Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema?

Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 10. Nov 2010, 13:31

Ach immer die Frauen mit ihrem Sinn für Ästhetik :santagrin:
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Arathas » Mi 10. Nov 2010, 13:43

Ich hab's mir besorgt (in einer der Varianten, die kein Geld kosten ... ;-)), aber nicht mehr als ein paar Seiten am Stück lesen können. Es ist wirklich dröge geschrieben. Gut, ich lese für gewöhnlich Sachen wie Harry Potter oder Stephen King. Das hier ist einfach nicht mein Stoff. :/
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 10. Nov 2010, 14:13

Naja, stine ist wohl die Bibel gewöhnt :santagrin:
obwohl die dürfte ähnlich wie Harry Potter und Stephen King sein. Phantastische Geschichten mit Mord und Totschlag Bild
Arathas hat geschrieben: (in einer der Varianten, die kein Geld kosten ... ;-)),
das will ich lieber nicht so genau wissen :(
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Arathas » Mi 10. Nov 2010, 14:36

1von6,5Milliarden hat geschrieben:obwohl die dürfte ähnlich wie Harry Potter und Stephen King sein. Phantastische Geschichten mit Mord und Totschlag


Quatsch, im Gegensatz zur Bibel ist Harry Potter nämlich super geschrieben. :mg:

(Ernsthaft: So ein verschwirbeltes Geschwurbel wie bei der Bibel - ich werde nie begreifen, wie man diesen Bibel-Roman für lesenswert halten kann.

Nachtrag: Die Bibel ist weder witzig noch weise oder lehrreich, sie ist nicht spannend und überdies unzusammenhängend. Sie taugt in meinen Augen nichtmal als Märchenbuch. Wenn die Bibel heutzutage als Fantasyliteratur herauskäme, würde das Ding keiner kaufen oder sich auch nur dafür interessieren. ;-))
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon musicman » Mi 10. Nov 2010, 20:44

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
musicman hat geschrieben:Über den Inhalt des Buches sollte man erst diskutieren, wenn man es gelesen hat,
Richtig
musicman hat geschrieben:... möge es sich besorgen ...
Damit der Typ noch mehr Geld macht? Nein. Auch wenn "besorgen" nicht kaufen bedeuten muss.
Es langt wenn man über seine Äußerungen diskutiert, die er wohl als Reklame dafür getätigt hat.
Das Buch selber soll dröge und fehlerhaft sein.



Ein befremdliches Argument ein Buch nicht zu lesen, weil der Autor es verkaufen will, dann könnten wir das Lesen gleich einstellen, Bücher werden nun mal gedruckt um sie zu verkaufen.
Über Äußerungen diskutiern, die einer wohl gemacht haben soll ? Klar kann man machen aber was bringts?
Auch ob es dröge und fehlerhaft ist kann man erst nach dem Lesen beurteilen, alles in allem erweckt das bei mir den Eindruck, daß hier einer gebasht werden soll. Man muß ja nicht mit ihm konform gehen und kann ihn in der Sache hart kritisieren, aber wie soll eine Beurteilung zustande kommen, ohne sich inhaltlich damit auseinandergesetzt zu haben?

Ich werds mir wohl doch noch antun müssen :nosmile: , aber erst nach Weihnachten, momentan habe ich Live von Keith auf dem Nachtisch liegen, Charles Bukowski und den Koran.

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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 10. Nov 2010, 21:12

Schön wenn man offensichtlich absichtlich missverstanden wird.
musicman hat geschrieben:Ein befremdliches Argument ein Buch nicht zu lesen, weil der Autor es verkaufen will,
mit etwas weniger bösem Willen hätte man erkennen müssen, dass ich dieses Buch nicht kaufen wollte, um diesem Autor nicht noch mein Geld hinterherzuschmeißen.

musicman hat geschrieben:Über Äußerungen diskutiern, die einer wohl gemacht haben soll ? Klar kann man machen aber was bringts?
Ich war nicht dabei, als er sein Interview gegeben hat, deshalb diese Einschränkung, die aber vermutlich nicht nötig ist, denn viele Medien haben dies Äußerungen unwidersprochen so wiedergegeben. Da ich aber ein Zitat mal gelesen habe, wo einer dieser Sätze ganz leicht anders abgedruckt wurde (auch unwidersprochen) habe ich es relativiert. Wenn du damit nicht umgehen kannst, dann streiche die Relativierung und setze, es war so unumstößlich.

musicman hat geschrieben:Auch ob es dröge und fehlerhaft ist kann man erst nach dem Lesen beurteilen,
Deshalb habe ich es ja nicht so beurteilt sondern nur wiedergegeben wie darüber geurteilt wurde und es erkennbar nicht als mein Wissen ausgegeben.
musicman hat geschrieben: alles in allem erweckt das bei mir den Eindruck, daß hier einer gebasht werden soll.
Weißt du wie wurscht es mir ist, welchen Eindruck du haben willst?
musicman hat geschrieben: Man muß ja nicht mit ihm konform gehen und kann ihn in der Sache hart kritisieren, aber wie soll eine Beurteilung zustande kommen, ohne sich inhaltlich damit auseinandergesetzt zu haben?
Wenn du nicht fähig bist, den mehrfach betonten Unterschied zwischen Buch und Interviewinhalten erkennen zu können, dann erübrigt sich alles.
Meine Beurteilung bezieht und bezog sich deutlich immer nur auf den Inhalt seiner Interviews

musicman hat geschrieben: Charles Bukowski und den Koran.
Tolle Mischung :/
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Lumen » Mi 10. Nov 2010, 21:13

Nanna hat geschrieben:Dauernd ist von "mehr Demokratie" die Rede. […] Woher kommt eigentlich die Annahme, dass Basisdemokratie die beste aller Regierungsformen sei? […] Insbesondere das Konsumverhalten ist hier ein Gradmesser par excellence: Die Mehrheit sorgt mit ihrem Konsum für den Fortbestand von Trashfernsehen, ausbeuterischer Herstellung […] allein, der empirische Vergleich zeigt, dass der Großteil dieser Bekundigungen Lippenbekenntisse sind und das tatsächliche Verhalten sofort abweicht, […]


Ein guter Beitrag, aber der Tenor ist meiner Ansicht eine zu schlichte, sehr oft gehörte (und falsche) Vereinfachung:

Naive Ideologie hat geschrieben:DU hat es selbst in der Hand ob Kinder ausgebeutet, ob der Regenwald abgeholzt wird. DU kannst die Welt verändern! Wenn wir uns nur zusammentun, können WIR was verändern und ein besseres Morgen gestalten!


Mit Verlaub, das ist Blödsinn. Ein einzelner Mensch kann sich für drei Arten Margarine entscheiden, kann auch mal die Stop-Taste beim Spülen betätigen und auch mal mit dem Fahrrad fahren. Ja. Wenn das alle machen, dann ändert sich was. Ja, auch halb richtig. Der Relativsatz wird aber gerne unterschlagen: Wenn (viele) andere es auch machen. Die machen es nur, wenn die Weichen gestellt werden; oder sonstwie »weiter oben« etwas passiert. Es ändert sich, wenn eine Haltung »oben« angekommen ist und einflussreiche Menschen im großen Stil umschwenken. Wenn Toiletten mit Stopptaste eingebaut werden, wenn Politiker Radfahren durch Verkehrspolitik attraktiv machen. Es stimmt vielleicht, dass dafür vorher genügend viele Leute protestiert haben müssen.

Die alltäglichen Veränderungen in unserer Welt sind kleinste, für uns kaum wahrnehmbare Veränderungen unseres Verhaltens. Wir sparen nicht Wasser, weil wir aktiv, bewusst, Wasser sparen. Wir sparen Wasser, weil es uns eingeimpft wurde und wir dadurch mehr unbewusst Spühlstopp, vielleicht beim Zähneputzen einen Becher benutzen usw. Es ist nicht(!) das Umsetzen eines Vorsatzes, der sich brachial bemerkbar macht.

Auf diesem Prinzip basiert die Werbung und ich plaudere damit wohl kein Geheimnis aus. Es ist nicht der Fall, dass Leute sofort eine bestimmte Magarine-Sorte kaufen, weil sie zuvor Werbung gesehen haben. Es ist meist eine subtile Veränderung, die sich durch abermillionen Verkaufsentscheidungen in jedem Augenblick der Supermarkt-Öffnungszeiten manifestiert. Es verschieben sich Prozentchen. Mittlerweile kann man das gut messen. Man kann diese subtile, kaum erfassbare Veränderung im Verhalten umlegen: man kann feststellen, dass ein Button auf einer Website 2% »besser« ist, wenn man seine Größe leicht verändert und ihn leicht anders einfärbt. Kaum ein Benutzer wird jemals sagen: »Ich habe diesen Button gedrückt, weil er jetzt 3 Pixel größer ist und die 2 Nuancen Grün mir besser gefallen«. Man kann messen, dass eine Werbekampagne zu so-und-so mehr Abverkauf führt, aber die Veränderungen sind auf Kaufentscheidungen übertragen so gering, dass eine krumme Zahl dabei herauskommt.

Daher bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass wir weitgehend fremdbestimmt sind. Es gibt nicht so viele Hinterzimmer, wo Entscheidungen getroffen werden, wie manche gerne für ihre Verschwörungen bräuchten, und was sich auf »Einzelner-Mensch-Level« ändert oder ändern kann, ist minimalst. Aber alles zusammengenommen, durch Multiplikatoren wie große Menschenmassen, einflussreiche Weichenstellung, Medien-Propaganda-Modell usw. ergibt sich ein Gesamtbild. Die Macht geht von den Multiplikatoren aus, auch wenn sie dafür Mengen brauchen, mit denen sie Multiplizieren können.

Immer wieder gerne der Verweis auf das Propaganda-Modell. Auch ein Wink an die ET, wo Veränderungen sich langsam und allmählich herausschälen können, ohne notwendig große Sprünge, Vorsätze, Zeigefinger Gottes usw. zu benötigen.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon AngelM90 » Mi 10. Nov 2010, 23:01

Natürlich habe ich das Sarrazin-Buch gelesen, sonst würde ich nicht die Sarrazin-Partei wählen.
Was mich so überrascht, ist der ungeheure Unterschied zwischen Internetdiskussionen und persönlichen Gesprächen ausserhalb. Ausserhalb wollen die Menschen unbedingt, dass jede(r) gute Reform(er) sofort nach oben kommen kann, damit wir Menschen davon schnellstmöglich profitieren können. Hier scheint das niemandem zu gefallen, alle scheinen zufrieden zu sein mit dem, was CDU und FDP mit ihnen machen.
Jeder Mensch sollte mal so tun, als hätte er eine oder viele gute Reformen entwickelt und dann danach fragen, wo er das umsetzen kann. Dann lernt er sofort die Diktatur kennen: In den Parteien darf er vielleicht mal eine Minute reden, die die anderen gähnend überstehen, weil sie weiterreden wollen darüber, wer welchen Posten hat oder will, wie man den Parteiapparat ausbauen kann usw. Reformen interessieren da keinen Menschen.
Spricht er Journalisten an, geben die zu verstehen: Was nicht über unsere Freunde von den großen Parteien kommt, interessiert uns überhaupt nicht. Usw.
Vieles sind watteweiche Wände, Vieles Betonwände. All das bedeutet: Keine Demokratie möglich, denn der Wähler hat so keine Chance, Alternativen kennenzulernen und dann zu wählen. Und die Nachrichten werden abgeschlossen: Das war das Wichtigste vom Tage (Und was wir Euch alles verschwiegen haben, sagen wir Euch natürlich nicht)

Aber es scheint sinnlos zu sein: Draussen treffe ich überall auf Sarrazin-Fans, die sich auf einen Volksentscheid über Sarrazins Reformen freuen, hier ist scheinbar nicht ein einziger Sarrazin-Fan, also sind hier große Teile der Bevölkerung nicht repräsentiert.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon stine » Mi 10. Nov 2010, 23:36

AngelM90 hat geschrieben:... also sind hier große Teile der Bevölkerung nicht repräsentiert.
Ne, sowieso nicht :mg:
Große Teile der Bevölkerung sind CDU/CSU-Wähler, also per se keine Naturalisten. Und wenn doch, dann verstecken sie das gut.
Ich bin auch mit einigen Aussagen Sarrazins konform, aber deswegen würde ich nicht gleich seine Partei wählen. Auch einiges was Herr Lafontaine oder Herr Gysi sagen kann ich nachvollziehen und wähle sie trotzdem nicht.
Letztlich macht es doch die Mischung aus und Volkes Meinung ist manipulierbar, das hat Nanna schon geschrieben und eine Volksabstimmung aufgrund einer Massenhysterie? Wäre gar nicht auszudenken, wohin sowas führen könnte.

LG stine
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon musicman » Mi 10. Nov 2010, 23:42

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
musicman hat geschrieben: Charles Bukowski und den Koran.
Tolle Mischung :/


Ich nehme an, Du hast beides gelesen :up:

Mir geht es nicht darum Sarrazin zu verteidigen, ich habe grundsätzliche Bedenken, wenn über jemanden geurteilt wird, ohne seine Thesen abgeklopft zu haben und dafür gehört für mich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seinenTexten und nicht Chorsingen.
Möglich, daß er haltlose Thesen vertritt, das werde ich wissen - nach dem lesen.

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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Nanna » Mi 10. Nov 2010, 23:54

AngelM90 hat geschrieben:Ausserhalb wollen die Menschen unbedingt, dass jede(r) gute Reform(er) sofort nach oben kommen kann, damit wir Menschen davon schnellstmöglich profitieren können.

Ohne Erklärung, welche Menschen und welche Reformen und Reformer gemeint sind, ist diese Aussage einfach nur gehaltlos. Schon wieder tust du genau das, was ich dir in meinem vorhergehenden Beitrag vorgeworfen habe: Du überträgst dein diffuses, subjektives Gefühl, was eine "gute Reform" ausmacht ohne Definition, Erläuterung und damit, so steht zu befürchten, auch ohne tiefergehende Reflexion auf eine allgemeine Aussage, die du formulierst, als wäre sie objektiv.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon musicman » Do 11. Nov 2010, 00:26

AngelM90 hat geschrieben:Jeder Mensch sollte mal so tun, als hätte er eine oder viele gute Reformen entwickelt und dann danach fragen, wo er das umsetzen kann. Dann lernt er sofort die Diktatur kennen: In den Parteien darf er vielleicht mal eine Minute reden,.


Angel es ist nun mal nicht so, daß einer daherkommt und denkt er hat eine gute Idee und alle anderen schreien sofort Hurra.
Das hast du nur in Diktaturen - dort müssen es die Leute- der Chef befiehlt und alle jubeln.
In der Demokratie ist das ein langwieriger, mühsamer Weg und was Du toll findest, finden andere evtl gerade noch suboptimal. Das erfordert schon einen langen Atem, wenn sich jemand da engarieren will und einfache Lösungen sind oft nur auf den ersten Blick das Beste.
Das mit der Volksabstimmung ist auch kein neuer Hase, den diese Partei aus dem Zylinder zaubert, da gibt es x Iniativen die das auf ihren Fahnen stehen haben - seit Jahren.
Zudem sollte man grundsätzlich auf der Hut sein, wenn jemand behauptet, er wisse ganz genau was das Richtige ist und alles wird super, man soll ihn nur mal machen lassen.
Ich hab mir deren Seite mal angeschaut, das Ganze hat so einen touch von Verschwörungstheorie, also ich wär da vorsichtig bei den Burschen.

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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon donquijote » Do 11. Nov 2010, 09:50

musicman hat geschrieben: Angel es ist nun mal nicht so, daß einer daherkommt und denkt er hat eine gute Idee und alle anderen schreien sofort Hurra.
Das hast du nur in Diktaturen - dort müssen es die Leute- der Chef befiehlt und alle jubeln.
In der Demokratie ist das ein langwieriger, mühsamer Weg und was Du toll findest, finden andere evtl gerade noch suboptimal. Das erfordert schon einen langen Atem, wenn sich jemand da engarieren will und einfache Lösungen sind oft nur auf den ersten Blick das Beste.


Bevor die Leute jubeln, müssen sie zunächst einmal wissen, was es zu jubeln gibt. Und ich denke, dahin ging der Vorwurf: Dass es heutige Ideengeber oftmals sehr schwer haben, sich Gehör zu verschaffen. Und das liegt an bestimmten "demokratiefeindlichen" Strukturen.

Man kann z. B. in unserer Gesellschaft durchaus politisch inkorrekte Thesen aufstellen. Die normale Reaktion darauf ist eine Nichtreaktion. Die Medien würden z. B. sagen: "Wo kämen wir denn dahin, wenn wir über jeden Quatsch berichten. Also berichten wir darüber nicht." Sie kämen sich dabei sogar demokratisch vor.

Ein Problem gibt es immer dann, wenn Menschen etwas vorschlagen, über die üblicherweise berichtet wird. Und da hat sich dann doch in der Vergangenheit das Phänomen gezeigt, dass eine bestimmte Kaste (mehrheitlich mit einem Weltbild ausgestattet, welches ziemlich genau das Gegenteil vom Naturalismus ist) die Macht besitzt, eine solche Person aus der Öffentlichkeit zu drängen und es auch tut. Stellen wir uns eine Eva Herman vor, die der Meinung ist, dass wir mehr Kinderkrippen brauchen und sich Väter stärker an der Familienarbeit beteiligen sollten, damit Frauen leichter Tagesschausprecherin werden könnten. Sie dürfte dies regelrecht bei der Tagesschau vom Blatt ablesen . Dabei wäre auch das nur eine Meinung ...
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Nanna » Do 11. Nov 2010, 10:35

1. Es gibt genug Möglichkeiten, sich über alternative Konzepte zu informieren, wenn man will, innerhalb, aber zur Not dann auch außerhalb der Breitenmedien. Bringt das Individuum sowieso schon nicht die Motivation mit, sich über Neues Gedanken zu machen, dann ist es völlig wurscht, ob es fünzig politisch höchst diverse Sender gibt, es wird trotzdem RTL eingeschaltet. Die Vierbuchstabenzeitung zwingt ihre Leser jedenfalls nicht zu Kauf, ihre Schlichtheit und begrenzte Themenrezeption ist ja im Gegenteil genau das Kaufkriterium.

2. Was soll denn in euren basisdemokratischen Wunschfantasien daran anders laufen? Seit wann steigt die Perzeptionsfähigkeit des Individuums durch Volksentscheide? Das Konsumentenverhalten ist JETZT schon Asudruck basisdemokratischen Verhaltens, keiner ist zur Führung eines bestimmten Lebensstils oder zum Konsum bestimmter Medien gezwungen und kann sich jederzeit anders entscheiden.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Lumen » Do 11. Nov 2010, 11:06

Nanna hat geschrieben:1. Es gibt genug Möglichkeiten, sich über alternative Konzepte zu informieren, wenn man will, innerhalb, aber zur Not dann auch außerhalb der Breitenmedien. Bringt das Individuum sowieso schon nicht die Motivation mit, sich über Neues Gedanken zu machen, dann ist es völlig wurscht, ob es fünzig politisch höchst diverse Sender gibt, es wird trotzdem RTL eingeschaltet. Die Vierbuchstabenzeitung zwingt ihre Leser jedenfalls nicht zu Kauf, ihre Schlichtheit und begrenzte Themenrezeption ist ja im Gegenteil genau das Kaufkriterium.

2. Was soll denn in euren basisdemokratischen Wunschfantasien daran anders laufen? Seit wann steigt die Perzeptionsfähigkeit des Individuums durch Volksentscheide? Das Konsumentenverhalten ist JETZT schon Asudruck basisdemokratischen Verhaltens, keiner ist zur Führung eines bestimmten Lebensstils oder zum Konsum bestimmter Medien gezwungen und kann sich jederzeit anders entscheiden.


Frisch und passend zum Tenor oben: Journalismus und PR sind vielfältig durchmischt. Die Journalisten wollen es nur nicht wahrhaben; enthalten ein Link auch zu einem Bericht im Deutschland-Funk.

Und noch mehr:
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Nanna » Do 11. Nov 2010, 12:15

Ach Quatsch, dieses Problem ist altbekannt, auch und gerade unter Journalisten. Natürlich lügt man sich gerne mal in die Tasche und stellt sich und seine Arbeit als besser und unbedenklicher dar, als sie ist. Wenn wir Probleme einer zu engen Verflechtung von Mediensektor und Politik haben, dann ist die Lösung aber nicht, den Abstimmungsmodus des politischen Systems zu ändern. Das ist ungefähr so, wie bei einem Auto die Hinterachse auszutauschen, weil der Kotflügel klappert. Das Problem hat viel eher mit mangelnder Transparenz zu tun, aber auch damit, dass investigativer Journalismus teuer ist und das von Konsumentenseite oft weder realisiert noch prämiert wird. Gäbe es ein unabhängiges Journal, das sich auf investigativen Journalismus und tiefgreifende Recherche konzentrieren würde und dabei trotzdem verständlich geschrieben wäre, aber 30€ pro Augabe kosten würde, würde es von der breiten Masse tatsächlich gekauft werden? Nein, denn es gibt ja schon kaum Bereitschaft, 50ct für ein Zeitungsdossier online zu bezahlen.

Ich bitte jetzt schon darum, dem Volk nicht dauernd den Heiligenschein aufzusetzen und es als verführte, schlecht informierte oder gar gesteuerte Masse hinzustellen. Die meisten Leute suchen erst gar nicht nach neuen Ideen, Interpretationen o.ä., weil da anstrengend und unübersichtlich ist, weil es Zeit kostet und viele Menschen nichteinmal darüber nachdenken, ob sie einen solchen Aufwand auch nur betreiben wollten. Das würde sich nicht ändern, wenn wir mehr "unabhängige" Berichterstattung hätten. Ich darf daran erinnern: Das Niveau des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wird in der Rückschau immer sehr positiv gesehen bezogen auf Zeiten, als Filme von Wim Wenders oder Verfilmungen von Siegfried-Lenz-Werken zur primetime liefen und Bundestagsdebatten übertragen wurden und das war VOR der Liberalisierung des Fernsehmarktes, als die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem Publikum das aufdrücken konnten, weil die nicht zu Dschungel-TV wegzappen konnten. Ich will gar nicht zu solchen Zeiten sicherlich meist auch einseitiger Berichterstattung zurückkehren, aber ich will klarmachen, dass viele Konsumenten es liebend gerne vorziehen, von der Auseinandersetzung mit Politik verschont zu werden. Eine noch radikalere Liberalisierung der Presse wird daran überhaupt nichts ändern, genausowenig wie eine Basisdemokratie. Ob viele Bürger sich als citoyen begreifen oder nicht hat mit unheimlich vielen Faktoren zu tun, sicherlich gehört dazu auch das Gefühl, angemessen repräsentiert zu sein, aber eben nicht nur. Monokausale Erklärungen finde ich immer grausig.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon musicman » Do 11. Nov 2010, 12:16

donquijote hat geschrieben:Und ich denke, dahin ging der Vorwurf: Dass es heutige Ideengeber oftmals sehr schwer haben, sich Gehör zu verschaffen. Und das liegt an bestimmten "demokratiefeindlichen" Strukturen.


Ich denke das es heute eher leichter ist, sich Gehör zu verschaffen, noch nie gab es eine solche Vielfalt der Medien, Du kannst überall Deine Thesen postulieren, die Frage ist eher ob es jemand interessiert.
Dort scheint mir der Haken zu sein, daß es evtl das Ego kränkt, wenn man im Wald der Meinungen nicht so wahrgenommen wird, wie man es gerne hätte.
Da ist die Vielfalt dann eher ein Hindernis, man ist nur einer unter vielen und die anderen wollen einfach nicht erkennen, welch bahnbrechende Idee man hat und schwups bastelt man sich eine Verschwörungstheorie zusammen, dabei ist es oft nur mangelndes Interesse der Öffentlichkeit.

Das ist aber normal, die Wahrnehmung ist nun einmal subjektiv - wie man an uns beiden sieht.

Im Fall der hier jetzt schon öfters genannten Partei wird es auch nicht anders sein, als damals bei den Grünen, die wurden dazumal auch erst als Spinner bezeichnet, heute sind sie auf dem Weg die zweitstärkste Partei in D zu werden. Sollte der Zuspruch für die neue Partei groß genug sein, wird sich das ebenfalls früher oder später in Wahlergebnissen darstellen.

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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon donquijote » Do 11. Nov 2010, 13:26

musicman hat geschrieben: Ich denke das es heute eher leichter ist, sich Gehör zu verschaffen, noch nie gab es eine solche Vielfalt der Medien, Du kannst überall Deine Thesen postulieren, die Frage ist eher ob es jemand interessiert.

Die Frage ist, ob es die Wirtschaft interessiert, ob es eine Industrie gibt, die daraus Profite schlagen kann.

musicman hat geschrieben:Dort scheint mir der Haken zu sein, daß es evtl das Ego kränkt, wenn man im Wald der Meinungen nicht so wahrgenommen wird, wie man es gerne hätte.

Das sehe ich anders. Nehmen wir einmal an, ein Nobody glaubt die Riemannsche Vermutung bewiesen zu haben und stellt seinen Beweis ins Internet. Dann würde ich auch nicht erwarten, dass das Morgen in der FAZ steht. Aber ich würde erwarten, dass derjenige von wenigstens einem Experten, der sich beruflich mit dem Problem beschäftigt und vermutlich sogar vom Staat dafür bezahlt wird, eine Antwort erhält, ob der Beweis seiner Meinung nach einen Fehler enthält und wenn ja: welchen. Und wenn derjenige keinen Fehler finden kann, dann erwarte ich, dass er die Sache selbstständig an seine hochgeschätzten Kollegen weiterleitet, ohne dass der Nobody Klimmzüge machen muss, um an die anderen Experten heranzukommen. Das hat für mich etwas mit menschlicher Würde zu tun.
Nehmen wir einmal den demografischen Wandel, der sicherlich zu den bedeutendsten sozialen Problemen unserer Zeit zählt. Ganze Volkswirtschaften und Kulturen werden möglicherweise daran zerbrechen. Sarrazins Buch geht maßgeblich auch darum. Sarrazin hat einen vielkritisierten und -belächelten Vorschlag gemacht: 50.000 EUR an jede junge Akademikerin, wenn sie ein Kind in die Welt setzt.
Bei Problemen dieser Größenordnung erwarte ich einfach eine würdevollere Vorgehensweise unter uns Menschen. Mersch hat in diversen Arbeiten behauptet, dass der demografische Wandel nicht mit den Mitteln lösbar ist, die aktuell diskutiert werden. Von ihm stammt das Familienmanager-Konzept. Sein Versuch, seine Analysen in Fachzeitschriften zu publizieren, endeten u.a. so: Warum Books on Demand? Sorry, aber das ist niveaulos. Das kann man machen, wenn es um das Liebesleben der Maikäfer geht, aber nicht bei neuen Analysen und Vorschlägen zum demografischen Wandel. Hier zeigt sich eine zunehmende allgemeine Respektlosigkeit anderen Menschen gegenüber: Ist der nicht der gleichen Meinung wie ich, werde ich ihn torpedieren.

musicman hat geschrieben:Da ist die Vielfalt dann eher ein Hindernis, man ist nur einer unter vielen und die anderen wollen einfach nicht erkennen, welch bahnbrechende Idee man hat und schwups bastelt man sich eine Verschwörungstheorie zusammen, dabei ist es oft nur mangelndes Interesse der Öffentlichkeit.

Mangelndes Interesse der Öffentlichkeit? Die Fachdisziplinen sind bereits nicht interessiert. Von Mersch gibt es die folgende ketzerische Aussage: "Wahrgenommen werde ich ausschließlich von emeritierten Professoren."
Wie kann es denn sein, dass Mersch nur 1 Monat benötigte, um einen der bekanntesten Familiensoziologen und Demografieexperten der Nachkriegszeit zu einer ausführlichen Stellungnahme zu seinem Familienmanagerkonzept zu bewegen, dass es aber ansonsten hartnäckig ignoriert wird?
Meiner Meinung nach gibt es dafür nur eine Antwort: Die Wirtschaft ist an jeder qualifizierten weiblichen Arbeitskraft interessiert. Das drückt u. a. die Löhne. Für eine nachhaltige Bevölkerungspolitik gibt es aktuell keine Wirtschaftslobby. Das würde sich nur dann ändern, wenn es Unternehmen gelänge, Menschen zu klonen und gewinnträchtig aufzuziehen.

musicman hat geschrieben:Im Fall der hier jetzt schon öfters genannten Partei wird es auch nicht anders sein, als damals bei den Grünen, die wurden dazumal auch erst als Spinner bezeichnet, heute sind sie auf dem Weg die zweitstärkste Partei in D zu werden. Sollte der Zuspruch für die neue Partei groß genug sein, wird sich das ebenfalls früher oder später in Wahlergebnissen darstellen.

Wo lebst du? Die zweitstärkste Partei ist längst die Nichtwählerpartei. Immer mehr Menschen klinken sich aus dem politischen Geschehen aus, weil sie den Eindruck haben, mit ihren Interessen nicht wahrgenommen zu werden. Der Erfolg Sarrazins ist ein Ausdruck dieser Entwicklung.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Lumen » Do 11. Nov 2010, 14:11

Nanna hat geschrieben:Ach Quatsch, dieses Problem ist altbekannt, auch und gerade unter Journalisten. [...] Monokausale Erklärungen finde ich immer grausig.


Vielleicht hilft es, auch die Meinungen der Diskutaten als unterschiedliche Positionen wahrzunehmen, statt sie in einen Topf zu werfen und daraus eine »Gegenmeinung« zu konstruieren. Zum Monokausalen, siehe auch meinen vorletzten Beitrag. Dein leichtfertiges »Ach Quatsch« wird in den Links weiter oben differenzierter gefasst. Im Falle von Chomsky / Herman, Manufacturing Consent stecken komplexere Erklärung dahinter, die alles andere als Monokausal sind.
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Re: Stuttgart 21, Atomausstieg und Sarrazin: Alles ein Thema

Beitragvon Nanna » Do 11. Nov 2010, 14:50

donquijote hat geschrieben:
musicman hat geschrieben: Ich denke das es heute eher leichter ist, sich Gehör zu verschaffen, noch nie gab es eine solche Vielfalt der Medien, Du kannst überall Deine Thesen postulieren, die Frage ist eher ob es jemand interessiert.

Die Frage ist, ob es die Wirtschaft interessiert, ob es eine Industrie gibt, die daraus Profite schlagen kann.

Ich habe meine Zweifel, dass es die Wirtschaft interessiert, was jemand im "Modern Journal of Ancient Egypt" veröffentlicht, trotzdem kann dieser jemand durch einen revolutionären Artikel großes Prestige in der Fachwelt erlangen und auf wissenschaftlicher Ebene zu völlig neuen Deutungen und Theorien beitragen.
Der Punkt ist der, dass es dir um eine fundamentale Umgestaltung gesellschaftlicher Organisation geht, da brauchst du dich nicht wundern, dass ein Bundesbanker mit zusammengeschusterten Gen-Theorien und ein Systemtheoretiker mit gewöhnungsbedürftigen Visionen von Familienpolitik im Alleingang nicht gleich hofiert werden, nur weil du ihre Ideen gut findest. Es gibt tausende solcher Hobbyrefomer, wundert es dich wirklich, dass deren Thesen nicht täglich in den Nachrichten duskutiert werden? Und wenn es so wäre, glaubst du im Ernst, dass das ganze Volk oder auch nur ein signifikanter Teil dann jeden Abend damit zubringen würde, am Küchentisch darüber zu diskutieren und Petitionen zu entwerfen?

donquijote hat geschrieben:
musicman hat geschrieben:Dort scheint mir der Haken zu sein, daß es evtl das Ego kränkt, wenn man im Wald der Meinungen nicht so wahrgenommen wird, wie man es gerne hätte.

Das sehe ich anders. Nehmen wir einmal an, ein Nobody glaubt die Riemannsche Vermutung bewiesen zu haben und stellt seinen Beweis ins Internet. Dann würde ich auch nicht erwarten, dass das Morgen in der FAZ steht. Aber ich würde erwarten, dass derjenige von wenigstens einem Experten, der sich beruflich mit dem Problem beschäftigt und vermutlich sogar vom Staat dafür bezahlt wird, eine Antwort erhält, ob der Beweis seiner Meinung nach einen Fehler enthält und wenn ja: welchen. Und wenn derjenige keinen Fehler finden kann, dann erwarte ich, dass er die Sache selbstständig an seine hochgeschätzten Kollegen weiterleitet, ohne dass der Nobody Klimmzüge machen muss, um an die anderen Experten heranzukommen. Das hat für mich etwas mit menschlicher Würde zu tun.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nobody die Riemannsche Vermutung beweist, ist derart abwegig, dass es völlig verständlich ist, dass nicht massenhaft wertvolle Arbeitszeit von Spezialisten darin investiert wird, jedem Möchtegernmathematiker darzulegen, wo es in seiner Beweisführung hakt. Wenn derjenige derart begabt ist, soll er ein Mathematikstudium aufnehmen (das er, um die Riemannsche Vermutung zu beweisen ohne mit Bravour absolviert haben müsste) und peer-reviewed publizieren, wenn ihn keiner nimmt, dann hat das meistens seine Gründe und die haben selten etwas mit einer organisierten Verschwörung zu tun. Jeder, der in den Wissenschaftsbetrieb einsteigt, muss Klimmzüge machen, es ist nicht die Aufgabe von Uniprofessoren, sich neben der eigenen Forschung und der Lehre noch hauptberuflich mit den politischen Visionen von Außenseitern und Splittergruppen auseinanderzusetzen, zumal die Erfahrung zeigt, dass der mainstream der Wissenschaften am Ende doch in der Mehrzahl der Fälle richtig lag und nicht unverantwortlich darin handelte, kuriose Randmeinungen zu ignorieren. Ob das im Falle Mersch zutrifft, weiß ich nicht, für den Durschnitt gilt es aber sicherlich.

donquijote hat geschrieben:Bei Problemen dieser Größenordnung erwarte ich einfach eine würdevollere Vorgehensweise unter uns Menschen. Mersch hat in diversen Arbeiten behauptet, dass der demografische Wandel nicht mit den Mitteln lösbar ist, die aktuell diskutiert werden. Von ihm stammt das Familienmanager-Konzept. Sein Versuch, seine Analysen in Fachzeitschriften zu publizieren, endeten u.a. so: Warum Books on Demand? Sorry, aber das ist niveaulos. Das kann man machen, wenn es um das Liebesleben der Maikäfer geht, aber nicht bei neuen Analysen und Vorschlägen zum demografischen Wandel. Hier zeigt sich eine zunehmende allgemeine Respektlosigkeit anderen Menschen gegenüber: Ist der nicht der gleichen Meinung wie ich, werde ich ihn torpedieren.

Soweit ich dich und Herrn Mersch richtig verstehe, hat er einen Artikel bei einer Zeitschrift eingereicht und, nachdem von zwei Gutachten eines negativ ausfiel, die Nerven verloren, sich beleidigt in die Ecke gesetzt und lässt jetzt von seinen Freunden verbreiten, wie würdelos er behandelt worden sei. Bei allem Mitgefühl für seine unglücklich verlaufene Lebensgeschichte, aber wenn jemand genau weiß, dass er mit 40 Probleme mit den üblichen Strukturen des medialen und wissenschaftlichen Diskurses bekommen wird, muss er mehr Hartnäckigkeit beweisen und wenn er im wissenschaftlichen Diskurs Erfolg haben will, sollte ihm mal jemand sagen, dass "Hurra, wir werden Unterschicht" nicht so ganz das ist, was der gemeine Wissenschaftler unter einem sachlichen Buchtitel versteht. Ich finde es ziemlich lächerlich, wie Mersch und seine Freunde die Schuld grundsätzlich bei einem feindlichen System suchen, anstatt reinzuhauen und endlich einen Artikel in ein peer-reviewed-Magazin zu kriegen.

donquijote hat geschrieben:Wie kann es denn sein, dass Mersch nur 1 Monat benötigte, um einen der bekanntesten Familiensoziologen und Demografieexperten der Nachkriegszeit zu einer ausführlichen Stellungnahme zu seinem Familienmanagerkonzept zu bewegen, dass es aber ansonsten hartnäckig ignoriert wird?

Wenn der Typ Mersch so revolutionär findet, warum lässt er dann nicht seine Kontakte spielen, die er als einer der bekanntesten Familiensoziologen doch sicherlich hat?

donquijote hat geschrieben:Wo lebst du? Die zweitstärkste Partei ist längst die Nichtwählerpartei. Immer mehr Menschen klinken sich aus dem politischen Geschehen aus, weil sie den Eindruck haben, mit ihren Interessen nicht wahrgenommen zu werden. Der Erfolg Sarrazins ist ein Ausdruck dieser Entwicklung.

Es gibt keine Nichtwählerpartei.

Die Menschen klinken sich nicht zuletzt deshalb aus dem politischen Geschehen aus, weil die zunehmende Zersplitterung der Gesellschaft es für Parteien unheimlich schwierig macht, ein breites Spektrum an Milieus zu repräsentieren ("Niedergang der Volksparteien"). Früher waren viele Menschen in Parteien organisiert und damit direkter an der Politik beteiligt, heute will aber keiner mehr in einer Partei sein und am System teilnehmen. Das ist aber nicht schuld eines "falschen" Systems, sondern die ganz natürliche Veränderung der Gesellschaft, die sich zunehmend schwer tut, kollektive Interessen wahrzunehmen und zu formulieren. Es ist eben nicht mehr so, dass es eine Menge Arbeiter gibt, die über Gewerkschaften mobilisiert sind und SPD wählen oder eine bayerische Landbevölkerung, die ausschließlich CDU-treu ist, weil diese Massenmilieus sich in Auflösung befinden.
Der Erfolg Sarrazins ist in der Tat ein Symptom dieser Entwicklung, es scheint aber nicht so zu sein, dass er irgendwelche brauchbaren und vor allem neuen (!) Konzepte anzubieten hätte, die das Problem tatsächlich lösen. Er bietet derzeit einfach eine tolle Projektionsfläche für die kollektive Unzufriedenheit, die keiner so richtig in Worte fassen kann und die deshalb auch keine konstruktive Kraft entfaltet.
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