Religionskritik ist Intoleranz

Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 14:29

sapere aude hat geschrieben:Nach allem was wir wissen, gibt es keinen "Gott".

als Agnostiker kann ich das nicht nachvollziehen. Ich beispielsweise weiß nicht, ob es einen 'Gott' gibt.

sapere aude hat geschrieben:Also wird auch niemand über mich lächeln.

Ex falso quodlibet.

sapere aude hat geschrieben:Ich fürchte, ich (oder andere) werden postmortale Botschaften nicht verstehen können, da wir zur Informationsverarbeitung, nach allem was wir wissen(!) ein funktionierendes Hirn benötigen.

Du erinnerst Dich noch an die Irrtumsfähigkeit? Vielleicht wissen wir noch gar nicht, was auf einem funktionierenden Gehirn spielt (erinnerst Du Dich noch an Eccles?).

sapere aude hat geschrieben:Pascals Wette beeindruckt mich nicht. Bin nicht abergläubisch

Mich auch nicht. Auf der einen Seite beschleicht mich der Verdacht, dass ein Gott es einem gewaltig übelnehmen könnte, falls der merken würde, dass man ihn nur verehrte, weil man Bammel hatte und sich abzusichern versuchte.

Daher würde ich die Pascalsche Wette ein wenig umformulieren: anbetrachts der Unmenge an real existierenden Gottesbildern ist die Wahrscheinlichkeit, zufällig gerade in der Gegend des Universums geboren und primärsozialisiert zu werden, in der man den richtigen Gott anbetet, infinitesimal gering. Die optimale Strategie ist daher, sich der Anbetung eines konkreten Gottes zu enthalten. Man kann sich dann wenigstens sicher sein, nicht den falschen verehrt zu haben.

Könnte sein, dass ein herrschsüchtiger Gott einem Agnostiker wie mir, der vor gar keinem Gott sein Knie beugte, dessen Existenz aber nicht als Wahn abtat, gnädiger sein würde als einem, der den falschen Gott anbetete.

Aber, ehrlich gesagt, über das, was ein wie auch immer gearteter Gott nach meinem Tode mit mir anstellen sollte, mache ich mir wenig Gedanken. Ich sehe nur, dass ich keine Möglichkeit habe, dessen Existenz zu widerlegen. Menschen, die meinen, das zu können, sind beweispflichtig. Bisher hat das noch keiner geschafft. Und kluge Menschen wie Dawkins versuchen auch gar nicht, diesen Anschein zu erwecken. Der Club der Agnostiker ist größer als die Zahl der Menschen, die sich als Agnostiker bezeichnen ;->
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon Qubit » Di 16. Sep 2008, 15:01

El Schwalmo hat geschrieben:Und wenn dieser Gott dann postmortal zu Dir sagen sollte


Mich beschleicht manchmal das Gefühl, dass wenn wir unsterblich wären, nach Gott "kein Hahn krähen" würde ;-)
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 15:26

El Schwalmo hat geschrieben:
sapere aude hat geschrieben:Nach allem was wir wissen, gibt es keinen "Gott".

als Agnostiker kann ich das nicht nachvollziehen. Ich beispielsweise weiß nicht, ob es einen 'Gott' gibt.


Moooment, ich habe nicht gesagt, dass es kein wie auch immer geartetes Wesen gibt, dass irgendwas tut. Wie Dawkins immer so schön formuliert: wir sind auch alle Aweihnachtsmannisten und Azahnfeeisten. Wir sind darüber hinaus auch Awuplizisten und Aforalitormiszistfisten und glauben an Milliarden andere Dinge nicht, die wir nicht kennen.

Ich will mal präzisieren: Nach allem was wir wissen, gibt es kein Wesen, das die Menschen "Gott" nennen und das genau die Eigenschaften besitzt, die ihm zugesprochen werden.

Dass es außerhalb unserer Erkenntnisfähigkeit Dinge, Wesen, Ereignisse geben könnte, die wir uns in unseren schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können, will ich gar nicht bestreiten, kann ich ja auch gar nicht, liegt ja außerhalb meiner Erkenntnisfähigkeit.

sapere aude hat geschrieben:Also wird auch niemand über mich lächeln.

Ex falso quodlibet.


Zumindest liegt jede Form irgendeines "Verhaltens" irgendeines undenkbaren "Wesens" außerhalb unserer Erkenntnisfähigkeit. Ich sag dann mal der Bequemlichkeit halber "is nich", damit ich nicht immer den ewigen Rattenschwanz, dass außerhalb unserer menschlichen Erkentnnisfähigkeit alles möglich aber für uns irrelevant ist, miterzählen muss.

sapere aude hat geschrieben:Ich fürchte, ich (oder andere) werden postmortale Botschaften nicht verstehen können, da wir zur Informationsverarbeitung, nach allem was wir wissen(!) ein funktionierendes Hirn benötigen.

Du erinnerst Dich noch an die Irrtumsfähigkeit? Vielleicht wissen wir noch gar nicht, was auf einem funktionierenden Gehirn spielt (erinnerst Du Dich noch an Eccles?).


Allerdings. Doch leider unterlag Eccles einem folgenschweren Irrtum. Dem Halo-Effekt. http://de.wikipedia.org/wiki/Halo_(Psychologie)
Ähnliche Phänomene kennt man aus jeder anderen abergläubischen Erklärung von Funktionszusammenhängen (Esoterik, Homöopathie, Theosophie usw. usf.) eine starke Überbewertung der Gerichtetheit bestimmter Effekte. Eccles "Erklärung" war nur wirklich hoch elaboriert. Aber im Grunde bloß (berechtigte) Jenseitshoffnung.


Daher würde ich die Pascalsche Wette ein wenig umformulieren: anbetrachts der Unmenge an real existierenden Gottesbildern ist die Wahrscheinlichkeit, zufällig gerade in der Gegend des Universums geboren und primärsozialisiert zu werden, in der man den richtigen Gott anbetet, infinitesimal gering. Die optimale Strategie ist daher, sich der Anbetung eines konkreten Gottes zu enthalten. Man kann sich dann wenigstens sicher sein, nicht den falschen verehrt zu haben.


Tja, damit bist Du in die Falle der Theisten getappt, dass es ja möglichwerweise doch sowas gibt.

Könnte sein, dass ein herrschsüchtiger Gott einem Agnostiker wie mir, der vor gar keinem Gott sein Knie beugte, dessen Existenz aber nicht als Wahn abtat, gnädiger sein würde als einem, der den falschen Gott anbetete.


Also doch. Pascals wager. Sorry. Das muß man leider so sagen. Du richtest Dein Verhalten - sei es Ignoranz - an einem möglichen "Gott", der dir Angst macht, aus.

Aber, ehrlich gesagt, über das, was ein wie auch immer gearteter Gott nach meinem Tode mit mir anstellen sollte, mache ich mir wenig Gedanken.


Na. Ich weiß nicht. Überleg nochmal! Ich glaub ja, dass Du schon mal drüber nachgedacht hast und Dich in die (scheinbar) sicherste Position gebracht hast.

Ich sehe nur, dass ich keine Möglichkeit habe, dessen Existenz zu widerlegen. Menschen, die meinen, das zu können, sind beweispflichtig. Bisher hat das noch keiner geschafft. Und kluge Menschen wie Dawkins versuchen auch gar nicht, diesen Anschein zu erwecken. Der Club der Agnostiker ist größer als die Zahl der Menschen, die sich als Agnostiker bezeichnen


Nein. Immer der der die Existenz einer Sache behauptet ist beweispflichtig. Die Nichtexistenz einer Sache, die nicht existiert und noch nie existiert hat, kann niemals bewiesen werden. Per definitionem nicht. Das ist bei Existenzbehauptungen anders. Wer sagt, eine Sache existiert, ist in der vollumfänglichen Beweispflicht. Werden diese angeblichen "Beweise" überprüft, haben sie sich bisher immer als Unfug herausgestellt.

Das ist doch ganz einfach. Ich frag mich, warum so viele Atheisten immer in diese Falle tappen ...
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon HF******* » Di 16. Sep 2008, 16:33

El Schwalmo hat geschrieben:
sapere aude hat geschrieben:Nach allem was wir wissen, gibt es keinen "Gott".

als Agnostiker kann ich das nicht nachvollziehen. Ich beispielsweise weiß nicht, ob es einen 'Gott' gibt.

@El Schwalmo:
Ob Kreationismus und ID richtig oder falsch sind, weißt Du auch nicht, oder?
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon folgsam » Di 16. Sep 2008, 16:38

Biblischer, islamischer, etc. etc. Kreationismus ist widerlegt.

ID bleibt nebulös genug um sich nicht eindeutig festnageln lassen zu können. Wer keine testbaren Hypothesen aufstellt, läuft auch nicht gefahr, widerlegt werden zu können. ID-Apologeten verfahren ähnlich wie moderne Theologen, die sich ein unangreifbares Gottesbild zusammenzimmern. Man kann sich daran reiben, aber am besten ist es sie zu ignorieren. Substantielles ist aus dieser Ecke nicht zu erwarten.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 16:40

HFRudolph hat geschrieben: @El Schwalmo:
Ob Kreationismus und ID richtig oder falsch sind, weißt Du auch nicht, oder?
:hust:
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 21:17

HFRudolph hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:
sapere aude hat geschrieben:Nach allem was wir wissen, gibt es keinen "Gott".

als Agnostiker kann ich das nicht nachvollziehen. Ich beispielsweise weiß nicht, ob es einen 'Gott' gibt.

@El Schwalmo:
Ob Kreationismus und ID richtig oder falsch sind, weißt Du auch nicht, oder?

wenn Du definierst, was Du unter 'Kreationismus', 'ID' und 'richtig' verstehst, kann ich Dir die Frage gerne beantworten.

Dir wird vielleicht aufgefallen sein, dass ich 'Gott' und nicht Gott schrieb. Wenn Du allerdings ein Argument dafür hast, dass es keinen 'Gott' geben kann, empfehle ich Dir, das in einer philosophischen Fachzeitschrift zu publizieren. Du würdest berühmt werden, und ich wäre kein Agnostiker mehr.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 21:26

folgsam hat geschrieben:ID-Apologeten verfahren ähnlich wie moderne Theologen, die sich ein unangreifbares Gottesbild zusammenzimmern.

da bin ich mir nicht sicher. ID formuliert durchaus 'Falsifikationskriterien'. Behe beispielsweise räumt expressis verbis ein, das er ID nicht mehr für Systeme unterhalb der Komplexität annehmen würde, deren Genese naturalistisch erklärt wurde. So gesehen ist ID sogar leichter widerlegbar als der Naturalismus. Wenn die Genese eines Systems geklärt ist, ist ID bis zu dieser Komplexitätsebene widerlegt. Wenn man aber trotz noch so vieler Forschungen keine naturalistische Genese nachweisen kann, bleibt uns immer noch die Alternative, dass es noch nicht bekannte naturalistische Mechanismen geben könnte. Aus unserer Sicht ist das ein Fakt (man denke beispielswiese an Wegener und die Kontinentalverschiebung), aus der Außensicht sieht das nach Immunisierungsstrategie aus.

Aber ID hätte noch einen anderen Weg: eine systematische Erforschung der Forschungslücken. Wenn es zeigen könnte, dass es 'prinzipielle' Lücken gibt, also solche, deren Existenz durch zunehmendes Wissen immer mehr bestätigt wird, wäre das noch längst kein Beweis für ID, aber eine starke Schwächung unserer Position. Die Wissenschaftsgeschichte zeigt allerdings, dass Forschungslücken bisher geschlossen wurden. Es ist daher die Bringschuld von ID, sich darüber Gedanken zu machen, nicht unsere.

folgsam hat geschrieben:Man kann sich daran reiben, aber am besten ist es sie zu ignorieren. Substantielles ist aus dieser Ecke nicht zu erwarten.

Das mit dem Ignorieren scheint mir nicht verkehrt zu sein. Denn aufgrund der Argumentationsstruktur dieser Menschen ist es sehr schwer, gegen die zu 'gewinnen'. Es gibt viele Versuche von Naturalisten, gegen ID zu argumentieren, die jede Menge Möglichkeiten zu Gegenkritiken ermöglichen.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon HF******* » Di 16. Sep 2008, 22:09

Was sollte schon der Unterschied sein zwischen einem Gott, einem 'Gott' und einem „Gott“?

Es ist ein Unterschied, ob man nicht weiß, ob es eine Gottheit gibt oder ob man von einer Gottheit nichts weiß, ob man also ein Nichtwisser ist. Letzteres ist etwa bei Säuglingen der Fall, oder etwa bei mir.

Wenn ich sage: "Ich weiß nicht, ob es einen 'Gatt' gibt", dann setzt das voraus, dass ich dessen Existenz zumindest für möglich halte. Wer eine Möglichkeit behauptet, ist dafür beweispflichtig, um mal auf diese pingeligen Beweisregeln zu kommen, die keinen Menschen überzeugen.

Bezüglich der allermeisten Gottheitserfindungen der Menschheit, bin ich der Ansicht, dass sie nicht ansatzweise einer rationalen, aufgeklärten oder wissenschaftlichn Betrachtung der Welt entspringen, sondern der menschlichen Phantasie.
Eigentlich stimme ich auch nicht mit Dawkins überein, dass man schlichtweg jeden Blödsinn einem wissenschaftlichen Fallibilismus unterziehen muss, denn das führt den Begriff und Gedanken des wissenschaftlichen Fallibilismus ad absurdum, wenn schlichtweg alles diesem Prinzip unterstellt wird, es macht ihn zu einer überflüssigen rethorischen Floskel.

Es lässt sich aus der uns bekannten Beschaffenheit der Welt erkennen, dass es etwa die klassischen Gottheiten nicht real gibt, sondern nur als Phantasiegestalten, als Märchengestalten.

Wenn man jetzt wie Albert Einstein oder Stephen Hawking etwa die Naturgesetze als "Gott" bezeichnet, ohne hierbei eine Personifikation zu meinen, dann ist damit etwas komplett anderes gemeint, als was man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch darunter versteht. Im Rahmen der Weltanschauungsfreiheit liegt es mir natürlich fern, das als rethorischen Trick bezeichnen zu wollen, zumal es sich um eine sinnvollere Defintion handelt, als die meisten Definitionen, denn den mit dem Wort 'Gott' in diesem Fall bezeichneten Betrachtungsgegenstand gibt es ja wirklich.

Du hast einmal geschrieben, dass Du vom "Gott der Philosophen" sprichst. Das ist allerdings keine brauchbare Definition.

Daher würde ich die Pascalsche Wette ein wenig umformulieren: anbetrachts der Unmenge an real existierenden Gottesbildern ist die Wahrscheinlichkeit, zufällig gerade in der Gegend des Universums geboren und primärsozialisiert zu werden, in der man den richtigen Gott anbetet, infinitesimal gering. Die optimale Strategie ist daher, sich der Anbetung eines konkreten Gottes zu enthalten. Man kann sich dann wenigstens sicher sein, nicht den falschen verehrt zu haben.

Ich weiß zwar nicht, was "infinitesimal" heißt, vermutlich "verschwindend" gering: Das würde aber irgendeine real nachvollziehbare Gottestheorie voraussetzen. Angesichts des Umstandes, dass es keine einzige plausible Gottestheorie gibt, zumindest soweit der Begriff der Gottheit gerechtfertigt ist. Ohne eine solche Idee, ohne jeden plausiblen Anhaltspunkt die Benennung einer Wahrscheinlichkeit unhaltbar. Selbst eine zweifelnde Position hinsichtlich einer behaupteten Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass diese auch nur in minimalem Restmaße naheliegend ist. Das ist nicht der Fall.

Könnte sein, dass ein herrschsüchtiger Gott einem Agnostiker wie mir, der vor gar keinem Gott sein Knie beugte, dessen Existenz aber nicht als Wahn abtat, gnädiger sein würde als einem, der den falschen Gott anbetete.

Was für eine skurrile Überlegung, der Wortwahl nach eine klassisch agnostische Position, keineswegs eine naturalistisch-agnostische, selbst wenn man sich nur "wenig" Gedanken in dieser Richtung macht.

Es ist aber schön, dass solche Vorstellungen auch mal so klar ausgesprochen werden. Ich bin auch nur darauf eingegangen, weil hier der Eindruck erweckt werden sollte, eine agnostische Position sei rethorisch oder tatsächlich haltbarer als die Aussage, dass es nach allem, was wir wissen, keinen Gott gibt.

Auch die verwendete rethorische Umschreibung als agnostische Postion gegenüber der von sapere aude genannten Form weder dem allgemeinen Sprachgebrauch nach noch dem wissenschaftlichen bzw. naturalistischen Wortgebrauch nach auch nur ansatzweise vorteilhafter, im Gegenteil.

posts zusammengefügt -folgsam
Zuletzt geändert von HF******* am Di 16. Sep 2008, 22:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 22:25

HFRudolph hat geschrieben:Du hast einmal geschrieben, dass Du vom "Gott der Philosophen" sprichst. Das ist allerdings keine brauchbare Definition.

das liegt 'in the eye of the beholder'. Die Frage ('Warum ist Seiendes und nicht vielmehr Nichts') scheint mir sinnvoll zu sein, obwohl es keine gültige Antwort gibt.

Ich hab's schon oft geschrieben: es geht eigentlich nicht um die Frage, ob es einen 'Gott' 'gibt' oder nicht, sondern um Diskursregeln. Also darum, was man in einem rationalen Diskurs mit Anspruch auf Geltung vertreten kann. Das ist eine methodologische Frage. Daraus eine Ontologie zu entwickeln ist eine interessante Alternative. Ich gehe aber davon aus, dass man die nicht mit Anspruch auf Geltung vertreten kann. Denn das würde voraussetzen, dass es eine 'unio mystica' zwischen dem Sein und unserem Erkenntnisapparat gibt. Dass das nicht der Fall ist, siehst Du an der Quantenmechanik. Es ist auch kein Zufall, dass diese Ergebnisse der Physik die moderne Wissenschaftstheorie ins Leben gerufen haben: man merkte, dass man mit dem üblichen Denken nicht mehr weiter kam. Es ist schon interessant, unter diesem Aspekt klassische Philosophie, beispielsweise Kants Kategorien, zu überdenken.

Mir ist natürlich klar, dass solche Überlegungen lästig sind, wenn man vor allem das Ziel hat, gegen religiöse Menschen zu argumentieren. Ich sehe aber nicht, dass man eine Diskussion 'gewinnen' kann, wenn man darauf bestehen muss, dass die andere Seite erst mal Diskurs-Regeln anerkennt, die zwingend dazu führen, dass sie verliert.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 22:35

HFRudolph hat geschrieben:Auch die verwendete rethorische Umschreibung als agnostische Postion gegenüber der von sapere aude genannten Form weder dem allgemeinen Sprachgebrauch nach noch dem wissenschaftlichen bzw. naturalistischen Wortgebrauch nach auch nur ansatzweise vorteilhafter, im Gegenteil.

was meinst Du mit 'vorteilhafter'?
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon Qubit » Di 16. Sep 2008, 22:42

El Schwalmo hat geschrieben:Dir wird vielleicht aufgefallen sein, dass ich 'Gott' und nicht Gott schrieb. Wenn Du allerdings ein Argument dafür hast, dass es keinen 'Gott' geben kann, empfehle ich Dir, das in einer philosophischen Fachzeitschrift zu publizieren. Du würdest berühmt werden, und ich wäre kein Agnostiker mehr.


In einer "philosophischen Fachzeitschrift" bestimmt keine Seltenheit ;-)
Der Punkt ist doch: naturwissenschaftlich, kritisch-rational lässt sich ein 'Gott' weder begründen noch widerlegen.
Also aus welchem Holze soll das "Argument" geschnitzt sein?
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon HF******* » Di 16. Sep 2008, 22:46

@El Schwalmo:
Die Formulierung ist keineswegs unmissverständlicher. Sie drückt nicht in der nötigen Klarheit die Vorstellung von der Welt aus. Unsere Sprache ist nicht wissenschaftlichen Formeln vergleichbar, sondern es geht letztendlich um den Sprachgebrauch, den der kleine Mann auf der Straße pflegt. In dieser Wortwahl reden wir hier. Wenn ich die Worte nehme, die Du verwendet hast, dann drücken sie nach meinem Verständnis etwas anderes aus, als das, was ich meine.

Ich denke nicht, dass das an einer allgemeinen Aktzentverschiebung des Schwabenländles liegt.

@Qubit: Kein Mensch würde auf die Idee kommen, irgendetwas widerlegen zu wollen.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 23:11

HFRudolph hat geschrieben:Unsere Sprache ist nicht wissenschaftlichen Formeln vergleichbar, sondern es geht letztendlich um den Sprachgebrauch, den der kleine Mann auf der Straße pflegt. In dieser Wortwahl reden wir hier.

Das ist mir schon klar. Aber mich wundert, wie jemand auf die merkwürdige Idee kommen könnte, zu meinen, dass man auf diesem Abstraktionsniveau irgendetwas Sinnvolles über die Fragen, um die es hier geht, aussagen könnte.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon Qubit » Di 16. Sep 2008, 23:21

HFRudolph hat geschrieben:@Qubit: Kein Mensch würde auf die Idee kommen, irgendetwas widerlegen zu wollen.


Genau das hat El Schwalmo doch eingefordert, unter irgendetwas seinen 'Gott' bezeichnend..
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon Qubit » Di 16. Sep 2008, 23:52

El Schwalmo hat geschrieben:irgendetwas Sinnvolles über die Fragen, um die es hier geht, aussagen könnte.


Was das "Sinnvolle" ist bestimmt das Primat des Denkens..
Wer kritisch-rational denkt und ein naturalistisches Weltbild (d.h. die Natur mit ihrer Gesetzmäßigkeit "ernstgenommen") hat, kann nur in diesem Rahmen etwas rational Sinnvolles aussagen.
Die Weltkarte entstand nicht dadurch, dass jemand ihm schöne Konturen darauf kritzelte, sondern dass von erkundeten Wegen ins Neuland abgewichen wurde.
Sozusagen: nicht top-down, sondern bottom-up.
Im Umkehrschluss bedeutet das: wenn dir jemand vom "jenseitigen" gelobten Neuland fernab aller erkundeten Wege erzählt, dann führt kein kritisch-rationaler Weg dorthin, du malst dann nur irgendwelche schöne Konturen in deine Weltkarte hinein, ohne die Existenz begründen oder widerlegen zu können. Sehr unschön für Reisende, die sich um eine "zuverlässige" Karte bemühen ;-)
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon Myron » Mi 17. Sep 2008, 00:08

Qubit hat geschrieben:In einer "philosophischen Fachzeitschrift" bestimmt keine Seltenheit ;-)
Der Punkt ist doch: naturwissenschaftlich, kritisch-rational lässt sich ein 'Gott' weder begründen noch widerlegen.
Also aus welchem Holze soll das "Argument" geschnitzt sein?


Atheologischen Argumenten liegt folgendes Schema zugrunde:

Wenn (der soundso charakterisierte) Gott existiert, dann A.
...
Es ist nicht der Fall, dass A.
Folglich ist es nicht der Fall, dass (der soundso charakterisierte) Gott existiert. (per modus tollens)

Klassisches Beispiel (in seiner einfachsten Form):

1. Wenn der vollkommene gute, allwissende und allmächtige Gott existiert, dann gibt es auf Erden keine Übel.
2. Es ist nicht der Fall, dass es auf Erden keine Übel gibt.
3. Folglich ist es nicht der Fall, dass der vollkommene gute, allwissende und allmächtige Gott existiert.

(Für komplexere Formulierungen siehe: http://plato.stanford.edu/entries/evil)
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Mi 17. Sep 2008, 05:10

Qubit hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:irgendetwas Sinnvolles über die Fragen, um die es hier geht, aussagen könnte.

Was das "Sinnvolle" ist bestimmt das Primat des Denkens..

welche Grund könnte es wohl haben, dass ich immer wieder schreibe, dass der zentrale Punkt die Regeln des rationalen Diskurses sind?

Ich habe nichts gegen eine zuverlässige Karte. Ich habe aber etwas dagegen, wenn etwas als bekannt eingestuft wird, wenn das nicht der Fall ist, egal, ob Theismus oder Atheismus.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon stine » Mi 17. Sep 2008, 06:54

Myron hat geschrieben:Klassisches Beispiel (in seiner einfachsten Form):

1. Wenn der vollkommene gute, allwissende und allmächtige Gott existiert, dann gibt es auf Erden keine Übel.
2. Es ist nicht der Fall, dass es auf Erden keine Übel gibt.
3. Folglich ist es nicht der Fall, dass der vollkommene gute, allwissende und allmächtige Gott existiert.

(Für komplexere Formulierungen siehe: http://plato.stanford.edu/entries/evil)


1. Wenn der vollkommene gute, allwissende und allmächtige Gott existiert, dann ist natürliches Leben unvernichtbar.
2. Es ist der Fall, dass alles natürliche Leben anpassungsfähig und damit unvernichtbar ist.
3. Folglich ist es der Fall, dass der vollkommene gute, allwissende und allmächtige Gott existiert.

Es kommt immer darauf an, welche Bedingung (A) man Gott zuschreibt.

LG stine
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Mi 17. Sep 2008, 07:58

El Schwalmo hat geschrieben:welche Grund könnte es wohl haben, dass ich immer wieder schreibe, dass der zentrale Punkt die Regeln des rationalen Diskurses sind?
Ich habe nichts gegen eine zuverlässige Karte. Ich habe aber etwas dagegen, wenn etwas als bekannt eingestuft wird, wenn das nicht der Fall ist, egal, ob Theismus oder Atheismus.


Ok, Du spielst das aktuelle Spiel von WuW. Du willst die Diskursregeln auf den Prüfstand stellen. Wer die Regeln macht, bestimmt das Spiel, stimmts? Und dummerweise sind die Regeln für Kreationisten unfair. Also ändern wir einfach die Regeln oder reden wenigstens darüber, dass die Regeln unfair sind. Ok. Verständlich. Dann müssen wir uns nicht mehr mit der eigentlichen Frage beschäftigen.

Mit dieser neuen Strategie läßt man sich als Fachwissenschaftler, der mit Millionen anderen Fachwissenschaftlern auf der Basis der zur Zeit gültigen und nahezu uneingeschränkt anerkannten Wissenschaftstheorie zu weitreichenden Erkenntnissen kommt, auf eine Ebene ziehen, auf der man keine seriöse Aussage treffen kann. Wir sind keine Wissenschaftstheoretiker. Wenn ich Dir mit meinen laienhaften biologistischen Argumenten komme, El Schwalmo, schlägst Du mich mühelos aus dem Ring.

Ich denke, der Verweis auf die jeweilige fachwissensschaftliche Arbeit weltweit sollte genügen, zu zeigen, dass unsere Methode korrekt ist. Ansonsten sollten zu dieser Frage entsprechende Fachkollegen zu Wort kommen.

Wenn Dir die überwältigende Evidenz für die Richtigkeit der zur Zeit gültigen wissenschaftlichen Methode nicht reicht, müssen wir wohl allerdings auch als Laien darüber reden.

Ich denke allerdings, dazu sollten wir einen neuen Thread aufmachen. Was denkt Ihr?
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