Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » So 2. Dez 2007, 23:23

Nicht-Naturalisten werden uns den Gefallen nicht tun, die ET aus weltanschaulichen Debatten herauszuhalten. Genauer: Sie werden sich gezielt an den Detailproblemen festbeißen. Wenn man als Naturalist dann nicht den Eindruck erwecken will, Rückzugsgefechte zu führen, muss man wohl zum Gegenangriff übergehen und vermitteln können, inwiefern die ET als (noch umstrittenes) Erklärungsmodell in jedem Fall mehr leistet als jede bekannte Alternative.

Dass Dawkins nicht mehr den "state of the art" vertritt, mögen Evolutionsbiologen ihm ankreiden; für die Popularisierung der zentralen Prinzipien von Evolution aber leistet er Wertvolles. Es spielt keine Rolle, ob Dawkins z.B. die Evolution des Auges in den Christmas Lectures naturhistorisch korrekt rekonstruiert hat, so lange seine Zuhörer die Einsicht gewinnen, dass an der Evolution nicht nur "etwas dran sein könnte", sondern dass sie einen Schöpfer in der Tat obsolet machen würde. Wenn seine jungen Zuhörer nach Hause gehen mit der Ahnung, dass die ET (in welcher "Detail-Ausprägung" auch immer) eine sehr viel bessere Idee ist als alle Schöpfungslehren, dann hat Dawkins nicht nur für ihre biologische, sondern auch für ihre weltanschauliche Bildung viel erreicht.

Jedenfalls können wir mit der Aufklärung nicht warten, bis alle evolutionsbiologischen Streitfragen geklärt sind. Und wir können auf den Beitrag der Biologie zum philosophischen Diskurs auch nicht einfach verzichten, nur weil ihre Modelle nicht die Präzision physikalischer Theorien erreichen (können).
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon pinkwoolf » So 2. Dez 2007, 23:27

ostfriese:
Hear, hear! :up:
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » So 2. Dez 2007, 23:38

ostfriese hat geschrieben:Es spielt keine Rolle, ob Dawkins z.B. die Evolution des Auges in den Christmas Lectures naturhistorisch korrekt rekonstruiert hat, so lange seine Zuhörer die Einsicht gewinnen, dass an der Evolution nicht nur "etwas dran sein könnte", sondern dass sie einen Schöpfer in der Tat obsolet machen würde.

ganz schön entlarvend, findest Du nicht auch? Wenn hier ID-ler anwesend wären, würden sie wohl ihrem Schöpfer für diese Steilvorlage danken.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » So 2. Dez 2007, 23:45

Quatsch!

Es ist doch völlig klar, dass für kein einziges Organ jemals eine vollständige Rekonstruierbarkeit aller Phasen der Evolution möglich sein wird. Und daher muss ebenso klar sein, dass man das Fehlen solchen Detailwissens nicht gegen die Idee der Evolution als ganze ins Feld führen kann.

So lange keine Daten aus Fossilienfunden vorliegen, die Vorstellungen, wie es gewesen sein könnte, widersprechen, so lange sind solche Spekulationen im Rahmen der ET-Idee völlig legitim -- und im von mir oben beschriebenen Sinne auch lehrreich: Sie zeigen schlicht und ergreifend, dass die Evolution z.B. das Auge so oder anders hervorgebracht haben könnte und dass also ein Designer in keinem Fall erforderlich ist.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 3. Dez 2007, 00:22

ostfriese hat geschrieben:Quatsch!

Es ist doch völlig klar, dass für kein einziges Organ jemals eine vollständige Rekonstruierbarkeit aller Phasen der Evolution möglich sein wird. Und daher muss ebenso klar sein, dass man das Fehlen solchen Detailwissens nicht gegen die Idee der Evolution als ganze ins Feld führen kann.

So lange keine Daten aus Fossilienfunden vorliegen, die Vorstellungen, wie es gewesen sein könnte, widersprechen, so lange sind solche Spekulationen im Rahmen der ET-Idee völlig legitim -- und im von mir oben beschriebenen Sinne auch lehrreich: Sie zeigen schlicht und ergreifend, dass die Evolution z.B. das Auge so oder anders hervorgebracht haben könnte und dass also ein Designer in keinem Fall erforderlich ist.

lies noch mal genauer: mein Punkt war, dass die Struktur Deiner Argumentation entlarvend ist. Lies das mal mit den Augen eines Evolutionsgegners. Dann steht dort im Klartext: egal, ob die Darstellung korrekt ist oder nicht, Hauptsache beim Zuhörer kommt an: wir brauchen keinen Gott.

Und nun denke das einfach mal konsequent zu Ende. Ich kann Dir gerne identische Muster aus einer vollkommen anderen Ecke nennen.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » Mo 3. Dez 2007, 00:26

El Schwalmo hat geschrieben:mein Punkt war, dass die Struktur Deiner Argumentation entlarvend ist. Lies das mal mit den Augen eines Evolutionsgegners. Dann steht dort im Klartext: egal, ob die Darstellung korrekt ist oder nicht, Hauptsache beim Zuhörer kommt an: wir brauchen keinen Gott.

Nein, das steht da gewiss nicht. Ich sprach von naturhistorischer Korrektheit, und über die können wir eben bis zu einem bestimmten Grad nur spekulieren.

El Schwalmo, als Lehrer müsstest Du doch eigentlich wissen, dass die effektivste Aufklärung nicht durch den höchsten Grad an Genauigkeit erreichbar ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf Vollmers erhellenden Aufsatz und Vortrag "Darf man Falsches lehren?"

Wir liefern uns den ID-lern nicht durch fehlende Genauigkeit ans Messer, sondern indem wir vergessen, dem Publikum zu vermitteln, dass und warum sie für den Vergleich der Ideen in diesem Fall nicht entscheidend ist!!
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 3. Dez 2007, 00:37

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:mein Punkt war, dass die Struktur Deiner Argumentation entlarvend ist. Lies das mal mit den Augen eines Evolutionsgegners. Dann steht dort im Klartext: egal, ob die Darstellung korrekt ist oder nicht, Hauptsache beim Zuhörer kommt an: wir brauchen keinen Gott.

Nein, das steht da gewiss nicht. Ich sprach von naturhistorischer Korrektheit, und über die können wir eben bis zu einem bestimmten Grad nur spekulieren.

Du schriebst:

so lange seine Zuhörer die Einsicht gewinnen, dass an der Evolution nicht nur "etwas dran sein könnte", sondern dass sie einen Schöpfer in der Tat obsolet machen würde.

und genau darauf bezog ich mich.

ostfriese hat geschrieben:El Schwalmo, als Lehrer müsstest Du doch eigentlich wissen, dass die effektivste Aufklärung nicht durch den höchsten Grad an Genauigkeit erreichbar ist.

Und Du müsstest als Lehrer wissen, dass es nicht statthaft ist, Naturwissenschaft mit Weltanschauung in einen Topf zu rühren.

ostfriese hat geschrieben:Ich verweise in diesem Zusammenhang auch auf Vollmers erhellenden Aufsatz und Vortrag "Darf man Falsches lehren?"

Kenne ich.

ostfriese hat geschrieben:Wir liefern uns den ID-lern nicht durch fehlende Genauigkeit ans Messer, sondern indem wir vergessen, dem Publikum zu vermitteln, dass sie für den Vergleich der Ideen in diesem Fall nicht entscheidend ist!!

Wir liefern uns dann ans Messer, wenn wir mit deren Methoden arbeiten.

Wie gesagt, es geht nicht darum, ob man etwas Falsches lehren darf, sondern ob man das darf, um seine Weltanschauung zu befördern. Das ist ein Unterschied.

Du hast nicht geschrieben, dass es um Evolution oder deren Korrektheit ginge, sondern um deren Bezug zum Atheismus. Das sind zwei Paar Stiefel.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » Mo 3. Dez 2007, 01:08

El Schwalmo hat geschrieben:Wie gesagt, es geht nicht darum, ob man etwas Falsches lehren darf, sondern ob man das darf, um seine Weltanschauung zu befördern. Das ist ein Unterschied.

Wenn Schüler etwas über die Evolution erfahren, kommt das ihrer Bildung zugute. Ob das nur biologische oder damit einhergehend auch weltanschauliche Bildung ist, spielt für die Legitimation einer solchen "Unterrichtseinheit" überhaupt keine Rolle. Folglich auch nicht in meiner Argumentation -- Deine Unterstellung, es ginge mir mehr um den Zweck als um den Inhalt der Lektion, ist also völlig abwegig. Die Kenntnis des Inhalts "Evolution" nämlich ist der Zweck, die beispielhaft betrachtete spekulative Augenevolution dagegen nicht mehr als ein geeignetes Mittel.

El Schwalmo hat geschrieben:Du hast nicht geschrieben, dass es um Evolution oder deren Korrektheit ginge, sondern um deren Bezug zum Atheismus. Das sind zwei Paar Stiefel.

Das sind eben nicht zwei Paar Stiefel, Aufklärung darf nicht an den Fächergrenzen haltmachen. Die Evolution hat biologische und weltanschauliche Konsequenzen, und redliches Bildungsziel kann nur sein, über beide im Zusammenhang zu informieren.

An die weltanschauliche Neutralität, die Schulgesetze uns Lehrern vorschreiben (womit sie dem humanistischen Bildungsideal in Sachen Philosophie diametral widersprechen), müssen sich Wissenschaftler glücklicherweise nicht halten!!
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon pinkwoolf » Mo 3. Dez 2007, 01:11

Mir ist bislang noch kein Evolutionsgegner zu Gesicht gekommen, der sich in die Details evolutionsbiologischer Grenzprobleme vertieft hätte. Für Leute, die die Arche Noah als Erklärung der Artenvielfalt betrachten, ist das doch gar kein Thema.

Deshalb halte ich Dawkins mit seinen anschaulichen Ausführungen über die Evolution für einen wichtigen Advokaten für die wissenschaftliche Vernunft. Mag sein, dass er nicht in der Avantgarde mitmischt; aber das ist auch nicht der Auftrag, den die Bezeichnung seines Lehrstuhls impliziert.

Ich erinnere mich aus meiner Studentenzeit noch gut daran, welches Naserümpfen der Begriff „Populärwissenschaft“ hervorzurufen pflegte. Wenn wir den Plebs von der Teilnahme an neuen Erkenntnissen fernhalten wollen, ist das sicherlich ein gerechtfertigtes Urteil. Wenn wir das nicht wollen, können wir hingegen schon einmal auf den einen oder anderen Fachterminus verzichten.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » Mo 3. Dez 2007, 01:28

pinkwoolf, so ist es!

Und es wäre auch geradezu absurd, die Legitimation von Dawkins' Vorträgen und Büchern daran zu messen, ob er nun Biologie popularisieren oder den Atheismus propagieren will.

Seine wissenschaftlichen Ungenauigkeiten sind im Sinne der Verständlichkeit unverzichtbar und so lange legitim, wie er nicht in manipulativer Absicht fälscht. Erst zur Feststellung einer solchen Unlauterkeit müsste man seine Motive beleuchten. Mit Recht kritisieren dürfte man Dawkins, wenn er Fakten, die gegen die Evolution und für die Schöpfungstheorie sprechen, vorsätzlich verschwiegen hätte, nur um den Atheismus zu stützen.

Derlei Unredlichkeit vermag ich nicht einmal im "Gotteswahn" zu erkennen; schlimmstenfalls kann man dem Autor vorwerfen, dass hier und da der polemische Gaul mit ihm durchgeht...
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 3. Dez 2007, 07:53

pinkwoolf hat geschrieben:Mir ist bislang noch kein Evolutionsgegner zu Gesicht gekommen, der sich in die Details evolutionsbiologischer Grenzprobleme vertieft hätte.

bist Du schon einmal mit Behe, Scherer, Lönnig, Reinhard Junker, Binder etc. zusammengetroffen?

Was könnte wohl damit gemeint sein, wenn Behe sein Buch 'The Edge of Evolution' nennt?
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 3. Dez 2007, 07:58

ostfriese hat geschrieben:Und es wäre auch geradezu absurd, die Legitimation von Dawkins' Vorträgen und Büchern daran zu messen, ob er nun Biologie popularisieren oder den Atheismus propagieren will.

das ist nicht absurd, sondern intellektuell redlich.

Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, Evolution zu popularisieren. Aber hier gilt, wie überall, 'tradittore, traduttore'. Man lastet sich auch eine Verantwortung auf. Je mehr man Evolution vor den weltanschaulichen Karren spannt, desto größer ist die Gefahr, dasselbe zu machen wie die Menschen, gegen die man polemisiert.

Nur, damit es nicht untergeht: ich habe nie gesagt, dass man Evolution im Elfenbeinturm halten soll, sondern dass man sie aus dem weltanschaulichen HickHack heraushalten soll. Eben weil die Evolutionsgegner das nicht tun. Falls Du mich nach breiten Schultern fragst: ich bin voll und ganz auf Darwins Linie.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon Klaus » Mo 3. Dez 2007, 09:48

sondern dass man sie aus dem weltanschaulichen HickHack heraushalten soll. Eben weil die Evolutionsgegner das nicht tun.

Da stimme ich dir zu, letztlich polarisiert keine Theorie die Meinungen im weltanschaulichen Diskurs so, wie die ET. Eine Vereinheitlichung der ET ist in absehbarer Zeit nicht möglich, wenn überhaupt.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » Mo 3. Dez 2007, 13:36

El Schwalmo hat geschrieben:
ostfriese hat geschrieben:Und es wäre auch geradezu absurd, die Legitimation von Dawkins' Vorträgen und Büchern daran zu messen, ob er nun Biologie popularisieren oder den Atheismus propagieren will.

das ist nicht absurd, sondern intellektuell redlich.

Es ist sogar eher intellektuell unredlich, Begründung weiter unten.

El Schwalmo hat geschrieben:Man lastet sich auch eine Verantwortung auf. Je mehr man Evolution vor den weltanschaulichen Karren spannt, desto größer ist die Gefahr, dasselbe zu machen wie die Menschen, gegen die man polemisiert.

Würdest Du einem Philosophen, der irgendwann ein biologielastiges Buch schreibt, umgekehrt vorwerfen, er spanne seine Weltanschauung vor den biologischen Karren?

Evolution ist nun mal ein fächerübergreifendes Feld, und man hat nicht, wenn man den weltanschaulichen Bereich berührt, plötzlich eine gestiegene Verantwortung. Die einzige Verantwortung eines Lehrstuhls "for the public understanding of science" ist, Kernaussagen der Wissenschaften verständlich zu machen, und in der Hinsicht darf es keine no-go-areas geben. Gerade, wenn man die Relevanz eines Forschungsfeldes verkürzt darstellt, handelt man intellektuell unredlich. Was umso mehr gölte, wenn man dies aus dem Kalkül heraus täte, ID-lern "um Gottes Willen" keine Angriffsfläche zu bieten.

Ich käme niemals auf die Idee, Nichtnaturalisten vorzuwerfen, sie hätten irgendetwas "vor ihren weltanschaulichen Karren gespannt". Im Gegenteil: Wenn die Gläubischen etwas davorzuspannen hätten, wäre das schon mal ein Fortschritt, denn dann wüssten wir wenigstens partiell, wovon sie überhaupt reden.

Edit: Ich denke, wir sind uns einig, dass die biologischen Argumente aus dem ID-Lager allesamt nicht taugen, den kreationistischen Karren auch nur einen Millimeter vom Fleck zu bewegen. Sie dienen allenfalls dazu, den Karren der Naturalisten vorübergehend an der Weiterfahrt zu hindern.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » Mo 3. Dez 2007, 14:22

Nochmal etwas grundsätzlicher: Es gibt keinen intellektuell redlichen Grund, auf die Formulierung von Lernzielen im Fach Philosophie zu verzichten.

Weiterhin lässt sich gut begründen, warum zu diesen Lernzielen auch wissenschaftstheoretische Kenntnisse gehören sollten.

Exemplarisch sollte z.B. deutlich gemacht werden, was man unter "Sparsamkeit" mit Hypothesen, "eleganten" Theorien, "Erklärungswert" und "Kritisierbarkeit" versteht.

Hierfür ist der Vergleich zwischen ET und ID/Schöpfungslehre ein Paradebeispiel. Dass (nicht nur wissenschaftstheoretische, sondern auch) biologische Erkenntnisse für die ET sprechen, lernen die Schüler normalerweise im Biologieunterricht. Aber warum sollten sie nicht auch beides im Zusammenhang erfahren dürfen?

Ich sehe keine didaktischen Gründe, die dagegen sprächen; das Erreichen sowohl der biologischen als auch der philosophischen Lernziele im Zusammenhang mit der ET wird durch den fächerübergreifenden Ansatz befördert. Deshalb handelt Dawkins vielleicht unkonventionell, aber didaktisch geschickt, verantwortungsbewusst und sogar vorbildlich.

(Dass Kreationisten sich die ET als Feindbild an die Wand nageln, ist sowieso unvermeidlich, und deshalb kann die Paarung ID vs. ET von uns Naturalisten weder angesetzt noch abgesetzt werden. Sie bleibt auf dem Spielplan, mit oder ohne Dawkins, ob wir wollen oder nicht.)
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 3. Dez 2007, 14:42

ostfriese hat geschrieben:Edit: Ich denke, wir sind uns einig, dass die biologischen Argumente aus dem ID-Lager allesamt nicht taugen, den kreationistischen Karren auch nur einen Millimeter vom Fleck zu bewegen. Sie dienen allenfalls dazu, den Karren der Naturalisten vorübergehend an der Weiterfahrt zu hindern.

natürlich sind wir uns hier einig, aber wir reden ständig aneinander vorbei.

Mein Thread war, dass Evolutionsbiologie vor den Karren gespannt wird. Nur das ist unredlich. Auch die Evolutionstheorie hat dahin zu gehen, 'wherever the evidence goes'.

Du hast geschrieben:

so lange seine Zuhörer die Einsicht gewinnen, dass an der Evolution nicht nur "etwas dran sein könnte", sondern dass sie einen Schöpfer in der Tat obsolet machen würde.


Das genau ist mein Punkt: die Evolutionsforschung kommt zu Ergebnissen. Die können atheistisch interpretiert werden, oder auch nicht. Es gibt sehr fähige Evolutionsforscher (Dobzhansky oder Ayala beispielsweise), die als Theisten kein Problem mit Evolution haben. Der Schöpfer wird für diese Menschen durch Evolution nicht obsolet, ganz im Gegenteil. Und genauso wie Dobzhansky als Theist gegen Kreationisten zu Felde zog, macht das jetzt Ayala gegen ID, ebenfalls als Theist.

Und wenn Dawkins das nun als Atheist Evolution hochhält, und andere das als Theisten machen, sollte langsam klar werden, dass Evolution eventuell gegen platte Kurzzeit-Kreationisten (also deren junge Erde oder Schöpfungswoche) Argumente liefert, aber keine gegen ID oder gar gegen die Einstellungen der Großkirchen. Natürlich greifen Menschen Evolution an, und natürlich zeigt man denen, wo's lang geht. Aber als Wissenschaft ist Evolution denkbar ungeeignet, eine Weltanschauung zu begründen.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » Mo 3. Dez 2007, 15:31

Wir reden tatsächlich aneinander vorbei. Die Evolutionstheorie soll doch die atheistische Weltanschauung nicht "begründen". Hierfür gibt es weitaus geeignetere Argumente. Aber es muss erlaubt sein, nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Evolution, gemessen an wissenschaftstheoretischen Kriterien*, eine bessere Idee ist als ID und dass, wenn ET wahr ist, die Annahme eines Designers obsolet wird. Nicht mehr, nicht weniger.

Und nochmal zur Frage der Genauigkeit: Falls seine Argumentation nur bei grober Vereinfachung funktionierte, umgekehrt aber bei Berücksichtigung aller bekannten Fakten in sich zusammenbräche, hätte Dawkins selbstverständlich unredlich gehandelt, denn dann hätte er die Vereinfachung nicht aus didaktischen Gründen zur Erreichung eines legitimen fächerübergreifenden Lernziels (Kenntnis der Evolution), sondern offenbar bloß zum Zwecke weltanschaulicher Manipulation eingesetzt.

Dies aber ist nicht der Fall; seine Argumentation steht auf Darwins breiten Schultern (Deine Worte) und bräche erst zusammen, wenn sich herausstellen sollte, dass der alte Charlie sich gründlich geirrt hat.


*ID will ja sogar in den Bio-Unterricht, also muss sie sich auch an solchen Kriterien messen lassen.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » Mo 3. Dez 2007, 15:50

El Schwalmo hat geschrieben:Mein Thread war, dass Evolutionsbiologie vor den Karren gespannt wird. Nur das ist unredlich. Auch die Evolutionstheorie hat dahin zu gehen, 'wherever the evidence goes'.

So lange Dawkins Forschung betreibt, hat er "dahin zu gehen, 'wherever the evidence goes' ".
Aber wenn er Volksaufklärung betreibt, muss er aus didaktischen Gründen einerseits über den Tellerrand seiner Disziplin hinaus blicken (Weltbild und Weltanschauung sind allenfalls mit intellektueller Gewalt voneinander zu trennen) und andererseits von der Frontlinie wissenschaftlicher Evidenz etliche Schritte zurück treten.

Allgemeinbildung (als Tätigkeit) unterscheidet sich fundamental von Forschung, und leider gibt es immer noch zu wenige Wissenschaftler, die sich jener ehrenwerten Kunst widmen.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon El Schwalmo » Mo 3. Dez 2007, 16:27

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Mein Thread war, dass Evolutionsbiologie vor den Karren gespannt wird. Nur das ist unredlich. Auch die Evolutionstheorie hat dahin zu gehen, 'wherever the evidence goes'.

So lange Dawkins Forschung betreibt, hat er "dahin zu gehen, 'wherever the evidence goes' ".
Aber wenn er Volksaufklärung betreibt, muss er aus didaktischen Gründen einerseits über den Tellerrand seiner Disziplin hinaus blicken (Weltbild und Weltanschauung sind allenfalls mit intellektueller Gewalt voneinander zu trennen) und andererseits von der Frontlinie wissenschaftlicher Evidenz etliche Schritte zurück treten.

wir reden aneinander vorbei. Es ist ein Thread, aufzuklären. Ein vollkommen anderer, via Evolution für irgendwas zu missionieren. Wie oft muss ich diese Passage eigentlich noch zitieren, bis Du endlich nicht mehr ablenkst, sondern darauf eingehst:

so lange seine Zuhörer die Einsicht gewinnen, dass an der Evolution nicht nur "etwas dran sein könnte", sondern dass sie einen Schöpfer in der Tat obsolet machen würde.


Das hat nun gar nichts mehr mit Aufklärung zu tun, sondern ist nur noch PR für eine Sache. Wir könnten uns natürlich auch noch darüber unterhalten, wann Dawkins zum letzten Mal Forschung betrieben hat. Oder darüber, ob nur ein Atheist ein guter Evolutionsbiologe sein kann. Ich habe Dir konkrete Beispiele dafür benannt, dass es Menschen gibt, die erstklassige Evolutionsbiologen sind, und trotzdem nicht davon ausgehen, dass Evolution einen Schöpfer obsolet machen könnte.

ostfriese hat geschrieben:Allgemeinbildung (als Tätigkeit) unterscheidet sich fundamental von Forschung, und leider gibt es immer noch zu wenige Wissenschaftler, die sich jener ehrenwerten Kunst widmen.

Du redest schon wieder an mir vorbei.

Thread 1: Naturwissenschaftler tragen zur Allgemeinbildung bei

Thread 2: Allgemeinbildung ist Atheismus-PR

Thread 1 begrüße ich aufs Ausdrücklichste. Vor Thread 2 kann ich nur warnen, und zwar aus den Gründen, die ich benannt habe. Auch wenn es Menschen wie Dir nicht in den Kram passt: man kann in den Naturwissenschaften auf der Höhe der Zeit sein, und dazu noch Theist. Ein 'aufgeklärter Christ' (spannende Frage, ob es so etwas gibt, genauer, ob das noch ein 'Christ' oder schon ein Deist ist) hat keinerlei Probleme mit irgendwelchen Ergebnissen der Naturwissenschaften. Er liest halt SEINE Spuren, oder erfreut sich daran, wie raffiniert sein Chef doch ist. Wie sich so etwas anliest, habe ich schon erwähnt:

Kummer, C. (2007) 'Evolution - offen für Gottes schöpferisches Handeln?' in: Klinnert, Lars 'Zufall Mensch? Das Bild des Menschen im Spannungsfeld von Evolution und Schöpfung' Darmstadt, WBG S. 91-105

Nur damit kein falscher Zungenschlag in die Diskussion kommt: ich plädiere selbstverständlich nicht für Theismus oder auch nur Supranaturalismus. Sondern, wie es sich für einen aufrechten Agnostiker gehört, dafür, sein Blatt nicht zu überreizen. Das heißt, dass der, der etwas behauptet, beweispflichtig ist, und dass man in den Bereichen, in denen es keine Beweise gibt, ruhig weiter forscht. Sine ira et studio, nach dem auch von Theisten anerkannten Mott 'etsi deus non daretur', wobei man sich immer vor Augen halten muss, was 'etsi' bedeutet.
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Re: Artikel zu Kerners Dawkins-Sendung

Beitragvon ostfriese » Mo 3. Dez 2007, 17:22

Du reitest die ganze Zeit auf der einen unglücklichen Formulierung von mir herum, obwohl aus dem, was ich in den folgenden Beirägen schrieb, längst klar geworden sein muss, dass ich keineswegs schlechte Biologie für weltanschauliche Manipulation instrumentalisieren möchte. Was also soll die alberne Wiederholung?

Wenn wir an einander vorbei reden, dann liegt es vielleicht daran, dass Du an mir vorbei redest.

Du "zitierst" mich zwar, gehst dann aber nicht auf den Wortlaut meiner Argumente ein, sondern interpretierst sie so um, dass sie easy targets werden.

Ich habe beispielsweise nirgends behauptet, dass der Atheismus aus der ET "folgt". Das kannst Du mir noch fünfmal unterstellen, davon wird es nicht wahrer.

Richtig ist, dass Evolution einen Designer obsolet macht. Dass es Leute gibt, die trotzdem an Götter glauben, beißt davon keinen Faden ab.

Halten wir doch einfach fest: Du möchtest die ET aus weltanschaulichen Diskussionen heraus halten, ich möchte das Gegenteil. Wir beide haben unsere Gründe, und wir beide sind überzeugt: die besseren auf unserer Seite.

Letztlich läuft alles wieder auf die Streitpunkte hinaus, auf die wir zwei eigentlich immer über kurz oder lang zusteuern:
1. Welche Wechselbeziehungen bestehen zwischen Naturwissenschaften und Philosophie?
2. Ist es vernünftiger, Atheist zu sein oder Agnostiker?

Meine Antworten zu Frage 1 unterscheiden sich von Deinen, und eben deshalb unterscheiden sich auch unsere Antworten zur Frage 2.

Dawkins spielt, weil er ein sehr gutes Blatt in der Hand hält, "ouvert" -- da kann er weiter reizen als übervorsichtige Agnostiker! Und muss auch nicht die ET in den Skat drücken...
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