von Nanna » Di 8. Nov 2011, 22:48
Achduje. So kann man doch nicht logisch schließen...
Aus willkürlich ausgewählten Koinzidenzen (Geld und Konsensdemokratie in der Schweiz bei xander1 und Finanzkrise, Unwohlsein gegenüber gewissen geldpolitischen Gegebenheiten und Äußerungen von Politikern bei Gandalf) kann man nicht irgendwelche haarsträubenden Konstrukte ableiten.
Die Wirklichkeit ist zu komplex, um von ein paar Superpolitikern überblickt und in weiser Voraussicht aller möglichen Alternativen intentional gesteuert zu werden. Der politische Betrieb ist in vielen Zusammenhängen unbeherrschbar komplex, verhält sich chaotisch und widersetzt sich heftig einer derart detaillierten Analyse, die erforderlich wäre, um all die Stellschrauben zu identifizieren, die nötig wären, um gesellschaftspolitische Prozesse gezielt zu steuern und dabei die Vorhersehbarkeit zu erhalten. Selbst wenn man das könnte, bliebe völlig unbeantwortet, wie man in der ineinandergreifenden und von irrsinnig vielen Rückkopplungsprozessen dominierten Partei-, Parlaments-, Ausschuss-, Medien-, und Regierungspolitik exakt die Entscheidungen zu exakt den Zeitpunkten herbeiführen könnte, die nötig wären, um das System stabil am Laufen zu halten (und nur der Disclaimer hinterher: Ich schätze so einiges an Gandalfs geldtheoretischen Ausführungen, ich finde das hochinteressant, aber lieber Gandalf, mach bitte keine theory of everything daraus. Geld regiert nicht (allein) die Welt und Geldpolitik ist (nur) Geldpolitik, sie ist historisch gewachsen, ist nicht die Folge bewussten Dominanzverhaltens einiger heutiger Politiker - die im übrigen nicht geldpolitische Dilletanten und weltsteuernde Teufel gleichzeitig sein können. Spekulation ist auch im Diskurs Mist, nicht nur in der Finanzwelt, also pass ein bisschen mehr auf, was du postulierst, vor allem wenn es nicht deinen geldpolitischen Kernkompetenzbereich betrifft. Der politische Betrieb hat eigene Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die sich eindeutig nicht auf die geldpolitische Verfassung reduzieren lassen, und zwar bei weitem nicht.).
Sorry, wenn ich nach zwei Wochen Forenabstinenz hier reinplatze und erstmal kräftig rummaule, das ist alles nicht persönlich gemeint, aber ich muss das loswerden, weil die ständige Sorglosigkeit im Umgang mit Begriffen echt nervt: Man kann nicht alle möglichen Dinge, die einem irgendwie irgendwo auffallen oder die man mit irgendwas assoziiert zusammen mit seinen persönlichen Klischees und Vorurteilen in eine Flasche kippen, das ganze heftig schütteln und dann irgendwelche Labels draufpappen. So funktioniert die Analyse von Zusammenhängen einfach nicht. Und zwar gar nicht. Das ist einfach nur falsch, unpräzise und damit analytisch wertlos. Dass man sich nicht in einem wissenschaftlichen Fachjournal geäußert hat, macht die Postulate dabei weder auf magische Weise weniger falsch oder die Fehlschlüsse weniger schlimm, noch werden sie dadurch für den Passt-schon-so-Alltag gebräuchlicher.
Begriffe sind nicht einfach nur Spielzeug. Es gibt z.B. kein homogenes "Volk". Oder irgendeine Politikerverschwörung. Und direkte Demokratie (welche überhaupt? Rätedemokratie? Konsensdemokratie wie in der Schweiz? Akklamatorische Demokratie wie in Wikipedia?) ist nicht gerecht, sie legitimiert unter Umständen nur besser; sie kann trotzdem eine Diktatur der Mehrheit ohne Rücksicht für Minderheiten sein.
Warum haben eigentlich alle solche Homogenitätsfantasien, muss alles mit EINER Geldtheorie, alles mit der EINEN wahren direkten Demokratie geheilt werden, so wie Fromme glauben, dass ALLE Probleme durch Beten lösbar sind oder Kommunisten glauben, dass der EINE Kommunismus die Welt von allen Jochs und Ungerechtigkeiten befreit? Ist die Krise schon lang genug, dass man sich über Ursachenkomplexe oder differenzierte Begriffsbildung keine Gedanken mehr machen muss? Ein bisschen mehr Schärfe in der Analyse, wenn ich bitten darf.
Falls jemand sich mit sozialen Bewegungen abseits von halbgaren Spekulationen befassen will, soll er sich "Social Movements: An Introduction" von Donatella Della Porta zulegen. Ist allerdings keine ganz leichte sozialwissenschaftliche Kost mehr... aber ist halt auch kein so triviales Thema wie manche "Hier das Volk, da die Mächtigen"-Postings hier das munter implizieren.