Markwirtschaft & Soziales

Beitragvon Kurt » Di 26. Jun 2007, 16:51

Tapuak hat geschrieben:Die "Soziologisierung" der Wirtschaftswissenschaft, für die sich Albert bereits in den 1960ern ausgesprochen hat, hat sich also leider bisher nicht flächendeckend durchgesetzt. Andere Sozialwissenschaften sind in dieser Hinsicht zum Glück bereits etwas weiter als die Ökonomie.


Wie stellst du dir das denn konkret vor? Ökonomie behandelt aus meiner Sicht die Wirkung von Anreizen aus dem Blickwinkel der Spieltheorie. D.h. es geht um die Frage, was will ein Marktteilnehmer erreichen und was ist es ihm wert? "Soziologischen Gütern" wie Familie, Freizeit, Ruhe vor dem Lärm von Nachbars Rasenmäher usw. kann man IMO einen Wert zuweisen (der natürlich subjektiv ist), mit dem man ökonomisch rechnen kann. Das wird auch so gemacht. Wo genau ist hier der Mangel der Ökonomie?
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Beitragvon Tapuak » Di 26. Jun 2007, 17:33

Kurt hat geschrieben:Wo genau ist hier der Mangel der Ökonomie?

Der Mangel besteht darin, dass man mit ökonomischen Theorien mitunter einfachste reale Sachverhalte nicht erklären kann, da die Faktoren, die für das Zustandekommen dieser Sachverhalts ursächlich sind, nicht in die entsprechenden Modelle integriert werden.

Warum kauft jemand bei ähnlichen Gütern absichtlich die teurere Variante? Warum investiert jemand in Land A, obwohl in Land B die Kosten wesentlich niedriger wären? Warum finden keine vermehrten Investitionen statt, obwohl die Zinsen so niedrig wie nie sind? Warum versteckt jemand Geld unter der Matratze?

Bereits bei solch simplen Fragen scheitern die meisten ökonomischen Standardmodelle. Einerseits, weil unzählige Faktoren, die eine Rolle spielen könnten (komplizierte Präferenzordnungen, Normen, politische Randbedingungen, soziales Umfeld, Faulheit, Unwissen, Funktionsweise des menschlichen Gehirns usw. usw.) nicht berücksichtigt werden. Andererseits, weil oftmals von völlig autistischen, nutzenmaximierenden Wirtschaftssubjekten ausgegangen wird, die schlicht nicht existieren. Niemand analysiert jede soziale Situation unter vollständiger Information und trifft dann im Hinblick auf der eigenen Nutzen eine "rationale" Entscheidung. In der Realität finden wohl mindestens 95% aller menschlichen Handlungen auf der Grundlage von Gewohnheiten und Affekten statt. Von "Rationalität" ist da nicht viel zu beobachten.

Kurzum, viele ökonomische Modelle können die Realität nicht gut erklären - genau das wäre aber die Aufgabe von Theorien. Dass die Leistungsfähigkeit der ökonomischen Theorien bescheiden ist, ist ja OK, solange man sich dieser Beschränkung bewusst ist. Sobald man aber anfängt - und das scheint mir in der Wirtschaftswissenschaft leider häufig der Fall zu sein - auf der Basis der mitunter doch recht groben Modelle gesellschaftlich-politische Empfehlungen abzugeben, hat man es hier mit einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten zu tun. Man kann aus rudimentären Modellen keine "goldene Regel der Kapitalakkumulation" ableiten. Das sollte man zumindest wissen, wenn man dem ökonomischen Reduktionismus fröhnt.

"Soziologischen Gütern" wie Familie, Freizeit, Ruhe vor dem Lärm von Nachbars Rasenmäher usw. kann man IMO einen Wert zuweisen (der natürlich subjektiv ist), mit dem man ökonomisch rechnen kann. Das wird auch so gemacht.

Das habe ich in meinem Studium meistens anders erlebt.
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Beitragvon Kurt » Di 26. Jun 2007, 17:47

@Tapuak, dem Beitrag kann ich eigentlich uneingeschränkt zustimmen. Der Punkt ist, Ökonomie ist eine Wissenschaft wie jede andere, die mehr oder weniger gute Theorien für bestimmte Phänomene hat und deren Forschung noch nicht beendet ist. Gerade das Thema "unvollständige Information" und "irrationale Marktteilnehmer" ist noch lange nicht vollständig durchdrungen. Hier muss sich die Ökonomie Wissen aus den Nachbarwissenschaften (wie Psychologie, Stochastik usw.) borgen, um plausible Erklärungen bringen zu können. Tut sie auch. Und ich meine, im Großen und Ganzen können wir mit den so gefundenen Erklärungen zufrieden sein. Falls jemand wirklich _offene_ Fragen kennt, bei deren Beantwortung wir bisher scheitern, her damit, das interessiert mich! :-)
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Beitragvon Klaus » Di 26. Jun 2007, 17:57

@Kurt, bring mal einen BWLer und einen VWLer zusammen und lass dir den Markt erläutern. Nachdem die sich 30 Minuten naserümpfend Nettigkeiten an den Kopf geworfen haben, schmeißt du nach weiteren 30 Minuten das Handtuch. Der VWler bringt die politische Ökonomie ins Spiel usw. uns sofort. Die Komponente Mensch, als Produzent und Konsument findet doch nur Beachtung im Rahmen ganz geringer Zahlenbereiche. Natürlich als Konsument ganz groß, aber der Weg um einen Menschen zum Konsumenten werden zu lassen bleibt außen vor, sprich ist Sache der Politik.
Insofern scheinen die Witze, die über Ökonomen erzählt werden, nicht so ganz weit hergeholt. :^^:
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Beitragvon Tapuak » Di 26. Jun 2007, 17:59

Kurt hat geschrieben:@Tapuak, dem Beitrag kann ich eigentlich uneingeschränkt zustimmen. Der Punkt ist, Ökonomie ist eine Wissenschaft wie jede andere, die mehr oder weniger gute Theorien für bestimmte Phänomene hat und deren Forschung noch nicht beendet ist.

Ich würde sogar sagen, dass sie noch ziemlich am Anfang steht. Aber das ist ja kein Beinbruch. Ich denke auch, dass die Theorien sich langfristig verbessern werden. Zum Beispiel versucht man in den neueren Wachstumstheorien ja Faktoren wie technischen Fortschritt, Humankapital usw. einzubauen. Die Modelle sind da letztlich immer noch sehr grobschlächtig, aber dort sieht man immerhin, wie sie in kleinen Schritten verfeinert werden (d.h. auch mehr Einflussfaktoren berücksichtigt werden).
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Beitragvon Kurt » Di 26. Jun 2007, 18:06

Klaus hat geschrieben:@Kurt, bring mal einen BWLer und einen VWLer zusammen und lass dir den Markt erläutern. Nachdem die sich 30 Minuten naserümpfend Nettigkeiten an den Kopf geworfen haben, schmeißt du nach weiteren 30 Minuten das Handtuch. Der VWler bringt die politische Ökonomie ins Spiel usw. uns sofort. Die Komponente Mensch, als Produzent und Konsument findet doch nur Beachtung im Rahmen ganz geringer Zahlenbereiche. Natürlich als Konsument ganz groß, aber der Weg um einen Menschen zum Konsumenten werden zu lassen bleibt außen vor, sprich ist Sache der Politik.
Insofern scheinen die Witze, die über Ökonomen erzählt werden, nicht so ganz weit hergeholt. :^^:


Klaus, ich lese lieber Bücher. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, Wirtschaftlern zuzuhören. Aber ich konnte für mich persönlich einen großen Nutzen aus dieser Wissenschaft ziehen. Wirtschaft ist wie Spieltheorie. Strategie. Manchmal führen verschiedene Wege zum Ziel, und man weiß vorher nicht, welcher der bessere ist. Die Witze treffen fast immer ins Schwarze. :-)
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Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 26. Jun 2007, 18:52

HFRudolph hat geschrieben:Ich mache hier keine Rechtsberatung und es muss jeder selbst wissen, was eine Beleidigung ist.
Es kann wohl nicht so schwer sein, einfach einmal die Forenregeln zu beachten, geschweige denn das Strafgesetzbuch.

:lachtot:
Um das Forum nicht (weiter) zu strapazieren, beende ich jetzt für mich diese Unter"diskussion".
Sollte mir danach sein, werde ich mich dazu herablassen und es per PN weiterführen.

Notiz an die Forenadministratoren: Admin: Notiz ist angekommen
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Beitragvon Andreas Müller » Di 26. Jun 2007, 19:16

Also, es kann ja wohl nicht so schwer sein, die Beleidigungen stecken zu lassen. Vor allem dieses "Autist" fand ich daneben, mein Bruder ist Autist (als psychische Krankheit, ernsthaft) und ich finde solche Beleidigungen einfach daneben. Dass man Leute auf die Ebene meines Bruders "herabsetzt" ist nicht ok.

Ein gewisses Niveau soll das Forum hier irgendwann schon mal erreichen.
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Beitragvon Kival » Di 26. Jun 2007, 19:18

Kurt hat geschrieben:@Tapuak, dem Beitrag kann ich eigentlich uneingeschränkt zustimmen.


Ich habe überhaupt nichts anderes als Tapauk gesagt - war das so missverständlich? :/
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Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 26. Jun 2007, 20:41

Andreas Müller hat geschrieben:Also, es kann ja wohl nicht so schwer sein, die Beleidigungen stecken zu lassen. Vor allem dieses "Autist" fand ich daneben, mein Bruder ist Autist (als psychische Krankheit, ernsthaft) und ich finde solche Beleidigungen einfach daneben. Dass man Leute auf die Ebene meines Bruders "herabsetzt" ist nicht ok.
Warum siehst du es dann als Beleidigung an?
Es war auch nicht als Beleidigung gedacht und ich sehe es nicht als Beleidigung oder den Versuch einer Beleidigung, sondern als Feststellung der Unfähigkeit seine Umgebung wahrzunehmen so wie sie ist oder die Wahrnehmung zu verarbeiten. Objektiv zumindest ist die implizierte Aussage kein Linker hätte Ahnung von Ökonomie bzw. jeder mit auch der geringsten Ahnung von Ökonomie könne kein Linker sein, einfach bei durchschnittlicher Wahrnehmungsfähigkeit oder durchschnittlicher Verarbeitungsfähigkeit von Wahrnehmungen nicht haltbar.
Ich habe mich dafür entschuldigt, dass man diese Äußerung auch als Beleidigung missverstehen konnte (obwohl sie keine war und für mich auch keine Beleidigung ist) und entschuldige mich jetzt bei deinem Bruder. Ich wollte keine Gleichnisse zwischen ihm und den Äußerungen von HFRudolph ziehen, noch wollte ich Autisten oder deren Krankheit missbrauchen, um unhaltbare "Argumentationen" zu zerpflücken.
------ <- Dies ist eine Trennlinie ------ <- Dies ist eine Trennlinie ------ <- Dies ist eine Trennlinie
Andreas Müller hat geschrieben:Ein gewisses Niveau soll das Forum hier irgendwann schon mal erreichen.
Wir arbeiten daran.
An welches Niveau hattest du gedacht?
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Beitragvon Andreas Müller » Di 26. Jun 2007, 20:44

und entschuldige mich jetzt bei deinem Bruder


Das versteht er nicht. Die meisten Autisten sind keine "Rain Man" sonder viel schlimmer dran.

Objektiv zumindest ist die implizierte Aussage kein Linker hätte Ahnung von Ökonomie


Man muss blöde Sprüche ja nicht mit blöden Sprüchen kontern. Aber lassen wir das.
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Beitragvon 1von6,5Milliarden » Di 26. Jun 2007, 20:51

Andreas Müller hat geschrieben:
und entschuldige mich jetzt bei deinem Bruder

Das versteht er nicht. Die meisten Autisten sind keine "Rain Man" sonder viel schlimmer dran.
Ich kenne "Rain Man" nicht, weiß aber um was es geht. Sehe meine Entschuldigung als virtuell an.
Andreas Müller hat geschrieben:
Objektiv zumindest ist die implizierte Aussage kein Linker hätte Ahnung von Ökonomie

Man muss blöde Sprüche ja nicht mit blöden Sprüchen kontern.
Der Punkt geht an dich. Man müsste tatsächlich nicht, aber ..

lassen wir das.
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