Ken Wilber

Ken Wilber

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 16. Nov 2011, 21:16

Hat sich eigentlich irgendwer hier schonmal mit seiner „Philosophie“ befasst (er und seine Anhänger betrachten ihn gerne als Philosophen, in der akademischen philosophischen Welt scheint das aber weniger der Fall zu sein)? Mein Eindruck ist, dass er mit seinem spirituellen Positivismus versucht, Leute in eine sektenartige Struktur zu bekommen. Auch wenn er sich selbst nicht als „Guru“, sondern als „Pandit“ betrachtet, so scheint dafür stellvertretend Andrew Cohen der „Guru“ seiner Lehre zu sein (bei dem es schon Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs seiner Schüler gab).
Ich las heute ein wenig in einem Buch von Wilber („Integrale Psychologie“) und mir fiel da auf, dass er anscheinend absichtlich poststrukturalistische Philosophen völlig falsch interpretiert, weil eben ihre Theorie seinen spirituellen Positivismus nicht haltbar machen würden.
Anscheinend geht er mit Naturwissenschaften ähnlich um: http://www.integralworld.net/lane19.html
Ich wundere mich, dass es im deutschsprachigen Raum kaum etwas kritisches zu ihm gibt, nicht mal auf Skeptiker-Seiten, dabei scheint er auch hier einiges an Popularität zu haben.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon xander1 » Mi 16. Nov 2011, 21:54

Ich weiß nix davon, aber ich frage mich wie man so etwas was sich da Philosophie nennt, mit sicheren Mitteln von seriöser Philsophie also wissenschaftlicher Philosophie unterscheiden kann. Gut wäre es wenn man ein Schema findet, mit dem man solche ungünstigen Philosophien entlarven kann.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon mat-in » Mi 16. Nov 2011, 23:06

Variation + Inheritance + SelectionIncluding + Time Equals = Design

Ja, der geht mit Wissenschaft auch... eher lächerlich um. Hab mich mit der Philosophie nicht beschäftigt, freut mich aber irgend wo, das man nciht nur versucht die Wissenschaft bewußt miß zu verstehen oder einfach den Teil, der einem nicht paßt zu ignorieren. Hätte nicht gedahct das es in anderen Fäcxhern auch möglich ist (bzw. je nach Fach nicht gedacht, das es auffällt ;).
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Zappa » Do 17. Nov 2011, 07:51

Teh Asphyx hat geschrieben: Ich wundere mich, dass es im deutschsprachigen Raum kaum etwas kritisches zu ihm gibt ...


Naja, ich kann die ernsthaften Leute schon verstehen. Wenn man die verlinkten Texte so überschlägt hat der Mann - frei nach W. Pauli - noch nicht einmal Unrecht.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Teh Asphyx » Do 17. Nov 2011, 13:27

xander1 hat geschrieben:Ich weiß nix davon, aber ich frage mich wie man so etwas was sich da Philosophie nennt, mit sicheren Mitteln von seriöser Philsophie also wissenschaftlicher Philosophie unterscheiden kann. Gut wäre es wenn man ein Schema findet, mit dem man solche ungünstigen Philosophien entlarven kann.


Das ist echt nicht einfach. Was ich immer bedenklich finde ist, wenn ein „Philosoph“ viele Anhänger hat, die ausschließlich seine „Philosophie“ als gültig betrachten oder meinen andere Philosophen nicht berücksichtigen zu müssen. Und dazu gehört er definitiv. Obwohl er selbst hegelsche Methodik anwendet und viel auf Habermas aufbaut (letzterer ist für mich auch schon grenzwertig).

mat-in hat geschrieben:
Variation + Inheritance + SelectionIncluding + Time Equals = Design

Ja, der geht mit Wissenschaft auch... eher lächerlich um. Hab mich mit der Philosophie nicht beschäftigt, freut mich aber irgend wo, das man nciht nur versucht die Wissenschaft bewußt miß zu verstehen oder einfach den Teil, der einem nicht paßt zu ignorieren. Hätte nicht gedahct das es in anderen Fäcxhern auch möglich ist (bzw. je nach Fach nicht gedacht, das es auffällt ;).


Also Dekonstruktion wird oft gerne falsch verstanden, sogar von Leuten, die es vermeintlich anwenden (was natürlich Benzin im Feuer der Dekonstruktionsgegner ist). Einige meinen zum Beispiel, dass Dekonstruktion nicht falsifizierbar sei, das Problem ist nur, dass es da auch gar nicht darum geht, da Dekonstruktion eine Methode zur Erkenntnisgewinnung, aber selbst keine Erkenntnis ist. Ich sehe auch nicht, wo sich der Satz, dass nichts außerhalb von Kontext existiert, sich mit dem kritischen Rationalismus beißt, für mich ist beides wunderbar ergänzend, aber dazu wollte ich hier eh ein eigenes Thema irgendwann eröffnen.
Mir scheint, dass Wilber als Habermas-Fan auch deswegen besonders was gegen Foucault und Derrida hat, weil beide nicht gerade gut Freund mit Habermas waren.
Aber die ganze Art und Weise, wie er das alles falsch darstellt, ob Wissenschaft oder Philosophie von anderen, hat echt extrem was von Esoterik.

Das hier finde ich auch total daneben, das ist der Anfang von Ken Wilbers Buch „Eros, Kosmos, Logos“
Ist es nicht schlicht seltsam, dass überhaupt etwas — irgend etwas — geschieht? Da war nichts, dann ein großer Knall, und hier sind wir nun alle. Das ist doch alles andere als geheuer.

Auf Schellings brennende Frage »Warum ist überhaupt etwas und vielmehr nichts?« hat es schon immer zwei Typen von Antworten gegeben. Antworten des ersten Typs könnte man als Philosophie des »Hoppla« bezeichnen. Das Universum ereignet sich ganz einfach, und es steckt nichts dahinter; alles ist letztlich beliebig und zufällig, es ist halt, es geschieht einfach — »Hoppla!« Der Name dieser Hoppla-Philosophie in der Moderne ist Legion, vom Positivismus bis zum Wissenschaftlichen Materialismus, von der Linguistischen Analyse bis zum Historischen Materialismus, vom Naturalismus bis zum Empirismus. Und so durchdacht und erwachsen sie gelegentlich auch zu sein scheint, sie läuft im Grunde doch immer auf dieselbe Antwort hinaus: »Frag nicht!«

Die Frage selbst (also: Weshalb geschieht überhaupt irgendetwas? Weshalb bin ich hier?), heißt es da, ist schon wirrköpfig, pathologisch, unsinnig oder infantil. Solche wirrköpfigen Fragen gar nicht mehr stellen, das sei das Kennzeichen der Reife, des Erwachsenwerdens in diesem Kosmos.

Ich glaube das nicht. Ich glaube die Antwort dieser »modernen und reifen« Disziplinen — nämlich »Hoppla!« und folglich »Frag nicht!« — stellt so ungefähr das Infantilste an Reaktion dar, was überhaupt menschenmöglich ist.

Antworten des zweiten Typs besagen, dass noch etwas ganz anderes vorgeht: Hinter diesem Zufallsdrama steht eine tiefere oder höhere oder weitere Struktur oder Ordnung oder Intelligenz. Natürlich gibt es diese tiefere Ordnung in vielen Spielarten: Dao, Gott, Geist, Maat, archetypische Formen, Vernunft, Li, Mahamaya, Brahman, Rigpa. Und diese verschiedenen Ausprägungen widersprechen einander zwar in vielen Einzelheiten, aber sie stimmen ausnahmslos darin überein, dass das Universum nicht ist, was es zu sein scheint. Etwas anderes geht da noch vor, etwas ganz anderes als »Hoppla!«


Es sind doch gerade die Antworten des zweiten Typs, die sagen „Frag nicht! Wir haben schon die Antwort“ :explodieren:
Ziemlich offensichtlich wendet er sich damit an eine Zielgruppe, die von moderner Philosophie nicht viel Ahnung hat, die deswegen auch schnell glaubt, was er da behauptet.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Vollbreit » Mi 30. Nov 2011, 11:56

Vorbildlicher Stil!

Da möchte Teh Asphyx gerne den Philosophen geben und landet bäuchlings im Boulevard-Klatsch.
Da gibt es einen Herrn Wilber, den mag ich nicht, weil es da einen Herrn Cohen gibt und bei dem gibt es Vorwürfe wegen sexuellem Missbrauch. Ist dieses assoziative Gehoppse auch nur im Geringsten ein rationales Argument?

Außerdem kann der Herr Wilber den Herrn Foucault nicht mögen, weil der Herr Wilber ja den Herrn Habermas (den der Autor „schon grenzwertig“ findet: Was für ein „Argument“!) mag und der den Herrn Foucault nicht mag. Das hat was von Komödienstadel.
Leider hat der Autor von „Eros, Kosmos, Logos“ nur das Vorwort gelesen, ansonsten wüsste er, dass
Herrn Wilbers Meinung über Herrn Foucault eine andere ist.

„Total daneben“ findet der Autor auch die Sätze Wilbers, aus dem Vorwort.
Statt zu klären, was die „moderne Philosophie“, deren Nichtkenntnis der Autor der Zielgruppe des Herrn Wilber fabulierend zuschreibt, denn zu diesen Fragen zu sagen hat, lässt er, der den philosophischen Komapatienten Dekonstrutivismus für den neuesten philosophischen Schrei zu halten scheint, uns hier allein.

Dass es mehr als fragwürdig ist, sich einem Autor über Tertiärquellen zu näher, scheint hier niemanden zu stören, wenn das ganze doch irgendwie „echt extrem was von Esoterik“ hat.

Immerhin, dem selbstgewählten Anspruch, im schlechtesten postmodernen Sinn, den oberflächlichen Verknüpfungen des ersten Anscheins assoziativ zu folgen und auf weitere inhaltliche Kenntnisse großzügig zu verzichten, hat der Autor voll entsprochen.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 30. Nov 2011, 13:03

Soll ich Deinen Pöbel-Stil jetzt ernst nehmen?
Geht leider schwer, weil da inhaltlich kaum was zu machen ist. Ich versuchs mal …

Vollbreit hat geschrieben:Da möchte Teh Asphyx gerne den Philosophen geben und landet bäuchlings im Boulevard-Klatsch.


Für den Satz gehörst Du schon standesrechtlich erschossen (auch auf die Gefahr hin, Dir mit dem Satz Munition zu liefern).

Vollbreit hat geschrieben:Da gibt es einen Herrn Wilber, den mag ich nicht, weil es da einen Herrn Cohen gibt und bei dem gibt es Vorwürfe wegen sexuellem Missbrauch. Ist dieses assoziative Gehoppse auch nur im Geringsten ein rationales Argument?


Habe ich irgendwo auch nur ansatzweise behauptet, ich würde damit ein rationales Argument liefern? Wofür eigentlich überhaupt? Ich nehme das nur als Grundlage zur Skepsis. Und mal im ernst, jemand der solche Leute wie Cohen philosophisch befürwortet, IST mit Skepsis zu betrachten.

Vollbreit hat geschrieben:Außerdem kann der Herr Wilber den Herrn Foucault nicht mögen, weil der Herr Wilber ja den Herrn Habermas (den der Autor „schon grenzwertig“ findet: Was für ein „Argument“!) mag und der den Herrn Foucault nicht mag. Das hat was von Komödienstadel.


Und schon wieder die Frage, was soll ich damit argumentiert haben wollen? Ich habe gar keinen Schluss gezogen, also was zum Henker willst Du eigentlich von mir?

Vollbreit hat geschrieben:Leider hat der Autor von „Eros, Kosmos, Logos“ nur das Vorwort gelesen, ansonsten wüsste er, dass
Herrn Wilbers Meinung über Herrn Foucault eine andere ist.


Wenn Du lesen würdest, was „der Autor“ schreibt, würdest Du feststellen, dass „der Autor“ in „Integrale Psychologie“ gelesen hat. Und da steht nun mal ein ziemlicher Scheiß über Foucault und Derrida drin.
Dein Argument ist vielmehr ungültig, dass ich nicht das Recht hätte, seine Aussagen zu kritisieren, nur weil ich nicht alles gelesen habe. Das ist eine ganz miese Immunisierungsstrategie.
Aber Du kannst mir dann ja sagen, was er über Foucault denkt, Du scheinst es ja besser zu wissen. Oder wolltest Du mich gar nicht aufklären, sondern nur rumpöbeln?

Vollbreit hat geschrieben:„Total daneben“ findet der Autor auch die Sätze Wilbers, aus dem Vorwort.


Die Sätze sind mir scheißegal, aber die tendenziöse Aussage geht mir auf den Sack, weil er immerhin auch MIR damit etwas unterstellt und es ist mein verdammt gutes Recht, solch eine Unterstellung daneben zu finden.

Vollbreit hat geschrieben:Statt zu klären, was die „moderne Philosophie“, deren Nichtkenntnis der Autor der Zielgruppe des Herrn Wilber fabulierend zuschreibt, denn zu diesen Fragen zu sagen hat, lässt er, der den philosophischen Komapatienten Dekonstrutivismus für den neuesten philosophischen Schrei zu halten scheint, uns hier allein.


Oh, es ist also mein Fehler, dass ich anderen Menschen Vorwissen unterstelle? Und unterstelle mir nicht dauernd irgendwelche Behauptungen, die ich nicht getätigt habe.
Abgesehen davon hat Dekonstruktion durchaus immer noch Gültigkeit und das ist auch völlig unabhängig davon, wie alt die Methode ist. Stell Dir vor, für manche hat sogar Sokrates noch Gültigkeit und eine gewisse Modernität. Verrückt, oder?

Vollbreit hat geschrieben:Dass es mehr als fragwürdig ist, sich einem Autor über Tertiärquellen zu näher, scheint hier niemanden zu stören, wenn das ganze doch irgendwie „echt extrem was von Esoterik“ hat.


Tertiärquellen? Seine eigenen Bücher? Oder die von mir genannten Quellen, die sich direkt auf seine Aussagen beziehen und somit Sekundärquellen sind?

Vollbreit hat geschrieben:Immerhin, dem selbstgewählten Anspruch, im schlechtesten postmodernen Sinn, den oberflächlichen Verknüpfungen des ersten Anscheins assoziativ zu folgen und auf weitere inhaltliche Kenntnisse großzügig zu verzichten, hat der Autor voll entsprochen.


Woher weißt Du, welche Ansprüche ich an mich habe?

Wenn Du nur hier bist, weil es Dir nicht passt, dass jemand Deinen „Gott“ kritisiert und Du meinst dann pöbeln zu müssen, kannst Du Deinen integralen Arsch auch gleich wieder von hier fortbewegen.
Wenn jemand auf diese Art für Ken Wilber argumentiert, dann macht es das ganze nicht gerade anziehender.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Vollbreit » Mi 30. Nov 2011, 13:44

Teh Asphyx hat geschrieben:„Soll ich Deinen Pöbel-Stil jetzt ernst nehmen?
Geht leider schwer, weil da inhaltlich kaum was zu machen ist. Ich versuchs mal …“
Vollbreit hat geschrieben:Da möchte Teh Asphyx gerne den Philosophen geben und landet bäuchlings im Boulevard-Klatsch.

Für den Satz gehörst Du schon standesrechtlich erschossen (auch auf die Gefahr hin, Dir mit dem Satz Munition zu liefern).“


Ah, nettes Kerlchen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Da gibt es einen Herrn Wilber, den mag ich nicht, weil es da einen Herrn Cohen gibt und bei dem gibt es Vorwürfe wegen sexuellem Missbrauch. Ist dieses assoziative Gehoppse auch nur im Geringsten ein rationales Argument?

Habe ich irgendwo auch nur ansatzweise behauptet, ich würde damit ein rationales Argument liefern? Wofür eigentlich überhaupt? Ich nehme das nur als Grundlage zur Skepsis. Und mal im ernst, jemand der solche Leute wie Cohen philosophisch befürwortet, IST mit Skepsis zu betrachten.


Drei mal null, is null, ist null…
Komm zur Sache, oder schreib was über Cohen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Außerdem kann der Herr Wilber den Herrn Foucault nicht mögen, weil der Herr Wilber ja den Herrn Habermas (den der Autor „schon grenzwertig“ findet: Was für ein „Argument“!) mag und der den Herrn Foucault nicht mag. Das hat was von Komödienstadel.

Und schon wieder die Frage, was soll ich damit argumentiert haben wollen?


Eben nicht, das plumpe Polemik, gekeltert aus Kurzschlüssen und Unwissenheit.

Teh Asphyx hat geschrieben:„Ich habe gar keinen Schluss gezogen, also was zum Henker willst Du eigentlich von mir?“


Argumente gegen Wilber.
Sollte man erwarten dürfen, wenn der Thred so betitelt ist, ist vielleicht aber auch zu viel erwartet…

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Leider hat der Autor von „Eros, Kosmos, Logos“ nur das Vorwort gelesen, ansonsten wüsste er, dass
Herrn Wilbers Meinung über Herrn Foucault eine andere ist.

„Wenn Du lesen würdest, was „der Autor“ schreibt, würdest Du feststellen, dass „der Autor“ in „Integrale Psychologie“ gelesen hat. Und da steht nun mal ein ziemlicher Scheiß über Foucault und Derrida drin.“


Was erneut lediglich die Meinung des Autors ist.

Teh Asphyx hat geschrieben: „Dein Argument ist vielmehr ungültig, dass ich nicht das Recht hätte, seine Aussagen zu kritisieren, nur weil ich nicht alles gelesen habe. Das ist eine ganz miese Immunisierungsstrategie.“


Tust Du doch gar nicht, da Du ja selbst behauptest, einen Text frei von Argumenten geschrieben zu haben. Wie willst Du denn irgendwen so kritisieren? Kritik ist was anderes.
Nachdenken, vor dem Antworten kann da helfen.

Teh Asphyx hat geschrieben: „Aber Du kannst mir dann ja sagen, was er über Foucault denkt, Du scheinst es ja besser zu wissen. Oder wolltest Du mich gar nicht aufklären, sondern nur rumpöbeln?“


Du meinst ich soll Dir nachträglich die Arbeit abnehmen, die von Dir redlicherweise vor einer Kritik zu leisten wäre? Weil Du so ein überaus sympathischer Zeitgenosse bist?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:„Total daneben“ findet der Autor auch die Sätze Wilbers, aus dem Vorwort.

„Die Sätze sind mir scheißegal, aber die tendenziöse Aussage geht mir auf den Sack, weil er immerhin auch MIR damit etwas unterstellt und es ist mein verdammt gutes Recht, solch eine Unterstellung daneben zu finden.“


Was unterstellt er Dir denn, Deiner Meinung nach?
Ich lese das eher als Deskription, was bringt Dich denn da gleich auf die Palme?

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Statt zu klären, was die „moderne Philosophie“, deren Nichtkenntnis der Autor der Zielgruppe des Herrn Wilber fabulierend zuschreibt, denn zu diesen Fragen zu sagen hat, lässt er, der den philosophischen Komapatienten Dekonstrutivismus für den neuesten philosophischen Schrei zu halten scheint, uns hier allein.

„Oh, es ist also mein Fehler, dass ich anderen Menschen Vorwissen unterstelle?“


Hä?

Teh Asphyx hat geschrieben: „ Und unterstelle mir nicht dauernd irgendwelche Behauptungen, die ich nicht getätigt habe.
Abgesehen davon hat Dekonstruktion durchaus immer noch Gültigkeit und das ist auch völlig unabhängig davon, wie alt die Methode ist. Stell Dir vor, für manche hat sogar Sokrates noch Gültigkeit und eine gewisse Modernität. Verrückt, oder?“


Du hast Dich explizit auf die moderne Philosophie bezogen und wenn man Wilber was vorwerfen kann, dann vielleicht, dass er bei seinem Frontalangriff auf die Postmoderne auf ein totes Pferd eindrischt und irrsinnigerweise Habermas unter den Postmodernen subsumiert.
(Dabei hat er den tatsächlich gelesen.)

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dass es mehr als fragwürdig ist, sich einem Autor über Tertiärquellen zu näher, scheint hier niemanden zu stören, wenn das ganze doch irgendwie „echt extrem was von Esoterik“ hat.

Tertiärquellen? Seine eigenen Bücher? Oder die von mir genannten Quellen, die sich direkt auf seine Aussagen beziehen und somit Sekundärquellen sind?“




Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Immerhin, dem selbstgewählten Anspruch, im schlechtesten postmodernen Sinn, den oberflächlichen Verknüpfungen des ersten Anscheins assoziativ zu folgen und auf weitere inhaltliche Kenntnisse großzügig zu verzichten, hat der Autor voll entsprochen.

„Woher weißt Du, welche Ansprüche ich an mich habe?
Wenn Du nur hier bist, weil es Dir nicht passt, dass jemand Deinen „Gott“ kritisiert und Du meinst dann pöbeln zu müssen, kannst Du Deinen integralen Arsch auch gleich wieder von hier fortbewegen.
Wenn jemand auf diese Art für Ken Wilber argumentiert, dann macht es das ganze nicht gerade anziehender.“


Besten Dank für das sachliche Diskussionsklima.
Falls Du noch mal was zur Sache zu sagen hast, kannst Du das ja tun.
Ansonsten entscheide ich gerne selbst wo ich was sage, nennt man Demokratie.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 30. Nov 2011, 14:35

Vollbreit hat geschrieben:Drei mal null, is null, ist null…
Komm zur Sache, oder schreib was über Cohen.


Warum?

Vollbreit hat geschrieben:Eben nicht, das plumpe Polemik, gekeltert aus Kurzschlüssen und Unwissenheit.


Ich meinte, was Du denkst, worauf ich mit meiner „Argumentation“ hinaus wollte? Wo ich nichts beweisen will, muss ich nämlich auch nichts argumentieren. Deswegen weiß ich echt nicht, was Du von mir willst.

Vollbreit hat geschrieben:Argumente gegen Wilber.
Sollte man erwarten dürfen, wenn der Thred so betitelt ist, ist vielleicht aber auch zu viel erwartet…


Du erwartest also, dass man, wenn man über Wilber schreibt, Argumente gegen ihn hat? Interessant … aber gut, ich glaube, ich weiß, worauf Du hinaus willst. Tut mir leid, damit kann ich nicht dienen, weil es nicht meine Absicht war, Wilber schlecht zu machen, sondern nur Eindrücke zu äußern, um mich darüber auszutauschen. Du hättest die Chance ergreifen können und mir sachlich darlegen können, was für Wilber spricht, stattdessen meinst Du Dich anscheinend hier in Deinem gekränkten Stolz so aufspielen zu müssen. Das ist arm.

Vollbreit hat geschrieben:Was erneut lediglich die Meinung des Autors ist.


Und? Ist das neuerdings verboten, eine Meinung zu haben und sie zu äußern? Und dann später mit „Demokratie“ argumentieren …

Tust Du doch gar nicht, da Du ja selbst behauptest, einen Text frei von Argumenten geschrieben zu haben. Wie willst Du denn irgendwen so kritisieren? Kritik ist was anderes.


Du hast mir ja unterstellt, ich würde irgendwas (schlecht) Argumentieren und meintest, dass es nicht zulässig sei. Was meine tatsächliche Intention war, ist für Deine Immunisierungsstrategie unerheblich. So einfach redest Du Dich da nicht raus.

Vollbreit hat geschrieben:Du meinst ich soll Dir nachträglich die Arbeit abnehmen, die von Dir redlicherweise vor einer Kritik zu leisten wäre? Weil Du so ein überaus sympathischer Zeitgenosse bist?


Nun, ich habe mich konkret auf ein Werk von Wilber bezogen, wo ich seine Argumentation gegen Foucault und Derrida schwach finde (weil er es falsch interpretiert), wenn Du behauptest, dieses Werk von Wilber selbst sei nicht repräsentativ für seine Ansicht über Foucault, dann darf ich erwarten, dass Du es richtig stellst, ja.

Vollbreit hat geschrieben:Was unterstellt er Dir denn, Deiner Meinung nach?
Ich lese das eher als Deskription, was bringt Dich denn da gleich auf die Palme?


Er unterstellt mir, dass ich als Naturalist verlangen würde, dass man sich nicht weiter Fragen stellt und das ist grundsätzlich falsch, denn ich bin gerade deswegen Naturalist, weil ich Fragen stelle und mich nicht mit irgendwelchen vorgefertigten Antworten zufrieden gebe. Es sind doch die Religionen, die immer sagen, man solle nicht weiter fragen, sondern die Antworten der Autorität anerkennen. Ich will nicht bestreiten, dass auch Szientizismus in diesem Sinne oft religiös ist, aber Naturalismus ist nicht gleich Szientizismus.

Vollbreit hat geschrieben:Hä?


Ich gehe einfach mal davon aus, dass in einem Forum von Naturalisten die Mehrheit der Mitglieder wissen, wie die „moderne Philosophie“ zu diesen Fragen steht, falls Du Dich immer noch auf mein Zitat aus „Eros, Kosmos, Logos“ beziehst.

Vollbreit hat geschrieben:Du hast Dich explizit auf die moderne Philosophie bezogen und wenn man Wilber was vorwerfen kann, dann vielleicht, dass er bei seinem Frontalangriff auf die Postmoderne auf ein totes Pferd eindrischt und irrsinnigerweise Habermas unter den Postmodernen subsumiert.
(Dabei hat er den tatsächlich gelesen.)


Ich habe bewusst nirgends etwas von „Postmoderne“ geschrieben, weil dieses Wort kaum etwas aussagt. Ich schrieb konkret über Poststrukturalismus und insbesondere über Dekonstruktion. Und mit toten Pferden hat das nicht viel zu tun, da es durchaus noch Relevanz hat.
Ich meinte nicht, dass er Habermas dazuzählt und mir ist klar, dass er Habermas gelesen hat. Ich finde es einfach ein wenig auffällig, dass er ausgerechnet auf die beiden Poststrukturalisten rumhackt, mit denen Habermas auch seine Streits hatte, das ist alles. „Mir scheint“ heißt ja auch nicht „es ist so“.

Vollbreit hat geschrieben:Besten Dank für das sachliche Diskussionsklima.
Falls Du noch mal was zur Sache zu sagen hast, kannst Du das ja tun.
Ansonsten entscheide ich gerne selbst wo ich was sage, nennt man Demokratie.


Ach, komm, als hättest Du Dich hier ganz sachlich beteiligt und ich würde jetzt auf Dich losgehen. :kopfwand:
Es ist auch durchaus demokratisch vertretbar, pöbelnde Leute irgendwo rauszuwerfen und mal ehrlich, sich extra in einem Forum anzumelden, nur um Stunk zu machen, ist echt keine besonders tolle Art. Und wäre es Dir um Klarstellung einer Missinterpretation meinerseits gegangen, hättest Du Deinen ersten Beitrag hier auch wirklich anders schreiben können. Mir soll es recht sein, ich hab heute eh eine Scheißlaune und kann mich hier dann schön abreagieren.
Zuletzt geändert von Teh Asphyx am Mi 30. Nov 2011, 14:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon 1von6,5Milliarden » Mi 30. Nov 2011, 14:40

Teh Asphyx hat geschrieben:Für den Satz gehörst Du schon standesrechtlich erschossen ...
... und Du meinst dann pöbeln zu müssen, kannst Du Deinen integralen Arsch auch gleich wieder von hier fortbewegen.

Vollbreit hat geschrieben:Ah, nettes Kerlchen.
...
Eben nicht, das plumpe Polemik, gekeltert aus Kurzschlüssen und Unwissenheit.
Liebe Disuktanten, etwas mehr verbale Zurückhaltung bitte und das Niveau wieder heben. Danke.
Vollbreit hat geschrieben:Ansonsten entscheide ich gerne selbst wo ich was sage, nennt man Demokratie.
Du magst dies gerne entscheiden mögen, aber es hat erstens mit Demokratie nichts direkt zu tun und zweitens hat hier die Forenleitung noch ein Wörtchen mitzureden. Hier verbietet außer dazu berechtigten Personen niemand einer anderen Person das Rede-/Schreibrecht.


Teh Asphyx hat geschrieben:ich hab heute eh eine Scheißlaune und kann mich hier dann schön abreagieren.
Nein! Dies wirst du nicht tun, ist das klar?

Diskutiert anständig über das Thema und nicht gegen die diskutierenden Personen.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 30. Nov 2011, 14:51

1von6,5Milliarden hat geschrieben:
Teh Asphyx hat geschrieben:ich hab heute eh eine Scheißlaune und kann mich hier dann schön abreagieren.
Nein! Dies wirst du nicht tun, ist das klar?

Och menno! Ich will aber, ich will aber, ich will aber! :(

Um das noch mal klarzustellen: Das war jetzt auch nicht so ernst gemeint (das mit der Laune zwar schon, aber der Rest war eher so gemeint, dass ich mir das nicht sonderlich zu Herzen nehme).
Beim „integralen Arsch“ dürfte ja klar sein, dass sein Körperteil gemeint war und nicht er. Und ich stehe weiterhin dazu, dass wer nur pöbeln will, hier nichts zu suchen hat (wobei ich die Entscheidung letztendlich den Moderatoren überlasse, das ändert nichts daran, dass ich da eine Sichtweise zu habe). Dass der andere Satz von mir grenzwertig war, weiß ich, aber ich wollte damit zum Ausdruck bringen, dass bei einer solch hemmungslosen Impertinenz irgendwelche Erklärungen auch nicht mehr helfen.
Verboten habe ich niemanden was.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Vollbreit » Mi 30. Nov 2011, 20:30

Teh Asphyx hat geschrieben:Nun, ich habe mich konkret auf ein Werk von Wilber bezogen, wo ich seine Argumentation gegen Foucault und Derrida schwach finde (weil er es falsch interpretiert), wenn Du behauptest, dieses Werk von Wilber selbst sei nicht repräsentativ für seine Ansicht über Foucault, dann darf ich erwarten, dass Du es richtig stellst, ja.


Also, was genau ist denn falsch dargestellt? Was Du da kritisieren willst, das musst Du schon selbst wissen.

In der Tat liegt in der postmodernen Betrachtung jede Menge Zündstoff, der Naturalisten gar nicht ohne weiteres in den Kram passen muss. Denn auch vermeintliche Fakten, auf die Naturalisten gerne rekurrieren, sind kontextabhängig, sind Interpretationen. Und ja, jede Interpretation ist möglich, aber nicht gleichwertig, sondern kann zu wirrem Mist mutieren. Sokal und Eco würden dem zustimmen. Dennoch bleibt, dass auch Fakten, Tatsachen, whatever, erstens, schon durch Kontexte vorselektiert sind und neben dem, was sie einblenden, anderes ausblenden und zweitens, als Fakten an sich vollkommen bedeutungslos sind, wenn nicht auf der anderen Seite ein Interpret steht, der die Fakten zu interpretieren versteht. Sie gewinnen erst dann Relevanz, als behauptende Aussagen, die einen Wahrheitsanspruch postulieren.
Das ist der schmale Grat, auf dem man erkenntnistechnisch balanciert.
Wilber kritisiert genau jenen Aspekt der Überinterpretation und der Beliebigkeit, vielleicht ist er nicht der glänzendste Interpret der Poststrukturalisten, doch dass sie gerne in einen performativen Widerspruch schlittern, nun mit der Analyse steht er wahrlich nicht allein.

Teh Asphyx hat geschrieben:Er unterstellt mir, dass ich als Naturalist verlangen würde, dass man sich nicht weiter Fragen stellt und das ist grundsätzlich falsch, denn ich bin gerade deswegen Naturalist, weil ich Fragen stelle und mich nicht mit irgendwelchen vorgefertigten Antworten zufrieden gebe.


Wenn ich Wilber richtig gelesen habe, gibt er sich keineswegs mit den Antworten der Religionen zufrieden, sondern verwirft sie alle als defizitär. Nicht gänzlich falsch, angemessen, für die Zeit, in der man bestimmte Mittel zur Verfügung hatte, nicht nur technisch, auch semantisch, weltanschaulich, aber unterm Strich ist Wilber alles andere als ein Fürsprecher von Religion. Und dort wo religiöse Texte interpretiert werden, schreibt er den Mehrgehalt der rationalen Interpretation zu. Rationalität kann alles, was der Mythos kann und ein bisschen mehr, schreibt er, auch ziemlich wörtlich, in „Eros, Kosmos, Logos“.

Es ist nur nicht sonderlich befriedigend einerseits eine Schöpfung aus dem Nichts anzunehmen, oder andererseits Materie als immer schon existent seiend zu postulieren. Die Frage wo diese oder jene Materie denn nun herkommt in einem Kausalitätsgefüge, bei dem man davon ausgeht, dass nichts ohne Ursache geschieht, ist ja nicht irre.
Die Antworten die Wilber favorisiert kommen nicht aus der Religion, sondern aus der Mystik.
Im Sinne Wilbers gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Religion und Mystik, der kurz gesagt darin besteht, dass Religion der mehr oder weniger buchstäbliche Glaube an einen Schöpfungsmythos ist. Von der Mystik nimmt Wilber an, dass sie auf Erfahrenem beruht, auf Experimenten, die wie jedes andere Experiment auch in einen Pool einfließt und diskutiert werden kann, sinnigerweise von denen, die das Experiment vorher durchgeführt haben.
Das Experiment was er meint, ist die Meditation oder eine vergleichbare spirituelle Praxis.

Die mehr oder weniger entscheidende Frage in diesem Kontext ist nun, welcher Status diesen Experimenten zukommt. Ist das nur privater Kram? Erfährt jeder was anderes? Oder gibt es Konstanten? Falls ja, und Wilber meint, dass es so ist, was bedeutet dann das? Sind das biologische Programme, auf die man stößt? Haben sie irgendeinen erkenntnistheoretischen Wert?

Dass der Szientismus oft religiös ist, ist eine Auffassung die ich teile.

Teh Asphyx hat geschrieben:„Ich meinte nicht, dass er Habermas dazuzählt und mir ist klar, dass er Habermas gelesen hat. Ich finde es einfach ein wenig auffällig, dass er ausgerechnet auf die beiden Poststrukturalisten rumhackt, mit denen Habermas auch seine Streits hatte, das ist alles. „Mir scheint“ heißt ja auch nicht „es ist so“.“


Nun, er zählt Habermas dazu, zu dem Sammelsurium das er Postmoderne nennt.
Und Du meinst, das täte er, weil er Habermas Fan ist?
Eigentlich grenzt er sich von Habermas auch ab, da er ihn für einen Rationalisten reinsten Wasser hält, auch das ein ziemlich wörtliches Zitat.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Zappa » Mi 30. Nov 2011, 20:58

Könnt Ihr mal bitte anständig zitieren? Danke!
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 30. Nov 2011, 22:42

Danke für die sachlichen Ausführungen, ich denke hier haben wir jetzt wirklich einen interessanten Diskussionsansatz.

Vollbreit hat geschrieben:Also, was genau ist denn falsch dargestellt? Was Du da kritisieren willst, das musst Du schon selbst wissen.


Er hat Foucault und Derrida einen sehr radikalen Relativismus unterstellt, was meiner Ansicht nach ungerechtfertigt ist. Ich jedenfalls lese bei beiden raus (wobei ich weiß, dass Foucault in früheren Werken wesentlich relativistischer war als später), dass sie jedoch weitaus differenzierter in der Hinsicht sind. Natürlich ist eine Aussage wie „Es gibt nichts außerhalb des Kontexts“ relativistisch, aber Derrida hat ja darauf eine Methode aufgebaut, eben den Kontext selbst zu erforschen (was sehr nah an der Quantenphysik). Gut, Wilber schrieb ja nicht, dass dies grundsätzlich schlecht wäre, aber ich wurde beim Lesen das Gefühl nicht los, als würde Wilber meinen, man müsse sich nur so weit damit befassen, wie er es selbst in seine Theorie integriert hat und das wirkt etwas überheblich. Dieses Gefühl hatte ich jedenfalls beim Lesen.

Vollbreit hat geschrieben:In der Tat liegt in der postmodernen Betrachtung jede Menge Zündstoff, der Naturalisten gar nicht ohne weiteres in den Kram passen muss. Denn auch vermeintliche Fakten, auf die Naturalisten gerne rekurrieren, sind kontextabhängig, sind Interpretationen.


Richtig, wobei ich mich dennoch als Naturalisten betrachte, obwohl ich ein großer Freund der postmodernen Skepsis, aber auch des kritischen Rationalismus bin. Ich denke schon, dass sich das nicht unbedingt ausschließen muss und ich habe auch den Eindruck, dass es einige – gerade renommierte – Wissenschaftler gibt, die einen gewissen Erkenntnisskeptizismus beibehalten.

Vollbreit hat geschrieben:Und ja, jede Interpretation ist möglich, aber nicht gleichwertig, sondern kann zu wirrem Mist mutieren. Sokal und Eco würden dem zustimmen.


Wobei Eco doch ganz anders differenzieren würde als Sokal, jedenfalls nach dem, was ich gelesen habe. Sokal jedenfalls hat einiges in der „Postmoderne“ sehr offensichtlich nicht verstanden, wobei ich annehme, dass viele amerikanische Studenten, die darauf abfahren, es ebenso wenig verstanden haben und ich auch verstehen kann, dass Sokal davon genervt war. Dennoch finde ich, dass sein Schuss nach hinten losging.

Vollbreit hat geschrieben:Dennoch bleibt, dass auch Fakten, Tatsachen, whatever, erstens, schon durch Kontexte vorselektiert sind und neben dem, was sie einblenden, anderes ausblenden und zweitens, als Fakten an sich vollkommen bedeutungslos sind, wenn nicht auf der anderen Seite ein Interpret steht, der die Fakten zu interpretieren versteht. Sie gewinnen erst dann Relevanz, als behauptende Aussagen, die einen Wahrheitsanspruch postulieren.


Meine Theorie ist ja, dass das, was dazwischen ist (also die Beziehung), das eigentlich Reale ist, wie in der Quantenphysik. Das macht eben beide Seiten „unscharf“, sowohl die „Fakten“ als auch den Interpreten.
Louis Althusser hat in „Für Marx“ erwähnt, dass für ihn die Praxis der Erkenntnisweg ist (die genaue Formulierung weiß ich jetzt nicht, hab mir da leider keine Notiz gemacht). Das war quasi auch eine Kritik an die gängige Wissenschaftliche Methode, die nur Dinge betrachtet und beschreibt, aber die Sachen nicht über die Praxis verstehen will. Ist nicht dieses dazwischen genau das, eine Praxis?

Vollbreit hat geschrieben:Wilber kritisiert genau jenen Aspekt der Überinterpretation und der Beliebigkeit, vielleicht ist er nicht der glänzendste Interpret der Poststrukturalisten, doch dass sie gerne in einen performativen Widerspruch schlittern, nun mit der Analyse steht er wahrlich nicht allein.


Wohl wahr, allerdings finde ich es immer schwierig kollektiv von „den Poststrukturalisten“ in solch einem Zusammenhang zu sprechen, da es ja recht viele verschiedene Ausprägungen gibt. Neulich las ich ein Interview mit Jean Beaudrillard, wo er behauptete rechte Gewalt wäre Gewalt, die jeden Sinn verloren hat:
Jean Beaudrillard hat geschrieben:Ja, das ist die pure, die reine Gewalt, sinnlose Gewalt, also die reine Form der Gewalt, gar nicht mehr determiniert, bzw. keine historische Gewalt mehr. Eine Gewalt, die gewalttätiger ist als die Gewalt, also eine Hypergewalt, und hier auch ohne Finalität, eine tautologische Gewalt, die an sich selbst sich erschöpft, und aus sich selbst ihre eigene Substanz schöpft. Dies ist also keine historische, keine perspektivistische Gewalt, mit einem Ursprung, einer Perspektive usw., sondern eine Virulenz, eine Gewalt durch reine Kontiguität.


Das ist natürlich reiner Quatsch. Es gibt durchaus einen Sinn, der dahintersteckt und das zu leugnen finde ich sehr gefährlich. War ja zuletzt bei Breivik auch so, dass es von allen Seiten hieß, es wäre nicht zu verstehen und so weiter. Dabei war das eine – seiner Sichtweise nach – völlig folgerichtige Handlung. Und es ist absolut wichtig, das nachzuvollziehen, wenn man solche Gewalt verhindern möchte (aber vielleicht möchte Beaudrillard das nicht, vielleicht will er nur zeigen, wie toll er schwadronieren kann, von einem ’Pataphysiker hätte ich aber mehr erwartet).

Aber im Gegensatz dazu finde ich, dass gerade Foucault und Derrida sich meistens sehr differenziert geäußert haben.

Vollbreit hat geschrieben:Wenn ich Wilber richtig gelesen habe, gibt er sich keineswegs mit den Antworten der Religionen zufrieden, sondern verwirft sie alle als defizitär. Nicht gänzlich falsch, angemessen, für die Zeit, in der man bestimmte Mittel zur Verfügung hatte, nicht nur technisch, auch semantisch, weltanschaulich, aber unterm Strich ist Wilber alles andere als ein Fürsprecher von Religion. Und dort wo religiöse Texte interpretiert werden, schreibt er den Mehrgehalt der rationalen Interpretation zu. Rationalität kann alles, was der Mythos kann und ein bisschen mehr, schreibt er, auch ziemlich wörtlich, in „Eros, Kosmos, Logos“.


Ich wollte ihm auch nicht unterstellen, Befürworter von Religionen zu sein, aber in diesem Vorwort liest es sich durchaus so, als würde er alles Naturwissenschaftliche grundsätzlich in die erste Kategorie einordnen und alles Religiöse/Spirituelle/Esoterische in die zweite. Ich nehme an, dass Dir in dem Fall klar ist, warum ich das für sehr undifferenziert halte.
Ich sehe da durchaus eine Tendenz drin, nämlich, dass er damit zumindest vorhat, sich Leuten schmackhaft zu machen, die sich für „Übernatürliches“ interessieren – es hat schon was von einem Verkaufstext.
Ich habe damit schon ein kleines Problem, da ich finde, dass man erst eine gewisse Stabilität in sich selbst erreicht haben sollte, um sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, sonst fällt man wirklich schnell auf Gurus herein (wobei letztere aus gleichen Gründen auch auf sich selbst hereinfallen – Alice Miller hat das in dem Buch „Wege des Lebens“ sehr eindrucksvoll beschrieben, wie es immer wieder auch ungewollt zur Bildung sektenartiger Strukturen kommt). Man kommt leicht in eine Abhängigkeitsstruktur, wenn man sich bestimmte Verhältnisse aus der Kindheit nicht erstmal bewusst gemacht hat. Aber das wäre wieder ein neues Thema.

Vollbreit hat geschrieben:Es ist nur nicht sonderlich befriedigend einerseits eine Schöpfung aus dem Nichts anzunehmen, oder andererseits Materie als immer schon existent seiend zu postulieren. Die Frage wo diese oder jene Materie denn nun herkommt in einem Kausalitätsgefüge, bei dem man davon ausgeht, dass nichts ohne Ursache geschieht, ist ja nicht irre.


Natürlich nicht. Mir gefällt allerdings die Idee, dass es „ursprünglich“ (kein guter Begriff, da ich damit etwas beschreiben will, wo Raum und Zeit nicht existieren) eine totale Harmonie gab, die das totale Nichts bedeutete und die Existenz von Allem eine Störung in dieser Harmonie ist, das ganze Universum, Raum und Zeit etc. nichts weiter als ein Fehler sind.

Vollbreit hat geschrieben:Die Antworten die Wilber favorisiert kommen nicht aus der Religion, sondern aus der Mystik.
Im Sinne Wilbers gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Religion und Mystik, der kurz gesagt darin besteht, dass Religion der mehr oder weniger buchstäbliche Glaube an einen Schöpfungsmythos ist. Von der Mystik nimmt Wilber an, dass sie auf Erfahrenem beruht, auf Experimenten, die wie jedes andere Experiment auch in einen Pool einfließt und diskutiert werden kann, sinnigerweise von denen, die das Experiment vorher durchgeführt haben.
Das Experiment was er meint, ist die Meditation oder eine vergleichbare spirituelle Praxis.


Das erinnert mich immer sehr an den Buddhismus, wo dann auch letztendlich die Meditation für alles herhalten muss. Ich finde das immer etwas schwierig, da ich einerseits auch bedenke, dass eine Sprache zu begrenzt ist, um alles damit auszudrücken, andererseits aber ohne Sprache die Kommunizierbarkeit verloren geht, was den Austausch erschwert. Nach dem, was ich so festgestellt habe, sind die Schranken, die uns im Bewusstsein gegeben wurden zum Großteil Schranken, die durch Sprache (auch im weiteren Sinne) kommuniziert wurden. Das was Alice Miller meint, wenn sie von dem Gebot „Du sollst nicht merken“ spricht. Fast jedem Menschen wird in der Kindheit verboten, zu erkennen, da ist es kein Wunder, dass die Erkenntnisschranke bleibt, aber viel Schlimmer noch, dieses Verbot muss als Kind auch noch als gut befunden werden und diese Idealisierung bleibt später auch. Für mich sieht es so aus, als wäre die meiste spirituelle Praxis vor allem eine Alibipraxis um sich nicht mit der Wahrheit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen und viel zu oft wird dabei immer gleich der religiöse Akt der Verzeihung verlangt. Ich weiß, dass das gerade etwas ausschweift, aber ich komme da wohl nicht drum rum, um meine Skepsis angemessen zu begründen.
Wenn jemand es allerdings schaffen würde, das was Alice Miller erkannt hat, in solch eine Theorie oder auch Praxis zu integrieren, dann wäre ich sehr gespannt, was dabei rauskäme.

Vollbreit hat geschrieben:Die mehr oder weniger entscheidende Frage in diesem Kontext ist nun, welcher Status diesen Experimenten zukommt. Ist das nur privater Kram? Erfährt jeder was anderes? Oder gibt es Konstanten? Falls ja, und Wilber meint, dass es so ist, was bedeutet dann das? Sind das biologische Programme, auf die man stößt? Haben sie irgendeinen erkenntnistheoretischen Wert?


Die Frage ist natürlich dabei auch immer, inwieweit es bei solchen Experimenten auch zu kollektiver Selbsttäuschung kommt … das erlebt man ja im Esoterik-Bereich öfter (womit ich jetzt nicht Wilber damit da einordnen will), deswegen ist es für mich fraglich, in wie weit da ein erkenntnistheoretischer Wert bei herauskommen kann. Ich denke jetzt zumindest an die Experimente von Andrew Cohen, über die sich die beiden öfter austauschen (habe da eine Ausgabe von seinem Magazin hier rumliegen und auch das Zwiegespräch zwischen den beiden darin gelesen).

Vollbreit hat geschrieben:Dass der Szientismus oft religiös ist, ist eine Auffassung die ich teile.


Da differenziere ich auch klar zwischen wissenschaftlich-erkenntnistheoretischen Positivismus und wissenschaftlicher Methode an sich, letztere ist für mich sehr wertvoll, aber damit einen Letztbegründungsanspruch stellen würde ich nicht.

Vollbreit hat geschrieben:Nun, er zählt Habermas dazu, zu dem Sammelsurium das er Postmoderne nennt.


Ah, okay, dann aber nicht bei dem, was ich gelesen habe (da hat er ihn auch nicht ausgeschlossen, sondern in dem Zusammenhang nicht erwähnt).

Vollbreit hat geschrieben:Und Du meinst, das täte er, weil er Habermas Fan ist?
Eigentlich grenzt er sich von Habermas auch ab, da er ihn für einen Rationalisten reinsten Wasser hält, auch das ein ziemlich wörtliches Zitat.


Ich meinte eher, dass es eine Möglichkeit ist, die mir wahrscheinlich scheint. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass er sehr positiv von Habermas angetan ist. Aber das war vielleicht doch etwas weit hergeholt.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Myron » Mi 30. Nov 2011, 22:47

Teh Asphyx hat geschrieben:Für den Satz gehörst Du schon standesrechtlich erschossen (auch auf die Gefahr hin, Dir mit dem Satz Munition zu liefern).


[MOD]Derartige Ausfälle sind zu unterlassen![/MOD]
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Myron » Mi 30. Nov 2011, 22:51

Zappa hat geschrieben:Könnt Ihr mal bitte anständig zitieren? Danke!


[MOD]Allerdings! Bei jedem einzelnen Zitat in jedem einzelnen Zitatblock ist der jeweilige Autorenname anzugeben:

Code: Alles auswählen
[quote="NAME"]…[/quote]


Ich fordere euch, Vollbreit & Teh Asphyx, auch auf, euch einer gepflegteren Ausdrucksweise zu befleißigen![/MOD]
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Teh Asphyx » Mi 30. Nov 2011, 22:55

Myron hat geschrieben:[MOD]Derartige Ausfälle sind zu unterlassen![/MOD/Myron]

Okay, das haben wir ja schon oben mit 1von6,5Milliarden geklärt und die Diskussion läuft ja jetzt ordentlich. Außerdem wird ja niemand erschossen, also gibt es auch keinen Ausfall.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Nanna » Mi 30. Nov 2011, 23:30

Es ist derzeit wieder etwas mehr los im Forum, das freut mich sehr. Leider führen hohe Beitragsfrequenzen auch dazu, dass Diskussionen sich über einen Punkt beschleunigen, wo mal Dinge gesagt werden, die man bei ausreichender Reflexion des Beitrags (Stichwort: Nochmal in Ruhe durchlesen vor dem Posten) sicherlich wieder gelöscht hätte. Ich bitte alle, darauf zu achten, dass rege Diskussionen nicht persönlichen Angriffen oder gar Bedrohungen einhergehen, seien sie auch nur rhetorischer Natur. Heute fiel ja in einem anderen Thread mal wieder der Begriff von der Tragik der Allmende. Auch das Forum ist so etwas ähnliches wie eine Allmende und lebt von der Pflege aller Beteiligten, also achtet da bitte drauf.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Vollbreit » Do 1. Dez 2011, 13:26

Teh Asphyx hat geschrieben:Danke für die sachlichen Ausführungen, ich denke hier haben wir jetzt wirklich einen interessanten Diskussionsansatz.


Null problemo. ;-)

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Also, was genau ist denn falsch dargestellt? Was Du da kritisieren willst, das musst Du schon selbst wissen.

Er hat Foucault und Derrida einen sehr radikalen Relativismus unterstellt, was meiner Ansicht nach ungerechtfertigt ist. Ich jedenfalls lese bei beiden raus (wobei ich weiß, dass Foucault in früheren Werken wesentlich relativistischer war als später), dass sie jedoch weitaus differenzierter in der Hinsicht sind.


In „Eros, Kosmos, Logos“ geht Wilber wie gesagt wesentlich differenzierter zumindest mit Foucault um, dort trennt er auch seine frühe und späte Phase, in welcher Foucault ja früheren Arbeiten zum Teil revidiert hat.

Teh Asphyx hat geschrieben:Natürlich ist eine Aussage wie „Es gibt nichts außerhalb des Kontexts“ relativistisch, aber Derrida hat ja darauf eine Methode aufgebaut, eben den Kontext selbst zu erforschen (was sehr nah an der Quantenphysik). Gut, Wilber schrieb ja nicht, dass dies grundsätzlich schlecht wäre, aber ich wurde beim Lesen das Gefühl nicht los, als würde Wilber meinen, man müsse sich nur so weit damit befassen, wie er es selbst in seine Theorie integriert hat und das wirkt etwas überheblich. Dieses Gefühl hatte ich jedenfalls beim Lesen.“


An dem Eindruck ist auch was dran. Man hat hier, wie bei Derrida auch, die Wahl, man kann ihm Oberflächlichkeit unterstellen oder Methode. In Wilbers Selbstdarstellung spricht er von Orientierungsverallgemeinerungen und einer Draufsicht aus 10.000 Metern Höhe.
Ich habe mich, angefixt durch Wilber, dann irgendwann auf Habermas gestürzt und nachdem ich zunächst kein Wort von dem was Habermas geschrieben hat, auch nur ansatzweise verstanden habe – aber so geht es wohl jedem – kann ich ihn inzwischen flüssig lesen und habe mich gewundert ihn bei Wilber so, wie ich Habermas verstehe, eigentlich nicht wiederzufinden.
Also hat man die Wahl, die man ja immer hat: Kloppt man alles in die Tonne, oder schaut man, ob der Mann trotz allem was zu sagen hat. Mein Eindruck ist, dass der Philosoph Ken Wilber nicht zur ersten Garde gehört, aber er uns dennoch einiges zu sagen hat, was durchaus wichtig ist.
Wilbers Kenntnisse in anderen Gebieten sind profund, in der Psychologie wirklich ausgezeichnet und auf dem Gebiet der Spiritualität weiß er wovon er schreibt, weil er sich einfach über Jahrzehnte, bei den mitunter besten Lehrern den Hintern platt gesessen hat. Dass er hier und da, wie jeder Mensch, Fehler macht, mag ich ihm nicht ankreiden, auch wenn man die Fehler ruhig als solche benennen soll.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:In der Tat liegt in der postmodernen Betrachtung jede Menge Zündstoff, der Naturalisten gar nicht ohne weiteres in den Kram passen muss. Denn auch vermeintliche Fakten, auf die Naturalisten gerne rekurrieren, sind kontextabhängig, sind Interpretationen.

Richtig, wobei ich mich dennoch als Naturalisten betrachte, obwohl ich ein großer Freund der postmodernen Skepsis, aber auch des kritischen Rationalismus bin. Ich denke schon, dass sich das nicht unbedingt ausschließen muss und ich habe auch den Eindruck, dass es einige – gerade renommierte – Wissenschaftler gibt, die einen gewissen Erkenntnisskeptizismus beibehalten.


Finde ich interessant, dass Du da für Dich die Waage halten kannst.
Der Ansatz den Wilber verfolgt ist ja seinem Empfinden nach ebenfalls ein monistischer, allerdings gibt es eine Reihe Kritiker, die Wilber an sich freundlich gesonnen sind, die meinen, dass Wilber, ohne es gemerkt zu haben, in Wirklichkeit einen Dualismus vertritt, den er, bewusst oder unbewusst, kaschiert . Ich müsste jetzt zu sehr ins Detail gehen, bin aber der Ansicht, dass diese Kritik, die insbesondere seine Holon-Theorie, mindestens in der Version von „Eros, Kosmos, Logos“ von 1995, betrifft, stimmt.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und ja, jede Interpretation ist möglich, aber nicht gleichwertig, sondern kann zu wirrem Mist mutieren. Sokal und Eco würden dem zustimmen.

Wobei Eco doch ganz anders differenzieren würde als Sokal, jedenfalls nach dem, was ich gelesen habe. Sokal jedenfalls hat einiges in der „Postmoderne“ sehr offensichtlich nicht verstanden, wobei ich annehme, dass viele amerikanische Studenten, die darauf abfahren, es ebenso wenig verstanden haben und ich auch verstehen kann, dass Sokal davon genervt war. Dennoch finde ich, dass sein Schuss nach hinten losging.


Kann man so und so sehen.
Es scheint tatsächlich so zu sein, dass auf amerikanischen Unis, der postmoderne Ansatz zu jener Zeit in der schlecht verstandenen Variante dominierend war.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dennoch bleibt, dass auch Fakten, Tatsachen, whatever, erstens, schon durch Kontexte vorselektiert sind und neben dem, was sie einblenden, anderes ausblenden und zweitens, als Fakten an sich vollkommen bedeutungslos sind, wenn nicht auf der anderen Seite ein Interpret steht, der die Fakten zu interpretieren versteht. Sie gewinnen erst dann Relevanz, als behauptende Aussagen, die einen Wahrheitsanspruch postulieren.

Meine Theorie ist ja, dass das, was dazwischen ist (also die Beziehung), das eigentlich Reale ist, wie in der Quantenphysik. Das macht eben beide Seiten „unscharf“, sowohl die „Fakten“ als auch den Interpreten.
Louis Althusser hat in „Für Marx“ erwähnt, dass für ihn die Praxis der Erkenntnisweg ist (die genaue Formulierung weiß ich jetzt nicht, hab mir da leider keine Notiz gemacht). Das war quasi auch eine Kritik an die gängige Wissenschaftliche Methode, die nur Dinge betrachtet und beschreibt, aber die Sachen nicht über die Praxis verstehen will. Ist nicht dieses dazwischen genau das, eine Praxis?


In diese Richtung gehen viele und ich glaube, dass da ne Menge dran ist, obwohl man auch hier wieder schauen muss, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Aber in vielen Bereichen von Philosophie, Psychologie, Soziologie rückt die Beziehung mehr und mehr in den Fokus und sehr viel was aus idealistischen Richtungen kam, wird derzeit neu interpretiert, aus dem Blickwinkel der sozialen Perspektive und des wechselseitigen Austauschs, von Arbeit, Emotionen und Gründen.
Schwer da die Mitte zu finden, zwischen der Tatsache, dass wir irgendwie in unserem eigenen Saft köcheln und Welt immer nur als Subjekt erleben, was, wenn man es nicht auf die Goldwaage legt irgendwie eine Gemeinsamkeit von Wittgenstein und Luhmann sein könnte und auf der anderen Seite dennoch auch eine objektive und gemeinschaftlich geteilte Umwelt postulieren müssen, um einem Solipsismus zu entgehen und uns verständigen zu können, was ungefähr Habermas‘ Position ist.
Ich glaube Wilber spürt da schon beide Seiten, stellt sich aber dem Trend entgegen, alles zu objektivieren, was bei Naturalisten mitunter etwas manische Züge annimmt.
Die Spannung könnte eigentlich befruchtend sein, wo Leute wie Dennett stark auf objektive Parameter setzen, ist jemand wie Habermas (und eigentlich eine starke und einflussreiche Fraktion der Philosophie) recht intersubjektiv unterwegs und Wilber tendenziell subjektbezogen.
Und Wilber ist Evolutionsfreak, hier verstanden, als geistig-psychische Entwicklung.
Nachdem er über Jahre letztlich das Individuum stärker und zur Entwicklung animieren wollte, ist er in den letzten Jahren stärker umgeschwenkt auf die Entwicklung der ganzen Gesellschaft.

Hier setzt auch seine Kritik an der Postmoderne an, bzw. dem was er als das „mean green Mem“ nennt, gegen das sich seine Kritik richtet. Am ehesten könnte man das als multitolerante linksalternative Gutmenschen übersetzen. An ihnen kritisiert er, dass die gerne möchten, dass ihre pluralistische Sichtweise die weltberherrschende und dominierende sein sollte.
Im Kern nicht schlecht, sagtWilber, da diese Sichtweise eine hoch entwickelte ist, er attestierst den Pluralisten aber eine haarsträubende Unkenntnis über ihren eigenen Entwicklungsweg (und Entwicklungspsychologie im Allgemeinen) und kritisiert scharf den Fehler möglichst schon Kleinkinder mit einem pluralistischen Weltbild zu „versorgen“. Entwicklung, so sagt Wilber und zitiert 10 Millionen Forscher, ist ein stufenweiser Prozess, keine der Stufen kann übersprungen werden, so dass hier Kinder heillos überfordert werden und am Ende – trotz bester Absichten – mehr oder weniger desorientierte Egozentriker herauskommen. Hier ist Wilber stark und liegt meiner Auffassung nach goldrichtig.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wilber kritisiert genau jenen Aspekt der Überinterpretation und der Beliebigkeit, vielleicht ist er nicht der glänzendste Interpret der Poststrukturalisten, doch dass sie gerne in einen performativen Widerspruch schlittern, nun mit der Analyse steht er wahrlich nicht allein.

Wohl wahr, allerdings finde ich es immer schwierig kollektiv von „den Poststrukturalisten“ in solch einem Zusammenhang zu sprechen, da es ja recht viele verschiedene Ausprägungen gibt. Neulich las ich ein Interview mit Jean Beaudrillard, wo er behauptete rechte Gewalt wäre Gewalt, die jeden Sinn verloren hat:
Jean Beaudrillard hat geschrieben:Ja, das ist die pure, die reine Gewalt, sinnlose Gewalt, also die reine Form der Gewalt, gar nicht mehr determiniert, bzw. keine historische Gewalt mehr. Eine Gewalt, die gewalttätiger ist als die Gewalt, also eine Hypergewalt, und hier auch ohne Finalität, eine tautologische Gewalt, die an sich selbst sich erschöpft, und aus sich selbst ihre eigene Substanz schöpft. Dies ist also keine historische, keine perspektivistische Gewalt, mit einem Ursprung, einer Perspektive usw., sondern eine Virulenz, eine Gewalt durch reine Kontiguität.
Das ist natürlich reiner Quatsch. Es gibt durchaus einen Sinn, der dahintersteckt und das zu leugnen finde ich sehr gefährlich. War ja zuletzt bei Breivik auch so, dass es von allen Seiten hieß, es wäre nicht zu verstehen und so weiter. Dabei war das eine – seiner Sichtweise nach – völlig folgerichtige Handlung.


Ja, folgerichtig, aber wahnhaft, wie zumindest die Gutachter meinen.
Und das ist eben so ein Punkt. Man kann auch Irre verstehen, man kann religiöse und atheistische Fundamentalisten verstehen, aber man muss ihren Irrsinn nicht gutheißen, sondern kann ihn als Irrsinn bezeichnen. Das ist unter Philosophen vielleicht nicht weiter schwierig, das große Problem ist, wie übersetzt man den Krempel fürs Volk?
Und da lauft ihr, die Brights, – und hier nehme ich Dich ausdrücklich aus, weil ich gemerkt habe, dass Dir das bewusst ist – Gefahr einem Irrtum zu erliegen, der darin besteht, dass man meint, man wäre aus dem Schneider, wenn man sich mit spitzen Fingern und gesträubtem Fell von allem was nach Religion, Mystik, Esoterik aussieht einfach nur distanziert. So wie das hier (in einigen Beiträgen) läuft, ist das dieselbe Nummer in grün. Wer nichts besseres zu tun hat, als sich über eingetanzten Weizen zu erregen und meint er würde der Welt was Gutes tun, wenn er sein Demeter Gemüse zukünftig vermeidet, hat einfach verschlafen, dass das derselbe soziozentrische Mist ist, den er da praktiziert, den er auf der anderen gerne bekämpfen möchte. Man entgeht religiösem Denken, den Strukturen dieses Denkens, nicht, in dem man alles was aus der Ecke kommt phobisch meidet, sondern, indem man sich darüber erhebt und ein reifes, eigenverantwortliches Individuum wird, das nicht vorher gucken muss, ob seine Handlungen und Ansichten auch von Papa Dawkins oder Dennett abgenickt, um nicht zu sagen abgesegnet, sind. Das ungefähr ist auch Wilbers Meinung wobei ich gleich eingestehen möchte, dass auch Wilber sich prima dazu eignet idealisiert zu werden und die Heldenverehrung in der Ecke leider auch mehr stattfindet, als es gut ist.

Teh Asphyx hat geschrieben:Und es ist absolut wichtig, das nachzuvollziehen, wenn man solche Gewalt verhindern möchte (aber vielleicht möchte Beaudrillard das nicht, vielleicht will er nur zeigen, wie toll er schwadronieren kann, von einem ’Pataphysiker hätte ich aber mehr erwartet).
Aber im Gegensatz dazu finde ich, dass gerade Foucault und Derrida sich meistens sehr differenziert geäußert haben.


Kann sein, ich kenne die beiden gar nicht besonders bin aber auch generell etwas zurückhaltend was diese Richtung angeht.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Wenn ich Wilber richtig gelesen habe, gibt er sich keineswegs mit den Antworten der Religionen zufrieden, sondern verwirft sie alle als defizitär. Nicht gänzlich falsch, angemessen, für die Zeit, in der man bestimmte Mittel zur Verfügung hatte, nicht nur technisch, auch semantisch, weltanschaulich, aber unterm Strich ist Wilber alles andere als ein Fürsprecher von Religion. Und dort wo religiöse Texte interpretiert werden, schreibt er den Mehrgehalt der rationalen Interpretation zu. Rationalität kann alles, was der Mythos kann und ein bisschen mehr, schreibt er, auch ziemlich wörtlich, in „Eros, Kosmos, Logos“.

Ich wollte ihm auch nicht unterstellen, Befürworter von Religionen zu sein, aber in diesem Vorwort liest es sich durchaus so, als würde er alles Naturwissenschaftliche grundsätzlich in die erste Kategorie einordnen und alles Religiöse/Spirituelle/Esoterische in die zweite. Ich nehme an, dass Dir in dem Fall klar ist, warum ich das für sehr undifferenziert halte.


Ja.

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich sehe da durchaus eine Tendenz drin, nämlich, dass er damit zumindest vorhat, sich Leuten schmackhaft zu machen, die sich für „Übernatürliches“ interessieren – es hat schon was von einem Verkaufstext.


Ich glaube, dass Wilber, sowie die meisten Vertreter dieser Richtungen insgesamt weit weniger kühle Kalkulierer und Verkaufsstrategen sind, als viel mehr in einem hohen Maße Überzeugungstäter.
Ob man das dann besser findet, steht auf einem anderen Blatt und ist eine Sache der eigenen Einstellung.
Zuletzt geändert von Vollbreit am Do 1. Dez 2011, 13:42, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Ken Wilber

Beitragvon Vollbreit » Do 1. Dez 2011, 13:29

Teh Asphyx hat geschrieben:Ich habe damit schon ein kleines Problem, da ich finde, dass man erst eine gewisse Stabilität in sich selbst erreicht haben sollte, um sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, sonst fällt man wirklich schnell auf Gurus herein (wobei letztere aus gleichen Gründen auch auf sich selbst hereinfallen – Alice Miller hat das in dem Buch „Wege des Lebens“ sehr eindrucksvoll beschrieben, wie es immer wieder auch ungewollt zur Bildung sektenartiger Strukturen kommt). Man kommt leicht in eine Abhängigkeitsstruktur, wenn man sich bestimmte Verhältnisse aus der Kindheit nicht erstmal bewusst gemacht hat. Aber das wäre wieder ein neues Thema.


Ja, das ist ein eigenes Thema und ich sehe Alice Miller selbst sehr kritisch.
Das Hauptproblem bei ihr ist, dass man in den Sog einer Doppelbindung gerät. Entweder man konfrontiert seine eigene Misshandlung oder man verleugnet sie, dass eine Kindheit ohne Misshandlung abgelaufen sein könnte, ist bei Miller nie vorgesehen.
Das ist mindestens mal problematisch, weil nicht zu falsifizieren.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:hat geschrieben:Es ist nur nicht sonderlich befriedigend einerseits eine Schöpfung aus dem Nichts anzunehmen, oder andererseits Materie als immer schon existent seiend zu postulieren. Die Frage wo diese oder jene Materie denn nun herkommt in einem Kausalitätsgefüge, bei dem man davon ausgeht, dass nichts ohne Ursache geschieht, ist ja nicht irre.

Natürlich nicht. Mir gefällt allerdings die Idee, dass es „ursprünglich“ (kein guter Begriff, da ich damit etwas beschreiben will, wo Raum und Zeit nicht existieren) eine totale Harmonie gab, die das totale Nichts bedeutete und die Existenz von Allem eine Störung in dieser Harmonie ist, das ganze Universum, Raum und Zeit etc. nichts weiter als ein Fehler sind.


Der Eindruck täuscht, Wilber ist kein Gnostiker.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Die Antworten die Wilber favorisiert kommen nicht aus der Religion, sondern aus der Mystik.
Im Sinne Wilbers gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Religion und Mystik, der kurz gesagt darin besteht, dass Religion der mehr oder weniger buchstäbliche Glaube an einen Schöpfungsmythos ist. Von der Mystik nimmt Wilber an, dass sie auf Erfahrenem beruht, auf Experimenten, die wie jedes andere Experiment auch in einen Pool einfließt und diskutiert werden kann, sinnigerweise von denen, die das Experiment vorher durchgeführt haben.
Das Experiment was er meint, ist die Meditation oder eine vergleichbare spirituelle Praxis.

Das erinnert mich immer sehr an den Buddhismus, wo dann auch letztendlich die Meditation für alles herhalten muss. Ich finde das immer etwas schwierig, da ich einerseits auch bedenke, dass eine Sprache zu begrenzt ist, um alles damit auszudrücken, andererseits aber ohne Sprache die Kommunizierbarkeit verloren geht, was den Austausch erschwert. Nach dem, was ich so festgestellt habe, sind die Schranken, die uns im Bewusstsein gegeben wurden zum Großteil Schranken, die durch Sprache (auch im weiteren Sinne) kommuniziert wurden.


Das ist das riesige Problem, mit dem alle zu kämpfen haben.
Ist das, was z.B. in der Mediation erfahren wird a) kommunizierbar und hat es, falls nicht, da wir diskursive Wesen sind b) irgendeinen Wert?
Und natürlich ist es eine pauschale und bilige Ausrede sich immer darauf herauszureden, dass man da was ganz Einzigartiges erfahren hat, was aber dummerweise nicht kommunizierbar ist, das zu erleben sich aber unbedingt lohnt, sonst hat man sein Leben verpfuscht.

Teh Asphyx hat geschrieben:Das was Alice Miller meint, wenn sie von dem Gebot „Du sollst nicht merken“ spricht. Fast jedem Menschen wird in der Kindheit verboten, zu erkennen, da ist es kein Wunder, dass die Erkenntnisschranke bleibt, aber viel Schlimmer noch, dieses Verbot muss als Kind auch noch als gut befunden werden und diese Idealisierung bleibt später auch. Für mich sieht es so aus, als wäre die meiste spirituelle Praxis vor allem eine Alibipraxis um sich nicht mit der Wahrheit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen und viel zu oft wird dabei immer gleich der religiöse Akt der Verzeihung verlangt. Ich weiß, dass das gerade etwas ausschweift, aber ich komme da wohl nicht drum rum, um meine Skepsis angemessen zu begründen.


Ich kenne etliche der Bücher von Alice Miller und mein Einwand ist hier, dass sie den primären Narzissmus der Kindheit vollkommen falsch interpretiert und ihrerseits idealisiert.
Wo bei Miller Misshandlung beginnt, da kann ich nur den Kopf schütteln: Du kennst das Beispiel mit dem Paar und dem Eis man Stil? Gewiss, sie hat ihre Stärken, dort wo sie die Praktiken der schwarzen Pädagogik aufdeckt, finde ich sie gut, aber gleich beim nächsten Buch „Du sollst nicht merken“ frage ich mich, wie lange man denn die Wut und das Nichtverzeihen mit sich herumtragen soll?
Psychotherapie ist dazu da, die Traumatisierungen a) aufzudecken und b) dann aber auch hinter sich zu lassen und nicht sie zu kultivieren, dann kommt man nämlich schnell in so eine Opferidentität und lamentiert ständig, was alles hätte werden können, wären nur die Eltern nicht so grässlich gewesen.
Der beste Weg, nie erwachsen zu werden.

Teh Asphyx hat geschrieben:Wenn jemand es allerdings schaffen würde, das was Alice Miller erkannt hat, in solch eine Theorie oder auch Praxis zu integrieren, dann wäre ich sehr gespannt, was dabei rauskäme.


Die Psychotherapie geht inzwischen sehr erfolgreich andere Wege.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Die mehr oder weniger entscheidende Frage in diesem Kontext ist nun, welcher Status diesen Experimenten zukommt. Ist das nur privater Kram? Erfährt jeder was anderes? Oder gibt es Konstanten? Falls ja, und Wilber meint, dass es so ist, was bedeutet dann das? Sind das biologische Programme, auf die man stößt? Haben sie irgendeinen erkenntnistheoretischen Wert?

Die Frage ist natürlich dabei auch immer, inwieweit es bei solchen Experimenten auch zu kollektiver Selbsttäuschung kommt … das erlebt man ja im Esoterik-Bereich öfter (womit ich jetzt nicht Wilber damit da einordnen will), deswegen ist es für mich fraglich, in wie weit da ein erkenntnistheoretischer Wert bei herauskommen kann. Ich denke jetzt zumindest an die Experimente von Andrew Cohen, über die sich die beiden öfter austauschen (habe da eine Ausgabe von seinem Magazin hier rumliegen und auch das Zwiegespräch zwischen den beiden darin gelesen).


Cohens Verhalten, zumindest in der Vergangenheit, geben allen Anlass zur Skepsis, die Berichte, insbesondere von ehemaligen Mitstreitern werden nicht allesamt Verleumdungen sein.
Um aber auf die Frage nach dem erkenntnistheoretischen Wert zurückzukommen, will ich mal versuchen, einen langen Weg abzukürzen, weil eigentlich alle Diskussionen, die ich mit, mitunter sehr intelligenten Skeptikern dazu geführt habe, auf folgenden Punkt hinausliefen:
Es wurde von Seiten der Skeptiker eingestanden, dass bspw. Meditation die Potenz hat, Menschen in einer passageren oder, bei Talent und hinreichender Intensität, dauerhafte(re)n Zustand des Glücks zu versetzen. Dieses Glücksempfinden ist aber nicht unbedingt ein „High“, kein Dauerorgasmus oder dergleichen, sondern eher eine grundlegende Zufriedenheit, ein Aussgesöhntsein mit der Welt, wie sie ist (inklusive all ihrer Fehler und Vorläufigkeit).
Dies wurde aber zumeist, von den Skeptikern, als ein Verzicht auf Erkenntnis und Wahrheit bezeichnet und es wurde die Auffassung vertreten, man sei vielleicht unglücklicher, mache sich aber wenigstens nichts vor. So im Sinne von: Lieber ein unglücklicher Mensch, als ein zufriedenes Schwein, oder wie auch immer es genau heißt.

Damit ist aber ein implizites Werturteil verbunden, das ein Primat der Erkenntnis vor dem Glück sieht, ohne dass dies hinreichend oder überhaupt begründet wird. Dahinter kann die Ansicht stehen, nur die Wahrheit mache glücklich und frei, aber niemand weiß, ob das stimmt.
Die spirituelle Seite ist da aber auch nicht ohne ethische Impulse. In den allermeisten Fällen ist es so, dass diejenigen denen ein Durchbruch gelungen ist, alles andere im Vergleich damit als recht sekundär erleben und die nahezu einzige Botschaft und der einzige Impuls der ist, anderen diese Erfahrung auch zukommen zu lassen.

Die Skeptiker würden sagen: Verzettelt euch nicht im Rückzug ins Private, bastelt lieber an einer besseren Welt.
Die Spirituellen würden sagen: Hört auf mit Weltverbessereungskonzepten, die oft genug mehr Schaden als Segen bringen, sondern seht zu, dass ihr euch in Ordnung bringt und euer nächstes Umfeld.
Irgendwo versucht Wilber auch hier die Waage zu halten, indem er anerkennt, dass es gut und sinnvoll ist die Welt zu verbessern, aber der beste Weg seiner Meinung nach dazu ist, sich selbst immer mehr in Ordnung zu bringen, was heißt, sich zu entwickeln und damit geht eine wachsende Übernahme der Verantwortung und eine erweiterte Perspektive von egozentrisch über soziozentrisch hin zu dem was er weltzentrisch nennt, recht organisch einher.
Keineswegs, würde Wilber sagen, ist spirituelle Praxis ein egozentrisch-mürrischer Rückzug ins Private, sondern viel mehr ist es so, dass ein immer reiferes Individuum den Blick erweitert, komplexe Zusammenhänge immer mehr durchschaut und so viel effektiver dazu beitragen kann, dass die Welt ein lebenswerterer Ort ist. Wie oben schon erwähnt, nimmt Wilber also das Individuum in die Verantwortung, aber zu Wohle des Ganzen.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Dass der Szientismus oft religiös ist, ist eine Auffassung die ich teile.

Da differenziere ich auch klar zwischen wissenschaftlich-erkenntnistheoretischen Positivismus und wissenschaftlicher Methode an sich, letztere ist für mich sehr wertvoll, aber damit einen Letztbegründungsanspruch stellen würde ich nicht.


Ja, wenn man sieht, dass Wissenschaft als solche primär ein gut funktionierende Methode ist und gleichzeitig die Fragwürdigkeit des Weltbildes erkennen kann, was Dir aber bewusst ist.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Nun, er zählt Habermas dazu, zu dem Sammelsurium das er Postmoderne nennt.

Ah, okay, dann aber nicht bei dem, was ich gelesen habe (da hat er ihn auch nicht ausgeschlossen, sondern in dem Zusammenhang nicht erwähnt).


Wilber ist da irgendwie auf einem privaten Kreuzzug gegen das mean green meme, der irgendwie überspannt, wenn auch im Kern berechtigt auf mich wirkt.

Teh Asphyx hat geschrieben:
Vollbreit hat geschrieben:Und Du meinst, das täte er, weil er Habermas Fan ist?
Eigentlich grenzt er sich von Habermas auch ab, da er ihn für einen Rationalisten reinsten Wasser hält, auch das ein ziemlich wörtliches Zitat.

Ich meinte eher, dass es eine Möglichkeit ist, die mir wahrscheinlich scheint. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass er sehr positiv von Habermas angetan ist. Aber das war vielleicht doch etwas weit hergeholt


Nein, das ist er schon. Aber des Ego von Wilber ist vermutlich groß genug sich da nicht unterordnen zu wollen, zumal die Liebe nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
Dennoch glaube ich nicht dass sich Wilber da zu stellvertretender Abneigung hinreißen lässt, das wäre auch etwas albern.
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