ostfriese hat geschrieben:Kurt hat geschrieben:Wie willst du die Menschen dann dazu bringen, ihre gegebenen Vorteile zu nutzen, z.B. als Ingenieur statt als Kartoffelschäler zu arbeiten?
Kennst Du irgendeinen Ingenieur, der für das gleiche Geld lieber als Kartoffelschäler arbeiten würde??
Also mein Job ist oft ziemlich aufreibend und stressig und viele meiner Kollegen stehen kurz vor dem Kollaps. Ich geh manchmal am Wochenende in den Wald und mach Brennholz, das entspannt ungemein. Was mir auch Spaß machen würde ist, einfach mal ein Jahr lang mit dem Laster durch Europa zu schippern. Vielleicht nicht auf Dauer, aber zeitweise würde ich meinen Job schon gerne gegen was anderes tauschen.
ostfriese hat geschrieben:Kurt hat geschrieben:Wie willst du sie anregen, vielleicht mehr zu arbeiten, wenn nach deiner Sicht eine matierelle Besserstellung nicht legitim ist?
Ich möchte überhaupt niemanden anregen, mehr zu arbeiten. Wer freiwillig mehr arbeitet, soll das tun dürfen, aber dann tut er's eben freiwillig und bedarf keiner zusätzlichen Entlohnung. Ich möchte, dass der Druck wegfällt, mehr arbeiten zu
müssen.
Gut, aber die Folge davon wäre auch, dass die Leute wieder mehr einfachere Arbeiten tun würden, statt sich auf die stressigen, (heute) gutbezahlten Jobs zu werfen, die den Technologiefortschritt erst ermöglichen. Hochbezahlte Leute arbeiten schließlich nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Gesellschaft, indem sie Produkte und Dienstleistungen schaffen, die uns früher nicht zur Verfügung standen. Wenn ich mir die Menschheitsgeschichte anschaue, sehe ich keine Zeit, in der ich lieber gelebt hätte als heute, und deshalb will ich auch, dass der Fortschritt weitergeht.
ostfriese hat geschrieben:Während Arbeiten, die früher ganze Wochentage in Anspruch nahmen ("Waschtag") und unmittelbar der Befriedigung von Grundbedürfnissen (Nahrung, Kleidung, Behausung) dienten, heute auf einen Bruchteil ihres vorindustriellen Zeitbedarfs reduziert sind, steigen Tages- und Lebensarbeitszeit in den letzten Jahren paradoxerweise wieder an.
Ich weiß nicht, gab es früher schon Leute, die 20 Jahre lang nach ihrem Arbeitsleben von der Rente leben konnten? Vor 100 Jahren arbeiteten die Leute, solange sie
konnten. Und dahin will ich nicht wieder zurück. Ist die Lebensarbeitszeit hier in Relation zur Lebenserwartung gesetzt oder absolut gemessen?
ostfriese hat geschrieben:Hans-Peter Martin und Harald Schumann ("Die Globalisierungsfalle") haben errechnet, dass statistisch gesehen mehr als die Hälfte unserer Arbeitszeit nur dazu dient, die Zinsen auf das Privatvermögen von Millionären zu erwirtschaften. Es behaupte also niemand, Mehrarbeit sei vor allem nötig zur Finanzierung der Renten!
Ich finde es auch bedenklich, dass man mit einer bestimmten Kapitalmenge von den Zinsen leben kann, ohne produktiv zu sein oder Risiko mitzutragen. Ich finde, Geld (ursprünglich ja Kredit im Sinne von "jemand schuldet mir eine Gegenleistung") sollte einen natürlichen Verfall haben. Möglicherweise könnte man das Problem geldpolitisch regeln. Ich weiß allerdings nicht welche Schrauben in welche Richtung gedreht werden müssten. Dass jemand wie Warren Buffet sich an Unternehmen beteililgt, die ihren Wert steigern, kann man IMO kaum verhindern, ohne die funktionierende Wirtschaft zu stören.
Wenn alle Jobs gleich gut bezahlt würden, hätte ich mir sicherlich was anderes ausgesucht.
Ich nicht. Und ich arbeite für 11 Euro pro Stunde netto (liegt hauptsächlich daran, dass meine effektive Arbeitszeit viel höher ist, als sie offiziell veranschlagt wird). Aber es gibt sicher Jobs, die würde freiwillig niemand erledigen wollen, und da wäre es entsprechend gerechtfertigt, für erhöhte Lasten einen finanziellen Ausgleich anzubieten. Kanalarbeitern beispielsweise...
Da stimme ich zu. Allerdings gibt es in fast allen Staaten die Grundsatzentscheidung, am globalen Markt teilzunehmen, günstig die anderswo einfacher herzustellenden Güter kaufen zu können und dafür eine Gegenleistung bringen zu müssen. Wenn du also in einer globalen Branche, z.B. Automobil, die Löhne so stark erhöhst, dass die Autos teurer und nicht mehr wettbewerbsfähig verkauft werden müssen, dann steigst du quasi aus dem globalen Markt aus. Willst du das wirklich? Es führt aus meiner Sicht kein Weg an Preis- und Lohnwettbewerb vorbei. Die Alternative wäre Protektionismus, d.h. Isolation vom Weltmarkt mit der Konsequenz, dass wir dem globalen Standard eine zu lange Zeitspanne hinterherhängen.