kredit auf den Namen von Frau Geerkens. Somit kommt er juristisch eventuell durch, aber es bleibt mindestens halbseiden. Die Anfrage wurde im Zuge der Flugticket-Affäre, also eines weiteren Skandals, gestellt.
  • Drittens. Nachdem Wulffs zweifelhafter Hang zur Wahrheit aufgedeckt werden sollte, drohte er mehreren Journalisten. Dies war offenbar bereits früher schonmal der Fall.
  • Viertens. Seine Behauptung, er habe die Veröffentlichung nur verschieben wollen ist ebenfalls zweifelhaft. Er hat zwar inhaltlich davon gesprochen, gleichzeitig aber schwere Geschütze aufgefahren und gedroht. Der Eindruck sei auch bei ihm entstanden, so der Journalist Leyendecker (der nicht für die Bild tätig ist), dass der Präsident die Veröffentlichung verhindern wollte.
  • Fünftens. Wullf rühmte sich seiner Verdienste für die Versichungsbranche. Passenderweise machte er bei einem Vorstandschef eines Versicherungskonzern auch Urlaub. Die Anzeigen seines Buches mit dem nun ironischen Titel „Besser die Wahrheit“ wurden von einem Unternehmer bezahlt (über 40.000 €). Das Buch diente auch zu Wahlkampfzwecken. Auch diese Fälle sind in einer Grauzone.
  • Sechstens. Nachdem jeder sehen konnte, dass er Fehler gemacht hatte, hat Wulff diese Fehler auch „eingestanden“. Das ist nichts wert. Genauso hat er jeweils Dinge zugegeben, die bereits zuvor bekannt geworden waren. Mir ist kein relevantes Detail bekannt, das Wulff von sich aus aufgedeckt hätte, um reinen Tisch zu machen. Seiner Behauptung nun Transparenz schaffen zu wollen ist er nicht nachgekommen, und wird sich damit neben Koch als „brutalstmöglichen Aufklärer“ einreihen.
  • Siebtens. Wulff gab an, sinngemäß, dass er das Amt noch lernen müsste.

Da kommt schon was zusammen, was alles andere als mal „bei Rot über die Ampel“ gehen ist. Ich finde die Versuche daher relativ albern, ob nun von dir stine oder von Plasberg das ganze zu bagatellisieren. Gerade bei einem Schwiegersohn wie Wulff, bei einer Partei die derartig Anstand und Ehre vor sich herträgt (aber gefühlt am wenigsten einhält), ist es schon angebracht, mit ihm hart ins Gericht zu gehen. Dazu kommen weitere Peinlichkeiten, wie das zur Schau stellen von Bescheidenheit durch eine andere Bekannte bei Günther Jauch.
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon stine » Do 12. Jan 2012, 20:12

Klar ist Wulff untragbar und ich habe ihn von Anfang an nicht für den richtigen Mann in dieser Position gehalten.
Ich kreide nur an, dass man diese Geschichte jetzt durch alle Medien zieht: Geschrieben, getalkt, vernetzt und immer wieder von einer anderen Seite aufgewärmt. Wenn Herr Wulff so ein dickes Fell hat, dass er nicht weiß was sich gehört, dann ist er deswegen auch ein wenig beneidenswert. Jeder andere wär schon zusammengeklappt. Ich würde sagen :up: für sein Standing!

:wink: stine
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Zappa » Do 12. Jan 2012, 21:43

Ich würde aussitzen nicht grade als "standing" bezeichnen :mg:

Für mich eher das dicke Fell eines bestechlichen Emporkömmlings.
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Re: Vom Bock zum Gärtner zum Heiligen

Beitragvon Celtic » Fr 13. Jan 2012, 14:26

Wulff hat es selbst in der Hand, den ganzen Konflikt um seine Person zu beenden. Da er offensichtlich unfähig ist, die Karten offen auf den Tisch zu legen, bleibt ihm nur der Rücktritt.

Das Aussitzen-wollen ist nur noch peinlich: Jeder sieht, dass sich da ein gescheiterter Politiker krampfhaft an seinem Stuhl festklammert. Er hat sich selbst unglaubwürdig gemacht - und das Amt des Bundespräsidenten der Lächerlichkeit preisgegeben. Noch nie ist ein Bundespräsident in der Mickey Mouse verspottet worden... es wird allerhöchste Zeit für den Abgang.
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