Religionskritik ist Intoleranz

Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 08:06

apostat hat geschrieben:Toleranz gegenüber Gläubigen und Religionen: sehr gern. Aber ich würde mich auch sehr freuen, wenn ich umgekehrt auch mal nur ansatzweise Toleranz von Gläubigen und Religionen bzw. Religionsvertretern gegenüber Andersglaubenden und Andersdenkenden erleben dürfte.

was bedeutet eigentlich für Dich 'Toleranz'? Muss Toleranz 'positiv' besetzt sein? Bist Du sicher, dass Amtskirchen nicht 'tolerant' sind?

Sind wir Naturalisten 'tolerant'? Kann ich eigentlich einen Menschen, der supranaturalistische Elemente in sein Weltbild eingebaut hat, 'tolerieren'? Angenommen, ich wäre Diktator in Deutschland. Hätte ich dann die Pflicht, zu versuchen, Menschen, die supranaturalistische Weltbilder propagieren, zumindest mundtot zu machen?

Je mehr ich in Foren wie diesen mitlese, desto sicherer werde ich mir, dass die Menschen, die sich am lautesten über die Intoleranz der Religiösen beschweren, Kenntnisdefizite haben. Selbstverständlich ist es ein Leichtes, vor allem ältere Texte zu finden, aus denen Intoleranz spricht. Es gibt aber auch viele Arbeiten von Theologen oder gar Würdenträgern von Amtskirchen, die sich Gedanken über 'Toleranz' machen. In diesem Kontext ist es auch nicht uninteressant, Michael Schmidt-Salomons Überlegungen zu 'Toleranz', 'Ignoranz' und 'Indifferenz' zu bedenken.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon apostat » Di 16. Sep 2008, 08:33

El Schwalmo hat geschrieben:Je mehr ich in Foren wie diesen mitlese, desto sicherer werde ich mir, dass die Menschen, die sich am lautesten über die Intoleranz der Religiösen beschweren, Kenntnisdefizite haben. Selbstverständlich ist es ein Leichtes, vor allem ältere Texte zu finden, aus denen Intoleranz spricht. Es gibt aber auch viele Arbeiten von Theologen oder gar Würdenträgern von Amtskirchen, die sich Gedanken über 'Toleranz' machen. In diesem Kontext ist es auch nicht uninteressant, Michael Schmidt-Salomons Überlegungen zu 'Toleranz', 'Ignoranz' und 'Indifferenz' zu bedenken.


Was heißt Kenntnisdefizite? Ich dachte, es sollte ausnahmsweise mal um den konkret erlebten, alltäglichen Umgang mit Kirche gehen. Und da kann man mir ja schlecht Kenntnisdefizite vorwerfen, denn die Intoleranz habe ich nun mal persönlich jahrelang erlebt und gespürt. Eigentlich wollte ich ja noch nicht mal konkrete Religionskritik formulieren, sondern eher mein Unwohlsein zum Ausdruck bringen, das ich jahrelang im Umgang mit der Religion verspürt hatte.

Ausserdem kann ich mich nicht erinnern, dass ich mich besonders laut und ausdauernd über Intoleranz der Religiösen beschwert hätte. Aber wenn meine letzte Anmerkung schon zu viel war, dann bitte ich um Entschuldigung.

Momentan frage ich mich übrigens gerade, ob ich vielleicht das Selbstverständnis der Brights falsch verstanden habe. Eigentlich hatte ich nicht erwartet, dass ich mich auch in diesem Forum noch für meine Probleme mit Religionen rechtfertigen muss...
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon emporda » Di 16. Sep 2008, 09:29

El Schwalmo hat geschrieben:[Je mehr ich in Foren wie diesen mitlese, desto sicherer werde ich mir, dass die Menschen, die sich am lautesten über die Intoleranz der Religiösen beschweren, Kenntnisdefizite haben.
Hier geht es wohl um das Verständnis von Toleranz

Für mich persönlich bedeutet Toleranz, dass ich den Standpunkt des Anderen als solchen akzeptiere und versuche seine Gründe nachzuvollziehen. Ich muss nicht unbedingt danach handeln.
Für streng Gläugbige bedeutet es, dass Andere meine Meinung akzeptieren und danach handeln. Für diese Leute gilt eindeutig "Glaube=Wahrheit", das ist Meinungsdiktat in der krassesten Form. Wenn ich glaube was von der Kirchenleitung als einzig richtig vorgegeben wird, dann ist das wahr, ist kritiklos ohne Vorbehalte zu akzeptieren und jede andere Sichtweise ist Frevel, Sünde und des Teufels fette Beute. Bei dieser Vorgehensweise nach Intelligenz zu fragen, das erübrigt sich wohl.

Das hatte ich schon einmal ausgeführt. Diskutieren und kritisieren über Religion kann ich nur die jeweils offizielle Version der Kirchenleitung. Die Mehrheit der Gläubigen hat sich eine private Glaubensmystig zurechtgeschnitzt wie z.B. @Stine, die oft sehr stark von der offiziellen Version abweicht. Das ist seitens der Kirche nicht erlaubt und wird unter Androhung schwerster Glaubensstrafen verdammt, nur da hält sich kaum jemand daran. Fängt man an individuell zu kritisieren, dann gibt es fast so viele Versionen und Texte wie Gläubige, man wird nie fertig und trifft auch nie den Punkt.

Kenntnisdefizite sind auch ein Problem. Gerade die RKK schleppt Hunderte von ewig wahren und unveränderbaren Dogmen mit sich rum, die überwiegend aus ihrer Frühzeit stammen. Liest man das Zeug, dann sträuben sich sämtliche Haare. Zwar handelt derzeit kein Kirchenoberer danach und redet auch nie darüber, nur vorhanden und gültig sind sie. Ich bin sicher, hätte die Kirche wieder die absolute Macht, dann käme das ganze Teufelszeug als offizielle Doktrin in Anwendung und das Ende der Menschenrechte, Meinungsfreiheit und anderer Errungenschaften wäre da. Denn wenn die Kirchenoberen auch einseitig und blind gegenüber den Realitäten (HIV, Kondome, Abtreibung usw.) agieren, machtgeil sind sie bis zum Extrem.

Wie also soll man eine Religion kritisieren, die nacht ihren gültigen Texten ein steinzeitlicher Myterien- und Dämonenkult mit Wahncharakter ist, nach dem Reden ihrer heutigen Repräsentanten sich aber einen friedlichen Anstrich gibt. Was nützen die Tausenden von Büchern theologischer Denker, die in den Regalen verstauben. Kaum einer liest das Zeug, keiner handelt danach und die Kirchenleitung ist so in ihren uralten Dogmen gefangen, sie kann nichts tun selbst wenn jemand es wollte
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 09:34

ganimed hat geschrieben:Ich muss Stine jetzt aber mal irgendwie recht geben. Was hier an 'bösen' Zitaten gebracht wird hat auch mit meiner Realität als Christ (die vorbei ist aber an die ich mich noch gut erinnern kann) nichts zu tun.


Wir sind bei Diskussion verschiedener Ebenen angekommen. Das passiert zwangsläufig, wenn man mit Gläubigen über Religion diskutiert.
Ich denke, man kann hier zwei Dimensionen unterscheiden:

1. Die ideelle Glaubensdimension (Gott, Jesus, Maria, Auferstehung, Sünde, Hölle, Bibel, Sklaverei, Kreationismus usw.)

2. Die gelebte Verhaltensdimension (Seelsorge, Rituale, Sinnstiftung, Austausch, Hilfe, Werte, usw .)

Wenn sich Atheisten gegen den bedenklichen Glauben an Übernatürliches verwahren, dann sprechen sie sich gegen die erste der beiden Dimensionen aus. Gegen alles Übernatürliche, Abergläubische.

Und andererseits hat natürlich hat kein Mensch etwas gegen die 2. Dimension, gegen Seelsorge, Rituale und Sinnstiftung. Doch all diese Dinge gibt es auch ohne übernatürlichen Überbau.

Deshalb sprechen sich Atheisten auch nicht gegen das, was Du ansprichst, also "die gelebte Kirche hier vor Ort" aus. Das wäre auch unsinnig, wie und warum soll man gegen die vielfältig positiven Erfahrungen anarguemtieren?

Man kann die Erfahrungen, die ihr in Kirche und Gemeinde macht, mit den Erfahrungen der Menschen in Faschismus und Kommunismus vergleichen. Fragt mal Eure Großeltern oder Freunde in Ostdeutschland. Die werden alle von der herrlichen Zeit "damals" berichten und sich so manches zurückwünschen. Es war ja schließlich "nicht alles schlecht". Die Prinzipien dieser Systeme waren allerdings menschverachtend und hatten z.T. Millionen Opfer zu beklagen.

Und natürlich sind es nicht die einfachen Menschen in Gemeinde oder Kirche, die diese Greueltaten ausführen. Es sind immer Einzelne besonders Gestörte, die das - nicht in allen Bereichen schlechte - System ausnutzen. So ist es im Kommunismus und Faschismus, aber auch im Monotheismus, Hinduismus oder Buddhismus.

Bitte erspar mir aber den Verweis auf die angeblichen "Opfer" des Atheismus. Es hat noch nie jemand einen anderen Menschen umgebracht, weil er an etwas nicht glaubt, woran der andere glaubt, sondern immer, weil der andere vom eigenen Glauben überzeugt werden sollte, und wenn es der Glaube an die Diktatur des Proletariats war.

Islamistische Selbstmordattentäter begehen ihre irrsinnigen Taten nicht, weil sie nicht an Zeus glauben, sondern weil sie glauben, dass sie in einem Jenseists dafür belohnt werden. Maoisten nahmen den Tod von Millionen Menschen während des "großen Sprungs nach vorn" nicht in Kauf, weil sie nicht an einen Gott glaubten, sondern weil sie davon überzeugt waren, dass ihre unsinnigen Maßnahmen einer guten Sache dienten.

Vernünftige Menschen sollten aus den Fehlern ihrer Vorfahren lernen. Wir wissen, dass Glauben an Übernatürliches Tod und Verderben bringt. Also weg damit, auch wenn es Dinge gibt, die mit ihnen verbunden scheinen, die Menschen Freude bringt. Diese Dinge gilt es zu bewahren.

Seelsorge, Rituale, Sinnstiftung, Austausch, Hilfe, Werte, usw. haben nichts mit Kirche oder Glauben zu tun. Schaut in die vorwiegend atheistischen Länder, Tschechien, Japan, skandinavische Länder, Frankreich oder Großbritannien. Schaut nach Ostdeutschland! Dort (70-80% Atheisten) gibt es Seelsorge (psychosoziale Beratungsstellen), Sinnstiftung und Austausch (in Kunst- und Kulturvereinen, Philosophie- und Debattierklubs, Parteien, Sportklubs) Rituale (Jugendweihe, säkulare Totenfeier, Namenfeste, standesamtliche Trauung in repräsentativen Gebäuden) Hilfe (in nichtchristlichen Wohlfahrtsverbänden) Werte (z.B. Familie/Freunde und im Ethikunterricht). All diese Dinge sind natürlich noch stark optimierbar - aber wir sind auf einem guten Weg. :up:
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 09:50

El Schwalmo hat geschrieben: Je mehr ich in Foren wie diesen mitlese, desto sicherer werde ich mir, dass die Menschen, die sich am lautesten über die Intoleranz der Religiösen beschweren, Kenntnisdefizite haben. Selbstverständlich ist es ein Leichtes, vor allem ältere Texte zu finden, aus denen Intoleranz spricht. Es gibt aber auch viele Arbeiten von Theologen oder gar Würdenträgern von Amtskirchen, die sich Gedanken über 'Toleranz' machen. In diesem Kontext ist es auch nicht uninteressant, Michael Schmidt-Salomons Überlegungen zu 'Toleranz', 'Ignoranz' und 'Indifferenz' zu bedenken.


Religonskritik richtet i.a.R. an die Inhalte eines irrationalen Glaubenssystems, nicht an die alltäglichen Erfahrungen der Menschen mit ihrem Glauben.

Ich konnte meiner Großmutter nie begreiflich machen, dass Hitler ein Massenmörder war, dass Millionen Menschen sterben mußten, damit sie ein paar schöne Sommertage hatte.

Die Masche der Religionen ist eine ganz einfache und sie funktioniert auch bei allen anderen Weltanschauungen. Man kriegt die Leute, wenn man ihnen Gutes tut. Immer. Und wenn Du, El Schwalmo, schon viele schöne Abende mit Christen verbracht hast, mit ihnen diskutiert und gelacht, gesungen und gedacht hast, kannst Du Dir kaum vorstellen, dass die Grundlage ihrer Wertentscheidungen ein Buch ist, in dem zu Sklaverei und Massenmord aufgefordert wird, dass ihre Vorbilder Menschen sind, die den Tod Tausender in Kauf nehmen, weil sie Kondome für Abtreibung halten und dass ihre tiefen Überzeugungen dazu anregen können, andere zu verachten, auszugrenzen oder gar zu töten - so wie viele andere schlimme Ideologien auch und vielleicht sogar noch ein bißchen schlimmer.

Gegen diese Ideologien, gegen Faschismus, Kommunismus und Monotheismus kann, ja muß man intolerant sein. Nie aber gegen die Menschen, die diesen Ideologien anhängen.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 10:17

sapere aude hat geschrieben:Gegen diese Ideologien, gegen Faschismus, Kommunismus und Monotheismus kann, ja muß man intolerant sein. Nie aber gegen die Menschen, die diesen Ideologien anhängen.

eben. Und nun gehe mal in Foren wie das FGH oder auch dieses und untersuche, wie mit Menschen umgegangen wird, die derartigen Ideologien anhängen. Das war in etwa, was ich meinte.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 10:20

sapere aude hat geschrieben:All diese Dinge sind natürlich noch stark optimierbar - aber wir sind auf einem guten Weg. :up:

genau das ist auch meine Meinung. Ich vermute, dass vorbildiche soziale Einrichtungen, die von dezidierten Nicht-Religiösen betrieben werden, um Größenordnungen wirksamer hinsichtlich Bewusstseinsbildung sind als noch so elaborierte Religionskritik oder gar Aktionen wie Hostienschändungen.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 10:23

emporda hat geschrieben:Wie also soll man eine Religion kritisieren, die nacht ihren gültigen Texten ein steinzeitlicher Myterien- und Dämonenkult mit Wahncharakter ist, nach dem Reden ihrer heutigen Repräsentanten sich aber einen friedlichen Anstrich gibt. Was nützen die Tausenden von Büchern theologischer Denker, die in den Regalen verstauben. Kaum einer liest das Zeug, keiner handelt danach und die Kirchenleitung ist so in ihren uralten Dogmen gefangen, sie kann nichts tun selbst wenn jemand es wollte

am effektivsten dadurch, dass man sie überflüssig macht. Solange sich in der Bevölkerung die Auffassung hält, dass 'man' in christlichen Hospizen etc. besser aufgehoben ist, kann man nachvollziehen, dass derartige Glaubenssysteme einen Zulauf haben. Wenn wir den Frommen zeigen würden, dass wir das besser können, hätten wir ein extrem starkes Argument, dass man die Übernatur nicht dafür benötigt, um hier und heute ein guter Mensch zu sein.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon achwas » Di 16. Sep 2008, 10:23

Also, sapere aude: Merkwürdige Gedankenfigur: Der Inhalt ist zu kritisierren, nicht aber die Form. Ist das eine denn vom anderen zu trennen?
Oder sind nicht vielmehr äußere Gebärde und Gestalt einer Idee (obwohl ich mit diesem Begriff vorsichtig sein müsste) unmittelbar mit dieser verbunden? Die Träger sind also unschuldig. Ein sich absolut überlegen fühlendes Bewußtsein spricht sie in gönnerhafter Milde frei - und erklärt sie, gleichsam als Kolleteralschaden, für reichlich blöde, unfähig das Feuerchen zu erkennen, auf dem die wohlschmeckende Suppe gekocht wurde...

Ich kommentier das jetzt nicht, wollt mir nur gedanklich zurechtlegen, was sich hier las.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon stine » Di 16. Sep 2008, 10:52

El Schwalmo hat geschrieben:Wenn wir den Frommen zeigen würden, dass wir das besser können, hätten wir ein extrem starkes Argument, dass man die Übernatur nicht dafür benötigt, um hier und heute ein guter Mensch zu sein.
Das wäre schon ein gute Anfang! :respekt:

Leider hat er bis heute so gut wie nicht stattgefunden.

LG stine
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 10:59

stine hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Wenn wir den Frommen zeigen würden, dass wir das besser können, hätten wir ein extrem starkes Argument, dass man die Übernatur nicht dafür benötigt, um hier und heute ein guter Mensch zu sein.
Das wäre schon ein gute Anfang! :respekt:

Leider hat er bis heute so gut wie nicht stattgefunden.

LG stine
:opa:

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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 11:24

achwas hat geschrieben:Also, sapere aude: Merkwürdige Gedankenfigur: Der Inhalt ist zu kritisierren, nicht aber die Form. Ist das eine denn vom anderen zu trennen?
Oder sind nicht vielmehr äußere Gebärde und Gestalt einer Idee (obwohl ich mit diesem Begriff vorsichtig sein müsste) unmittelbar mit dieser verbunden? Die Träger sind also unschuldig. Ein sich absolut überlegen fühlendes Bewußtsein spricht sie in gönnerhafter Milde frei - und erklärt sie, gleichsam als Kolleteralschaden, für reichlich blöde, unfähig das Feuerchen zu erkennen, auf dem die wohlschmeckende Suppe gekocht wurde... Ich kommentier das jetzt nicht, wollt mir nur gedanklich zurechtlegen, was sich hier las.


Es wird Inhalt und Form kritisiert. Der Inhalt der Transubstantiation ist genau so unsinnig und überflüssig wie die Form ihrer Feier. Die Lesungen von Bibelstellen, die ihren Sinn aus der Existenz eines gasförmigen Wirbeltiers beziehen, ebenso. Es gibt allerdings Abschnitte in der Bibel - wie übrigens in tausenden anderen Büchern auch - die zum vernünftigen Nachdenken anregen. Die zu lesen, ist weder dem Inhalt, noch der Form nach überflüssig. Genausowenig, wie all die schönen Dinge, die zur menschlichen Gemeinschaft gehören.

Wer mit der Überzeugung aufwächst, dass das Kinderferienlager (so hieß das im OSTEN, im WESTEN heißt das Kinderfreizeit) eine Frage der Zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung ist, der glaubt natürlich auch, dass man um da teilnehmen zu dürfen an einen übernatürlichen Mann glauben und den eigenen Kindern das Beten oder Gesänge der Arbeiterklasse beibringen muss.

Ich sags nochmal, falls Du es überlesen hast, Seelsorge, Rituale, Sinnstiftung, Austausch, Hilfe, Werte, usw. haben nichts mit Kirche oder Glauben zu tun
!!!

Schau in die vorwiegend atheistischen Länder, Tschechien, Japan, skandinavische Länder, Frankreich oder Großbritannien! Schau nach Ostdeutschland! Dort (70-80% Atheisten) gibt es Seelsorge (psychosoziale Beratungsstellen), Sinnstiftung und Austausch (in Kunst- und Kulturvereinen, Philosophie- und Debattierklubs, Parteien, Sportklubs) Rituale (Jugendweihe, säkulare Totenfeier, Namenfeste, standesamtliche Trauung in repräsentativen Gebäuden) Hilfe (in nichtchristlichen Wohlfahrtsverbänden) Werte (z.B. Familie/Freunde und im Ethikunterricht).

Das sind Formen menschlicher Interaktion, die es in allen Gesellschaftsordnungen gibt. Ihre ideelle Zuordnung wird von Eliten mit Meinungshoheit gestaltet.
Das ist ein jahrzehnte-, ja jahrhundertelanger evolutionärer Prozess. Und wir stehen, was eine konsequente gesellschaftliche Säkularisierung betrifft, gerade an seinem Anfang.

Und nein, Menschen die an einen übernatürlichen Mann glauben, sind nicht blöde. Sie haben lediglich einen Wahn. :irre: Das kommt in den besten Familien vor. Das kann man behandeln.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon achwas » Di 16. Sep 2008, 11:37

Gut. "Das kann man behandeln....."

Wer ist "man" ?

Woher nimmt "man" seine Behandlungsmethoden?

Aus welcher Weltanschauung speisen sich diese?

Braucht es dafür überhaupt eine solche?
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon emporda » Di 16. Sep 2008, 12:21

sapere aude hat geschrieben:Und nein, Menschen die an einen übernatürlichen Mann glauben, sind nicht blöde. Sie haben lediglich einen Wahn. :irre: Das kommt in den besten Familien vor. Das kann man behandeln.
Das bezweifele ich ernsthaft. Für den Irren in der Gummizelle sind alle, die draußen sind, total bekloppt. Nur er allein ist normal. So ähnlich ist es auch mit dem Gläubigen und ihrer Religion, die nur eine Gummizelle aus Dogmen ist.
Beweis:
---------
Religious people have moral guidance which comes from God, atheists have nothing. The legal system is just to keep atheists in place. If it wasn't for the law, atheists would rob old ladies and set children on fire.

Mike J, [2008-Sep-15] [Comments (59)]
http://answers.yahoo.com/question/index ... PBYHCI53Ot
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 12:37

achwas hat geschrieben:Wer ist "man" ?


Alle vernunftbegabten Menschen. Einander. Wir alle haben Wahnvorstellungen. Mehr oder weniger bizarr. Wenn Du eine an mir entdeckst, wünsche ich mir, dass Du mir das schonungslos mitteilst!

Woher nimmt "man" seine Behandlungsmethoden?


Wissenschaft, Kunst, Philosophie und Psychotherapie.

Aus welcher Weltanschauung speisen sich diese?


Aus keiner und allen.

Braucht es dafür überhaupt eine solche?


Nein
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 13:06

sapere aude hat geschrieben:
Aus welcher Weltanschauung speisen sich diese?

Aus keiner und allen.
Braucht es dafür überhaupt eine solche?

Nein

ist es prinzipiell möglich, keine Weltanschauung zu haben?

Oder differenzierst Du zwischen 'erkannter Wahrheit' (also dem Wahn, den man selber vertritt) vs. 'Weltanschauung'?
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 13:39

El Schwalmo hat geschrieben:ist es prinzipiell möglich, keine Weltanschauung zu haben? Oder differenzierst Du zwischen 'erkannter Wahrheit' (also dem Wahn, den man selber vertritt) vs. 'Weltanschauung'?


Es ist möglich, kein Theist, Atheist, Deist, Agnostiker, Antitheist, Multitheist, Pantheist zu sein, also keiner festen benenn-, kategorisier- und stereotypsisierbaren Gruppe oder Kategorie anzugehören und dabei Mensch zu bleiben, der denkt, fühlt und handelt und im Zuge dieses Denkens, Fühlens und Handelns zu irren und dabei zu erkennen.

Meine Kritik am Glauben an Übernatürliches ist Verfahrenskritik am Denken. Sie richtet sich nicht nur an die Inhalte eines bestimmten Wahns, sondern an jede Form des Wahns per se. Sie richtet sich an double standards. Sie richtet sich an die Verneinung einer Irrtumsfähigkeit in bestimmten Fragen.

Das wirft die Frage nach Irrtumsfähigkeit der Irrtumsfähigkeit auf.

Und diese Frage beantwortet sich wiederum von allein.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon El Schwalmo » Di 16. Sep 2008, 13:58

sapere aude hat geschrieben:Das wirft die Frage nach Irrtumsfähigkeit der Irrtumsfähigkeit auf.

Und diese Frage beantwortet sich wiederum von allein.

eigentlich nicht.

Aber wenn Du Irrtumsfähigkeit ernst nimmst, könnte es auch sein, dass ein Gott darüber lächelt, wie Du Dich dagegen sperrst, dass es ihn gibt. Dann wäre das, was Du als 'Wahn' bezeichnest, eine aktualisierte Instanz der in Anspruch genommenen Irrtumsfähigkeit.

Und wenn dieser Gott dann postmortal zu Dir sagen sollte: 'Du Dummerchen, hast Dich halt geirrt, nimm Dir ein Bier und amüsier Dich' hast Du Glück gehabt, dass das nicht der Gott der Monotheisten in der gefürchteten Form ist. Mutatis mutandis könnte auch ein Bibel-Fundi abgeloost haben, falls den dereinst in Walhall Odin anbrüllt, warum er ausgerechnet auf einen nahöstlichen Wanderprediger hereingefallen sei.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon folgsam » Di 16. Sep 2008, 14:07

Alles in allem kann man sagen: Will man das Leben, das Universum und den ganzen Rest als Mensch erleben und menschlich bleiben, muss man einen wirklich schrägen Sinn für Humor haben.
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Re: Religionskritik ist Intoleranz

Beitragvon sapere aude » Di 16. Sep 2008, 14:11

El Schwalmo hat geschrieben:
sapere aude hat geschrieben:Das wirft die Frage nach Irrtumsfähigkeit der Irrtumsfähigkeit auf.

Und diese Frage beantwortet sich wiederum von allein.

eigentlich nicht.


Irrtumsfähigkeit gilt ad infinitum.

Aber wenn Du Irrtumsfähigkeit ernst nimmst, könnte es auch sein, dass ein Gott darüber lächelt, wie Du Dich dagegen sperrst, dass es ihn gibt. Dann wäre das, was Du als 'Wahn' bezeichnest, eine aktualisierte Instanz der in Anspruch genommenen Irrtumsfähigkeit.


Nach allem was wir wissen, gibt es keinen "Gott". Also wird auch niemand über mich lächeln. Ich sperre mich auch nicht gegen irgendwas. Ich freue mich über jede neue Erkenntnis, wohin sie auch führt. Das, was ich als Wahn "bezeichne", ist ein Wahn, da er

1. logisch inkonsistent ist oder wohlbestätigtem Wissen über die reale Welt widerspricht und
2. trotz gegenteiliger Belege aufrechterhalten wird, weil die persönliche Gewissheit der Betroffenen so stark ist, dass sie rational nicht mehr zugänglich sind.

http://de.wikipedia.org/wiki/Wahn

Manche der dort beschriebenen Unterformen des Wahns treffen in mehr oder weniger ausgeprägter Form auf jeden Menschen zu, der an einen übernatürlichen Mann glaubt.

Und wenn dieser Gott dann postmortal zu Dir sagen sollte: 'Du Dummerchen, hast Dich halt geirrt, nimm Dir ein Bier und amüsier Dich' hast Du Glück gehabt, dass das nicht der Gott der Monotheisten in der gefürchteten Form ist. Mutatis mutandis könnte auch ein Bibel-Fundi abgeloost haben, falls den dereinst in Walhall Odin anbrüllt, warum er ausgerechnet auf einen nahöstlichen Wanderprediger hereingefallen sei.


Ich fürchte, ich (oder andere) werden postmortale Botschaften nicht verstehen können, da wir zur Informationsverarbeitung, nach allem was wir wissen(!) ein funktionierendes Hirn benötigen. Wird also auch nix mit dem Besäufnis. :sauf:

Pascals Wette beeindruckt mich nicht. Bin nicht abergläubisch :hellsehen:
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