MOLO: Hab ich was überlesen, oder wo wird (von wem) behauptet: »Wallraff erpresst uns«? Ist diese Aussage nicht eine ›Gutemenschen‹-Überreaktion der Hineininterpretin Sonja Zekri für die SZ? Zerki schrieb:SZ, Zekri: »Der Moschee-Trägerverein Ditib habe erklärt, er wolle sich öffnen für kulturelle Veranstaltungen, so Wallraff.«
Kann man da schon ableiten, daß Wallraff in bester Chuck Norris-Manier die Ditbib vor die Wahl stellte, so etwa: »Entweder Ihr lasst mich lesen in der Mosche, oder ich tret eine Mordsempörungs- und Anklagkampagne gegen Euh los?«
Grundsätzlich: egal ob fundamentalistischere, radikalisierte Religiöse in der Mehr- oder Minderheit sind, diese übertriebene Rücksicht auf deren ›religiöse Empfindlichkeit‹ wie sie Zekri anmahnt, ist völlig Fehl am Platze. Rushdie ist ja kein Radikaler, der zu Mord und Todschlag aufruft, sondern z.B. als Autor der »Satanischen Verse« einer, der mit den Mitteln der Satire und der Phantastik über die empörenden Vernageltheiten, Verklemmungen, Heuchelein und Abstrusitäten von Religion fabuliert. Wie kann man in Europa noch oder wieder die Seite der Verbietenwoller einehmen (egal aus welch gutmeinenden Gründen man das tut)? Modernes Leben ist für die zurückgebliebenen, sozusagen ›ewiggestrigen‹ Religiösen nun mal Stress, Hektik, Fußpilz en grosse. Entsprechenden Religiösen sollte anders beigestanden werden, als damit, sich in deren Namen mal vorsorglich uffzuregen.
Immerhin freu ich mich über die lustigen Witze, die Zekri mit Vergleichen bietet.SZ, Zekri: »Der Vatikan könnte seine Nächstenliebe durch einen ökumenischen Schwulengottesdienst im Petersdom beweisen; Synagogen sollten sich samstags endlich der Vorführung von Mel Gibsons umstrittenem Jesus-Film “Passion” öffnen; und in Hindu-Tempeln könnte eine zünftige Steak-Party einen echten Durchbruch bedeuten.«
Bei dem Hindu-Tempel-Beispiel kommt Tieretöten, Blut, Fleischverzehr direkt aufs Tapet, weshalb auch ich hier eingestehe, daß man das Ansinnen einer Steakparty eine unerträgliche Zumutung darstellt. Bei Schwulengottesdienst und Movie-Kreuzweg aber seh ich weit weniger Grundlage für eine berechtigte Empörung der Religiösen. Schwulsein und Filmegucken ist nun mal was anderes, als das Schlachten von Säugern.
EDIT-Nachtrag:
Vielleicht hängt wieder mal alles davon ab, welche Zeitung man liest. Die »TAZ« berichtet in »Satanische Verse in der Moschee« nachvollziehbar folgendes: In Köln wollen Muslime eine Moschee bauen. Der Günni findet das gut, denn die Moschee soll ja auch für kulturelle Veranstallungen dienen. »Ich les Euch den Rushdie, denn die meisten Muslime kennen dessen Skandal-Roman ja gar nicht.« Der Dialogbeauftrage der DITIB, Bekir Alboga, findet die Idee vom Günni toll, muß aber noch den Vorstand überzeugen. — Der TAZ-Artikel endet mit einem Wallraff-Zitat:TAZ: »Wenn alle Muslime so wären, hätten wir längst einen toleranten liberalen Euro-Islam im allerbesten Sinne.«
Ich frage mich, ob es sein kann, daß sich hinter Zekirs lustig verpackter Bedenkenhuberei folgendes verbirgt: die Muslime sollen hierzulande keinen Raum bekommen und keine Gelegenheit, um sich heftig über Fragen des Verhältnises Sacrales/Sekuläres zu streiten. Was ist, wenn trotz Polizeitschutz was Schreckliches passiert? Diese Angst teile ich sogar, wenn auch mit folgender Note: Das wäre für Stasi 2.0-Wolfgang ja ein feines Argument, um seine Kontrollstaatambitionen durchzuhebeln.
Ansonsten: Für mich hat ›Nachhilfe‹ zum Thema »Wie ich über die Behämmertheiten meiner eigenen Religion lache« gegenüber unsinnigen Frömmler-›Empfindlichkeiten‹ Vorfahrt. Das mag im Mittelalter mal anders gewesen sein, aber hier ist nicht Mittelalter (zumindest nicht laut Prospekt und sicherlich nicht nach dem Selbstverständnis der Westler, Europäer, Deutschen oder Kölner). ›Brave‹ Christen im Westen haben ja immerhin auch mittlerweile gelernt, zusammen mit Sekulaen über »Father Tad«, der Biemosl Blosn, und entsprechende Juden lachen mit/über z.B. Mel Brooks, Woody Allen und Sasha Cohen (Borat).
Wie seht ihr den ›Fall‹?
Grüße
Alex / molo