Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 19. Apr 2008, 22:39

pinkwoolf hat geschrieben:Wie man ohne Religion an ein Leben nach dem Tode glauben kann, erschließt sich mir absolut nicht.

Man braucht dazu keinen Gott und keine Frömmigkeit, sondern nur eine bestimmte Verfasstheit der Welt. Wenn man weder Materialist noch fromm ist und zB viel Kübler-Ross gelesen hat oder irgendwie karmisch denkt ...

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon pinkwoolf » Sa 19. Apr 2008, 23:27

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Man braucht dazu keinen Gott und keine Frömmigkeit, sondern nur eine bestimmte Verfasstheit der Welt. Wenn man weder Materialist noch fromm ist und zB viel Kübler-Ross gelesen hat oder irgendwie karmisch denkt ...

Kübler-Ross beschäftigt sich doch, soweit ich weiß, eher mit dem Sterben als mit dem Tod. Zweifellos ein unangenehmeres Thema; aber eben ein anderes.

Wenn ich die Unsterblichkeit aus christlicher Sicht betrachte, stört mich schon mal, dass meine geliebte Katze draußen bleiben muss.
Karmisch gesehen bin ich dann vielleicht selbst diese Katze. Da könnte es wahrlich schlimmeres geben; aber wer garantiert mir denn, dass ich nicht stattdessen ein Bandwurm in ihrem Verdauungstrakt bin?
Nach ein paar hundert Jahren ließe sich diese These vielleicht rein physikalisch untermauern; aber zum Glück wüsste ich als Bandwurm nichts mehr von meiner früheren Existenz als Pinkwoolf. Ebenso wenig wie Pinkwoolf sich irgendwelcher früheren Karmas erinnert, dem Himmel sei Dank.

Dass der Welt irgendeine "Verfasstheit" zu eigen sei, ist in einem atheistischen Forum schwer zu vermitteln.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Sa 19. Apr 2008, 23:58

pinkwoolf hat geschrieben:Kübler-Ross beschäftigt sich doch, soweit ich weiß, eher mit dem Sterben als mit dem Tod. Zweifellos ein unangenehmeres Thema; aber eben ein anderes.

Diese Sterbeerfahrungen vermitteln aber ein Jenseitsbild, das heute verbreiteter und wirksamer ist als das, was von den Kirchen rüberkommt. Kennst Du den Film Hinter dem Horizont?
Dort wird ein pseudoreligiöses, pseudochristliches Dingens verkauft, das etliche, zT schauerliche Theorien der NTE-Rezeption in epischer Breite visualisiert.

pinkwoolf hat geschrieben:Wenn ich die Unsterblichkeit aus christlicher Sicht betrachte, stört mich schon mal, dass meine geliebte Katze draußen bleiben muss.

Wer verbietet denn das? Die christlichen Vorstellungen sind in dieser Hinsicht sehr vage und fragmentarisch. Das "Sein wie Engel" kann vieles bedeuten.

pinkwoolf hat geschrieben:Karmisch gesehen bin ich dann vielleicht selbst diese Katze. Da könnte es wahrlich schlimmeres geben; aber wer garantiert mir denn, dass ich nicht stattdessen ein Bandwurm in ihrem Verdauungstrakt bin?

Wenn man bedenkt, wieviele Viren und Bakterien es auf der Welt gibt ... mich wundert es immer wieder, wie viele Wiedergeborenen sich an eine Lebenszeit vor wenigen Jahrzehnten bis Jahrhunderten erinnern können.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » So 20. Apr 2008, 00:00

pinkwoolf hat geschrieben:Dass der Welt irgendeine "Verfasstheit" zu eigen sei, ist in einem atheistischen Forum schwer zu vermitteln.

Wo ist das Problem? Es gibt doch Naturgesetze.

fragt
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Kytoma » So 20. Apr 2008, 00:36

Also ein vernünftiger Grund für den Glauben fällt mir echt nicht ein.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon pinkwoolf » So 20. Apr 2008, 00:49

Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wenn man bedenkt, wieviele Viren und Bakterien es auf der Welt gibt ... mich wundert es immer wieder, wie viele Wiedergeborenen sich an eine Lebenszeit vor wenigen Jahrzehnten bis Jahrhunderten erinnern können.

Können das wirklich welche? Das würde mich interessieren.

Mir scheint, ich erinnere mich auch an einen Zwischenfall, als meine Urgroßmutter im Theater in Tränen ausbrach.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon pinkwoolf » So 20. Apr 2008, 01:36

Fisherman's Fellow hat geschrieben:
pinkwoolf hat geschrieben:Dass der Welt irgendeine "Verfasstheit" zu eigen sei, ist in einem atheistischen Forum schwer zu vermitteln.

Wo ist das Problem? Es gibt doch Naturgesetze.

Unsere Zivil- und Strafgesetze haben zwar etwas mit der Verfassung zu tun; aber Naturgesetze? Hier hat das Wort "Gesetz" wohl eine andere Bedeutung, die ich als Nicht-Naturwissenschaftler nicht so ganz nachvollziehen kann.
Ist die Gravitation nun ein Gesetz oder eine Theorie?
Und die Evolution?

Die Jurisprudenz ist hier deutlicher: Das Blasphemieverbot ist in einigen Ländern Gesetz. Gut wenn man weiß, wo der Hammer hängt.

:mg:
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon emporda » So 20. Apr 2008, 08:44

pinkwoolf hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Ist die Gravitation nun ein Gesetz oder eine Theorie?
Und die Evolution?:
Zur Unterscheidung von der Juristerei betrachte ich die Gravitation als Gesetzmäßigkeit, auch wenn wir in den Formel mit der g-Konstanten einige Einflüsse wegen Geringfügigkeit vernachlässigen und somit im Ergebnis nur sehr gute Näherungen haben

Die Evolution ist eine tausendfach bewiesene Theorie, auch wenn es immer noch neue, bis dahin unbekannte, Aspekte gibt. Im Gegensatz zu Behauptungen der Religionsspinner sagt die Evolution nichts aus über die Enstehung des biologischen Lebens noch ist sie etwa eine Religion

Eine Hypothese ist dagegen eine Gesetzmäßigkeit, die zwar erkannt aber noch nicht bewiesen ist - man kann sie als Vorstufe einer Theorie ansehen.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon El Schwalmo » So 20. Apr 2008, 12:27

emporda hat geschrieben:Die Evolution ist eine tausendfach bewiesene Theorie,

Evolution ist eine historische Tatsache.

'Da draußen' läuft etwas ab, das wir mit dem Substantiv 'Evolution' belegen. Das ist letztlich eine Reifizierung wie 'Stoffwechsel' oder 'Bewegung'.

Mir wäre neu, dass es 'bewiesene Theorien' gibt. Das wäre doch so etwas wie Verifikationismus, oder sehe ich das falsch?

emporda hat geschrieben:auch wenn es immer noch neue, bis dahin unbekannte, Aspekte gibt.

Genauer: man streitet sich immer noch über die Mechanismen. Es gibt verschiedene Evolutionstheorien, die sich teilweise widersprechen. Und viele ungeklärte Fragen. Beispielsweise: 'Was ist eine Art?', 'Auf welcher Ebene setzt die Selektion an?', 'Verläuft Evolution gradualistisch oder in Sprüngen?' und so weiter. Es könnte zudem durchaus sein, dass ein 'höheres Wesen' die Evolution lenkt. Mir wäre nichts bekannt, das übernatürlichen Eingriffen widersprechen würde. Nur, damit Du es nicht in den falschen Hals bekommst, auch nichts, was dafür sprechen würde.

emporda hat geschrieben:Im Gegensatz zu Behauptungen der Religionsspinner sagt die Evolution nichts aus über die Enstehung des biologischen Lebens

Das kommte darauf an, in welchem Buch Du nachliest. Eine Evolutionstheorie, die nichts zum Ursprung des Lebens sagt, ist zumindest nicht vollständig. Aber Du hast Recht, Darwin beispielsweise hat sich geweigert, etwas zur Entstehung des Lebens zu sagen, obwohl er durchaus eine Evolutionstheorie aufgestellt hat.

emporda hat geschrieben:noch ist sie etwa eine Religion

Das ist eine hochinteressante Frage. Wenn jemand wie Dawkins sagt, dass man nur durch die Evolution ein 'intellectually fulfilled atheist' sein könne, und das auch noch mit einer bestimmten Evolutionstheorie koppelt, hat das für mich durchaus sehr religiöse Züge.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon emporda » So 20. Apr 2008, 14:01

El Schwalmo hat geschrieben:
emporda hat geschrieben:Das ist eine hochinteressante Frage. Wenn jemand wie Dawkins sagt, dass man nur durch die Evolution ein 'intellectually fulfilled atheist' sein könne, und das auch noch mit einer bestimmten Evolutionstheorie koppelt, hat das für mich durchaus sehr religiöse Züge.
Bei der Evolutiion geht es um beobachtbare Fakten, um beweisbare oder nachvollziehbare Abhängigkeiten und um klar definierbare Einflüsse und Inhalte.

Bei der Religion geht es um unbeweisbare, nicht kalkulierbare, nicht nachzuvollziehende Dinge an die man Glauben muß.

Damit ist Religon von der Evolution so weit entfernt wie der Mars im Vergleich zu einem Gals Bier - Prost
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon El Schwalmo » So 20. Apr 2008, 14:17

emporda hat geschrieben:Damit ist Religon von der Evolution so weit entfernt wie der Mars im Vergleich zu einem Gals Bier - Prost

in gefühlten Einheiten ist das, was Du unter 'Evolution' verstehst, von dem, was ich unter 'Evolution' verstehe, noch weiter entfernt als ein 'Prost' von einem 'Helau'.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Di 22. Apr 2008, 00:43

pinkwoolf hat geschrieben:
Fisherman's Fellow hat geschrieben:Wenn man bedenkt, wieviele Viren und Bakterien es auf der Welt gibt ... mich wundert es immer wieder, wie viele Wiedergeborenen sich an eine Lebenszeit vor wenigen Jahrzehnten bis Jahrhunderten erinnern können.

Können das wirklich welche? Das würde mich interessieren.

Keine Ahnung. Aber gegen einen klitzekleinen Obulus kannst Du es an Dir selbst ausprobieren.
Für schlappe 799 Euro bist Du dabei.

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Fisherman's Fellow » Di 22. Apr 2008, 00:49

pinkwoolf hat geschrieben:Unsere Zivil- und Strafgesetze haben zwar etwas mit der Verfassung zu tun; aber Naturgesetze? Hier hat das Wort "Gesetz" wohl eine andere Bedeutung, die ich als Nicht-Naturwissenschaftler nicht so ganz nachvollziehen kann.
Ist die Gravitation nun ein Gesetz oder eine Theorie?

Du bringst mich jetzt echt ins Schleudern, weil ich denke, dass naturwissenschaftliche Theorien kontingent sind.
Aber wenn ich Naturalist wäre, dann würde ich wohl Myrons Standpunkt teilen, dass Naturgesetze Wirklichkeit beschreiben. Dh den Regeln und Gesetzen, die wir Menschen konstruieren und mit Erfolg erproben, entspricht eine gewisse "Verfasstheit" der Realität.

Ist also eher Dein Problem (falls Du Dich als Naturalist betrachtest) als meins ...

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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Qubit » Mi 23. Apr 2008, 10:26

pinkwoolf hat geschrieben:Ist die Gravitation nun ein Gesetz oder eine Theorie?

Beides ;-)

"Naturgesetze" sind der Kontext der Natur, der durch eine naturwisenschaftliche Theorie, die Kontexte der empirischen Prüfbarkeit (selbiger oder anderer) naturwissenschaftlicher Theorien in Beziehung setzt, festgelegt wird.

"Gravitation" ist hiermit der Kontext der Natur, der durch eine physikalische Theorie, die im Kontext (schwerer) "Massen" deren gegenseitigen Einfluss im empirisch prüfbaren Kontext der "Bewegung" im Kontext (träger) "Massen" bschreibt, festgelegt wird.

In der "Newtonschen Gravitationstheorie" wird dieser Kontext "Gravitation" als eine (spooky ;-)) "Kraft" festgelegt.
In der "Einsteinschen Gravitationstheorie" wird dieser Kontext "Gravitation" als eine geometrische Eigenschaft der pseudoriemannschen Mannigfaltigkeit "RaumZeit" festgelegt, der zur Folge der Kontext der "Bewegung" kräftefrei durch Geodäten der zugrunde gelegten Geometrie beschrieben wird.

Aus überflüssigem Doppel-Posting:
Bem.:
Getreu dem Gundsatz "Natur ist, was in der Natur wirkt" macht somit Einstein in dem Kontext der erzeugten Ontologie der Natur "RaumZeit" selbst zu Natur, wohingegen bei Newton diese als reine Beschreibungselemente in "Raum" und "Zeit" getrennt verbleiben.

Bitte unterlasse sinnfreies selbstzitieren, bitte vermeide Doppelpost, wenn der Inhalt nicht zwei Einzelbeiträge nahelegt z.B. zwei Personen zitiert werden mit unterschiedlichem Kontext oder die Zeitsperre eine Erweiterung nicht mehr zulässt. Es ist vollkommen unnötig und unschön, nur für eine Anmerkung ("Bem.:") nach ein paar Minuten sein direkt davorstehendes, unbeantwortetes Posting komplett zu zitieren und einen zweiten Beitrag zu erstellen. Dafür gibt es den Button "Ändern".
Danke 1v6,5M
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Mark » Mi 23. Apr 2008, 14:15

El Schwalmo hat geschrieben:
emporda hat geschrieben:noch ist sie etwa eine Religion

Das ist eine hochinteressante Frage. Wenn jemand wie Dawkins sagt, dass man nur durch die Evolution ein 'intellectually fulfilled atheist' sein könne, und das auch noch mit einer bestimmten Evolutionstheorie koppelt, hat das für mich durchaus sehr religiöse Züge.


Für mich sind das menschliche Züge. Nur weil Religiöse immer diejenigen waren, die sich intellektuell ohne Letztbegründung unerfüllt gezeigt haben, heisst das noch lange nicht, daß alle die nach intellektueller Erfüllung trachten deshalb religiös motiviert sind.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Kekeritz » Mi 23. Apr 2008, 19:35

Myron hat geschrieben:
Andreas Müller hat geschrieben:Das Universum hat sich selbst aus dem Nichts erschaffen, weil Nichts etwas sein will, oder wie es der Physiknobelpreisträger Frank Wilczek formulierte: "The answer to the ancient question 'Why is there something rather than nothing?' would then be that 'nothing' is unstable."

Zufrieden?


Nö, denn wenn das Nichts die Eigenschaft der Instabilität hätte, dann wäre es ein Etwas, d.i. ein Nichtnichts.
Ein nichtnichtiges Nichts ist jedoch gar kein Nichts.


Mein Problem mit dem Zitat von Wilczek ist ein anderes: Aus den Naturgesetzen mag folgen, daß 'Nichts' instabil ist und sich in die Existenz tunnelt. Aber das heißt doch, daß die Naturgesetze (hier die Quantenmechanik) existieren unabhängig vom Universum. Ich möchte die Formulierung 'vor Begin des Universums' nicht verwenden, weil es 'vorher' auch keine Zeit gibt.
Natürlich hilft ein Gott überhaupt nicht weiter, die Fragen bleiben.
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Qubit » Mi 23. Apr 2008, 20:24

Kekeritz hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:
Andreas Müller hat geschrieben:Das Universum hat sich selbst aus dem Nichts erschaffen, weil Nichts etwas sein will, oder wie es der Physiknobelpreisträger Frank Wilczek formulierte: "The answer to the ancient question 'Why is there something rather than nothing?' would then be that 'nothing' is unstable."

Zufrieden?


Nö, denn wenn das Nichts die Eigenschaft der Instabilität hätte, dann wäre es ein Etwas, d.i. ein Nichtnichts.
Ein nichtnichtiges Nichts ist jedoch gar kein Nichts.


Mein Problem mit dem Zitat von Wilczek ist ein anderes: Aus den Naturgesetzen mag folgen, daß 'Nichts' instabil ist und sich in die Existenz tunnelt. Aber das heißt doch, daß die Naturgesetze (hier die Quantenmechanik) existieren unabhängig vom Universum. Ich möchte die Formulierung 'vor Begin des Universums' nicht verwenden, weil es 'vorher' auch keine Zeit gibt.
Natürlich hilft ein Gott überhaupt nicht weiter, die Fragen bleiben.

Wilczeks Aussage ist eine (für Physiker) spassige Umformulierung für "Wir wissen es nicht", sonst nichts ;-)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mi 23. Apr 2008, 20:50

Kekeritz hat geschrieben:Mein Problem mit dem Zitat von Wilczek ist ein anderes: Aus den Naturgesetzen mag folgen, daß 'Nichts' instabil ist und sich in die Existenz tunnelt. Aber das heißt doch, daß die Naturgesetze (hier die Quantenmechanik) existieren unabhängig vom Universum. Ich möchte die Formulierung 'vor Begin des Universums' nicht verwenden, weil es 'vorher' auch keine Zeit gibt.
Natürlich hilft ein Gott überhaupt nicht weiter, die Fragen bleiben.


Vilenkin, der sich die Idee mit der Quantentunnelung des Universums aus nichts ausgedacht hat, beschließt sein Buch folgendermaßen:

"The picture of quantum tunneling from nothing raises another intriguing question. The tunneling process is governed by the same fundamental laws that describe the subsequent evolution of the universe. It follows that the laws should be 'there' even prior to the universe itself. Does this mean that the laws are not mere descriptions of reality and can have an independent existence of their own? In the absence of space, time, and matter, what tablets could they be written upon? The laws are expressed in the form of mathematical equations. If the medium of mathematics is the mind, does this mean that mind should predate the universe?
This takes us far into the unknown, all the way to the abyss of great mystery. It is hard to imagine how we can ever get past this point. But as before, that may just reflect the limits of our imagination."


"Das Bild einer Quantentunnelung aus nichts wirft eine andere faszinierende Frage auf. Der Tunnelungsvorgang wird von denselben Grundgesetzen bestimmt, die die anschließende Enwicklung des Universums beschreiben. Es folgt, dass die Gesetze noch vor dem Universum selbst 'dagewesen' sind. Bedeutet dies, dass die Gesetze nicht bloße Beschreibungen der Wirklichkeit sind und eine selbstständige Existenz haben können? Wenn Raum, Zeit und Materie abwesend sind, auf welchen Tafeln könnten sie dann niedergeschrieben sein? Die Gesetze sind in Form mathematischer Gleichungen ausgedrückt. Wenn das Medium der Mathematik der Geist ist, bedeutet dies dann, dass [der] Geist älter ist als das Universum?
Diese Fragen führen uns tief ins Unbekannte hinein, bis hin zum Abgrund eines großen Geheimnisses. Es ist kaum vorstellbar, wie wir jemals über diesen Punkt hinausgelangen können. Es kann aber, wie zuvor, sein, dass dieser Umstand einfach die Grenzen unserer Vorstellungskraft widerspiegelt."

[meine Übers.]

(Vilenkin, Alex(ander). Many Worlds in One: The Search for Other Universes. New York: Hill and Wang, 2006. p. 204+)

Wenn Theologen im Zusammenhang mit der Kosmologie das Wort "Geist" hören, dann denken sie natürlich sofort an ihren "Heiligen Geist", d.i. Gott.

Das Ganze wirft auch komplizierte generelle Fragen zum ontologischen Status vom Naturgesetzen auf.


P.S.: Vilenkins höchst lesenswertes Buch gibt es mittlerweile auch auf Deutsch:
http://www.springer.com/astronomy/pract ... 40-73917-3
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Qubit » Mi 23. Apr 2008, 21:16

Myron hat geschrieben:Das Ganze wirft auch komplizierte generelle Fragen zum ontologischen Status vom Naturgesetzen auf.

Tut es das?
Kannst du uns den Kontext von Vilenkins Interpretationen zum Tunneln aus dem Nichts in diesem Sinne darlegen?
Ich freue mich schon auf eine mal physikalisch fundierte Diskussion ;-)
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Re: Warum glauben intelligente und gebildete Menschen?

Beitragvon Myron » Mi 23. Apr 2008, 22:15

Qubit hat geschrieben:
Myron hat geschrieben:Das Ganze wirft auch komplizierte generelle Fragen zum ontologischen Status vom Naturgesetzen auf.

Tut es das?


Ja.

Qubit hat geschrieben:Kannst du uns den Kontext von Vilenkins Interpretationen zum Tunneln aus dem Nichts in diesem Sinne darlegen?


Vilenkin scheint nicht umhinzukommen, die Naturgesetze als selbstständige wirkliche Wesenheiten zu betrachten, die "abstrakt" sind, wenn sie vom konkreten Universum (Raum+Zeit+Materie) ontisch unabhängig sind.

Qubit hat geschrieben:Ich freue mich schon auf eine mal physikalisch fundierte Diskussion ;-)


Ich bin ein Philosophierender, aber kein Physiker.
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