ganimed hat geschrieben:Ich muss Stine jetzt aber mal irgendwie recht geben. Was hier an 'bösen' Zitaten gebracht wird hat auch mit meiner Realität als Christ (die vorbei ist aber an die ich mich noch gut erinnern kann) nichts zu tun.
Wir sind bei Diskussion verschiedener Ebenen angekommen. Das passiert zwangsläufig, wenn man mit Gläubigen über Religion diskutiert.
Ich denke, man kann hier zwei Dimensionen unterscheiden:
1. Die ideelle Glaubensdimension (Gott, Jesus, Maria, Auferstehung, Sünde, Hölle, Bibel, Sklaverei, Kreationismus usw.)2. Die gelebte Verhaltensdimension (Seelsorge, Rituale, Sinnstiftung, Austausch, Hilfe, Werte, usw .)Wenn sich Atheisten gegen den bedenklichen Glauben an Übernatürliches verwahren, dann sprechen sie sich gegen die erste der beiden Dimensionen aus. Gegen alles Übernatürliche, Abergläubische.
Und andererseits hat natürlich hat kein Mensch etwas gegen die 2. Dimension, gegen Seelsorge, Rituale und Sinnstiftung. Doch all diese Dinge gibt es auch ohne übernatürlichen Überbau.
Deshalb sprechen sich Atheisten auch nicht gegen das, was Du ansprichst, also "die gelebte Kirche hier vor Ort" aus. Das wäre auch unsinnig, wie und warum soll man gegen die vielfältig positiven Erfahrungen anarguemtieren?
Man kann die Erfahrungen, die ihr in Kirche und Gemeinde macht, mit den Erfahrungen der Menschen in Faschismus und Kommunismus vergleichen. Fragt mal Eure Großeltern oder Freunde in Ostdeutschland. Die werden alle von der herrlichen Zeit "damals" berichten und sich so manches zurückwünschen. Es war ja schließlich "nicht alles schlecht". Die Prinzipien dieser Systeme waren allerdings menschverachtend und hatten z.T. Millionen Opfer zu beklagen.
Und natürlich sind es nicht die einfachen Menschen in Gemeinde oder Kirche, die diese Greueltaten ausführen. Es sind immer Einzelne besonders Gestörte, die das - nicht in allen Bereichen schlechte - System ausnutzen. So ist es im Kommunismus und Faschismus, aber auch im Monotheismus, Hinduismus oder Buddhismus.
Bitte erspar mir aber den Verweis auf die angeblichen "Opfer" des Atheismus. Es hat noch nie jemand einen anderen Menschen umgebracht, weil er an etwas nicht glaubt, woran der andere glaubt, sondern immer, weil der andere vom eigenen Glauben überzeugt werden sollte, und wenn es der Glaube an die Diktatur des Proletariats war.
Islamistische Selbstmordattentäter begehen ihre irrsinnigen Taten nicht, weil sie nicht an Zeus glauben, sondern weil sie glauben, dass sie in einem Jenseists dafür belohnt werden. Maoisten nahmen den Tod von Millionen Menschen während des "großen Sprungs nach vorn" nicht in Kauf, weil sie nicht an einen Gott glaubten, sondern weil sie davon überzeugt waren, dass ihre unsinnigen Maßnahmen einer guten Sache dienten.
Vernünftige Menschen sollten aus den Fehlern ihrer Vorfahren lernen. Wir wissen, dass Glauben an Übernatürliches Tod und Verderben bringt. Also weg damit, auch wenn es Dinge gibt, die mit ihnen verbunden scheinen, die Menschen Freude bringt. Diese Dinge gilt es zu bewahren.
Seelsorge, Rituale, Sinnstiftung, Austausch, Hilfe, Werte, usw. haben nichts mit Kirche oder Glauben zu tun. Schaut in die vorwiegend atheistischen Länder, Tschechien, Japan, skandinavische Länder, Frankreich oder Großbritannien. Schaut nach Ostdeutschland! Dort (70-80% Atheisten) gibt es Seelsorge (psychosoziale Beratungsstellen), Sinnstiftung und Austausch (in Kunst- und Kulturvereinen, Philosophie- und Debattierklubs, Parteien, Sportklubs) Rituale (Jugendweihe, säkulare Totenfeier, Namenfeste, standesamtliche Trauung in repräsentativen Gebäuden) Hilfe (in nichtchristlichen Wohlfahrtsverbänden) Werte (z.B. Familie/Freunde und im Ethikunterricht). All diese Dinge sind natürlich noch stark optimierbar - aber wir sind auf einem guten Weg.
