platon hat geschrieben:Könntest Du den dummen Spruch von der Betäubung durch Beitritt zu einer politischen Partei vielleicht mal erläutern?
Das übliche Parteimitglied oder der übliche Stammwähler ist von seiner Partei vermutlich so überzeugt wie ein Katholik vom Papst. - Da muß Partei oder Papst schon einen großen Hammer bringen, damit Mitglieder austreten. Hat man gerade wieder schön im Fall Guttenberg gesehen.
ujmp hat geschrieben:Was du über die Religion sagst, kann man auch über die Lüge sagen.
Hab' ich nicht ganz verstanden. Du meinst, ob Lüge auch eine Anpassung sein kann?
Falls Lügen eine Anpassung wäre, müßte man das erst mal so stehen lassen. Werturteile haben in der Naturwissenschaft nichts verloren; Werturteile sind nur angebracht, um Resultate einzuordnen.
Wenn eine Gottesanbeterin nach der Begattung ihr Männchen verspeist, kann man auch nicht sagen: "Böse, unmoralische Gottesanbeterin! " - sondern man muß sich fragen, warum sie das tut.
Weiteres Beispiel, man vergleiche diese beiden Sätze:
1) Land X hat einen ökonomischen Vorteil erzielt, weil es dem Kyoto-Protokoll nicht beigetreten ist.
2) Person Y hat einen Überlebensvorteil erzielt, weil sie religiös war.
Meine Haltung zum Kyoto-Protokoll darf keine Rolle dabei spielen, wie ich Satz 1) beurteile. Ebensowenig darf meine Haltung zu Religion eine Rolle dabei spielen, wie ich Satz 2) beurteile.
stine hat geschrieben:Wenn du jetzt statt Religion "Sozialismus" oder "Kommunismus" einsetzt, dann passt es auch.
Religion ist eben mehr: Religion hat eine Leitfigur, die KEIN weltliches Interesse hat.
Von meiner Warte aus ist die Abgrenzung zwischen Religion, Weltanschauung, Politik und kulturellen Eigenheiten schwierig. Die Übergänge sind fließend, die (evolutionären) Modelle dahinter ähneln sich.
Ob die Leitfigur "Gott" wirklich kein weltliches Interesse hat, bezweifle ich. Ist mir aber, zumindest im Rahmen dieses Threads, auch wurscht. Debatten darüber, ob die Metaphysik einer Religion logisch ist oder nicht, lenken nur von der eigentlichen Frage ab: Warum Religion?
KULTURELLE EVOLUTION
Vielleicht sollte ich ein bißchen über Evolution von Kultur schreiben. Schon alleine um reflexhaften Widerspruch zu vermeiden, sobald das böse R-Wort fällt.

Evolution von Kultur verläuft kaum anders als die Evolution von Religion. Als Schlagworte: Kooperation, Verweigerung, Betrug und altruistische Bestrafung; soziale Normen, die Konformität durchsetzen; Kopieren erfolgreichen Verhaltens; ebenso Evolution von kulturellen Markern. Läßt sich alles unschwer auf Religion übertragen.
Weil ich gerade schreibfaul bin, für den Anfang ein Zitat. Wenn man ein so breites Phänomen wie Religion nicht im mindesten mit Evolution erklären könnte, wäre Evolution eine recht schmale Theorie.
Boyd & Richerson - Darwinian Evolutionary Ethics: Between Patriotism and SympathyDarwin believed that his theory of evolution by natural and sexual selection would stand or fall on its ability to account for human behavior. No species could be an exception to his theory without imperiling the whole edifice. He thus eventually devoted the
Descent of Man to developing an evolutionary account of human origins based on selection, but also on the inheritance of acquired variation.
What Darwin called the “moral faculties” were a major part of his account of humans. One of the most striking features of human behavior is our very elaborate social life involving cooperation with large numbers of other people. [...]
Darwin made four main arguments regarding human morality:
(1) that it is a product of group selection;
(2) that an immense difference existed between human moral systems and those of other animals;
(3) that the human social instincts were “primeval” and essentially the same in all modern humans; and
(4) that moral progress was possible based on using the instinct of sympathy as the basis for inventing and favoring the spread of improved social institutions.
Modern studies of cultural evolution suggest that Darwin’s arguments about the evolution of morality are largely correct in their essentials.
http://www.des.ucdavis.edu/faculty/rich ... ethics.pdf
Darwin schrieb in sein Notizbuch, 1838 - 1839:
Origin of man now proved.—Metaphysics must flourish.—He who understand baboon would do more toward metaphysics than Locke.
To study Metaphysics as they have always been studied appears to me to be like puzzling at astronomy without mechanics.
In anderen Worten: die Wirkung von Religion zu studieren, heißt den menschlichen Geist zu studieren.
El Schwalmo hat geschrieben:ich bezweifle, dass man beweisen kann, dass der Idee 'Gott' in den Köpfen von Menschen nichts außerhalb derselben entspricht. Selbst Dawkins ist da vorsichtig.
...und wenn die Menschen dann eine bestimmte Idee 'Gott' im Kopf haben, bist du der erste, der bezweifelt, daß sie das beweisen können.

Wie bereits gegenüber stine erwähnt will ich in diesem Thread ganz engstirnig sein: Theologie ist unerheblich für das praktische Phänomen Religion. Die Diskussion über galaktische Strohmänner finde ich allmählich ermüdend, das haben wir schon alles wieder und wieder durchgekaut.