Kurt hat geschrieben:Wo genau ist hier der Mangel der Ökonomie?
Der Mangel besteht darin, dass man mit ökonomischen Theorien mitunter einfachste reale Sachverhalte nicht erklären kann, da die Faktoren, die für das Zustandekommen dieser Sachverhalts ursächlich sind, nicht in die entsprechenden Modelle integriert werden.
Warum kauft jemand bei ähnlichen Gütern absichtlich die teurere Variante? Warum investiert jemand in Land A, obwohl in Land B die Kosten wesentlich niedriger wären? Warum finden keine vermehrten Investitionen statt, obwohl die Zinsen so niedrig wie nie sind? Warum versteckt jemand Geld unter der Matratze?
Bereits bei solch simplen Fragen scheitern die meisten ökonomischen Standardmodelle. Einerseits, weil unzählige Faktoren, die eine Rolle spielen könnten (komplizierte Präferenzordnungen, Normen, politische Randbedingungen, soziales Umfeld, Faulheit, Unwissen, Funktionsweise des menschlichen Gehirns usw. usw.) nicht berücksichtigt werden. Andererseits, weil oftmals von völlig autistischen, nutzenmaximierenden Wirtschaftssubjekten ausgegangen wird, die schlicht nicht existieren. Niemand analysiert jede soziale Situation unter vollständiger Information und trifft dann im Hinblick auf der eigenen Nutzen eine "rationale" Entscheidung. In der Realität finden wohl mindestens 95% aller menschlichen Handlungen auf der Grundlage von Gewohnheiten und Affekten statt. Von "Rationalität" ist da nicht viel zu beobachten.
Kurzum, viele ökonomische Modelle können die Realität nicht gut erklären - genau das wäre aber die Aufgabe von Theorien. Dass die Leistungsfähigkeit der ökonomischen Theorien bescheiden ist, ist ja OK, solange man sich dieser Beschränkung bewusst ist. Sobald man aber anfängt - und das scheint mir in der Wirtschaftswissenschaft leider häufig der Fall zu sein - auf der Basis der mitunter doch recht groben Modelle gesellschaftlich-politische Empfehlungen abzugeben, hat man es hier mit einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten zu tun. Man kann aus rudimentären Modellen keine "goldene Regel der Kapitalakkumulation" ableiten. Das sollte man zumindest wissen, wenn man dem ökonomischen Reduktionismus fröhnt.
"Soziologischen Gütern" wie Familie, Freizeit, Ruhe vor dem Lärm von Nachbars Rasenmäher usw. kann man IMO einen Wert zuweisen (der natürlich subjektiv ist), mit dem man ökonomisch rechnen kann. Das wird auch so gemacht.
Das habe ich in meinem Studium meistens anders erlebt.