Atheismus = Wahrheit?

Re: Atheismus = Wahrheit?

Beitragvon Tapuak » So 11. Nov 2007, 18:17

ostfriese hat geschrieben:Mehr kriegen wir nicht, mehr brauchen wir auch nicht.

Ich finde, dieser einfache Satz ist eine sehr gute Zusammenfassung rationaler Erkenntnistheorie. :up:
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Re: Atheismus = Wahrheit?

Beitragvon El Schwalmo » So 11. Nov 2007, 20:45

dvrvm hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:und ob man den Begriff 'tatsächliches Wissen' verwenden sollte, wenn das naivere Menschen dazu bringt, selbiges mit 'wahren Aussagen' zu verwechseln.

Mein Punkt ist gerade, dass man diesen Begriff eben doch verwenden sollte. Grund? "Naivere" Menschen setzen sich mit deinen bzw. unseren philosophischen Unterscheidungen dieser Konzepte gar nicht auseinander. Du kannst mit ihnen nicht von "zeitkernig diskursiv einlösbaren Geltungen" sprechen im Unterschied zu "Wahrheit" oder "Wissen". Für Menschen, die sich eben genau nicht für den Unterschied interessieren, sehe ich es nicht als Problem, unser wissenschaftliches Wissen als "tatsächliches Wissen" zu präsentieren. Wir verhalten uns nämlich im Alltag so, als ob unser Wissen tatsächliches Wissen wäre. Jeder, der sich genauer dafür interessiert, wird den Unterschied sowieso selber erkennen...

stimmt. Und nur wenn wir etwas intensiver nachdenken, merken wir, dass unsere 'Wahrheit' genauso auf Glauben beruht wie die der Theisten. Nur die Begründungen sind besser diskursiv einlösbar. Manche lernen das durch Nachdenken, andere auf die harte Tour, beispielsweise, wenn sie an einen Theologen geraten, der seine Hausaufgaben in Wissenschaftstheorie gemacht hat.
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Re: Atheismus = Wahrheit?

Beitragvon ostfriese » So 11. Nov 2007, 21:18

El Schwalmo hat geschrieben:Nur die Begründungen sind besser diskursiv einlösbar.

Wie kommt es denn, dass sie "besser diskursiv einlösbar" sind? Liegt es nicht an ihrer externen Konsistenz, also daran, dass sie nicht in Widerspruch geraten mit dem, was wir intersubjektiv hypothetisch als wahr akzeptiert haben, unserem Hintergrundwissen?

In dem Fall aber dürften wir sie eben jenem Wissen hinzurechnen.

Wir handeln so, als ob es Wissen gäbe. Diese Strategie ist empirisch erfolgreich und vernünftig, da unsere Wirklichkeitsmodelle für diverse Zwecke offensichtlich (unter der einzigen Voraussetzung des hypothetischen Realismus) hinreichend genau sind. Mit eben dieser hohen Genauigkeit oder Wahrscheinlichkeit dürfen dann auch gewisse Argumente als zwingend gelten. Konträre Behauptungen dagegen mit entsprechend hoher Wahrscheinlichkeit als falsch. Wer letztere dennoch vertritt, glaubt -- wider besseres Wissen -- daran.

Übrigens glaube ich nicht an hypothetische Theologen, die ihre Hausaufgaben in Wissenschaftstheorie gemacht haben. Hätten sie sie gemacht, wären sie keine Theologen mehr...
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Re: Atheismus = Wahrheit?

Beitragvon El Schwalmo » So 11. Nov 2007, 22:00

ostfriese hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Nur die Begründungen sind besser diskursiv einlösbar.

Wie kommt es denn, dass sie "besser diskursiv einlösbar" sind? Liegt es nicht an ihrer externen Konsistenz, also daran, dass sie nicht in Widerspruch geraten mit dem, was wir intersubjektiv hypothetisch als wahr akzeptiert haben, unserem Hintergrundwissen?
hier ging meine Denke als Naturwissenschaftler mit mir durch. In diesem Bereich sind Aussagen eher prüfbar, weil sie an der Erfahrung scheitern können.

Theologen machen Aussagen über einen anderen Seinsbereich, der ist schwerer prüfbar.

AFAIK gehört Wissenschaftstheorie zum Curriculum der Theologen. Ich kenne viele Theologen, deren Kenntnisse in Wissenschaftstheorie viel besser sind als die vieler Menschen, die als Wissenschaftler ihr Geld verdienen. Man kann problemlos Theologe und Wissenschaftstheoretiker sein, eben weil sich die Theologie mit Fragen befasst, die der Wissenschaft (genauer: Naturwissenschaft) eher entzogen sind.
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Re: Atheismus = Wahrheit?

Beitragvon ostfriese » So 11. Nov 2007, 23:21

Aussagen, die sich auf einen "anderen Wirklichkeitsbereich" beziehen, sind beliebig generierbar, empirischer Prüfung unzugänglich, kritikimmun (in Bezug auf externe Konsistenz), redundant, bedeutungsleer oder unverständlich -- und haben eben deshalb im rationalen Diskurs nichts zu suchen.

Nur solche theologischen Aussagen, die sich auf "unsere" hypothetische Realität beziehen, verdienen -- diesseits metaphysischer Spekulationen -- ernst genommen zu werden. Jedenfalls so lange, bis sie im dünnen Eis ihrer Ad-hoc-Begründungen einbrechen...
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Re: Atheismus = Wahrheit?

Beitragvon Kival » Mo 12. Nov 2007, 00:27

El Schwalmo hat geschrieben:
Kival hat geschrieben:
El Schwalmo hat geschrieben:Wenn Du Gott widerlegen kannst, gebe ich meinen Agnostizismus auf.

Hier musst Du aber zeigen, warum die Widerlegung Gottes notwendig ist für einen schwachen Atheismus: Ich glaube nicht, dass es Gott gibt, weil es keinen Grund dafür gibt, an ihn zu glauben*. Ich bin also hypothetischer Atheist - wenn mir jemand Gott beweisen kann, gebe ich meinen Atheismus auf.

Agnostizismus ist eine epistemische Postion, Du schilderst eine pragmatische.


Ich bin aber *allem* gegenüber 'agnostisch', warum soll ich das gerade beim Gottesglauben betonen?

Kival hat geschrieben:*Und weil ich immer noch nicht weiß, was das Wort Gott eigentlich bedeuten soll - um das, was Du einen negativen Gottesbeweis nennen willst, noch zu nennen.

Sag einfach 'Urgrund des Seins'. Könnte sein, dass diese(s) Wesen das Universum geschaffen hat. Kann sein, dass es seine Hand ab und an im Bereich der Evolution im Spiel hat. Ich gehe nicht davon aus, dass es so ein Wesen gibt, aber mir fällt kein Argument dagegen ein, dass es existieren könnte.
[/quote]

Es reicht völlig aus, kein Argument dafür zu sehen. Gegen etwas undefiniertes gibt es keine Argumente ('Urgrund des Seins' ist reichlich nichtssagend), gegen bestimmte Gottesvorstellungen gibt es einige Argumente (Mackie: Die Wunder des Theismus).
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Re: Atheismus = Wahrheit?

Beitragvon dvrvm » Mo 12. Nov 2007, 00:49

Ich kenne viele Theologen, deren Kenntnisse in Wissenschaftstheorie viel besser sind als die vieler Menschen, die als Wissenschaftler ihr Geld verdienen.

Offtopic: Richtig und traurig. An der ETH, wo ich Bio studiere, ist Wissenschaftstheorie nicht als Pflichtfach auf dem Curriculum... Da wundert es mich nicht, dass immer wieder Wissenschaftler auf die Intelligent-Design-Luftblase hereinfallen, wenn sie nicht einmal wissen, was denn eigentlich unwissenschaftlich daran ist...
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