Gott aus dem Wortschatz verbannen

Gott aus dem Wortschatz verbannen

Beitragvon Max » Do 9. Nov 2006, 17:16

Wir Menschen lernen unsere Muttersprache durch Imitation; wir ahmen die Ausdrucksweise und die Aussprache unseres sozialen Milieus nach. Das ist nicht nur in den Kinderjahren, sondern auch noch im Erwachsenenalter der Fall. Das heißt, dass sich sowohl unser Wortschatz, als auch unsere Aussprache, unser Dialekt, falls wir einen besitzen, unserem sozialen Milieu anpasst. Diesem Effekt der Beeinflussung ist auch dann, wenn er nicht den eigenen Interessen entspricht, nur schwer entgegen zu wirken.

Oft verwende ich Ausdrücke wie:
* Oh mein Gott
* Gott sei Dank
* Grüß Gott
* etc.

Wie kann ich diese aus meinem Wortschatz verbannen?
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Beitragvon Sicaine » Do 9. Nov 2006, 21:13

Hm jo ich hab auch versucht konsequent "Gruess Sie" zu sagen aber is schwierig immerhin is gruess gott mit vielen vielen festen stabielen nervenbahnen da oben bei mir verankert. Wie waers mit ueben ueben ueben? :D
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Grüss Gott

Beitragvon Klaus » Do 9. Nov 2006, 21:40

das hat natürlich etwas bayrisches Lokalkolorit :mrgreen:
In Berlin würde ich niemand so begrüssen, ich mal in Bayern schon gar nicht. Aber richtig ist, wie oft sagt man sich, mein Gott, ohne sich dabei etwas zu denken, diese Sprache hat sich so tief verwurzelt, da muss man schon gehörig üben.
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Re: Gott aus dem Wortschatz verbannen

Beitragvon gavagai » Do 9. Nov 2006, 22:15

Max hat geschrieben:Wie kann ich diese aus meinem Wortschatz verbannen?

Servus,
die Frage habe ich mir auch schon gestellt, aber keine befriedigende Antwort gefunden. Allerdings habe ich dann den Spieß umgedreht und gefragt: Warum muss/soll ich das eigentlich? Ich rede ja auch über den Osterhasen. Für mich sind es einfach nur Floskeln, wie "Hatschi" (statt "Helf Gott!") oder "du heiliger Strohsack!" So wie ja auch bei den Christen selbst vieles zur "Floskel" erstarrt ist. Meinst du einer macht sich Gedanken darüber, dass sie/er bei der Kommunion zum Kannibalen wird (denn es ist ja wahrlich der Leib des Herrn, wie es in einem Kirchenlied heisst) ?
Ich bin etwas vom Thema abgekommen; will's aber nicht löschen :cry:
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Beitragvon Sicaine » Fr 10. Nov 2006, 18:51

Ich halte aber bewust Gott und Kirche aus meinen Feiertagstraditionen raus! Weihnachten is fuer mich Wintersonnenwende und Ostern is halt das Hasenfest. Geburtstag feiert man so und so und alles andere wird eh nich gefeiert!
Gruess Gott hingegen stoehrt mich irgenwie :>
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Beitragvon Andreas Müller » So 12. Nov 2006, 22:02

* Oh mein Gott

"Ach du Schande!"
"Meine Fresse!"


* Gott sei Dank

"Was bin ich froh!"
"Ich bin erleichtert!"


* Grüß Gott

"Guten Tag"
"Hallo"


Ich versuche meinen dritten (auch schon den zweiten) Roman komplett frei von solchen Gottes-Floskeln zu schreiben. Man muss sich umgewöhnen, aber inzwischen geht's. Ursprünglich war's so gedacht, dass diese Floskeln noch so lange vorkommen, bis Gott in Kapitel 13 von Teil 1 dran glauben muss. Aber das merkt eh keiner, deshalb lösche ich diese Redewendungen auch aus Teil 1 raus.

Ist schon sinnvoll, dadurch ändert sich die Wahrnehmung und Gott gerät in Vergessenheit.
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Beitragvon skeptic griggsy » Mo 13. Nov 2006, 02:21

Danken wir der Natur! Warlich anderen . Theisten nimmt Gott sei dank als Glaube.
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... und wie ist es mit "Moin"?

Beitragvon Besserwisser » Sa 18. Nov 2006, 01:44

> Oft verwende ich Ausdrücke wie:
> * Grüß Gott
>
> Wie kann ich diese aus meinem Wortschatz verbannen?

Ich versuche, - auch durch eigene Praxis - den Gebrauch von "Moin" zu fördern. Entgegen häufig anzutreffender Meinung grüßt man einander in Norddeutschland nicht nur am Morgen so, sondern zu jeder Tages- und Nachtzeit. Der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Björn Engholm bezeichnete Moin als "die genialste Wortschöpfung aller Zeiten" (laut http://de.wikipedia.org/wiki/Moin).

Eine Zeitlang habe ich bei Aufenthalten in Süddeutschland bei einem "Grüß Gott" mit einem "Grüß (mein Nachname)" erwidert. Auf mitunter überraschte Reaktionen hin habe ich dann erläutert, dass wir so wenigstens jemanden grüßen, den es wirklich gibt.
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Re: ... und wie ist es mit "Moin"?

Beitragvon gavagai » Sa 18. Nov 2006, 09:10

Besserwisser hat geschrieben:Ich versuche, - auch durch eigene Praxis - den Gebrauch von "Moin" zu fördern. Entgegen häufig anzutreffender Meinung grüßt man einander in Norddeutschland nicht nur am Morgen so, sondern zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Zumindest in Bayern ist das wohl bekannt. Es zeigt super, dass viele dieser Begüßungsformeln zur Floskel erstarrt sind.
IMO besteht jetzt kein Drang, das "moin" nur auf die richtige Tageszeit einzuschränken. Oder die Frage "Wie geht's?" nur dann zu verwenden, wenn man an einer ehrlichen Antwort interessiert ist. Ebenso redet man brieflich auch den grössten Deppen mit "Sehr geehrter Herr" an, obwohl man ihn vielleicht verachtet.
"Grüß Gott" ist daher auch für mich als Atheisten durchaus OK. Ich rate auch keinem Kind davon ab Grimms Märchen zu lesen (im Gegenteil), nur weil ich weiß, dass es Märchen sind. Zur Verabschiedung verwende ich sowohl "servus" als auch "pfiad di" (Behüte dich Gott) und meine inzwischen: kein Problem; Sagengestalten sind Teil unserer Kultur.
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Beitragvon Andreas Müller » Sa 18. Nov 2006, 09:34

Sagengestalten sind Teil unserer Kultur.


Das Argument gefällt mir jetzt gar nicht. Das Christentum ist auch Teil unserer Kultur, genau wie der Glaube an Gott, an Homoöpathie, an Allah, an so ziemlich alles. Warum also sollte ich etwas befürworten, nur weil es Teil unserer (was heißt "unsere"?) Kultur ist?

Durch die Gottesfloskeln wird nur der Eindruck gefördert, dass wir uns im christlichen Abendland befänden, obwohl das Christentum seit über hundert Jahren nicht mehr dominant ist. Die meisten Leute haben keine Ahnung, woran sie glauben (70 Prozent der Priester in Deutschland glauben nicht an einen persönlichen Gott). Das bedeutet, dass sie allein für vage Vorstellungen und hohle Floskeln den Kirchen ihre Macht zubilligen. Die EKD zum Beispiel besteht fast nur aus Worthülsen. Momentan versuchen Evangelikale erfolgreich, diese Hülsen mit ihrem korrekten Inhalt zu füllen. Also weg mit den hohlen Floskeln.
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Beitragvon gavagai » Sa 18. Nov 2006, 10:08

Der Autor hat geschrieben:
Sagengestalten sind Teil unserer Kultur.

Das Argument gefällt mir jetzt gar nicht. Das Christentum ist auch Teil unserer Kultur, genau wie der Glaube an Gott, an Homoöpathie, an Allah, an so ziemlich alles. Warum also sollte ich etwas befürworten, nur weil es Teil unserer (was heißt "unsere"?) Kultur ist?

Wer sagt was von befürworten? Wenn du "Hänsel und Gretel" vorliest oder selbst liest befürwortest du keinesfalls das Mästen von Kindern oder die Hexenverbrennung. Zumindest ich halte es so. Ich kann einem Kind "Frau Holle" vorlesen ohne Wahrheitsanspruch. (Mir scheint, aber das nur nebenbei, dass die Leute zu sehr fiktionalen Texten Wahrheitsanspruch zubilligen; siehe die vielen Leser von Dan Brown, die nicht merken. dass es sich um Romane handelt; oder TV-Sendungen, die ernst genommen werden; bekannt ist das Hörspiel in den 1930-ern in den USA, das Leute auf die Strasse trieb.)
Mit der Grußformel "Grüß Gott" oder der Briefformel "Sehr geehrte Damen und Herren" oder der Niesformel "Gesundheit" bzw. "Helf Gott!"oder das Tragen von Krawatten oder ... hält man sich an überkommene Traditionen unseres Kulturkreises ohne sie zu ausdrücklich zu befürworten.
Der Autor hat geschrieben:Durch die Gottesfloskeln wird nur der Eindruck gefördert, dass wir uns im christlichen Abendland befänden, obwohl das Christentum seit über hundert Jahren nicht mehr dominant ist.

Dein Wort in Gottes Ohr! (Um eine andere sprichwörtliche Redensart zu gebrauchen). Ich habe genau den umgekehrten Eindruck: das Christentum ist bei uns sehr dominant. Es hat zahlreiche Privilegien. Jedes öffentliche Gebäude wird von christlichen Schamanen eingeweiht usw.
Der Autor hat geschrieben:(70 Prozent der Priester in Deutschland glauben nicht an einen persönlichen Gott).

1) Woher weißt du das ? Ich bestreite diese Aussage zumindest für die katholischen Priester.
2) Es hat nix damit zu tun, dass man eine Gottesfloskel verwendet. Mit einer Gottesfloskel entscheidet man nicht zwischen persönlichen und unpersönlichen Gott. Ja man unterscheidet nicht einmal zwischen christlichen Gott und Wotan oder Zeus.
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Beitragvon Andreas Müller » Sa 18. Nov 2006, 10:34

Wenn du "Hänsel und Gretel" vorliest oder selbst liest befürwortest du keinesfalls das Mästen von Kindern oder die Hexenverbrennung.


Das ist ja auch nicht die Aussage dieses Märchens. Außerdem habe ich nichts dagegen, Kindern sogar die Bibel in entschärfter Fassung vorzulesen. Meine Eltern (nicht wirklich religiös) haben mir auch eine Kinderbibel vorgelesen und ich habe mir christliche Zeichentricksendungen angeschaut, wurde bei Kommunion und Firmung ausführlich mit christlichen Vorstellungen konfrontiert. Trotzdem hatte ich immer eine kritische Position demgegenüber und habe nie an Gott geglaubt. Ich erinnere mich noch an den allerersten Gottesdienst, dem ich beiwohnen musste. Ich habe gesagt "So ein Quatsch" und habe mich darüber lustig gemacht. Oder ein Puppenspiel über die drei Weisen in der Vorschule. Da habe ich mich geweigert, mitzuspielen. Meine Verwandten erinnern mich gerne immer wieder vorwurfsvoll an diese Dinge, aber wen interessiert das schon?

Was ich damit sagen will: Man kann einen kritisch denkenden Menschen durchaus mit verschiedenen Einflüssen konfrontieren, ohne dass er gleich konvertiert. Aber: Wer glaubt denn schon an Gott und denkt gleichzeitig kritisch? Da muss man andere Maßstäbe anlegen.

dass die Leute zu sehr fiktionalen Texten Wahrheitsanspruch zubilligen


Ne, sie billigen fiktionalen Texten, die vorgeben, wahr zu sein, einen Wahrheitsanspruch zu. In der Einleitung behauptet Dan Brown schließlich, dass sein Roman auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere. Er glaubt den Quatsch wirklich (auch ein Atheist kann einen an der Waffel haben).

bekannt ist das Hörspiel in den 1930-ern in den USA, das Leute auf die Strasse trieb


Das ist nur eine moderne Legende. Es waren nur ein paar vereinzelte Leute, die von Kampf der Welten verunsichert waren. Und in Panik ausgebrochen ist niemand. Habe ich mal bei Telepolis gelesen. Verunsichert waren sie wegen der vorgegaukelten Realität des Hörspiels.

hält man sich an überkommene Traditionen


Wenn Traditionen überkommen sind, heißt das, dass man sich nicht mehr an sie hält.

das Christentum ist bei uns sehr dominant.


In den Köpfen der Menschen sind christliche Vorstellungen sicherlich nicht dominant.

Es hat zahlreiche Privilegien


Weil die Menschen eine falsche Vorstellung davon haben, was "christlich" ist.

Woher weißt du das?


Das steht entweder im Manifest des evolutionären Humanismus oder bei fowid. Musst du selbst nachschlagen, wenn ich die Quellen heraussuche, überprüft sie sowieso nie jemand.

Es hat nix damit zu tun, dass man eine Gottesfloskel verwendet.


Du kannst doch nicht einfach diese Aussage aus dem Kontext reißen! Ich sagte, die Leute hätten keine Ahnung, woran sie glauben (auch die Priester nicht) und halten trotzdem auch aufgrund dieser Floskeln, die sie für "heilig" halten, am Christentum fest.
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Beitragvon gavagai » Sa 18. Nov 2006, 11:05

Der Autor hat geschrieben:
dass die Leute zu sehr fiktionalen Texten Wahrheitsanspruch zubilligen

Ne, sie billigen fiktionalen Texten, die vorgeben, wahr zu sein, einen Wahrheitsanspruch zu. In der Einleitung behauptet Dan Brown schließlich, dass sein Roman auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiere. Er glaubt den Quatsch wirklich (auch ein Atheist kann einen an der Waffel haben).

Nun ja, mit etwas Kenntnis der Literaturgeschichte wäre diese Fehleinschätzung schnell ausgeräumt. Viele Literaten geben ihren Werken seit den Bekenntnisschriften des 17.-18. Jhdts. den Anstrich des Authentischen. Die Liebes- und Sklavenromane konnten teils nur erscheinen, weil sie in der Einleitung behaupteten: "This story is true ...". Auch Dan Brown billige ich zu, dass er seinen Punkt hauptsächlich wegen der Publikumswirksamkeit vertritt. Wenn nicht, heisst das noch nicht für den Leser, er solle jede Wahrheitsbehauptung in einem fiktionalen Text für OK halten.
Kürzlich las ich (das sehr empfehlenswerte) Martin Grau: William Shakespeare: Mein unbekanntes Leben. Mit erstaunlichen Enthüllungen seiner Ehefrau Anne. Auch dieser Autor bedient sich des beliebten Mittels: angeblich sind die Tagebücher Shakespeares und die Notizen seiner Frau (!) gefunden worden. (BTW meine Rezension: http://www.lesekost.de/deutsch/de2/HHLD63.htm). Kein versierter Leser wird dem Autor Grau das als Tatsache abnehmen.
Der Autor hat geschrieben:
bekannt ist das Hörspiel in den 1930-ern in den USA, das Leute auf die Strasse trieb

Das ist nur eine moderne Legende. Es waren nur ein paar vereinzelte Leute, die von Kampf der Welten verunsichert waren. Und in Panik ausgebrochen ist niemand. Habe ich mal bei Telepolis gelesen. Verunsichert waren sie wegen der vorgegaukelten Realität des Hörspiels.
Wer sprach von Panik? Die Leute waren verunsichert, weil sie die Fiktion für bare Münze nahmen.
Der Autor hat geschrieben:
hält man sich an überkommene Traditionen

Wenn Traditionen überkommen sind, heißt das, dass man sich nicht mehr an sie hält.
Nein. "überkommen" hat 2 Bedeutungen: die wie du es liest (also im Sinne von überholt) und die, wie ich es gebrauchte: im Sinne von überliefert. Ich präzisiere daher: Man hält sich an viele überlieferten Traditionen. D.h. aber nicht, wenn ich am Martinsmarkt ein Paar Socken kaufe, dass ich damit die Legende des Sankt Martins für wahr halte.
Der Autor hat geschrieben:
das Christentum ist bei uns sehr dominant.

In den Köpfen der Menschen sind christliche Vorstellungen sicherlich nicht dominant.

Dann wäre für mich als Atheist alles in bester Ordnung. Wobei du jetzt einen Schwenk gemacht hast: Von "bei uns" zu "in den Köpfen der Menschen". Das beurteile ich nicht so. Sondern z.B. so Bevorzugung der Grosssekte Christentum durch den Staat http://www.gavagai.de/re/HHD2003.htm
Fazit: für mich ist das Christentum in unserer Gesellschaft zu dominat; für dich anscheinend nicht. Einverstanden ohne Zustimmung.
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Beitragvon gavagai » Sa 18. Nov 2006, 11:09

Ergänzung zur Dominanz des Christentums:
Ich war gestern im Krankenhaus Wasserburg zur ambulanten Operation. Es ist ein staaliches (Träger ist der Kreis Rosenheim) ohne irgendwelche Ordensschwestern oder so. Trotzdem hing in meinem Zimmer ein Kreuz mit geschnitzem Leichnam. Das ist IMO ein winziges Detail, das meine These belegt: das Christentum ist bei uns sehr dominant.
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Beitragvon Andreas Müller » Sa 18. Nov 2006, 11:49

mit etwas Kenntnis der Literaturgeschichte wäre diese Fehleinschätzung schnell ausgeräumt


Tja, aber leider, leider, habe ich von dem Fach, das ich studiere, nicht die geringste Ahnung. Der Punkt ist, dass Dan Brown wirklich glaubt, was er schreibt. Dass manche Schriftsteller - übrigens heute nur noch selten - ihre Fiktion als Realität ausgaben, das ändert daran überhaupt nichts. Du hast offenbar die Diskussion rund um den Da Vinci Code nur am Rande verfolgt. Dan Brown hat das sehr klar gemacht und wurde dafür von verschiedenen Wissenschaftlern kritisiert. Glaubst du, die hätten alle nur keine Ahnung von Literatur gehabt?

für mich ist das Christentum in unserer Gesellschaft zu dominat; für dich anscheinend nicht


Das dürfte bislang der größte Witz sein. Wieso sollte ich mich denn in den ganzen humanistischen Organisationen engagieren, wenn ich dieser Meinung wäre? Klar ist "das Christentum" zu mächtig. Mein Punkt ist, dass die meisten Leute, die sich als Christen bezeichnen, gar nicht wissen, was das ist. Sie denken, das wäre irgendwas mit Nächstenliebe. Wenn sie Bescheid wüssten, dann wäre der Rückhalt der Kirchen in der Bevölkerung viel geringer.
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Beitragvon gavagai » Sa 18. Nov 2006, 13:26

Der Autor hat geschrieben: Der Punkt ist, dass Dan Brown wirklich glaubt, was er schreibt.

Ich glaube dies nicht. Wie bereits ausgeführt, scheint mir Dan Brown dafür zu intelligent. Er gibt es vor um die Diskussion am Kochen zu halten.
Doch selbst gesetzt den Fall du hast recht, so ist Dan Browns Überzeugung IMO eben kein Punkt für den Leser, diese Überzeugung zu übernehmen.
Anderes Beispiel (zu dem von mir schon gegebenen Martin Grau): Ich habe Hilary Clintons Autobiografie gelesen und ihre Version des Falls Bill versus Monika. Was Hilary da als Sachverhalt beschreibt, ist für mich eine mögliche Sichtweise aber keinesfalls ein Punkt mir diese Sichtweise zu eigen zu machen.
Kein vernünftiger Leser wird Kohls oder Schröders Autobiografie für wahre Münze zu nehmen. Jetzt liegt der Fall dabei sogar anders: sie haben keine Romane (wie Dan Brown) geschrieben, sondern Erinnerungen. Memoiren haben einen ganz anderen (IMO höheren) Wirklichkeitsanspruch. Trotzdem wird man weder Kohl noch Schröder jeden Satz ihrer "Erinnerungen" abnehmen. Dass viele Leute bei so einem Hype wie Dan Browns Romane mitmischen hat sicherlich unterschiedliche Gründe. Wie völlig irrational die Leute handeln sieht man deutlich an dem verrückten Hype, den viele Leute jetzt mit dem 10 Euro Schein betreiben: bar jeglicher Vernunft.
Fazit für mich: aufgepuschte Medienverrücktheit kann kein Anlass dafür sein, die skeptische kritische Haltung aufzugeben.
Der Autor hat geschrieben: Dass manche Schriftsteller - übrigens heute nur noch selten - ihre Fiktion als Realität ausgaben, das ändert daran überhaupt nichts. Du hast offenbar die Diskussion rund um den Da Vinci Code nur am Rande verfolgt.

Richtig. Ich kenne kein buch von D.B. und habe (ausser Sekundärliteratur) nur eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema besucht. Ich habe aber zahlreiche andere Bücher dieses Genre (Vorläufer von Brown) gelesen. Da behaupten die Autoren ähnliches (Jesus war verheiratet oder/und hatte nachkommen und/oder es gibt Geheimbünde innerhalb des Christentums, die "Wahrheiten" zurückhalten), z.B.
Laurence Cossé: Der Beweis. München: btb 1999. 152 Seiten http://www.lesekost.de/HHL70.htm
Bernd Hoffmann: Die Katharer Schriften. Saarbrücken: Conte, 2005. Gebunden, 422 Seiten http://www.lesekost.de/deutsch/de1/HHLD47.htm
Der Autor hat geschrieben: Dan Brown hat das sehr klar gemacht und wurde dafür von verschiedenen Wissenschaftlern kritisiert. Glaubst du, die hätten alle nur keine Ahnung von Literatur gehabt?
Nein, im Gegenteil. Die Wissenschaftler wissen wahrscheinlich sehr viel über Literatur. Ihre Kritik (ich kenne nur Sichtweisen, die Browns Theorien zerfetzen) bezeugt ja gerade meinen Standpunkt: vom historischen Gesichtspunkt ist Browns Theorie hanebüchen und pure Fiktion, wie es einem Roman eben zukommt.
Die Kirchen waren in einem Dilemma: Schweigen sie, so nehmen das naive Menschen als Zustimmung zu Browns Fantasien.
Reden sie darüber (wie sie es taten) nehmen es naive Menschen als Bestätigung, dass was wahres dran ist an Browns Fantasien.
BTW ich hatte eine gewisse Schadenfreude, denn genau in diesem Dilemma stecken oft Biologen:
schweigen sie zu Kreationismus und ID, dann nehmen das naive Menschen als Zustimmung; diskutieren sie darüber, rufen die Kreationisten: Ah, es gibt einen wissenschaftlichen Dissens.

Der Autor hat geschrieben: Klar ist "das Christentum" zu mächtig.
OK, ich verstehe meine These: Das Christentum ist bei uns sehr dominant als äquivalent deiner These das Christentum mächtig. Du gehst jetzt sogar weiter (und ich pflichte uneingeschränkt bei): Das Christentum ist bei uns zu sehr dominant, bzw. wenn dir das lieber ist Das Christentum ist bei uns zu mächtig.
Genau das vereidige ich seit Anbeginn unseres Disputs. Das im christlichen Abendland ... das Christentum seit über hundert Jahren nicht mehr dominant ist halte ich damit für widerlegt. Was mächtig ist, ist für mich aufgrund der Wortbedeutung auch meist dominant.
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Re: Gott aus dem Wortschatz verbannen

Beitragvon Ogion » Mo 20. Nov 2006, 22:27

Max hat geschrieben:Oft verwende ich Ausdrücke wie:
* Oh mein Gott
* Gott sei Dank
* Grüß Gott
* etc.

Wie kann ich diese aus meinem Wortschatz verbannen?


Zum Beispiel mit:
"Oh, my goodness!"
"Verdammt!"
"Scheiße!" (Um es mit Schimanski zu sagen :))
"Moin"/"Morgen" (Tue ich auch zu jeder Tageszeit)
"Glücklicherweise" (als Adjektiv im Satz, um Gott sei Dank zu ersetzen.)


Generell teile ich die Auffassung, dass die Begrifflichkeiten unwichtig sind, nicht. Natürlich ist "Gott sei Dank" 'harmlos', aber es hält das darin unfreiwillig Angesprochene wach. Man sollte einerseits die Aufmerksammachung (vor allem bei der Frauenbewegung geschehen) auf solche Begriffe betreiben, andererseits muss man auch nicht übertreiben. Natürlich will ich mit der Verwendung des Wortes 'man' in meinem vorhergehenden Satz nicht andeuten, nur Männer dächten darüber nach. Mensch sollte halt eine Art Gleichgewicht bewahren.

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Beitragvon Andersdenker » Mo 20. Nov 2006, 23:13

Eine Zeitlang habe ich bei Aufenthalten in Süddeutschland bei einem "Grüß Gott" mit einem "Grüß (mein Nachname)" erwidert. Auf mitunter überraschte Reaktionen hin habe ich dann erläutert, dass wir so wenigstens jemanden grüßen, den es wirklich gibt.

Also ich in München war habe ich nur "moin" oder - wenn mir gerade nach ein bisschen Spaß war - "grüß Satan" gesagt. Letzteres hat sehr ulkige Reaktionen hervorgerufen. Ja, mir ist bewusst, dass ich dadurch auch Satans Existenz in einer Weise anerkannt hab, aber Spaß muss sein. ^^
Das ist jetzt allerdings einige Jahre her und ich würde es heute nicht mehr machen. :roll:
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Dan Brown

Beitragvon Klaus » Mo 20. Nov 2006, 23:47

Also ich möchte mal zu dieser Thematik meinen, Dan Brown ist ein Sekundär-Literat. Ich habe keines seiner Bücher gelesen und werde mich diesem allgemeinen Trend auch entziehen.

Es gibt ja eine Fülle von solcher Literatur. Die alle in einem glaubwürdigen Zustand wurzeln, IMHO, das Geheimnis, welches die Kirche, insbesondere die Katholische umgibt, von ihr selbst gezüchtet und immer wieder wachgehalten. In dem man ganz einfach die Archive der Öffentlichkeit nicht zugänglich macht, dass hat alles etwas von Area 51, dort liegen die Alien. Das hat etwas von Verschwörungstheorien, dunklen Geschichten, Machenschaften, letztlich Mythen, die sich darum ranken ob etwas stattgefunden hat oder nicht. Allein die Templer und ihre Geschichte, die Story um den Gral, ein jeder schreibt eine Story dazu, je mehr scheinbare Wissenschaftlichkeit eingeht um so höher die Verkaufszahlen. Die Schriftsteller wollen letztlich Geld mit ihren Werken verdienen. Diese scheinbare Wissenschaftlichkeit trägt dann noch zur Legendenbildung bei, ein Kreislauf, ohne scheinbares Ende.

Das Fernsehen zeigt dann auch noch Dokus wie z. B. über die Prieure de Sion, dieser angebliche Geheimbund, da gibt es Romane von mehreren tausend Seiten, die Zusammenarbeit mit den Templern, oder erinnert sei hier nur an Umberto Ecos "Das Faucaultsche Pendel". Das Christentum hat eine verdammt breite Spur durch alle Lebensbereiche gezogen, es war über 1500 Jahre die dominierende Religion. Vieles ist Gewohnheit geworden, Alltag, ohne Denken, leicht daher gesagt, aber das Christentum ist in der Politik sehr stark vertreten, nimmt man nur die CDU/CSU, da wird Religion zum politischen Programm, die Enziklika des Papstes haben Eingang gefunden im bürgerlichen Gesetzbuch, überall, christliche Lehre wohin wir schauen. Das Kruzifix an der Wand eines öffentlichen Krankenhauses ist nur ein kleines Makel, wobei ich das Erleben von Gavagai bestätigen kann, wir werden nicht gefragt ob wir das wollen, es wird still vorausgesetzt. Sagt man etwas dagegen, wird man scheel angeschaut, ich habe im Krankenhaus verlangt das man den "Jupp" mitsamt seinem Kreuz aus meinem Zimmer entfernt. Aber es gibt wohl mehr Literatur über die Kirche und ihr Umfeld, als das es Literatur gibt, die solche Aspekte außen vor lässt.
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